Wenn er die gewünschte Wirkung entfaltet, dann gehört er nicht weg. Das ist ebenfalls so einfach. Das müssen wir ebenfalls sagen.
Die Beispiele kennen viele: Es gibt Standards, bei denen jeder auf den ersten Blick sagt: Tut einmal etwas! – Ich habe mir einmal einen schönen Standard heraussuchen lassen, nämlich die Landesverordnung über die Beflaggung der Dienstgebäude vom 10. Mai 1950. Dort wird in fünf Paragraphen abgehandelt, wo, wann, in welcher Größenordnung, an welchen Gebäuden beflaggt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solche Vorschrift ist nach meinem Dafürhalten natürlich sinnlos, zumindest in dieser Ausführlichkeit.
Das ist ein schönes Stichwort: Wir müssen uns natürlich auch mit der Mentalität unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger an dieser Stelle auseinander setzen. Wenn in Deutschland etwas nicht geregelt ist und es kommt heraus, löst dies zunächst einmal mindestens Überraschung, bei einigen sogar Entsetzen aus. Es führt dazu, dass Leute auf eine Regelung drängen: Warum ist bei uns so etwas Wichtiges wie möglicherweise die Beflaggung von Dienstgebäuden an bestimmten Tagen nicht geregelt?
Damit müssen wir uns auch auseinander setzen. Natürlich gibt es das. Jede Regelung, die es nicht gibt, ruft sozusagen automatisch Leute auf den Plan, die eine Regelung provozieren. Damit müssen wir uns auseinander setzen, aber diesen Leuten müssen wir nicht unbedingt folgen.
Aber worauf ich eigentlich hinaus möchte, ist die Tatsache, dass man beispielsweise über Standards in der genannten Art reden kann, aber nicht unter Hinweis auf ein Beispiel der Beflaggungsverordnung einfach Standards kurz und klein schlagen kann, nach dem Motto: Alles ist schlecht.
Ich möchte mir nun die Haltung der Kommunen dazu anschauen. Herr Kollege Böhr hat dies soeben zitiert. Das Problem ist, wir können das Thema „Standards“ nicht in einer akademischen Diskussion darüber abhandeln, was gut und was schlecht ist, sondern es spielen noch andere Gesichtspunkte mit hinein. Den Kommunen
steht das Wasser bis zum Hals. Das wissen wir. In ihrer Not kommen sie hinsichtlich des Abbaus oder der Anpassung von Standards auf Ideen, bei denen ich zu großer Vorsicht raten würde.
Natürlich gehen die Kommunen in ihrer finanziellen Not an die Qualität bei der Kinderbetreuung, an Umweltschutzstandards, an Vorschriften zur Partizipation von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern oder an Vorschriften im Bereich der Gleichstellungspolitik heran. Da sage ich: Vorsicht, nicht jeder Standard ist schlecht. Viele Standards sichern Qualität, auch demokratische Qualität. Wir müssen aufpassen.
Ich möchte es den Kommunen nicht übel nehmen, dass sie in ihrer Situation sehr stark finanziellen Gesichtspunkten folgen. Übel nehme ich es aber der CDU, wenn sie dies in ihrem Gesetzentwurf tut. Ich denke, wir brauchen eine differenzierte Auseinandersetzung.
Sie haben offenbar festgestellt, dass das Reden über Standards auf Parteitagen und öffentlichen Veranstaltungen einfacher ist als das Gießen einer entsprechenden Veränderung in Gesetzesform.
Bei dem Vorschlag der CDU sind am Ende noch zwei Dinge übrig geblieben. Der eine Punkt besagt, auf Antrag einzelner Kommunen an die Landesregierung sollen Standards unterhalb der Gesetzesebene aufgehoben werden können. Diese Idee hat einen gewissen Reiz, da sozusagen mit der Zeit eine Mängelliste möglicherweise von unten nach oben wächst. Wenn die Landesregierung einem entsprechenden Antrag nachkommt, müsste sie auch den Standard insgesamt überprüfen.
Aus der Praxis von Verwaltungen und der inneren Befindlichkeit von Ministerien, egal, von wem sie geführt werden, weiß man jedoch, dass es dort ein gewisses Beharrungsvermögen gibt.
Wenn ein Ministerium einen Standard zurücknehmen muss oder im Einzelfall oder insgesamt überprüfen muss, so setzt dies das Eingeständnis voraus, dass dieser Standard eigentlich unsinnig war. Ein solches Eingeständnis von einer Behörde zu verlangen, ist manchmal zu viel verlangt. Nur darauf möchte ich hinweisen.
Der zweite Punkt besagt, jede juristische und natürliche Person soll nach ihrer Vorstellung beantragen können, dass bestimmte Standards allgemein angepasst oder beseitigt werden. Es hat sich mir noch nicht erschlossen, worin denn das Neue in diesem Vorschlag liegt. Auf der einen Seite können sie sich schon heute an ihre Kommune wenden, wenn sie Anregungen oder Bedenken haben, und zum Zweiten gibt es auf Landesebene die
Möglichkeit der Legislativeingabe an das Parlament, an den Petitionsausschuss, der im Grunde genommen genau diesen Weg verfolgt und für jeden Bürger und für jede Bürgerin die Möglichkeit eröffnet, sich mit Vorschlägen an die Legislative zu wenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn wir über Standards reden, dürfen wir nicht nur über Geld reden, sondern müssen auch über andere Maßstäbe reden. Wir müssen beispielsweise auch über Transparenz sprechen: Inwiefern ist eine Folgewirkung von Standardabbau oder Standardmodifizierung auch eine Möglichkeit der Veränderung oder Vereinfachung? Inwiefern kollidiert es mit Bürgernähe oder geht mit Bürgernähe einher? Inwiefern ist die Frage der Qualität öffentlicher Leistungen, der öffentlichen Verwaltung insgesamt berührt? – Wenn wir all dies zusammen mit den Kosteneinsparungen abgewogen haben, können wir einigermaßen seriös entscheiden, welchen Weg wir bei den Standards weitergehen wollen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Böhr, „von der Intention begrüßenswert, in der praktischen Ausgestaltung jedoch unbrauchbar“, so könnte man die beiden parlamentarischen Initiativen der CDU-Fraktion, die zur finanziellen Entlastung der rheinland-pfälzischen Kommunen beitragen sollen, in einem Satz umschreiben.
Die Kommunen nicht nur in Rheinland-Pfalz stehen finanziell nahezu am Abgrund. Dies ist unbestritten. Da auf der Einnahmenseite in nächster Zeit wohl kaum eine Besserung zu erwarten sein wird, kann nur versucht werden, bei den kommunalen Ausgaben zu sparen. Mit dazu beitragen kann die Überprüfung kommunal relevanter Vorgaben des Landes.
Meine Damen und Herren, diesbezüglich besteht parteiübergreifend mit den meisten Kommunalpolitikern in Rheinland-Pfalz weitestgehend Einigkeit. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass den Kommunen nach dieser Überprüfung das Recht eingeräumt werden sollte, von gewissen landesrechtlichen Vorgaben abzuweichen.
Meine Damen und Herren, ich möchte allerdings dringlichst vor überzogenen Erwartungen mit einer derartigen Möglichkeit der Abweichung von landesrechtlichen Vorgaben warnen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Wirkungen, die damit verbunden sein werden, sehr begrenzt sind. Keinesfalls kann die Möglichkeit der Abweichung von landesrechtlichen Vorgaben als Allheilmittel angesehen werden. Ich kann auch nur davor warnen, dem Irrglauben zu verfallen, mit der Möglichkeit der Abweichung von landesrechtlichen Standards seien alle Probleme der Kommunen auf einen Schlag gelöst.
Meine Damen und Herren, gerade das Land Mecklenburg-Vorpommern hat am eigenen Leib verspüren müssen, dass dem gerade nicht so ist. Nachdem dort den Kommunen zum Oktober 2000 gesetzlich das Recht eingeräumt wurde, Ausnahmen von landesrechtlichen Vorgaben zu beantragen, hat eine erste Bilanz eineinhalb Jahre später ergeben, dass von dieser Möglichkeit lediglich drei Kommunen Gebrauch gemacht haben. Woran dies lag, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Vielleicht wurden auch in diesem Falle die Erwartungen überschätzt, oder aber die etwaige Möglichkeit der Erschließung finanzieller Ressourcen hat sich in den dortigen Kommunen noch nicht herumgesprochen.
Zumindest aber denke ich, dass das Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns einige Erwartungen rheinlandpfälzischer Kommunalpolitiker zumindest etwas dämpfen wird.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen zahlreiche Beispiele dafür nennen, bei denen Vorgaben des Landes den Handlungsspielraum unserer Kommunen einschränken. Ich erspare Ihnen allerdings eine Aufzählung, da jeder von uns in irgendeiner Art und Weise kommunalpolitisch tätig ist und insofern selbst am besten weiß und abzuschätzen vermag, wo letztendlich vor Ort der Schuh drückt.
Meine Damen und Herren, wenn Kommunen mehr Entscheidungsspielraum hätten, könnten sie möglicherweise nicht nur erhebliche Einsparungen erzielen, sondern auch die Transparenz und der Wettbewerb zwischen den Kommunen, möglichst Kosten sparend zu wirtschaften, würden möglicherweise wachsen. Profitieren würde letztendlich jeder einzelne Bürger in RheinlandPfalz. Gerade auch deshalb wird die rheinlandpfälzische Landesregierung und mit ihr die sie tragenden Fraktionen von FDP und SPD das Thema „Landesrechtliche Standards“ offensiv angehen.
Meine Damen und Herren, wie eine Lockerung von landesrechtlichen Vorgaben letztendlich praktisch umzusetzen ist, bedarf allerdings einer sorgfältigen und gewissenhaften Ausarbeitung, um im Ergebnis ein Verfahren zu finden, mit dem alle Beteiligten dann auch leben können.
Es wurde schon erwähnt, bereits im August 1995 hat die CDU-Fraktion versucht, einen vermeintlichen Lösungsweg aufzuzeigen, und einen Gesetzentwurf für einfache
Standards vorgelegt. Zwei damals unabhängige, im Übrigen von der CDU-Fraktion selbst in Auftrag gegebene Gutachten kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, das dieser von der CDU-Fraktion eingeschlagene Weg – ich drücke es einmal vorsichtig aus – aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest nicht unbedenklich zu werten ist.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, warum Sie genau diesen, wohl auf Wiedervorlage gelegten Gesetzentwurf aus der Schublade holen und unter fast demselben Titel und mit im Wesentlichen demselben Inhalt erneut ins Plenum einbringen, erschließt sich mir offen gesagt nicht ganz.
Die Tatsache, dass Sie es damals waren, die sowohl vom Ministerium der Justiz und davon losgelöst vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtags ein Gutachten über den eigens eingebrachten Gesetzentwurf einholten, zeigte doch, dass Sie selbst nicht hundertprozentig von der Verfassungsmäßigkeit ihrer eigenen Vorlage überzeugt waren.
Hat sich bei Ihnen nun fast acht Jahre danach ein Sinneswandel vollzogen, oder verfahren Sie heute nach dem Motto: Wir probieren es einfach noch einmal.
Meine Damen und Herren, gern können wir auch erneut den Wissenschaftlichen Dienst mit der Prüfung der vorgelegten Initiativen befassen. Ich denke nur, dass er auch diesmal zu keinem anderen Ergebnis als im Jahr 1995 kommen wird, sodass dies eine reine Zeitverschwendung wäre.
Meine Damen und Herren, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des damals eingebrachten Gesetzentwurfs wurden von beiden Gutachten auf einen Vorstoß gegen das sogenannte Bestimmtheitsgebot gestützt. Demnach müssen im Gesetz „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung“ bestimmt werden. Schon in dem damaligen Gesetzentwurf der CDU wurde diesem grundgesetzlich statuierten Bestimmtheitsgebot nicht ausreichend Rechnung getragen. Dies ignorierend bezeichnen Sie nach Ihrem neuerlichen Vorstoß die landesrechtlichen Vorgaben erneut nicht detailliert. Grundlegende Stützen unserer Verfassung werden also auch diesmal geradezu mit Füßen getreten.
Meine Damen und Herren, die rheinland-pfälzische Landesregierung geht das Thema „Standardabbau“ oder „Standardöffnung“ – je nachdem, wie man es nennen mag – seriös an. Ich kann Ihnen versichern, dass in Kürze diesbezüglich eine erste Regierungsvorlage vom Ministerrat beschlossen werden wird.
Ohne dass ich den Text bereits kenne, kann ich sagen, diese wird sich insofern von dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion unterscheiden, als dass sie konkret die Vorschriften benennen wird, von denen abgewichen werden kann.
Meine Damen und Herren, in diesem Punkt gebe ich den Kritikern recht, ein solcher Entwurf war zwar schon für