Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

.............................................................................................................2725 Präsident Grimm:......................................................................................................................2725, 2730

40. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 19. Februar 2003

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 40. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Kollegen Manfred Nink und Nils Wiechmann.

Entschuldigt sind für heute die Kollegen Roger Lewentz, Erhard Lelle und Ulla Schmidt.

An der heutigen Sitzung nehmen als Gäste CDUMitglieder aus dem Kreis Ahrweiler sowie Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Augustiner-Realschule in Hillesheim teil. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Gemäß der Verabredung im Ältestenrat findet heute nur die Einbringungsrede zum Nachtragshaushaltsgesetz 2003 in erster Beratung statt. Morgen wird dann die Aussprache darüber stattfinden. Wir haben vereinbart, dass morgen weder eine Fragestunde noch eine Aktuelle Stunde stattfinden wird. Mit dieser Maßgabe frage ich: Gibt es Wünsche zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die Tagesordnung so fest.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landeshaushaltsgesetzes 2002/2003 (Nachtragshaushaltsgesetz 2003) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/1900 – Erste Beratung

Es spricht der Minister der Finanzen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute dem Parlament einen Nachtragsentwurf zum Haushaltsplan 2003 zur Beratung und Entscheidung vor. Damit reagiert die Landesregierung auf die allgemeine Entwicklung der Steuereinnahmen, die im Verlauf des letzten Jahres zunehmend problematischer geworden ist, nachdem sie bereits im Jahr 2001 rückläufig war.

Ich darf daran erinnern, dass wir in den beiden vergangenen Jahren die höchsten Steuereinbrüche in der Geschichte unseres Landes zu verkraften hatten. Die Steuereinnahmen lagen im vergangen Jahr um 885 Millionen Euro – ich wiederhole: 885 Millionen Euro, nicht D-Mark! – unter dem Betrag des Jahres 2000.

Selbstverständlich hatten wir die aufgrund der Steuerreformstufe 2001 zu erwartenden Steuermindereinnah

men ebenso wie der Bund und die übrigen Länder in unserer Planung berücksichtigt. Hinzu kamen jedoch nicht vorhersehbare Mindereinnahmen aufgrund der konjunkturellen Entwicklung und einige kostenintensive Einmal-Effekte. Dies führte schließlich dazu, dass die Prognosen der Steuerschätzer – dies gilt für den Arbeitskreis Steuerschätzung, in dem die Bundesregierung, die Länder und Kommunen, der Sachverständigenrat, die Bundesbank sowie die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute versammelt sind, wie auch für die Prognostiker in den Chefetagen der Kreditwirtschaft gleichermaßen – von Schätztermin zu Schätztermin nach unten korrigiert wurden.

Wir müssen heute feststellen, dass die Realität sämtliche Prognosen überrollt hat. So darf ich daran erinnern, dass die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten des vergangenen Jahres für die zweite Jahreshälfte 2002 eine Steigerung der Steuereinnahmen bundesweit von 7,2 % prognostiziert hatte. Tatsächlich betrug sie 2,3 %. Dies ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung, mit der sich allerdings die Frage verbindet, was der Politik angesichts dieser Halbwertszeit wissenschaftlicher Prognosen denn noch Hilfe für eine zumindest halbwegs zuverlässige Haushaltsplanung sein kann.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die immer kürzer werdende Verfallszeit der Vorhersagen sollte es den professionellen Prognostikern eigentlich nahe legen, ihren eigenen Anspruch auf Gültigkeit zu hinterfragen und das Tempo, mit dem sie ihre Botschaften verkünden, deutlich zu verlangsamen; denn der hektische Zehntel-Prozent-Fetischismus, den sich die Institute zum Teil im Wettbewerb miteinander liefern, ist ohnehin nicht nur keine Hilfe, sondern schafft lediglich zusätzliche Verunsicherung.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass im Jahr 2002 die volkswirtschaftliche Steuerquote, die nach einem international gültigen Maßstab das Verhältnis aller Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt ausdrückt, um 2,1 Prozentpunkte niedriger war als noch im Jahr 2000. Dies entspricht einer Steuersenkung für Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen in der Größenordnung von 45 Milliarden Euro. Das ist die größte Steuersenkung, die es jemals in Deutschland gegeben hat.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Die Landesregierung geht davon aus, dass die Steuereinnahmen im Jahr 2003 um 580 Millionen Euro niedriger sein werden als ursprünglich geplant. Zum einen resultiert aus den Steuerausfällen der letzten beiden Jahre ein fortwirkender negativer Basiseffekt, zum anderen muss für die künftigen Jahre von niedrigeren gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten ausgegangen werden.

Die Landesregierung zeigt mit ihren Beschlüssen von Ende November vergangenen Jahres und deren konkreter Umsetzung im Nachtragsentwurf einen stringenten Weg für die äußerst schwierige Situation. Dieser Weg ist in Teilen schmerzhaft, aber adäquat und realis

tisch, allerdings auch unverzichtbar. Der Lösungsansatz musste in einem Spannungsfeld konkurrierender Ziele und zum Teil nicht beeinflussbarer Rahmendaten erarbeitet werden.

Abzuwägen war zwischen den haushälterischen Erfordernissen, insbesondere dem mittelfristigen Ziel des ausgeglichenen Haushalts und den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten.

Zu berücksichtigen war ferner die mittelfristig schwächere Dynamik des Wirtschaftswachstums und damit des Wachstums der Steuereinnahmen.

Zu beachten waren selbstverständlich die Reformschwerpunkte der Landesregierung.

Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass zur haushaltstechnischen Umsetzung der Flutopferhilfe ebenfalls ein Nachtrag notwendig war.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf trägt diesen Geboten Rechnung.

Die Steuerschätzung vom November basierte noch auf einer Wachstumserwartung von 1,5 %. Hingegen ist die Landesregierung bei der Schätzung der Steuereinnahmen bereits im November vergangenen Jahres davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Wachstumsrate in diesem Jahr lediglich 1 % betragen wird. Diese Einschätzung wird auch vom Sachverständigenrat geteilt und inzwischen auch von der Bundesregierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht. Ich will deutlich machen, dass wir uns damit bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt für eine vorsichtige Planung entschieden hatten. Ich lege auch Wert auf die Feststellung, dass wir mögliche Mehreinnahmen aus dem in der Beratung befindlichen Steuervergünstigungsabbaugesetz im Gegensatz zu anderen Ländern nicht mit einem einzigen Euro veranschlagt haben.

Im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung ergibt sich für die Jahre 2003 bis 2006 ein Steuerausfall von 2,6 Milliarden Euro. Damit ist das Gesamtvolumen der Hausforderung, vor der wir stehen, beschrieben.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung beschlossen, den Konsolidierungskurs auf der Ausgabenseite zu verschärfen. Für die Jahre 2003 bis 2008 sind Einsparungen in Höhe von jährlich 350 Millionen Euro gegenüber dem bisherigen Finanzplan festgeschrieben. Dieses Paket wird in drei Schritten umgesetzt:

Erster Realisierungsschritt ist der vorliegende Nachtragsentwurf. Die Arbeiten für die zweite Phase, den Doppelhaushalt 2004/2005, und die dritte Phase, den Finanzplan bis 2008, sind bereits in Angriff genommen und in Arbeit.

Das Ziel aller Anstrengungen ist es, im Jahr 2008 den Haushaltsausgleich zu erreichen. Nachdem wir uns auf der Grundlage des Konsolidierungserfolgs des Jahres 2000 zwischenzeitlich den Haushaltsausgleich bereits für das Jahr 2006 vorgenommen hatten, kehrt die Landesregierung wieder zu ihrer ursprünglichen Zielplanung 2008 zurück. Sollten sich allerdings die Steuereinnah

men deutlich günstiger entwickeln als jetzt von uns unterstellt, kann und soll das Ziel früher erreicht werden.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wunschdenken!)

Meine Damen und Herren, eine volle Kompensation der Steuermindereinnahmen ist allerdings trotz der im November beschlossenen Verschärfung des Konsolidierungskurses auf der Ausgabenseite nicht möglich. Die objektiven Zwänge eines Landeshaushalts und die gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Länder lassen dies nicht zu; denn es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass der Staat in einer kritischen Konjunkturphase zwar keine zusätzlichen kreditfinanzierten Investitionsprogramme auflegen soll, allerdings soll er auch Konjunktur und Beschäftigung nicht zusätzlich durch prozyklisch wirkende Ausgabeneinschnitte schwächen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Daher war es uns ein wichtiges Ziel, die investiven Ausgaben vor Kürzungen soweit wie möglich zu schonen und die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr gegenüber dem beschlossenen Vorlumen nicht zu erhöhen.

Bevor ich die Eckdaten des Nachtragsentwurfs erläutere, möchte ich den Vollzug des Flutopferhilfegesetzes kurz darstellen, weil dieses bereits von der Größenordnung her relevant ist, allerdings auch zum Verständnis der Haushaltszahlen notwendig ist.

Durch die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform vom Jahr 2003 auf das nächste Jahr fließen dem Land 130 Millionen Euro und den Kommunen 34 Millionen Euro mehr an Steuern zu. Das Land überweist diese Mehreinnahmen von insgesamt 164 Millionen Euro an den Aufbauhilfe-Fonds, der die weitere Verteilung übernimmt. Die Ausgaben und die Einnahmen des Landes werden dadurch einmalig um diesen Betrag erhöht.

Die Landesregierung hat ihrem Entwurf für den Nachtrag 2003 folgende Eckwerte zugrunde gelegt:

1. Die Ausgaben des Landes werden im Jahr 2003 gegenüber dem Ist des Vorjahres um 1,1 % steigen. Wenn man den zuvor erläuterten Sondereffekt aufgrund des Flutopferhilfegesetzes eliminiert, sinken die Ausgaben um 0,3 Prozent. Damit liegen wir deutlich unter den Vorgaben des Finanzplanungsrates und den Verabredungen zum nationalen Stabilitätspakt, der für 2003 eine Begrenzung des Ausgabenwachstums bei den Ländern auf höchstens 1 % vorsieht.

Ich darf darauf hinweisen, dass damit für die Jahre 1998 bis 2003, also für einen Zeitraum von sechs Jahren, die jahresdurchschnittliche Steigerung der Ausgaben im Landeshaushalt 0,8 % beträgt. Richtig ist, dass diese Steigerungsrate durch die Gründung von Landesbetrieben leicht unterzeichnet ist, aber nur leicht.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU – Licht, CDU: Unterzeichnet?)

Ja sicher. Es hat im Wesentlichen zwei Maßnahmen gegeben, die sich dann auf insgesamt sechs Jahre verteilen.

Richtig ist aber auch, dass sie durch die Systemumstellung beim kommunalen Finanzausgleich im Zusammenhang mit der Rückübertragung der Grunderwerbsteuer auch ein Stück überzeichnet ist.

(Dr. Weiland, CDU: Unterbelichtet!)

Damit wird deutlich, die Landesregierung verfolgt bereits seit Jahren einen konsequenten ausgabenorientieren Kosolidierungskurs.

(Beifall der SPD und der FDP und Heiterkeit bei der CDU)

Aufgrund der aktuellen und mittelfristig fortwirkenden Einnahmenprobleme muss diese Konsolidierungslinie nunmehr noch einmal verschärft werden.