Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Manche andere auch. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich mache mir Sorgen um dieses Land, aber nicht um die nächste Wahl. Vielleicht unterscheidet uns das diametral.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist hier so getan worden, als wäre, seit diese Koalition in der Verantwortung ist, das Geldausgeben sozusagen zum leichtfertigen Alltagssport geworden und wäre vorher alles völlig anders gewesen. Das, was da behauptet wird, hat mit den Fakten, die ich Ihnen jetzt aufzeigen werde, überhaupt nichts zu tun. In den Jahren von 1980 bis 1991 haben Sie Steuermehreinnahmen im Schnitt von 6,4 % pro Jahr in Ihrer Verantwortungszeit gehabt. Die Gesam tausgaben sind in dieser Zeit um 6,2 % gestiegen.

(Dr. Weiland, CDU: Das waren gute Zeiten!)

Es waren keine guten Zeiten. Da sind die Grundlagen für unsere Probleme gelegt worden. Genau das zeige ich Ihnen auf.

(Dr. Weiland, CDU: Da ist in diesem Land noch etwas gemacht worden!)

Da sind sie gelegt worden.

(Beifall der SPD – Dr. Weiland, CDU: Das war eine sehr gute Zeit!)

Die Kreditfinanzierungsquote war in Ihrer Verantwortungszeit im Schnitt der genannten Jahre 9,3 %. Der Anteil der Nettokreditaufnahme am Steueraufkommen lag bei 13,5 %. Wir haben das verändert. Es ist wahr. Wir haben nach der deutschen Einheit deutlich weniger Einnahmen gehabt, nämlich im Schnitt 4 % im Jahr bis 2000. Wenn wir die letzten Jahre bis 2003 einrechnen, sind es 2,5 %, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir haben die Ausgaben im Schnitt auf 2,4 % heruntergefahren. Sie 6,2 %, wir 2,4 %. Wo da von einer unkontrollierten Ausgabenpolitik die Rede sein soll, müssen Sie mir einmal an Fakten nachweisen und nicht einfach Behauptungen in den Raum stellen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Manches Lachen ist mehr Verlegenheit, weil man keine Argumente zur Verfügung hat, als dass es davon zeugt, dass es anders wäre.

(Zurufe von der CDU)

Ich will Ihnen ein Weiteres sagen.

(Zurufe von der CDU)

Der Vorteil als Regierungsmitglied ist, dass man nicht in die Unruhe hineinreden muss, weil es keine Begrenzung der Redezeit gibt. Ich gebe zu, das ist ein bisschen

unfair gegenüber den Abgeordneten, aber es ist halt so. Ich nutze die Chance.

(Billen, CDU: Wir sollten die Diäten erhöhen, damit das Schmerzens- geld höher wird!)

Ich will Ihnen noch zwei Indikatoren der Haushaltswirtschaft sagen. Herr Kollege Keller, ich schätze Sie ungemein, vor allem als Fassenachter.

(Beifall bei der SPD – Keller, CDU: Im Gegensatz zu Ihnen trete ich nicht auf!)

Ach so, ich hatte gedacht, wenigstens das hätten Sie drauf. Wenn das auch nichts ist, nehme ich sofort mein Lob zurück. Wir wollen niemandem ein ungerechtfertigtes Lob antun.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal von der Kreditfinanzierungsquote reden. Sie war im Zeitlauf Ihrer Regierungsverantwortung bei 9,3 %. Sie liegt jetzt bei 8,2 %. Ich sage dies nicht, weil ich sage, das ist die Grundlage dafür, dass wir einfach weiter so verfahren können. Wenn wir weiter so verfahren könnten, würden wir Ihnen nicht den Nachtragshaushalt vorlegen, den wir Ihnen vorlegen mussten. Dazu gehören all die Einschnitte und Notwendigkeiten. Ich sage das nur, weil ich mich gegen diese Legendenbildung ein für allemal zur Wehr setze. Das ist die Legendenbildung, wir hätten unverantwortlich mit dem Geld gehaushaltet. Das ist schlicht die Unwahrheit. Kein Faktum spricht dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir sind uns darin einig, niemand würde die deutsche Einheit gegen irgendein Haushaltsdatum oder einen wirtschaftlichen Vorteil eintauschen. Ich habe einmal Folgendes rechnen lassen. Wenn die durchschnittliche Einnahmenentwicklung, wie sie damals zu Ihrer Zeit war, bis 1992/1993, als die deutsche Wiedervereinigung in die Ausgleichmechanismen eingeordnet war, weitergelaufen wäre und dazu unsere Haushaltspolitik gekommen wäre, dann hätten wir seit 1997 einen Überschuss im Haushalt des Landes Rheinland-Pfalz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sage ich nur, damit klar ist, wie die Finanzlinien gelaufen sind. Ich lasse weder auf meine Kollegen im Kabinett noch auf die in den Koalitionsfraktionen einen solchen Vorwurf herunterprasseln, weil dies mit harter politischer Arbeit zu tun hatte. Er ist absolut falsch. Wer das Gegenteil behauptet, der muss es mit Fakten und nicht nur mit Behauptungen belegen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Behauptungen und Realitäten gehen auch an anderen Punkten auseinander. Wir bestreiten überhaupt nicht, dass wir eine Finanzsituation haben, die uns im Reigen der deutschen Länder überdurchschnittlich fordert. Meinen Sie, es hat jemand auf einmal masochistische Anflüge und tut sich

selber einen Schmerz an, wie man ihn sich antun muss, wenn man im bestimmten Bereich in Besitzstände eingreift, wie wir dies vorgeschlagen haben? Wir haben Bedarf zu handeln. Zu sagen, das wäre alles völlig aus der Reihe oder wir wären am Ende der Skala, ist unzutreffend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie den Bedarf nicht selbst haben, muss ich sagen. Ich biete Ihnen an, sich die Finanzierungssalden der Länder aus dem Jahr 2002 anzuschauen. Sie werden sehen, dass es unzutreffend ist. Wir sind leider viel zu hoch in der Gruppe, die ein zu hohes Finanzierungssaldo hat. Wir sind bei weitem nicht diejenigen, die den höchsten negativen Finanzierungssaldo haben, wie dies immer behauptet wird. Das ist unzutreffend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hinsichtlich der gemessenen Wachstumsraten bei den Gesamtausgaben liegt nur Baden-Württemberg günstiger als wir. Wir sind die einzigen Länder mit einem Minuswachstum. Alle anderen Länder haben positive Haushaltsentwicklungen, Bayern beispielsweise in einer Größenordnung von 3,4 %. Zugegeben, sie können es sich eher leisten. Aber wenn es darum geht, ob jemand gespart hat oder nicht, dann darf man diese Fakten wenigstens nennen. Das geschieht immer in dem vagen Versuch, dass Fakten doch etwas mit Politik zu tun haben können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ein Wort zu dem sagen, was ein neuer Vorwurf hinsichtlich des Verbuchens oder der Anrechnung der Investitionsquote bezüglich der Hochwassersolidarmittel angeht. Sie wissen es so gut wie wir. Wir haben es bundesweit vereinbart, und alle haben mitgestimmt. Die Union hat Bedenken zurückgestellt, was ich ausdrücklich respektiere. Für das Jahr 2003 tun wir so, als hätten wir die Steuereinnahmen, die ein Stück Steuerreform dem Bürger und der Wirtschaft zurückgeben sollten, nicht mehr als westliche Länder und steuern sie in die Hochwassergebiete.

Es ist von Herrn Kollegen Kuhn zu Recht gesagt worden, es ist nicht zutreffend, dass diese Mittel in vollem Umfang in die Investitionsquote mit hineingerechnet werden. Das gilt für über 30 Millionen Euro nicht.

Ich will darüber hinaus darauf hinweisen, dass die Behauptung, es gebe eine ländereinheitliche Absprache, die dies fordert, das zu 100 % einzusetzen, mindestens seit Februar dieses Jahres, wo es entsprechende Kontakte der Länder mit dem Bund gegeben hat, nicht mehr gilt. Sie müssen Ihren alten Stand der Information ins oweit korrigieren. Ich bin gern bereit, darauf hinzuweisen.

Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang noch auf einen Punkt einzugehen. Es ist von Herrn Kollegen Böhr darauf hingewiesen worden – er hat es als Beispiel gemeint, ich will es auch als Beispiel aufnehmen –, dass wir hinsichtlich der Finanzierung der Sozialstationen so hätten verfahren sollen, die Größenordnung mit den Einnahmengrößenordnungen disponibel zu stellen. Das hätte für Rheinland-Pfalz bedeutet – Frau Kollegin Dreyer hat mir einen entsprechenden Vermerk gerade hereingereicht und hat das noch einmal nachgeschaut –, dass wir aufgrund der Einnahmensituation eine flächen

deckende Versorgung mit Sozialstationen nicht mehr sicherstellen könnten.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Das ist so. Jetzt sagt Herr Billen „Nee“.

(Mertes, SPD: Er weiß halt alles!)

Was soll man dazu sagen.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Kennen Sie ein Faktum dazu? Ich hätte es nicht gekannt, wenn die Ministerin es nicht überprüft hätte. Er sagt jetzt aber „Nee“.

Da man in der Rechnung – deshalb spreche ich es an –, die Herr Kollege Böhr aufgemacht hat, über die man nachdenken muss, ob man nämlich bei Leistungen, die teilweise gesetzliche sind, die aber in ihren Höhen nicht gesetzlich festgelegt sind – als Grund ja, aber nicht in der Höhe –, eine Bindung zwischen der jeweiligen Einnahmen- und der Ausgabensituation schaffen kann, muss man nachdenken dürfen.

(Böhr, CDU: Aber keine starre! Das ist kein Budget für sich!)

Ja gut. Ich sage ja, darüber muss man nachdenken dürfen. Ich sage nur, wenn wir dies auf diesen Punkt herunterbrechen und den Bedarf sozusagen außen vor stellen und ihn nicht in die Formel mit einbeziehen, dann heißt dies, wenn wir den Einklang zwischen Einnahmen und Ausgaben erhalten wollen, dass wir eine flächendeckende Versorgung nicht mehr hätten.

(Zuruf von der CDU)

Doch, das ist so. Ich will das nicht deshalb jetzt einwerfen. Ich bin dankbar dafür, dass wir in solchen Fragen argumentieren und nach Ansätzen suchen, aber so schwierig ist es eben, wenn man die Verantwortung wahrnehmen muss. Das haben wir auch mit unserem Eid geschworen, dass möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land vorhanden sind. Je dünner besiedelt die Region ist, umso schwieriger ist die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung.

Ich reklamiere, dass, wenn wir über solche Mechanismen nachdenken, was ich für richtig und notwendig halte, dann die Aufgabenerfüllung nicht sozusagen zur Disponiblen werden kann. Die Aufgabenerfüllung muss mit in die Formel einbezogen werden, sonst führen sie am Ende aus meiner Sicht in die Irre.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, eine Bemerkung zu dem Verhältnis zwischen Land und Kommunen zu machen. Natürlich wird es immer den Streit geben – er ist verständlich, und ich akzeptiere dies ausdrücklich; ich war selbst einmal Bürgermeister und Kommunalpolitiker, wie die meisten hier im Haus auch –, dass man sich immer gegenseitig sagt: Wenn ihr uns ein bisschen mehr Ausstattung finanzieller Art geben wür

det, dann könnten wir auch einen erheblich besseren Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Situation leisten. –

Ich glaube erstens, dass wir mit der Verstetigung des kommunalen Verbundsatzes – bei Ihnen war das ein Zickzackkurs, und meistens mit den Zacken nach oben, meine Damen und Herren; das darf ich auch noch einmal in Erinnerung rufen – eine Klarheit geschaffen haben für diese Legislaturperiode, die wir früher zu keinem Zeitpunkt gekannt haben.

(Beifall der SPD und der FDP)