Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Ich bitte um die Berichterstattung. Bitte schön, Herr Abgeordneter Nink.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 4. Dezember 2002 ist der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden.

Der Ausschuss für Bildung und Jugend hat den Gesetzentwurf in seiner 14. Sitzung am 4. Februar 2003 beraten. Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 16. Sitzung am 13. Februar 2003 beraten.

Die Beschlussempfehlung lautet:

„Der Gesetzentwurf wird mit folgender Änderung angenommen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

In § 1 c Abs. 6 werden nach dem Wort ,begonnen‘ die Worte ,oder das 21. Lebensjahr vollendet‘ eingefügt.“

Danke. (Beifall der SPD und der FDP – Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schreiner.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Gesetz bereits vor wenigen Wochen im Plenum diskutiert und die Argumente ausgetauscht, deshalb will ich versuchen, meine fünfminütige Redezeit nicht voll auszuschöpfen.

Ich möchte aber doch auf eins hinweisen. Sie haben vom Berichterstatter gehört, dass dieses Gesetz mit

einer Änderung angenommen wird; denn wir hatten bei der vorherigen Beratung zwei Fragen gestellt. Wir hatten gefragt, ob man aus der Soll-Regelung eine KannRegelung machen soll, und wir hatten bezüglich der Obergrenze von 21 Jahren angefragt.

Nun ist etwas geschehen, was ganz selten in diesem Haus geschieht. Bedauerlicherweise ist die Tribüne relativ leer. Es ist so, dass Sie uns in einem Punkt überzeugt haben und im anderen Punkt wir als Opposition Sie überzeugen konnten.

Das heißt, es bleibt bei der Soll-Regelung, weil es einfach wichtig wäre, was die Geschwindigkeit des möglichen Handelns angeht, kein Lehrerkollegium zwischenzeitlich einzuberufen. Das wäre bei einer KannRegelung erforderlich gewesen. Das heißt, die Schulleitung kann jetzt schnell reagieren.

Das Kollegium wird geschützt. Ich muss handeln, weil eine Soll-Regelung bedeutet, in zwingenden Fällen muss auf jeden Fall gehandelt werden, es sei denn, dem stünde zwingend etwas entgegen.

Was uns sehr wichtig war, die Altersgrenze, bis zu der Eltern informiert werden müssen, wenn ihren Kindern in der Schule Ungemach ins Haus steht, wird auf 21 Jahre festgesetzt. Es ist uns gelungen, die Koalitionsfraktionen zu überzeugen; denn es ist von einer fortschreitenden Entwicklung der Schülerinnen und Schüler auszugehen, und es macht wenig Sinn, bei Schülern, die noch mit Mitte 20 in der Schule sind, die häufig gar nicht mehr zu Hause wohnen – alles, was damit zusammenhängt –, diesbezüglich bei den Elternhäusern vorstellig zu werden.

Insofern handelt es sich um ein kleines Beispiel für unsere Arbeit. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich das in diesem Haus überhaupt erlebe, dass eine Idee der Opposition aufgegriffen wird. Es ist ein kleines Beispiel, bei dem die Opposition gezeigt hat, dass sie mitgestalten muss, und wo Sie die Größe gezeigt haben, dass man das auch annehmen kann.

(Frau Morsblech, FDP: Das haben wir im Europaausschuss auch schon gemacht!)

Wir haben vorhin den Haushalt diskutiert. Ich hoffe, dass das auch beim Haushalt vielleicht möglich sein wird. Wir haben die Hand ausgestreckt.

Entscheidend ist aber, dass wir im Interesse der Schülerinnen und Schüler jeden Strohhalm ergreifen müssen, wenn es darum geht, ihnen zu helfen. Das ist das Argument, das wir beim letzten Mal in den Mittelpunkt gestellt haben und das auch den Mittelpunkt unserer Diskussion im Ausschuss dargestellt hat.

Es gibt immer wieder Stresssituationen in Schullaufbahnen, sei es, dass man nicht versetzt wird, sei es, dass es gar zum Schulverweis kommt, sei es, dass man die Abschlussprüfung nicht besteht. Mit diesen Situationen werden viele Schülerinnen und Schüler nicht fertig. Man liest immer wieder von schlimmen Ereignissen, dass sich Schüler vom Dach stürzen usw. Der Anlass für

diese Gesetzesänderung waren auch die Ereignisse in Erfurt, wo es nicht nur zu Selbstgefährdungen, sondern auch zu Fremdgefährdungen gekommen war.

In solchen Situationen müssen den betroffenen Schülerinnen und Schülern alle Hilfen geboten werden, die möglich sind. Wie gesagt, man muss nach jedem Strohhalm greifen.

(Beifall der CDU)

Ein erster Schritt ist das Gespräch der Schule mit den Elternhäusern. Es geht darum, alle einzubinden, die Verantwortung für das Leben dieser jungen Menschen tragen. Das ist vor allem das Elternhaus. Dabei sind Väter und Mütter in der Pflicht. Deshalb ist diese Schulgesetzänderung ein erster notwendiger Schritt. Aber, ich wiederhole es, es ist eben nur der erste Schritt. Mit der Information an die Elternhäuser ist es nicht getan. Dann geht es erst richtig los, und das müssen Schüler, Eltern, Lehrer, aber auch das Land wissen.

Ich habe gelernt, wenn man in der Opposition etwas fordert, erreicht man offensichtlich weniger, als wenn man Fragen stellt. Da diese Information nur ein erster Schritt sein kann, erlaube ich mir doch die Frage zu stellen: Wie muss in Rheinland-Pfalz in Zukunft der Schulpsychologische Dienst aussehen? Wie soll in Rheinland-Pfalz in Zukunft die Schulsozialarbeit gestaltet sein?

Es ist nur der erste Schritt. In dem Moment, wo die Eltern um die Probleme ihrer Kinder Bescheid wissen, brauchen auch die Eltern, die Lehrer und die Schüler weitere Hilfen, um solche Ereignisse wie in Erfurt oder andere Situationen zu verhindern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mein Kollege Schreiner hat schon darauf hingewiesen, wir haben auch im Ausschuss für Bildung und Jugend über den vorliegenden Gesetzentwurf ausführlich diskutiert. Wir haben in den Gesetzentwurf noch eine kleine Veränderung mit eingearbeitet und mit einer erfreulich breiten Mehrheit die Beschlussfassung dieses Gesetzentwurfs empfohlen. Auch wir waren froh, dass wir bei einem so schwierigen, aber so wichtigen Thema eine breite Mehrheit im Ausschuss finden konnten und hoffentlich auch heute im Parlament finden können.

Worum ging es? – Mein Kollege hat es schon geschildert. Bisher konnten Schulen nur denjenigen Eltern Informationen geben, bei denen die Schülerinnen und Schüler, die volljährig waren, nicht ausdrücklich widersprochen hatten. Es war also ein Auskunftsersuchen an

die Schule zu richten, und nur dann konnte die Schule die Informationen an die Eltern weitergeben. War die Untersagung ausdrücklich formuliert, waren den Schulen bis jetzt die Hände gebunden. Das war einer der Anlässe, weshalb wir über diesen Gesetzentwurf diskutieren.

Nun wird geregelt, dass Informationen von den Schulen an die Eltern weitergegeben werden können, auch wenn vonseiten der volljährigen Schüler widersprochen worden ist. Mein Kollege Schreiner nannte das den Strohhalm. Ich finde, das ist gar kein schlechter Begriff.

Wenn ein Widerspruch der Schülerinnen und Schüler gegen sonstige Informationen abgegeben worden ist, erhalten die Eltern eine Chance und eine Möglichkeit, mit ihren volljährigen Kindern darüber zu reden, weshalb sie diese Form von Informationssperre zwischen Schule und Elternhaus haben wollen. Dies ist möglicherweise eine Chance, überhaupt Gespräche anzufangen, die in der Schule nicht mehr geführt worden sind.

Es wird also – wir wollen gar nicht drum herumreden – ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung junger Erwachsener geregelt, ein Eingriff, der uns allen – davon gehe ich aus –, also auch uns von der SPDFraktion, nicht leicht gefallen ist. Aber wir wollen damit sicherstellen, dass jede Möglichkeit genutzt wird, Hilfe, Beratung und Unterstützung für die betroffenen jungen Menschen zu geben, indem die Eltern möglichst noch zu einem Zeitpunkt, wo die Katastrophe noch nicht eingetreten ist, wo der Schüler noch nicht durch die Prüfung oder durch das Abitur gefallen ist, die Möglichkeit einer Beratung zwischen dem Elternhaus und der Schule sowie die Chance auf Hilfe und Beratung erhalten.

Ich spreche von Chance und möchte dies betonen. Wir sind uns nämlich darüber im Klaren, dass das, was wir heute regeln, nicht die Garantie dafür ist, dass Ereignisse wie in Erfurt oder ähnliche Katastrophenfälle damit verhindert werden. Wir wissen, dass dieses Gesetz nur eine Chance formuliert, nicht jedoch die Sicherheit bietet. Wer könnte sie uns denn auch geben?

Ich möchte auch betonen, wir nehmen zwar an dieser Stelle das Recht der jungen Menschen der Geheimhaltung und der Informationsbarriere zwischen Schule und Elternhaus, aber wir nehmen ihnen nicht das Recht und letztlich auch die Pflicht, selbst zu entscheiden, wie es mit den vorgefundenen Problemen weitergeht. Die Entscheidung, sowohl das Recht als auch die Pflicht, bleibt bei den volljährigen jungen Menschen. Sie werden höchstens und hoffentlich von ihren Eltern dabei unterstützt. Aber dieses Recht wird ihnen nicht genommen.

Wir wissen, dass die Schulen deswegen nicht aus der Pflicht ausgenommen werden, in dem Moment, in dem Probleme entstehen, ihre pädagogische Arbeit zu leisten und den Schülern zu helfen, bevor die Katastrophe eintritt. Aber wir wissen auch, dass manchmal Probleme in den Himmel wachsen und Schülerinnen und Schüler dann über diesen Berg von Problemen, der vor ihnen steht, überhaupt nicht mehr hinwegschauen. Dies erzeugt möglicherweise bei den jungen Menschen Druck und Ängste, die vielleicht dazu führen, völlig unsinnigerweise nicht zu den Eltern zu gehen, aus Angst und Sorge davor, von den Eltern Vorwürfe gemacht zu bekom

men. An diesem Punkt wollen wir der Schule die Chance geben, ihre Verantwortung der Kontaktaufnahme wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch einige Sätze zu dem Vorwurf, mit diesem Gesetzentwurf werde die Diskussion von Volljährigkeit mit 18 Jahren wieder infrage gestellt. Wir reden darüber, dass zunächst mit der Schulgesetzänderung das Alter von 18 Jahren von Jugendlichen natürlich nicht mehr zur vollständigen Barriere und Blockierung führen kann. Aber wir wissen, dass junge Menschen, wenn sie in ihrer Schulkarriere gescheitert sind und ihren Schulabschluss nicht geschafft haben, irgendwelche weiteren Schritte entscheiden müssen, die meistens auch etwas mit der Unterhaltspflicht der Eltern zu tun haben. Spätestens an diesem Punkt werden diese jungen Menschen mit ihren Eltern darüber reden müssen, dass auch ohne einen Schulabschluss dennoch eine Form von Unterhaltsanspruch an diese gerichtet wird, und die Eltern müssen sich dann doch mit den Problemen, die vorher entstanden waren, auseinandersetzen.

Dies geschieht aber an einem Punkt, an dem im Zweifelsfall nicht mehr zu helfen ist, zumindest aber die gescheiterte Schullaufbahn nicht mehr zu korrigieren ist. Davor wollen wir eine Chance für die Eltern, für die Schule und für die jungen Menschen konstruieren, sodass Eltern vor dem Fall einer Unterhaltszahlung und des nicht bestandenen Abiturs die Chance bekommen sollen, zusammen mit der Schule zu helfen und zu beraten.

(Glocke der Präsidentin)

Helfen und Beraten – das ist die Leitlinie des Gesetzentwurf und nicht die Einschränkung von Rechten. Ich möchte das hiermit betonen.

Danke schön.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte Besucher im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Landesschülervertreter und -vertreterinnen aus RheinlandPfalz. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn wir uns manchmal Patentrezepte und schnelle Lösungen wünschen würden, auf so schreckliche Ereignisse wie in Erfurt kann es diese nicht geben. Das haben wir übereinstimmend dargestellt. Solche Taten können nicht durch Verbote und Gesetze vollständig ausgeschlossen werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb lehnen wir GRÜNEN heute die Änderung des Schulgesetzes ab, die ein grundlegendes Bürgerrecht, nämlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung volljähriger und voll geschäftsfähiger junger Menschen, einschränkt.