Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Herr Präsident, wenn Sie gestatten, spreche ich.

Ich gestatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich kann mein Konzept auch in den Papierkorb werfen; denn die Vorredner haben mir so viel Munition geliefert, dass ich das gar nicht mehr brauche.

Jetzt aber zu Ihrem Angebot: Ich halte es für gut, wenn Sie sagen, Sie werden im Bundesrat einige Punkte verhandeln. Da bin ich einmal gespannt.

Ich frage Sie ganz konkret: Wie halten Sie es denn mit dem Mehrverkehrsgebot für die Apotheken? Sie wissen, bisher gab es nur Einzelapotheken. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dieses Verbot fällt.

Wie halten Sie es denn mit dem E-Commerce bei verschreibungspflichtigen Medikamenten?

Wie halten Sie es mit den Fachärzten, ausgenommen Internisten, Kinderärzte, Augenärzte und Psychotherapeuten? In diesen Fällen sind die 15 Euro bei einem direkten Besuch schließlich nicht zu zahlen. Daran können Sie schon erkennen, wie widersprüchlich der Gesetzentwurf ist, Frau Ministerin. Ausgerechnet auf einen Psychotherapeuten kann der Patient direkt zugehen, ohne vorher einen Hausarzt zu konsultieren. Das ist der größte Unsinn; denn gerade in dem Bereich müsste man zunächst einmal eine somatische Erkrankung ausschließen, bevor die Psychotherapie einsetzt. Sie sehen, das Gesetz ist voller Widersprüche.

Herr Kollege Dr. Schmitz, ich sehe Ihnen nach, dass Sie noch nicht so lange in der Politik sind und sich über die Vorgänge vor Ihrer Mandatszeit nicht informiert haben.

(Dr. Schmitz, FDP: Alter schützt vor Torheit nicht!)

Dann sehen Sie über Ihre eigenen Zahnreihen nicht hinaus. Das tut mir Leid.

Die Positivliste war das Zugeständnis der Koalition der CDU/CSU und der FDP an Rudolf Dreßler, und zwar eingehandelt für die Zuzahlungszustimmung. Das muss man wissen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

1992 war für die SPD die Zuzahlung bei Medikamenten „Teufelszeugs“. Dieses „Teufelszeugs“ wurde durch die Koalition mit dem Zugeständnis der Positivliste erkauft, die wir später allerdings nicht umgesetzt haben, weil ich davon abgeraten habe. So viel zur Historie.

Herr Schmitz, Sie können es nachlesen.

Meine Damen und Herren, ich komme auf die heutige Fragestellung zurück.

Herr Kollege Schmitz, ich frage die FDP: Wie halten Sie es in der Koalition mit den Apothekern? Wollen Sie, dass die Apotheken Ketten wie in England bekommen und der Apotheker als Einzelunternehmer zugrunde geht? Wollen Sie den E-Commerce bei den Medikamenten? Wollen Sie, dass die Krankenkassen den Sicherstellungsauftrag bei der ambulanten Versorgung bekommen?

Herr Kollege Marz, noch ein Wort zu Ihnen. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ich erinnere Sie an den missglückten Versuch Ihrer Gesundheitsministerin, Frau Fischer. Sie hätten genug damit zu tun, die Pannen und Pleiten aufzuarbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, leider ist die Redezeit abgelaufen. Ich hätte noch viel zu sagen.

Frau Ministerin, vielleicht ergibt sich demnächst die Gelegenheit, dass wir in einen neuen Diskurs eintreten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Ebli.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Redebeitrag von Herrn Dr. Altherr eingehen.

Herr Dr. Altherr, Sie meinten, die Positivliste wäre überflüssig. Sie wissen doch, dass gerade im Arzneimittelbereich unheimlich viel Luft ist und die Ausgaben höher als die Vergütung der Arzthonorare sind. Ich habe keine Probleme, wenn – wie vorgesehen – nur das erstattet wird, was wirksam ist, und zwar unabhängig davon, was es letztendlich kostet.

Herr Dr. Rosenbauer, wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, geht Ihnen diese vorgeschlagene Reform gar nicht weit genug. Ihr großes Geheimnis bleibt, was Sie wollen. Das behalten Sie für sich und lassen die Katze nicht aus dem Sack. Das verraten Sie uns nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Meine Damen und Herren, am 18. Juni wird die erste Lesung im Bundestag stattfinden. Wir wissen, dass bei Gesetzentwürfen der Teufel im Detail liegt. Wir werden uns – das hat die Frau Ministerin schon angekündigt – entsprechend einbringen. Das Land wird auch unsere Vorstellungen im Bundesrat einbringen.

Herr Dr. Altherr, wir brauchen diese Reform, weil wir nicht wollen, dass wir ein englisches System und Wartelisten bekommen und Behandlungen nach Alter stattfinden oder nicht stattfinden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Marz.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Auch Herrn Dr. Altherr ist nicht mehr eingefallen, als ein dreifach kräfitges Nein zu allem Möglichen loszuwerden. Ich werde darauf eingehen. Wichtig sind mir zwei Punkte, die angesprochen worden sind, und zwar zum einen die Frage der Apotheken in der Zukunft. Ich höre von Leuten, die alles Mögliche liberalisieren und dem Markt unterwerfen wollen, aber die Apotheken sind heilig. Das darf nicht sein.

(Dr. Altherr, CDU: Wollen Sie das?)

Sie stellen einfach die Internet-Apotheke infrage. Das ist eine Bewegung, die uns längst überrollt. Diese steht qualitativ gar nicht den realen Apotheken nach. Sie haben die FDP gefragt – diese hat überhaupt nichts zu verteidigen –, was sie alles will oder nicht will. Wollen Sie die Kosten bei den Arzneimitteln senken? Wenn Sie das wollen, müssen Sie natürlich auch im Bereich der Apotheken etwas tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum zweiten Punkt. Die Praxisgebühr wird völlig populistisch ins Spiel gebracht. Sie müssen begreifen, dass die Praxisgebühr ein Steuerungsinstrument ist – steuern können Sie nicht, indem Sie gut zureden –,

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

bei dem sich die Leute auch noch aussuchen können, ob sie sagen: Ich vertraue mich dem Hausarzt an und spare die Praxisgebühr, oder das interessiert mich alles nicht, ich gehe direkt zum Facharzt und zahle die 15 Euro. – Sie haben die freie Wahl. Das ist ein Steuerungsinstrument. Genauso ist das auch gewünscht. Das scheinen Sie nicht zu begreifen.

Ich will in den wenigen Sekunden, die mir noch bleiben, ein Stichwort aufgreifen, das die Ministerin genannt hat, nämlich die Perspektive. Was jetzt passiert, ist eine Notoperation. Es müssen weitere passieren.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube, dass wir bezüglich der Krankenversicherung in Zukunft zu einer allgemeinen Bürgerversicherung kommen müssen, in der ausnahmslos alle versichert sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Wir werden dahin kommen müssen, um das Prinzip einer solidarischen Krankenversicherung zu erhalten. Ich weiß, dass es politisch in unserem Land hierfür noch sehr viel Widerstand gibt. Ich fürchte fast, dass uns der Druck der Ereignisse dazu bringen wird, dass diese, wie ich meine, gute Idee irgendwann in absehbarer Zukunft eine Chance der Verwirklichung haben wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich begrüße Mitglieder des Christlichen Jugenddorfes Wissen im Landtag. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Marz, jetzt haben Sie die Katze aus dem Sack gelassen. Es ist in der Tat eine Frage der Konsequenz, mit der wir in Zukunft vorgehen. Ich habe eben schon gesagt, wir können über Details oder über die Gesamtrichtung sprechen. Wir werden auf Dauer nur zwei Chancen haben, entweder den Gang in die kons equente Staatsmedizin oder in ein echtes faires und ordnungspolitisch sauberes Wettbewerbssystem. Wo wir stehen, muss ich nicht sagen. Wohin Sie wollen, haben Sie erläutert. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren, wir haben unabhängig von den Inhalten ein riesiges Problem, das alle Gesundheitsreformbemühungen der letzten Jahrzehnte auch hatten. Wir drehen im Strudel der Komplikation immer schneller und werden immer tiefer nach unten gezogen. Unabhängig von den einzelnen Inhalten, über die man füglich streiten kann, ist dieses Gesundheitssystem an den Rand der Unregierbarkeit gekommen. Wer in diesem System, einem gordischen Knoten, eine Chance haben will, muss den Knoten zerschlagen. Das Hinzufügen weiterer komplizierter Knoten und Schlingen führt nicht weiter.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eine Passage des Gesetzentwurfs vortragen, damit Sie wissen, was ich meine. Sie lautet: § 35 Abs. 1 wird wie folgt gefasst: „1 a) für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen können abweichend von Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz Gruppen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 gebildet werden, sofern die Gruppenbildung nur mit anderen patent

geschützen Arzneimitteln erfolgt und sofern diese nachfolgend zu dem ersten verkehrsfähigen Arzneimittel in Verkehr gebracht worden sind.“