Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

(Beifall bei der CDU)

Wir haben weitere Gäste unter uns, und zwar Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Edith-SteinRealschule aus Speyer.

(Beifall im Hause – Ministerpräsident Beck: 10. Klasse, soviel Zeit muss sein!)

Ich bitte um Nachsicht, meine Damen und Herren. Mir ist 9. Klasse aufgeschrieben worden. Jetzt stelle ich fest, dass Sie bereits der 10. Klasse angehören. Wenn man genauer hinschaut, sieht man es auch.

(Beifall im Hause – Ministerpräsident Beck: In dem Alter ist das wichtig, später ist das umgekehrt!)

So ist das, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat Herr Kollege Hohn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Licht will die Privilegierung einschränken. Herr Kollege Licht, ich frage mich, ob Sie sowohl Herrn Kollegen Dr. Braun als auch Frau Kollegin Mohr und mir nicht zugehört haben. Genau mit der Wahrnehmung bei der Beteiligung der Kommunen, bei den Raumordnungsplänen, bei den Flächennutzungsplänen, bei den Bebauungsplänen haben Sie die Möglichkeit, die Interessen der Region zu vertreten. Anscheinend haben Sie das immer noch nicht verstanden.

(Licht, CDU: Theorie und Praxis!)

Das Urteil des OVG hat deutlich gemacht, dass der in Rede stehende § 35 Baugesetzbuch nicht ein Förderprogramm für Windenergieanlagen ist. Er hat vielmehr Kompromisscharakter. Privilegierung einerseits, andererseits aber die Notwendigkeit, den Andrang auf Windenergieanlagen durch Planung zu bewältigen. das muss das Ziel sein, Herr Kollege Licht.

Für unsere Fraktion kann ich als Konsequenz zusammenfassend feststellen:

1. Das Urteil des OVG fördert keine Zunahme von Windenergieanlagen, auch wenn diesmal ein Privater eine Gemeinde verklagt und den Rechtsstreit gewonnen hat.

2. Die planerische Konsequenz, Steuerungsmöglichkeit und Verantwortung der Kommunen bleiben nicht nur erhalten, sondern es werden durch das Urteil höhere Ansprüche an die Kommunen bei der Erstellung der Flächennutzungspläne und Bebauungspläne gestellt.

3. Bestehende Gestaltungsspielräume sind mit qualitativ gestiegenem Ziel- und Planungskonzept zu unterlegen. Die Planung wird differenzierter, aber dafür besser. Das heißt, sie ist leichter nachvollziehbar und transparenter.

Ich denke, das ist auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

(Beifall der FDP)

4. Die Grundsätze unserer Fraktion zu Windenergieanlagen werden durch das OVG-Urteil in vollem Umfang bestätigt und darüber hinaus sogar gefestigt.

5. Sachlich und politisch ist das OVG-Urteil hinsichtlich seiner Konsequenzen aus Sicht unserer Fraktion zu begrüßen. Es stellt einen zielorientierten Beitrag für den weiteren und – das ist das Entscheidende – gesteuerten und sinnvollen Ausbau der Windenergieanlagen dar. Daran wird sich auch für unsere Fraktion nichts ändern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind damit am Ende der Aussprache zur Aktuellen Stunde „Kons equenzen aus dem Urteil des OVG zur Konzentration von Windkraftanlagen“.

Die Sitzung wird jetzt unterbrochen. Wir treffen uns um 13:00 Uhr wieder hier im Plenarsaal. Ich wünsche eine angenehme Mittagspause.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g: 12:01 Uhr.

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g: 13:02 Uhr.

Meine Damen und Herren! Ich eröffne den zweiten Teil unserer heutigen Plenarsitzung und rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Regierungserklärung

„Handlungsfähigkeit stärken – regionale Vielfalt bewahren – Der rheinland-pfälzische Beitrag zur europäischen Zukunftsdebatte“

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Beck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich namens der Landesregierung, dass ich zu so prominenter Stunde die Gelegenheit habe, zu diesem Thema eine Regierungserklärung abzugeben.

Auf den Tag genau heute ist es 58 Jahre her, seit der Zweite Weltkrieg sein Ende gefunden hat, ein Krieg, den Deutschland begonnen hatte und damit die Ursache für millionenfaches Sterben, Vernichtung, Leid und Vertreibung gesetzt hat. Zugleich war unser Land zerstört, und es gab kaum eine Familie, in der nicht Tod, Not und Elend vorherrschten.

Aus dieser Tatsache, dass von Deutschland dieser furchtbare Krieg ausgegangen war, resultierte dann auch die Teilung Europas und die Teilung unseres Vaterlandes, die bis vor 13 Jahren angehalten hat. Dass wir heute auf eine Entwicklung Europas schauen können, die uns zusammenführt, die es uns ermöglicht, ein einheitliches Europa zu schaffen, sollten wir voller Dankbarkeit annehmen, und wir sollten die Chancen, die uns gegeben sind, entschlossen nutzen.

(Beifall im Hause)

Ich selbst – geboren und aufgewachsen in der Südpfalz unmittelbar an der französischen Grenze – habe als Kind und Jugendlicher miterlebt, wie lange es gedauert hat und wie tief doch die Vorurteile gesessen haben, die den Völkern diesseits und jenseits der Grenze eingeimpft worden sind, das Vorurteil von der angeblichen Erbfeindschaft, wiewohl wir eng miteinander verwandt sind, was die Mentalitäten angeht, in diesem Fall die Elsässer und die Pfälzer. Gleiches gilt für andere nachbarschaftliche Regionen, mit denen wir heute als Land freundschaftliche und enge Zusammenarbeit pflegen dürfen.

Es ist mir auch aus diesem ganz persönlichen Erleben in Erinnerung geblieben, wie vielen Engagements es bedurft hatte, diese Situation zu überwinden, wie viele Menschen sich einsetzen mussten und manchmal auch schief anschauen lassen mussten, bis wir zur Zusammenarbeit und dann zu einer verbrieften, aber Gott sei Dank auch lebendigen Freundschaft gefunden haben.

Wer konnte sich zu diesem Zeitpunkt, am 8. Mai 1945, damals von den „Europäern der ersten Stunde“, Persönlichkeiten wie Robert Schumann, Alcide de Gasperi, Konrad Adenauer, wer konnte sich auch in der Generation später, in einer Generation, die von Persönlichkeiten in Deutschland wie Willy Brandt, Helmut Kohl und HansDietrich Genscher sowie Walter Scheel geprägt war, erhoffen, dass wir heute, von jetzt aus betrachtet, in wenigen Wochen, einen europäischen Konvent zum Abschluss bringen können, der die große Chance umsetzen kann – ich bin sehr zuversichtlich, auch umsetzen wird –, eine europäische Verfassung zu erarbeiten und zu beschließen und dann in die entsprechende Zustimmung der nationalen Parlamente überzuleiten.

Ich denke, für diese historische Möglichkeit, daran mitwirken zu können, können wir nur dankbar sein. Die Erweiterung der Europäischen Union und die Debatte im Konvent bedingen einander. Ohne die Erweiterung gäbe es zum jetzigen Zeitpunkt den Konvent nicht. Umgekehrt ist es aber auch so, dass dieser Konvent und eine Weiterentwicklung der Europäischen Union, ihrer Institutionen und ihrer Verfasstheit eine Grundbedingung dafür sind, dass wir die Erweiterung vollziehen und ein Europa schaffen können, das von einer Verfassung und von Grundwerten geprägt ist und ein Europa der Bürgerinnen und Bürger sein soll.

Die Herausforderungen bestehen dabei in erster Linie nicht so sehr darin, etwas Neues zu erfinden. Es gilt, die großen Errungenschaften des Europäischen Nationalstaats über dessen nationale Grenzen hinaus in einer anderen, in gewissen Teilen auch neuen Form zu be

wahren. Bewahrt werden müssen die materiellen Lebensbedingungen, die Teilhabe an sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt sowie die rechtlichen Gestaltungsräume. Private Autonomie – die Freiheit für den Einzelnen also – wird erst dadurch ermöglicht, und für demokratische Beteiligung wird erst dadurch die Grundlage geschaffen.

Europa muss mehr sein und ist mehr als nur ein Markt.

(Beifall der SPD und der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir brauchen ein Europa, in dem sich die Menschen aufgehoben und beheimatet fühlen können. Europas kulturelle Vielfalt zu nutzen, ist eine Chance für diesen Kontinent und nicht etwa das Gegenteil. Auch die ökonomischen Vorteile der europäischen Einigung werden nur von Dauer sein im Zusammenwirken mit einer über die wirtschaftliche Dimension weit hinaus greifenden kulturellen Anziehungskraft. Sie geht in starkem Maß von den Kommunen, Ländern und Regionen in Europa aus, und wir als Rheinland-Pfälzerinnen und RheinlandPfälzer wollen unseren Beitrag in diesem Sinn erbringen.

Die bisherigen Erfahrungen auf dem Weg zur europäischen Einheit zeigen, dass die Menschen immer wieder neu für Europa gewonnen werden müssen. Insoweit sollte das symbolische Gewicht einer Verfassungsdebatte nicht unterschätzt werden. Der intergouvernementalen Vereinbarung von Nizza fehlt jene Kraft zur symbolischen Verdichtung, die nur ein politischer Gründungsakt haben kann.

Vor allem geht es aber darum, die Lebenswelt und die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger, die auf lokaler und regionaler Ebene klar zutage treten, auch auf europäischer Ebene gebührend zu berücksichtigen.

Dies ist eine der wesentlichen Reformnotwendigkeiten, die sich für den Konvent stellen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass die Prinzipien Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit, Verantwortlichkeit und Transparenz in der neuen Verfassung gestärkt werden müssen. Nur so ist das Ziel „good governance“ in der EU, also eine gute Praxis des politischen Handelns, zu erreichen.

Unerlässlich ist dabei, dass die Regionen, in Deutschland die Länder, im künftigen Europa eine maßgebliche Rolle spielen. Durch Dezentralisierung, durch neue Rechte für die Regionen in vielen Mitgliedsstaaten und nicht zuletzt durch die europäische Regionalpolitik hat das Gewicht der Regionen in Europa in den letzten Jahren erfreulich zugenommen. Der Ausschuss der Regionen entwickelt sich zu einem geachteten Gremium und kompetenten Sachwalter regionaler Anliegen.

Ich will in diesem Zusammenhang unseren Repräsentanten in diesem Gremium ein herzliches Wort des Dankes für ihren Einsatz sagen: Herrn Kollegen Dr. Klär,

Herrn Kollegen Dr. Schiffmann in dessen Vertretung, Frau Morsblech in der Vorgängerschaft dieser Aufgabe.

(Beifall im Hause)

Wenn ich diese Anerkennung äußere, weiß ich sehr wohl, dass sich ihr Engagement nicht nur auf die Arbeit im engeren Sinn in diesem Ausschuss der Regionen konzentriert, sondern dass sie durch eine Vielfalt von Initiativen mit dazu beitragen erstens, dass es zu dieser Gewichtung und dieser Bedeutung dieses Ausschusses kommen konnte und zweitens Formen des Zusammenwirkens und des Zusammenarbeitens über nationale Grenzen zwischen Regionen möglich geworden sind, die für sich genommen eine hohe Bedeutung in der europäischen Meinungsfindung, Meinungsbildung und letztendlich dann auch in der Entscheidungsfindung darstellen.