Protokoll der Sitzung vom 09.05.2003

...................................................................................................................3176, 3193 Abg. Billen, CDU:...............................................................................................................................3195 Abg. Bischel, CDU:.......................................................................................3175, 3176, 3178, 3194, 3203 Abg. Creutzmann, FDP:......................................................................................... 3177, 3182, 3190, 3207 Abg. Dr. Geisen, FDP:...............................................................................................................3196, 3201 Abg. Dr. Gölter, CDU:.........................................................................................................................3208 Abg. Dr. Rosenbauer, CDU:...............................................................................................................3186 Abg. Dr. Schmitz, FDP:......................................................................................................................3186 Abg. Dr. Weiland, CDU:......................................................................................................................3182 Abg. Frau Ebli, SPD:.............................................................................................. 3178, 3194, 3195, 3201 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................3176, 3177 Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.......................................................... 3197, 3200, 3205, 3210 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:................................................................................. 3174, 3175, 3176, 3189 Abg. Frau Raab, SPD:..................................................................................................... 3179, 3181, 3182 Abg. Frau Thelen, CDU:............................................................................................................3183, 3185 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................3176, 3187 Abg. Hartloff, SPD:................................................................................................. 3187, 3188, 3192, 3194 Abg. Hohn, FDP:.......................................................................................................................3214, 3218 Abg. Hörter, CDU:.....................................................................................................................3213, 3218 Abg. Lewentz, SPD:...........................................................................................................................3182 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..................................... 3173, 3174, 3175, 3187, 3192, 3211, 3216 Abg. Nink, SPD:.................................................................................................................................3210 Abg. Pörksen, SPD:..................................................................................................................3212, 3217 Abg. Schmitt, CDU:...................................................................................................................3179, 3199 Abg. Schwarz, SPD:.................................................................................................................3185, 3204 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..........................................................................3175, 3177 Abg. Wirz, CDU:................................................................................................................................3184 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:................ 3173, 3174, 3175, 3176 3177, 3178, 3179 Eymael, Staatssekretär:......................................................................................... 3191, 3198, 3202, 3209 Frau Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit:...............3183, 3184, 3185, 3186, 3187 Präsident Grimm:............................................3173, 3174, 3175, 3176, 3177, 3178, 3179, 3180, 3181, 3182 3183, 3184, 3185, 3186, 3187, 3188, 3189, 3190, 3191, 3192 3193, 3194, 3195, 3196, 3197 Schumacher, Ständiger Vertreter des Chefs der Staatskanzlei........................................... 3180, 3181, 3182 Vizepräsident Creutzmann:......................................................... 3212, 3213, 3214, 3215, 3216, 3217, 3218 Vizepräsidentin Frau Hammer:.........................3198, 3199, 3200, 3201, 3202, 3203, 3204, 3205, 3207, 3208 3210, 3211 Zuber, Minister des Innern und für Sport:....................................................................................3193, 3215

48. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 09. Mai 2003

Die Sitzung wird um 09:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Plenarsitzung des Landtags von Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Beate Reich und Christine Schneider. Letztere führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute der Abgeordnete Herbert Jullien und Staatsminister Herbert Mertin. Herr Staatsminister Bauckhage ist während der Fragestunde noch anwesend. Anschließend muss er wegen wichtiger Dienstgeschäfte nach Berlin reisen.

Zur Tagesordnung ist anzumerken, dass die Mündliche Anfrage Nummer 8 so, wie sie ausgedruckt ist, zurückgezogen und durch die Mündliche Anfrage in der Drucksache 14/2187 ersetzt wurde. Die laufende Nummer 9 der Mündlichen Anfragen kann deshalb nicht aufgerufen werden, weil Herr Jullien heute nicht anwesend ist. Sie wird dann als Kleine Anfrage beantwortet.

Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:

Fragestunde – Drucksachen 14/2178/2187 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reiner Marz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Ausstellung von vorläufigen Fahrerlaubnissen im Landkreis Kusel – Nummer 6 der Drucksache 14/2178 – betreffend, auf.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Marz.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche konkreten Ergebnisse haben die bisherigen Untersuchungen der Fachaufsicht im Landkreis Kusel ergeben?

2. Welche Maßnahmen wurden aufgrund dieser Erkenntnisse eingeleitet oder vorbereitet?

3. Angenommen, die Presseberichterstattung ist zutreffend, dass die Erteilung von vorläufigen Fahrerlaubnissen ohne Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens in Zusammenhang mit Trunkenheitsfahrten „gängige Praxis“ in Kusel ist: Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich unter den oben genannten Vorausset

zungen um eine rechtswidrige Praxis handeln würde?

4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Verhinderung von alkoholbedingten Unfällen voraussetzt, dass entsprechende Verstöße konsequent mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln geahndet werden müssen und nicht als Kavaliersdelikt behandelt werden dürfen?

Es antwortet Herr Staatsminister Bauckhage.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat als oberste Fachaufsichtsbehörde für das Fahrerlaubnisrecht die Aufgabe, landesweit eine rechtmäßige und einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen.

Bei der Anwendung des Bundesrechts im Zuge der Wiedererteilung von Fahrerlaubnissen an alkoholauffällig gewordene Kraftfahrer handelt es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist die Überprüfung der entsprechenden Verwaltungspraxis im Landkreis Kusel zu sehen.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Marz wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 3: Im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Verfahren gab es Äußerungen der Kreisverwaltung Kusel, wonach Fahrerlaubnisse nach einer Alkoholfahrt trotz eines negativen Ergebnisses der medizinisch-psychologischen Begutachtung – – –

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein bisschen deutlicher!)

Zu den Fragen 1 und 3: Herr Marz, ich mache es ganz langsam. Im Zusammenhang mit einem staatsanwaltschaftlichen Verfahren gab es Äußerungen der Kreisverwaltung Kusel, wonach Fahrerlaubnisse nach einer Alkoholfahrt trotz eines negativen Ergebnisses der medizinisch-technisch-psychologischen Begutachtung wieder erteilt wurden.

Daraufhin ist die Kreisverwaltung aufgefordert worden, die betreffenden Wiedererteilungsakten der Fachaufsicht zur Prüfung vorzulegen. Die Fachaufsicht hat diese Fälle geprüft. Nach dem derzeitigen Stand muss davon ausgegangen werden, dass durch den Landkreis Kusel in diesen Fällen die bundesrechtlichen Vorgaben sowie die einschlägige Rechtsprechung aufgrund einer unzutreffenden Rechtsauffassung nicht hinreichend beachtet wurden.

Die ständige Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz geht davon aus, dass es nicht möglich ist, die Analyse

eines Diplompsychologen durch die persönliche Beurteilung eines Behördenmitarbeiters zu ersetzen. Demnach verfügen weder die Behörden noch die Gerichte über geeigneten Sachverstand, um die notwendigen medizinisch-psychologischen Erkenntnisse selbst zu gewinnen.

Bei der Feststellung der Fahreignung kommt einem sachverständig erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten eine entscheidende Aussage zu. Die Behörde oder das Gericht können dies nur dann in Zweifel ziehen, wenn das Gutachten erkennbare Fehler aufweist oder nicht nachvollziehbar ist. In einem solchen Fall hat die Verwaltung in einem Gespräch mit dem Gutachter eine Klärung herbeizuführen. Gegebenenfalls muss sie ein weiteres Gutachten anfordern.

Zu Frage 2: Die Fachaufsicht hat die Kreisverwaltung angewiesen, die betroffenen Fahrerlaubnisinhaber aufzufordern, jeweils ein zusätzliches medizinischpsychologisches Gutachten vorzulegen. Sofern das neue Gutachten zu einer positiven Prognose hinsichtlich der Fahreignung kommt, kann eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erfolgen. Die Fahrerlaubnisbehörde ist aufgefordert worden, bis zur Vorlage des positiven Gutachtens die Führerscheine einzuziehen.

Zu Frage 4: Ja. Die Ahndung entsprechender Verstöße ist Aufgabe der Justizbehörden.

So weit die Antworten auf die Fragen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marz.

Herr Minister, aufgrund Ihrer Ausführungen und der gestrigen Presseveröffentlichung Ihres Ministeriums betrachte ich den einen Teil des Sachverhalts im Großen und Ganzen für geklärt. Nach Angaben der Landesregierung gibt es nun aber auch seit einiger Zeit eine Prüfung bei der ADD hinsichtlich des Verhaltens des Landrats Hirschberger in dieser ganzen Angelegenheit. Gibt es von dieser Überprüfung bereits Ergebnisse?

Zunächst einmal muss man sagen, dass es eine unterschiedliche Rechtsauffassung gab. Herr Landrat Hirschberger bzw. die Kreisverwaltung Kusel hat dies nicht nach irgendwelchen Grundsätzen gemacht, sondern hat eine unterschiedliche Rechtsauffassung gehabt.

Ferner ist es nicht meine Sache, in ein – wenn man so will – schwebendes Verfahren einzugreifen. Ich gehe davon aus, dass die ADD ihre Aufgaben wahrnimmt und diese Rechtsauffassung insgesamt abgewogen wird, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marz.

Herr Minister, diese Aussage befremdet mich etwas, da das mehr als eine unterschiedliche Rechtsauffassung ist. Ich darf aber nur Fragen stellen. In Ihrer Presseveröffentlichung ist die Rede davon, dass die gängige Kuseler Praxis bedeutet, dass in den vergangenen zwei Jahren in 65 Fällen eine Fahrerlaubnis – wie in dem genannten Fall – ohne MPU erteilt worden ist. Bei wie vielen dieser 65 Fälle gab es unmittelbar vorher einen Wohnsitzwechsel in den Kreis Kusel?

Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, dazu im Ausschuss zu berichten. Nach meiner Kenntnis hat in einem Fall ein Wohnsitzwechsel stattgefunden. Ich kann das aber nicht endgültig definitiv sagen. Ich bin aber gern bereit, dazu im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu berichten.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kohnle-Gros.

Herr Staatsminister, wenn nach Ihrer Aussage lediglich eine unterschiedliche Rechtsauffassung vorliegt, frage ich: Weshalb müssen dann die Fahrerlaubnisse eingezogen werden, und weshalb muss eine Nachbearbeitung erfolgen?

Zweite Frage: Würden Sie sagen, wenn eine andere Kreisverwaltung oder Stadtverwaltung ähnlich verfährt, dass das auch mit dem Hinweis auf eine andere Rechtsauffassung möglich sein kann?

Klar ist, dass das Bundesverkehrsministerium die gleiche Auffassung vertritt wie wir. Es gibt hierzu auch OVGUrteile. Klar ist auch, dass man – Sie sind Juristin – zu bestimmten Dingen unterschiedlicher Meinung sein kann. Offensichtlich hat man im Landkreis Kusel eine andere Meinung vertreten. Übrigens gibt es noch mehr Landkreise. Wir überprüfen jetzt jeden Landkreis und werden auch bei den Detailprüfungen entsprechend danach handeln.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bischel.

Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, dass es in der Kreisverwaltung Kusel unterschiedliche Rechtsauffassungen gab. Ist es zutreffend, das entweder der zuständige Abteilungsleiter oder Referent beim Herrn Landrat remonstriert hat und die gängige Rechtsauffassung vortrug, worauf die Anordnung erfolgte, dass nach der Auffassung des Berhördenchefs zu verfahren sei?

Zutreffend ist, dass wir, nachdem ein staatsanwaltschaftliches Verfahren eingeleitet wurde, sofort die Sachen abgeprüft haben, uns noch einmal beim Bundesverkehrsministerium rückversichert haben und OVGUrteile beigezogen haben. Die Rechtsauffassung der beiden Ministerien ist meiner Meinung nach die derzeit gängige und richtige.

Wir haben nicht abzuprüfen, warum andere Stellen andere Rechtsauffassungen hatten. Wir haben nur nach Recht und Gesetz zu handeln. Das haben meine Leute getan.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kohnle-Gros.

Herr Bauckhage, erinnere ich mich richtig, dass Ihr Mitarbeiter im Rechtsausschuss darauf hingewiesen hat, dass Ihr Ministerium seit Jahren entsprechende Schulungen und Informationsveranstaltungen abhält, um auf die Rechtslage und das Verhalten der Verwaltungen hinzuweisen? Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen, dass sie eine Vorgabe machen, wie diese Dinge nach Recht und Gesetz, einem Bundesgesetz und bundesgesetzlichen Rechtsverordnungen zu handhaben sind? Sie sagen, das wäre unerheblich. Wenn jemand eine andere Rechtsauffassung vertritt, wäre das hinnehmbar.

Wir haben dokumentiert, dass das nicht unerheblich ist; denn wir haben entsprechend gehandelt. Man kann immer nur dann handeln, wenn man etwas weiß. Das ist völlig klar. Wenn wir entsprechende Kurse und Schulungen anbieten, ist man nicht verpflichtet, sie zu besuchen. Das ist jedem freigestellt.

Wir werden in allen Fällen, in denen Rechtsverstöße vorgenommen worden sind, ermitteln und entsprechende Konsequenzen daraus ziehen. Wir werden die Kreisverwaltungen auffordern, die Führerscheine zurückzuziehen, bis ein zweites Gutachten vorliegt.