Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Herr Mertes, ich erinnere mich noch gut daran, dass Sie bei der Einbringungsrede gesagt haben, dass Ihnen als Raucher sehr wohl die Sucht nach Subventionen bekannt sei. Verschiedene Bezieher – auch Unternehmen – würden sich darauf einstellen. Das müsse man in Angriff nehmen, weil man natürlich Süchten entgegenwirken wolle.

Die falsche Suchtbehandlung ist es aber, auf die Ersatzdroge zu verweisen und eine Subvention über die Investitions- und Strukturbank oder andere Töpfe zu zahlen.

Wenn es um eine Suchtbehandlung geht, geht es darum, eine konkrete Behandlung zu machen.

(Mertes, SPD: Das ist dann Methadon!)

Nein, nicht Ersatzdrogen, sondern harter Entzug ist angesagt, Herr Mertes.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die dritte handlungsleitende Überlegung war, dass wir mit unseren Vorschlägen auch soziale Unausgewogenheiten, die in Ihrem Entwurf enthalten waren, korrigieren wollten. Ich nenne das Stichwort „Veränderungen bei der Erziehungshilfe durch Kürzung der Landesbeteiligung in diesem Bereich“. Das trifft nicht nur die Kommunen, sondern ganz konkret auch Bedürftige – Jugendliche und Familien –, für die dann Angebote wegfallen und knapper werden und von denen Hürden überwunden werden müssen.

Eine handlungsleitende Überlegung für uns war auch, im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen Korrekturen zu erzielen. Für uns war es auch handlungsleitend zu sagen – dies durchaus im Respekt vor dem, was im Bereich der Ganztagsschule in diesem Land angeschoben wurde –: Eine Bildungsoffensive bleibt nicht allein beim Projekt Ganztagsschule stehen. Wir haben 900 weiterführende Schulen und 900 Grundschulen, die sich auf den Weg machen müssen. Ich nenne die Stichwörter PISA, IGLU, Veränderung der Unterrichtssituation und der Lernsituation. Eine Bildungsoffensive bleibt auch nicht bei der Schule stehen, sondern muss sich auch auf den Ausbildungsbereich und die Hochschule erstrecken. Das war unsere dritte handlungsleitende Linie.

Die vierte handlungsleitende Linie war, dass wir gesagt haben: Wir müssen über diese Gespräche, über die Diskussion über den Nachtragshaushalt, für mehr Nachhaltigkeit sorgen. – Dies durchaus im ökologischen Sinne, nämlich indem wir sagen: Wir wollen bestimmte Branchen in Rheinland-Pfalz puschen – erneuerbare Energien im Energiebereich –, aber wir wollen auch bei Reformbestrebungen, die Sie zum Beispiel im Forstverwaltungsbereich haben, ein Stück auf die Bremse treten, um dort ein nachhaltiges Waldwirtschaften noch zu ermöglichen.

Das waren unsere Ausgangspunkte. Die haben wir im Februar genannt. Insofern sind wir mit offenem Visier in diese Diskussion gegangen. Wir haben Punkte eingebracht, über die wir bei der Einbringung schon gestritten haben. Wir wollten uns auch nicht durch sie allein auf die Rolle der Sparkommissare oder Sparkommissarinnen reduzieren lassen. Vermehrt war aus Ihren Fraktionen schließlich auch die Botschaft zu hören: Eigentlich erwarten wir von der Opposition nur Vorschläge, wo man noch mehr streichen oder kürzen kann. Alles andere wird nicht so ernst genommen. – So konnte man von unserer Seite natürlich nicht in die Gespräche gehen, sondern wir wollten auch über Schwerpunktsetzungen und über Veränderungen in der politischen Ausrichtung sprechen.

Was waren die Ergebnisse? Ich sage das ein bisschen ausführlicher als meine Vorredner, weil ich der Meinung bin, dass das für die Menschen, die dort oben auf der Tribüne sitzen oder die ansonsten die Diskussion verfolgen, aber nicht im Detail die Gespräche verfolgen konnten, interessant ist. Ich sage gar nicht, dass die Ergebnisse marginal waren. Es waren weder die klimatischen Veränderungen noch die konkreten Veränderungen marginal.

Herr Böhr hat zuvor die 2 Millionen Euro Kürzungen angesprochen, die wir gemeinsam bei der Erziehungshilfe zurückgenommen haben. Das ist für mich nicht nur eine Entlastung der Kommunen, sondern das ist für mich eine konkrete Hilfestellung für betroffene Jugendliche und Eltern, die Erziehungshilfemaßnahmen benötigen – angefangen von Beratung in der Familie bis hin zu teilstationären oder stationären Angeboten.

Das sind die ersten Schritte, die wir gemeinsam gehen, um die Ausbildungssituation zu verbessern. Wir sehen gemeinsam 200.000 Euro für ein Programm für Initiativen an den berufsbildenden Schulen vor. In Richtung auf

die FDP sage ich: Herr Kuhn, es war für mich schon ein Fortschritt, dass Sie sich auf ein solches Ansinnen eingelassen haben und bereit sind, das gemeinsam mit uns zu machen.

In den Diskussionen um den Ausbildungsmarkt und die erforderlichen Maßnahmen am Ausbildungsmarkt liegen wir in den Diskussionen oft weit auseinander. Sie haben aber das Einsehen gehabt, dass die berufsbildenden Schulen in diesem Feld eine bedeutende Rolle spielen. Dies vor allem in der jetzigen Situation, in der wir alle wissen – deshalb haben wir dieses Thema auch morgen für die Aktuelle Stunde angemeldet –, dass es in diesem Jahr auf dem Ausbildungsmarkt brennen wird und wir jetzt schon absehen können, wie viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz bekommen werden und nicht in Ersatzmaßnahmen unterkommen können und sich Kürzungen der Bundesanstalt für Arbeit kumulieren werden.

Wir können uns nicht erlauben, eine solche Perspektivlosigkeit für Jugendliche in Rheinland-Pfalz aufkommen zu lassen. Deshalb ist für mich von besonderer Bedeutung, dass wir diesen Punkt gemeinsam hinbekommen haben und wir uns an dieser Stelle nicht in das übliche Gezänk oder in Streitereien begeben haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein weiteres Ergebnis ist die gemeinsame Entscheidung für zusätzliche Mittel für die vorübergehende Unterbringung der Fachhochschule Koblenz. Sie wissen, dass wir bei der Einbringung des Nachtragshaushalts kein Geheimnis daraus gemacht haben, dass wir insbesondere die Kürzungen, die Sie im Hochschulbau für die Fachhochschulen Mainz, Worms und Koblenz vorgesehen haben, für einen politischen Fehler halten. Wenn mit diesem Betrag in einem Teilbereich eine Maßnahme in die Gänge gebracht wird, halte ich das auch für einen Fortschritt und eine Entwicklung, die wir gemeinsam hinbekommen haben.

Meine Damen und Herren, man kann darüber streiten, ob das marginal ist. Wenn ich das mit dem Volumen des gesamten Haushalts vergleiche, kann ich natürlich sagen, dass das kleine Beträge und kleine Veränderungen sind. Wenn ich aber die Perspektive derjenigen einnehme, denen diese Maßnahme zugute kommen und für die diese Mittel eingesetzt werden, wodurch sie vielleicht die Perspektive erhalten, über eine berufsbildende Schule oder einen Ausbildungsverbund eine Ausbildungsstelle zu bekommen oder wodurch sie andere Studienbedingungen beispielsweise in Koblenz bekommen können, ist das für mich nicht marginal, sondern ich bin der Meinung, dass es sich gelohnt hat, dafür zu streiten und sich dafür in diese Gespräche einzubringen. Deshalb bin ich mit dem Ergebnis an dieser Stelle auch ganz zufrieden und will das auch gar nicht herunterreden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei den Gesprächen ist aber noch mehr herausgekommen, nämlich dass wir von der Opposition bestimmte Maßnahmen, die Sie in Ihrem Entwurf veranschlagt haben, mittragen werden und dafür auch unsere politische Unterstützung angekündigt haben.

Das gilt beispielsweise für die Streckung der Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Krankenhausfinanzierung oder für die Umstellung von Investitionszuschüssen auf Pflegesatzfinanzierungen für Einrichtungen der Altenhilfe und Behindertenhilfe. Das sind alles keine Maßnahmen, die mit Jubel vor Ort aufgenommen werden. Wenn wir öffentlich und auch in den Gesprächen gesagt haben, dass wir das mittragen, halten wir damit auch ein Stück unseren Buckel hin und sagen: Die finanzpolitische und haushaltspolitische Situation gebietet es, dass wir auch unangenehme Maßnahmen mittragen, die aber vertretbar sind, weil sie perspektivisch entweder befristet sind – das gilt beispielsweise für die Krankenhausinvestitionsmaßnahmen – oder weil sich andere Finanzierungswege eröffnen. – Damit haben wir meiner Meinung nach nicht zum ersten Mal gezeigt, dass hier nicht eine total verweigernde Opposition sitzt. Dieses Bild hat Herr Mertes zuvor angesprochen. Er hat es aber gepflegt.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Herr Hartloff, seitdem ich mich aktiv in die Haushaltsberatungen im Parlament einbringe, weiß ich, dass wir viele, viele Vorschläge gemacht haben, über die es die Chance gegeben hätte, eine gemeinsame Sache zu machen, wie das bei den jetzigen Gesprächen der Fall war. Das ist aber wirklich auch eine Frage der Gegenseitigkeit. Es kann natürlich nicht von uns erwartet werden, dass wir Ihre Maßnahmen applaudierend begleiten, Sie uns aber nachher abwatschen und keinen unserer Vorschläge aufgreifen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in diesen Gesprächen und auch schon bei der ersten Beratung deutlich gemacht, dass uns die finanzpolitische Situation dieses Landes klar ist und wir wissen, wie schwierig die Situation ist. Natürlich haben wir gesagt, dass wir einiges davon im Vorfeld gewusst und auch angemahnt haben. Wir haben doch nicht aus Jux und Dollerei vorgeschlagen, keinen Doppelhaushalt zu machen, sondern besser nur einen Haushalt für ein Jahr zu erstellen, weil man dann weiß, dass man sich wieder in ein Aufstellungsverfahren begeben muss und dann andere Möglichkeiten der Beratung und Abstimmung hat. Es gibt weniger Zusagen, als das bei einem Doppelhaushalt der Fall ist, wodurch sich auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Natürlich hat man bei der Einbringung eines Nachtragshaushalts weniger Gestaltungsmöglichkeiten.

Das ist uns klar. Das haben wir auch der Öffentlichkeit gegenüber gesagt. Deswegen haben wir einzelne Maßnahmen mitgetragen.

In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, warum Sie umgekehrt nicht in der Lage waren, auch nur einen unserer Kürzungsvorschläge aufzunehmen, obwohl die meisten – ich sage das salopp – vom Finanzministerium geadelt wurden. Sie wurden einer Prüfung unterzogen. Es gibt wenige Positionen, die wir vorgeschlagen haben, neben denen „technisch machbar“ nicht stand. Das ist etwas, was Sie uns immer unterstellt hatten. Die GRÜNEN machen Vorschläge, die haushaltstechnisch nicht umsetzbar sind. Es gab ganz wenige Positionen, an denen diese Bemerkung stand. Deswegen verstehe ich

nicht, warum Sie auf der einen Seite bei der Beratung im Februar so wild auf unsere Vorschläge waren und dann keinen aufgenommen haben.

Herr Kuhn, ich begreife auch nicht, mit welchem furchtsamen Gestus die FDP auf unsere Vorschläge reagiert hat.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Furchtsamer Gestus, das heißt, ganz schlicht und einfach mit Angst.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anders habe ich Ihre Kommentierungen nicht verstanden.

(Hartloff, SPD: Das ist dem Kollegen fremd!)

Der FDP ist die Angst nicht fremd. Seien Sie sicher. Aus der Sicht einer anderen kleinen Partei kann ich sagen, einer kleinen Partei ist die Angst nie fremd.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Kuhn, ich weiß nicht, wie ich das ansonsten einsortieren kann. Ich habe mir noch einmal eine Ihrer Pressemitteilungen mitgebracht. Wir torpedieren das Wirtschaftswachstum und die Verkehrspolitik in unserem Land mit unseren Vorschlägen – behaupten Sie dort. Die Konsensgespräche zum Nachtragshaushalt seien offenbar ohne Wirkung geblieben. Irgendwo anders haben Sie gesagt, wir machen das Land unregierbar. Sie haben auch von unüberbrückbaren Gegensätzen gesprochen. Ich weiß nicht, was Ihnen außer der blanken Angst die Hand geführt hat. Sobald wir uns gesehen haben, habe ich am nächsten Tag schon die Pressemeldung auf meinem Computer ges ehen, in der es hieß: Bitte nicht diese Unberührbaren.

(Dr. Gölter, CDU: Sehr schön!)

Herr Kuhn, sollte der Kommentator Recht haben, der die FDP als den eigentlichen Verlierer dieser Gespräche öffentlich geoutet hat, weil sie weder eine führende Rolle gespielt noch sich als unverzichtbar dargestellt hat?

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Darauf und auf unsere konkreten Änderungsvorschläge komme ich später noch einmal zurück.

Meine Damen und Herren, wir haben mit unseren Änderungsanträgen und mit den Vorschlägen, die wir in den Gesprächen vorgelegt haben, nicht alle Schiebereien im Haushalt verändert. Damit meine ich das, was das Wirtschaftsministerium in die ISB gegeben und an Darlehensveräußerungen zurückgeführt hat, und die 240 Millionen Euro – Herr Böhr hat sie angesprochen –, die Sie als Veräußerung dieser Forderungen aus den Wohnungsbaudarlehen veranschlagt haben.

Herr Mertes, Sie hätten heute sagen können, nach Ihren finanzpolitischen Reden hätten sie doch die 240 Mil

lionen Euro woanders herholen sollen. Das hätten Sie tun können. Natürlich haben wir das im Rahmen eines Nachtragshaushalts nicht tun können, genauso wenig wie Sie.

Ich möchte an der Stelle sagen, was mir bei der Einbringung an der Darstellung des Finanzministers, aber auch bei Ihren Kommentierungen gefehlt hat, nämlich dass es einer der Einmaleffekte ist, der nicht ständig wiederholt werden kann. Die Trickkiste von Staatssekretär Deubel ist irgendwann leer. Es gibt keine Tricks mehr, mit denen man noch einmal zusätzliche Einnahmen mobilisieren kann. Hier lohnt kein Roulettspiel mehr. Die OddsetWette bringt den Spielern auch nicht so viel. Der Zahltag kommt. Sie haben es beide in Ihren Reden schon gesagt. Der Zahltag wird mit der Aufstellung des Doppelhaushalts beginnen, weil wir auf solche Effekte nicht mehr zurückgreifen können. Ich gebe Ihnen einmal einen Hinweis: Vielleicht schauen Sie sich dann noch einmal unsere Vorschläge an, die Sie heute so entschieden ablehnen werden.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Herr Creutzmann, Sie sagen bestimmt später etwas dazu. Ich kann Sie schlecht hören. Sie wissen, dass ich sonst nie um eine Anwort verlegen bin, wenn Sie etwas dazwischenrufen.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, wo wir Schwerpunkte gesetzt haben, nämlich im Bildungsbereich insbesondere bei den Schulen, vor allem bei den Hochschulen, und in der Rücknahme Ihrer Kürzungen bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

Herr Böhr, ich bin völlig anderer Meinung als Sie. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die das Land angestoßen hat, sind mit die am besten verfolgten und evaluierten Programme, die gemacht wurden. Das heißt nicht, dass sie immer die erfolgreichsten waren. Was aber die Wirksamkeit, die Überprüfung und die Begleitung anging, sind diese in einem hohen Maß kontrolliert worden. Ich kann nicht verstehen – ich habe mehrfach darauf hingewiesen –, wie man diese Mittel in einem solchen Umfang reduzieren kann, wie dies die Landesregierung vorsieht, weil man doch weiß, dass das, was an Hartz-Vorschlägen und -Maßnahmen in diesem Jahr initiiert wird, in diesem Jahr ohne jede Wirkung bleiben wird. Das ist einfach so. Man hat nicht sofort einen Effekt, wenn man mit einem Programm beginnt, vor allen Dingen, wenn man es noch nicht installiert hat.