Protokoll der Sitzung vom 09.05.2003

Ja, eben, gesetzliche Regelungen.

dann müsste Frau Künast ein Gesetz vorlegen, wonach der Kunde einen Anspruch auf Ersatzleistungen hat. Jetzt stimmen wir überein.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Flugverkehr gibt es so etwas. Frau Kollegin Kiltz, das habe ich mir einmal angeschaut. Da ist es in der Tat so, dass es bei einer Nichtbeförderung finanzielle Entschädigungsansprüche zwischen 75 Euro und 300 Euro gibt, auch bei Verspätungen von Flügen mit einer Entfernung von weniger als 3.500 Kilometer bei mehr als zwei Stunden. Sie haben eben so schön geschildert, wie Sie immer befördert werden. Versuchen Sie einmal, das auf die Bahn zu übertragen. Da werden Sie schon sehen, dass das fast unmöglich sein wird.

Nun schreien Sie immer nach dem Land. Da frage ich, wie Sie einem Monopolisten Wettbewerb beibringen wollen. Wie wollen Sie das schaffen? Frau Kollegin Kiltz, das Volumen der Nahverkehrsleistungen beträgt 350 Millionen Euro. Wenn Sie Ihrem Partner sagen, ich habe die und die Ansprüche, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Wer kann sie erfüllen? Da sind dann die Juristen gefragt.

Ich nehme ein kleines Beispiel heraus, das wir heute alle beklagen oder was beklagt wird. Es gibt unter Umständen in Zukunft keine Zugbegleiter mehr. Die Kons equenz: vielleicht noch schmutzigere Abteile, noch weniger Sicherheit, und von Kontrolle kann auch keine Rede mehr sein. Die kann nicht mehr durchgeführt werden. Wenn man sich das überlegt, wäre das übrigens ein klassischer Fall für eine Ich-AG, wenn ich das herausgeben könnte und einen Allrounder habe.

Ich fahre nicht so oft mit dem Zug. Aber wenn man ab und an einmal mit dem ICE fährt, dann bringt man auch heute eine Tasse Kaffee ins Abteil. Das hätte es früher nie gegeben. Das heißt, die Dienstleistung kommt allmählich bei der Bahn. Deswegen muss man wissen, wenn man Entschädigungen für Verspätungen fordert, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder kann sie die Bahn über Rationalisierung finanzieren, oder der, der es fordert, muss es bezahlen, nämlich das Land Rheinland-Pfalz.

Meine Damen und Herren, so einfach wird es sein. Herr Kollege Bischel, deswegen ist es schön, wenn man die Zustände beklagt. Aber meine Bitte wäre, und das ist meine Bitte an das Ministerium, einmal aufzulisten, welche Mängel es gibt, dann mit der Bahn zu reden, sie aufzufordern mitzuteilen, wie sie dazu steht und wie sie die Mängel abschaffen will. Das ist dann in einer Synopse gegenüberzustellen. Dann ist gemeinsam zu überlegen, wie wir den Kunden, an dem wir interessiert sind, gewinnen können, damit er die Bahn noch mehr nutzt. Wie können wir es schaffen, die diskutierten Defizite abzustellen.

Das war mein Beitrag in der ersten Runde.

Vielen Dank. (Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Gölter das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon genug und ganz überwiegend zu Recht geschimpft worden. Der Versuch einer ganz kurzen Analyse:

Erstens: An der Spitze der Bahn stehen die falschen Leute. Die Mehrzahl dieser führenden Bahnverantwortlichen kommt aus der Philosophie des Flugverkehrs, verwechselt Flugverkehr mit der traditionellen Aufgabe von Bahn: die Verknüpfung von Ballungsräumen, Oberzentren, Mittelzentren und Fläche. Ohne eine solche Philosophie wäre beispielsweise die exemplarische Fehlleistung des neuen Tarifsystems nicht möglich gewesen.

(Beifall der CDU, bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: Meine Damen und Herren, die Umwandlung hat zu einem dramatischen Personalabbau geführt. Dieser Personalabbau hat vor allem auf dem Feld der ingenieurtechnischen Kenntnisse die Kapazitäten so vermindert, dass die Bahn in einer ungewöhnlich kritischen Situation ist.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Umwandlung hat zu einem ungeheuren Wissensverlust geführt, zu einer Überforderung der vorhandenen Strukturen bei Verbesserung, Ausbau und Neubau. Die Bahn kann Geld nicht abrufen, das ihr zur Verfügung steht.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie kann vor allem selbst gesetzte Fristen bei Baumaßnahmen nicht einhalten. Beispielsweise hat vor ein paar Wochen der Bau eines Stellwerks im Bahnhof Saarbrücken drei Tage zu einem großflächigen großregionalen Chaos geführt.

Die Wissensverluste können Sie auch daran erkennen: Die alten Eisenbahningenieure haben ohne Pläne gewusst, wo die Kabel liegen. Die neuen wissen es nicht mehr, der Bagger ist sofort ungeheuer erfolgreich, und drei bis fünf Tage sind entsprechende Störungen unvermeidbar.

(Beifall bei der CDU)

Drittens: Meine Damen und Herren, die Baumaßnahmen, die laufen, führen vor allen Dingen auf dem Feld des Fernverkehrs gelegentlich zu chaotischen Auswirkungen, und die Auswirkungen auf dem Feld des Fernverkehrs schlagen dann in den Nahverkehr über.

Es wird viel gebaut, aber immer noch zu wenig. Es ist auch lange wenig gebaut worden, weil die Bahn nicht interessant war. Frage: Lässt sich das überhaupt anders behandeln als dadurch, dass man sagt, der Nahverkehr darf in Zukunft auf die regelmäßigen Verspätungen des Fernverkehrs keine Rücksicht mehr nehmen, was natürlich die Kunden auch wieder zu großer Begeisterung veranlasst.

Also: Es ist eine ungewöhnlich schwierige Situation, die vor allem durch den Wissensverlust und durch die Personalengpässe ausgelöst worden ist.

Das heißt, die zurückgeführte personelle Infrastruktur, das erhöhte Zugangebot und die neuen technischen Anforderungen führen an vielen Stellen zu Überforderungen. Eine Überforderung löst Fehlreaktionen, Verspätungen und Probleme auf der nächsten Ebene aus. Die Bahn ist ein vernetztes und unglaublich kompliziertes System. Man muss wissen, wie sie funktioniert, vor allem, wenn man Verantwortung trägt.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist zurzeit eine sehr schwierige Situation. Teile der Bahn sind pleite. Stationen und Service stehen mit dem Rücken zur Wand, und der Fernverkehr wird aus dem Gewinn des Nahverkehrs subventioniert, in erheblichem Umfang auch aus unseren Mitteln. Der richtige Weg – Bodewig – einer Trennung von Schiene und Netz ist nicht gegangen worden. Frage: Gibt es eine Rückkehr zu einem solchen Konzept? Ein solches Konzept wäre eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige Sanierung gewesen. Probleme über Probleme.

Noch ein kleines Beispiel: Wissen Sie, dass der wichtigste Bahnhof im Südwesten, der Mannheimer Bahnhof, bis zur Halskrause überbelegt ist? Jetzt kommt die S-Bahn noch hinzu. Das heißt, die Probleme werden sich potenzieren. Der Bypass wäre mit Blick auf die Belastung des Mannheimer Bahnhofs in Teilen also durchaus richtig gewesen. Die Probleme werden sich potenzieren. Man sucht verzweifelt nach einem weiteren Gleis, weil man in den Engpass überhaupt nicht hineinfindet. Es wird also schwierig.

Ich wollte das noch einmal so analytisch sagen. Wir müssen zusehen, dass wir Druck ausüben. Außerdem werden wir viel Geduld gebrauchen. Von der Spitze angefangen werden wir neue Anfänge benötigen mit mehr technischem Sachverstand und mehr Einfühlungsvermögen in das, was die Bahn in der Zukunft leisten muss.

(Beifall der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Eymael.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass Herr Abgeordneter Dr. Gölter in weiten Bereichen richtig analysiert hat. Dennoch halte ich fest, was unser Nahverkehrsprogramm „Rheinland-PfalzTakt“ als Erfolgsmodell ausmacht. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Fahrgäste um fast 100 % gestiegen. Wir merken: Je besser und attraktiver das Angebot ist, umso mehr Fahrgäste haben wir zu verzeichnen. Das Angebot ist durch die Vertaktung bis hin zur halbstündigen Vertaktung attraktiver geworden. Ferner sind neue Fahrzeuge angeschafft worden, aber nicht solche, die vorhin erwähnt worden sind. In die Bahnhofssanierung ist viel Geld gesteckt worden. In der Zwischenzeit sind mehr als 100 Bahnhöfe saniert und modernisiert worden, weil das sozusagen die Eingangstüren der jeweiligen Ortschaften und Gemeinden sind.

Ich bin der Meinung, dass das Thema „Pünktlichkeit im Nahverkehr“, wenn es nicht, wie es Herr Kollege Dr. Gölter angeführt hat, vom Fernverkehr abhängig ist, alles in allem noch befriedigend ist. Im Hinblick auf die Pünktlichkeit erreichen wir fast 90 %. Unser Ziel muss sein, im Nahverkehr mindestens 93 % Pünktlichkeit zu erreichen.

Wir befinden uns zurzeit mitten in den Vertragsverhandlungen über den Nahverkehr mit der DB AG. Fakt ist, dass natürlich in solchen Verträgen die Qualitätssicherung ein ganz wichtiger Punkt ist. Wenn sich die DB AG nicht daran hält, beispielsweise durch Unpünktlichkeit, Zugausfälle usw., dann wird der geleistete Zuschussbedarf reduziert oder teilweise erstattet, oder es werden Sanktionen ergriffen. Das steht auf jeden Fall eindeutig in unserem Verkehrsvertrag in Bezug auf den Nahverkehr.

Die DB AG ist allerdings für den Fernverkehr eigenverantwortlich. Sie muss in diesem Bereich genauso wie im Güterverkehrsbereich wirtschaftlich arbeiten. Im Übrigen ist die Wirtschaftlichkeit im Nahverkehrsbereich relativ begrenzt durch eigene Einnahmen der DB AG. Die Finanzierung erfolgt zu etwa 15 % durch eigene Einnahmen der DB AG und zu etwa 85 % über die so genannten Regionalisierungsmittel, die uns zustehen.

Die DB AG hat zurzeit Probleme der Wirtschaftlichkeit im Fernverkehr. Dann ist es natürlich leicht und einfach zu versuchen, Elemente des Fernverkehrs noch stärker in den Nahverkehrsbereich zu verlagern, weil in diesem Bereich Regionalisierungsmittel zur Verfügung stehen. Das geht zulasten des Fernverkehrs, der Strecken im Fernverkehr und belastet gleichzeitig den Nahverkehr und geht wieder zulasten unserer Regionalisierungsmittel für unseren „Rheinland-Pfalz-Takt“. Wir sind nicht dafür zuständig, die Probleme des Fernverkehrs zu kompensieren.

Fakt ist auf der anderen Seite jedoch, dass die DB AG privatisiert ist, obwohl der Bund Hauptaktionär ist, und versuchen muss, wirtschaftlich zu arbeiten, wo immer das geht. Sie wird selbst merken, wenn das Angebot nicht mehr gegeben ist. Dann werden sich auch die Fahrgastzahlen nicht verbessern. Die Steigerung der

Fahrgastzahlen um 100 % aufgrund des „RheinlandPfalz-Taktes“ geht darauf zurück, dass ein attraktives Angebot gemacht wird, Strecken reaktiviert werden usw. In diesem Bereich ist sicherlich einiges zu tun.

Wir haben gemeinsam mit der DB AG eine Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung“ eingerichtet, die hier und da in wichtigen Fällen tagt. Es wird alles getan, um über ein Qualitätsmanagementsystem Verbesserungen zu erreichen.

Die Bahn räumt im Übrigen Defizite ein. Sie macht keinen Hehl daraus. Das hängt mit dem komplizierten System zusammen.

Sie haben das Thema „Fahrzeuge“ angesprochen. Wir haben das leidige Thema „Neigetechnik“ mit VT 611 erlebt.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese sind jetzt Gott sei Dank weg. Daran trägt die Bahn aber nicht allein die Schuld. Das hängt wieder mit der Technik zusammen, die in Deutschland anscheinend noch nicht so weit entwickelt ist. Fakt ist, dass wir jetzt den VT 612 im Einsatz haben, mit dem das einigermaßen funktioniert. So sicher ist die Bahn sich dabei aber auch nicht; denn für zehn VT 612 stehen drei in Reserve. Diese Reserve ist also wohlgemeint, damit dieser Zug auf jeden Fall fährt. Vor dem Hintergrund des Ausfalls des ein oder anderen Zuges ist das nachvollziehbar.

Fakt ist, dass mehr in die Infrastruktur investiert werden muss, damit die Züge besser und schneller werden. Ich nenne ein paar Maßnahmen für das Land RheinlandPfalz, die bald umgesetzt werden. Die DB AG wird für die Moselstrecke in 173 Einzelprojekten insgesamt 100 Millionen Euro investieren. In Armsheim/Monsheim werden neue Spurplanverbesserungen zur Geschwindigkeitserhöhung durchgeführt. Daran wird sich das Land übrigens beteiligen. Mechanische Stellwerke werden weitgehend durch elektronische Stellwerke ersetzt. In Bad Dürkheim wird ein neues Stellwerk gebaut. Es wird also etwas in Sachen Infrastruktur getan, was meines Erachtens sehr wesentlich und wichtig ist.

Ein wesentlicher Teil der Qualitätsmängel im Nahverkehrsbereich ist auf Verspätungen im Fernverkehrsbereich zurückzuführen. Wir werden die Erfahrungen aus einem Modellversuch auswerten, der derzeit für die striktere Anwendung der Wartezeitregelungen im Süden des Landes läuft. Nicht immer ist es sinnvoll, dass im Nahverkehr viele Gäste Verspätungen hinnehmen müssen, weil die Anschlüsse aus dem Fernverkehr für einige wenige Fahrgäste gesichert werden.

Wir sind genauso up to date was den Bereich „Information und Service“ betrifft. Die DB AG stellt derzeit zusätzliche Mitarbeiter in jedem Regionalbereich ein, die die Ansagen und Reiseinformationen in Bahnhöfen im Rahmen einer Qualitätskontrolle überprüfen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Lokführer und das Zugpers onal in Bezug auf Informationen besser geschult werden.

Es sind also einige Dinge in Gang gesetzt worden, um das Angebot zu verbessern und qualitativ zu steigern, damit wir insgesamt ähnlich dem Nahverkehrskonzept „Rheinland-Pfalz-Takt“ ein Angebot bei der DB AG haben, das die Reisenden gern annehmen. Darum muss es gehen; denn wir wollen alle die Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagern.

Das gilt übrigens für den Güterverkehrsbereich genauso, der auch selbstständig aktiv ist. Wir können nur eine Moderatorenrolle übernehmen oder mitfinanzieren, aber dafür haben wir kein Geld. Herr Kollege Schwarz, wenn ich an die Eifelquerbahn erinnere – – –

(Schwarz, SPD: Das kriegen wir geregelt!)

Das kriegen wir vielleicht gemeinsam noch geregelt. Das sind zwar einzelne Projekte, das grundsätzliche Problem ist aber nicht gelöst. Das Geflecht ist schwierig. In dieser Hinsicht gebe ich Herrn Abgeordneten Dr. Gölter Recht. Es ist schwierig, insgesamt ein sinnvolles Konzept zu entwickeln. Man kann es nur Stück für Stück erreichen.

(Beifall bei FDP und SPD)