Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen. Diese Landesregierung hat sich immer gern mit dem Etikett der Kinderfreundlichkeit geschmückt. Sie haben es vor Ort auch in vielen Projekten immer wieder gern demonstriert. Heute räumen Sie einen Großteil dieser Programme ab.
Sie kürzen die Hilfen zu Erziehung und für die Jugendhilfe, obwohl die Zahlen ansteigen. Herr Pörksen, Sie müssten es wissen, Sie waren bei den Anhörungen dabei.
Die Zahl der betroffenen Familien und der Jugendlichen steigt. Ich frage mich: Wo ist Ihre Orientierung in der Politik geblieben? Viele andere im Land und ich können dies nicht mehr erkennen.
Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, das den Bereich der Besoldung und den Umgang im öffentlichen Dienst angeht. Herr Ministerpräsident, Sie haben sich auch ganz persönlich immer für den Einsatz und den Ausbau von Leistungszulagen stark gemacht, für eine leistungsgerechte Bezahlung. Sie haben gesagt, das sei ein wichtiger Motivationsfaktor für die Beschäftigten. Sie haben sich auch dafür eingesetzt, dies mit Verantwortungsübernahme zu koppeln, durchaus im Sinn von Anreiz und leistungsgerechter Belohnung.
Heute aber schlagen Sie in Ihrem Nachtragshaushalt vor, in diesem Jahr alle Beförderungen auszusetzen und damit 8 Millionen Euro kurzfristig in diesem Haushalt zu sparen, so sage ich es einmal. Sie rufen all das, was Sie auch als Motivation setzen wollten, zurück. So war das nicht gemeint.
Ich sage Ihnen, im Bereich der aktiven Beschäftigten holzen Sie heute das ab, was Sie in der Vergangenheit an Reformen versäumt haben und was gefehlt hat.
Da mag Herr Mertes seine Rede von der Reformfreudigkeit dieser Landesregierung zum fünften und sechsten Mal halten. Wir haben sie jetzt auch zum fünften und sechsten Mal in dieser Form gehört.
Sie sprechen den Bereich der Verwaltungsreformen an. Dort waren Maßnahmen notwendig, und da sind Sie falsche Schritte gegangen.
Meine Damen und Herren, an diesen vier Beispielen möchte ich deutlich machen, es geht nicht mehr um Koalitionsquerelen. Es geht nicht nur um schlechtes Mannschaftsspiel in dieser Landesregierung. Meine Damen und Herren, es geht heute darum, dass der Kapitän keine Richtung mehr angibt und nicht mehr ins Spiel findet. Das ist das Problem dieser Landesregierung. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Das hätten Sie gern!)
Herr Mertes hat heute zum wiederholten Mal gesagt, was an Reformen angestrebt ist, was Sie an Reformen auf den Weg bringen wollten und was Sie an Sparbemühungen unternommen haben.
Ich möchte ihn selbst als Zeuge aufrufen. Kürzlich war in allen rheinland-pfälzischen Zeitungen zu lesen, dass er selbst bekannt hat: Sicher haben wir zu spät begonnen zu sparen, genau hinzuschauen, wo es eigentlich Gestaltungs- und Einsparmöglichkeiten gibt. – Wer kann ihn besser widerlegen als er sich selbst in seiner eigenen Argumentation?
Meine Damen und Herren, in einem bleiben Sie sich in Ihrer Politik treu. Sie führen die Fehler der Vergangenheit in der Haushaltspolitik fort. Als Gesamtbewertung ist vorwegzunehmen, Sie betreiben weiterhin eine unverantwortliche Finanzpolitik. Meine Damen und Herren, heute möchte ich nicht über die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts reden. Das könnten wir auch machen. Wir könnten die Margen setzen. Wir könnten sagen, der Puffer zur Verfassungsgrenze ist zu gering. Wir könnten auf die zurückgehenden Steuereinnahmen usw. hinweisen. Ich glaube, wir sind uns alle bewusst, dass es viele Ereignisse geben kann, nämlich die wirtschaftliche Gesamtentwicklung, die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg usw. Es sind Entwicklungen und Ereignisse, die nicht in der Hand dieses Landes und nicht in der Hand dieser Landesregierung liegen. Man könnte sie anführen, um die Einnahmensituation noch zu dramatisieren.
Ich finde aber, wenn wir das wissen, sollten wir den Anspruch innerhalb dieses Parlaments aufrechterhalten, dass das, was im Nachtrag vorgelegt wird, auch ein echter Bilanzierungsansatz ist und sich nicht das wiederfindet, was wir in der Vergangenheit immer wieder gefunden haben und auch wieder in diesem Nachtrag finden, nämlich Luftbuchungen, Tricksereien, Schönrechnen von Einnahmen- und Ausgabenpositionen, die einfach im Trüben liegen.
Herr Finanzminister, Sie waren im letzten Jahr schon Getriebener Ihres eigenen Haushalts und Haushaltsvollzugs. Daraus hätten Sie lernen müssen. Es reicht nicht, seit November des vergangenen Jahres durchs Land zu gehen, zu trommeln und zu sagen, jetzt würde es so richtig an das Eingemachte gehen.
Ich kann mich erinnern, dass wir dies Jahr für Jahr, zumindest aber bei jeder Haushaltsberatung gehört haben: Jetzt geht’s richtig ans Eingemachte! – Dann haben wir aber von Konsolidierungspausen gehört, den Hinweis auf Einnahmeneinbrüche oder, wie im letzten Jahr, eine Rekordverschuldung von 1,7 Millionen Euro.
Ich sage Ihnen, vor fünf Jahren haben wir uns noch über eine Neuverschuldung von 2 Milliarden DM echauffiert. Umgerechnet haben wir 3,4 Milliarden DM nur im letzten Jahr neu an Schulden aufgehäuft. Das ist eine Bilanz, die mit dieser Landesregierung nach Hause geht.
Herr Mittler, Sie haben in den vergangenen Jahren „mittlerweise“ – so muss man es sagen – alle Gewinn bringenden Beteiligungen veräußert. In Ihrer Amtszeit sind die Erlöse alle in die laufenden Haushalte geflossen. Sie haben damit nicht Vorsorge für etwas betrieben. Sie haben die Neuverschuldung in unvorstellbare Höhen geschraubt. Sie haben uns mit Ihrer vorläufigen Haushaltsbilanz 2002, die Sie vorgelegt haben, Recht gegeben. Nicht die Ankündigung der Landesregierung, dass Sie im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro erwirtschaftet oder gespart hätten, steht in Ihrer Haushaltsbilanz, sondern es steht dort, dass Sie die Ausgaben in Ihrer Gesamtbilanz um 98 Millionen Euro reduziert haben. Damit sind Sie weit von dem entfernt, was Sie angekündigt und erklärt haben.
Meine Damen und Herren, mit der Regierungsvorlage und mit der Einbringungsrede von Ihnen gestern, Herr Mittler, haben sie uns noch einmal eines bewiesen. Herr Mittler, Sie sind in diesem Zusammenhang nicht Teil der Lösung, Sie sind ein Teil des Problems.
Ich will Ihnen ein paar Beispiele für diese Trickserei nennen. Sie behaupten, Sie hätten die globale Minderausgabe von 65 Millionen Euro aufgelöst. Sie haben allein im Ressort des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums globale Minderausgaben von fast 30 Millionen Euro, ohne sie zu konkretisieren, und das trotz eines Nachtragshaushalts. Sie lösen Rücklagen auf. Dahinter mache ich auch ein Fragezeichen, ob das für diese Zwecke überhaupt möglich ist. Sie führen damit dem Haushalt noch einmal fast 30 Millionen Euro zu. Sie veräußern quasi das letzte Hemd in Form von Forderungen in Höhe von 257 Millionen Euro beim Wohnungsbau und bei landwirtschaftlichen Darlehen. Ich sage Ihnen
Sie planen Rückgriffe auf Ausgabenreste in vielen Ressorts. Damit sollen laufende Ausgaben gedeckt werden. Ich habe vorhin schon gesagt, der Puffer zwischen Investition und Neuverschuldung, über den ich mich heute nicht streiten will, wird immer dünner und dünner, wie die Steuereinnahmen allein bislang erkennen lassen.
Das ist die Pflicht der Opposition und die Chance der ersten Aussprache. Genau das werden Sie sich anhören müssen, Herr Schweitzer.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Billen, CDU: Recht hat Sie, dass Sie das gesagt hat!)
Wenn Sie in dieser Landesregierung diese Maßnahmen als Notmaßnahmen für den Nachtragshaushalt erklären, dann frage ich mich wirklich in Anbetracht der unsicheren weltpolitischen Lage, was Sie in den Jahren 2004/2005 noch machen wollen, wenn Sie heute schon die Notbremse und die Notmaßnahmen präsentieren. Sie verhökern sie zum Teil im Nachtragshaushalt.
Herr Mittler, das, was Sie vorgelegt haben, ist und bleibt in wichtigen Teilen nur scheinbar eine kurzfristige Haushaltskorrektur. Mit wichtigen strukturellen Entscheidungen hat das nicht viel zu tun. Das will ich Ihnen an ein paar Beispielen belegen. Ich bin davon überzeugt, Ihnen fehlt der Mut für langfristige Strategien. Das zeigt sich in den einzelnen Anlagen.
Herr Mertes hat die Anzahl der Beschäftigten in diesem Land und die vom Land bezahlten Beamten, Angestellten und Arbeiter genannt. Ich finde, wenn wir über den Nachtragshaushalt und über die nächsten Jahre sprechen, dann sollten wir darüber sprechen, was ein ganz besonderes Problem der Haushalte der Länder ist, nämlich das Volumen, das wir für die Bezahlung der aktiven Beamten, Angestellten und Arbeiter, aber auch für die Versorgung der Versorgungsempfänger erbringen müssen. Wir müssen realisieren, dass wir Personalausgabenquoten von über 40 % haben.
Zu den rund 60.000 aktiven Beamten kommen heute schon über 30.000 Versorgungsempfänger und -empfängerinnen. Die letzte Zahl wird sich in den nächsten Jahren drastisch erhöhen. Das geschieht nicht zuletzt wegen der erfolgten umfangreichen Neueinstel
lungen in den 70er Jahren. Ich will gar nicht die Schuldfrage diskutieren, wer dafür verantwortlich ist.
Herr Bischel, in den 70er Jahren, als diese Einstellungen erfolgt sind, waren wir als Partei noch nicht vorhanden. Wir waren vor allen Dingen nicht in den Parlamenten vertreten und haben nicht den öffentlichen Dienst so anwachsen lassen, ohne entsprechende Vorsorge zu treffen. Das ist die Last, die auf den Länderhaushalten und den Gemeindehaushalten liegt, weil sie es versäumt haben, eine entsprechende Vorsorge zu machen.
Ja, natürlich, jetzt musste die Schuldfrage kommen, wenn Herr Bischel sich so dumm anstellt und solche Fragen formuliert.
Ich will Ihnen das klar benennen, was das für RheinlandPfalz bedeutet. Sie haben Versorgungsausgaben im Jahr 2001, die im Vergleich zum Jahr 2000 um rund 56 Millionen Euro gestiegen sind. Das sind plus 5,8 %.
Dieser Ansatz wird von Jahr zu Jahr steigen. Das wird nicht gleich bleiben, er wird Jahr für Jahr steigen. Ich will den Vergleich mit dem machen, was Sie an Pers onaleinsparmaßnahmen im Nachtragshaushalt gemacht haben. Sie sparen zusätzlich 28 Millionen oder 38 Millionen Euro; manchmal heißt es so oder so. Allein die Versorgungsausgaben sind in 2001 um 56 Millionen Euro gestiegen.
Wenn Sie sich den Versorgungsbericht der Bundesregierung anschauen, dann bekommen Sie eine Ahnung davon, was für die Rentenempfängerinnen über Zusatzversorgungskassen VBL und andere in Zukunft zu erbringen sein wird. Ich nenne nur zwei Zahlen. Im Jahr 2000 sind es rund 1,6 Milliarden Euro, und im Jahr 2040 werden es in der Prognose 4 Milliarden Euro sein.
Warum sage ich Ihnen diese Zahlen, und warum rede ich so ausführlich darüber? Ich will es Ihnen sagen. Diese Prognosen zeigen, es wird ein aussichtsloses Unterfangen sein, solchen Entwicklungen mit der Kürzung aller Leistungsanreize und Beförderungen in diesem Jahr oder in den nächsten Jahren zu begegnen. Ich nenne die Zahl noch einmal, 38 Millionen gegenüber 56 Millionen Euro. Die Vorschläge im Nachtragshaushalt und das, was darüber hinausgeht, sind ungeeignet. Für uns ist es eine prinzipielle Gerechtigkeitsfrage, wie wir mit den Fragen der Versorgungsausgaben, der Ausgaben, die wir in den öffentlichen Dienst stecken, zukünftig umgehen werden. Es ist eine Gerechtigkeitsfrage zwischen denen, die aus dem öffentlichen Dienst kommen, und denen, die im allgemeinen Rentensystem stecken. Es ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Was bürden wir den heute aktiven Beschäftigten noch auf, um das zu kompensieren, was wir an Nicht-Vorsorge für die Versorgungsleistung getrieben haben? Das
wird eine zentrale Frage der nächsten Landeshaushalte und der damit anstehenden Entscheidungen sein. Dafür haben Sie keinen Schritt vorgelegt.