Originalzitat Kurt Beck –, beleidigen nicht nur die Lehrer, sondern schrecken auch vom Lehrerberuf ab. Die CDU lehnt den vorliegenden Antrag vor allem wegen der falschen Situationsanalyse und unzureichender Schlussfolgerungen ab.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist unverkennbar, dass wir für einige Fächer und einige
Schularten, insbesondere bei berufsbildenden Schulen, Schwierigkeiten haben, frei werdende oder zusätzliche Lehrerstellen zu besetzen. Das wurde schon gesagt. Dieses Problem ist kein Spezifikum von Rheinland-Pfalz, sondern das ist bundesweit feststellbar, Herr Keller. Wir wissen alle, warum wir damals die DreiviertelstellenRegelung getroffen haben. Zum damaligen Zeitpunkt war sie sinnvoll. Wir haben dann aber genauso schnell reagiert, als wir merkten, dass sich diese Regelung eher nachteilig auswirkt. Wir haben auch als FDP-Fraktion natürlich darauf gepocht, die Dreiviertelstellen stufenweise in volle Beamtenstellen umzuwandeln. Dadurch haben wir zusätzliche Unterrichtskapazitäten in erheblichem Umfang gewonnen. Wir haben es auch geschafft, die Attraktivität des Lehrerberufs in Rheinland-Pfalz zu steigern. Das allein reicht nicht aus, um die Mangelsituation zu bewältigen. Es reicht nicht aus, um das bundesweite Lehrkräftedefizit in den Mangelfächern auszugleichen. Deshalb unterstützt die FDP-Fraktion nachdrücklich, dass die Landesregierung mit einem breit angelegten Programm zusätzliche hoch qualifizierte Lehrkräfte für den Schuldienst gewinnen will.
Das Programm ist streng an den hohen fachlichen und pädagogischen Erfordernissen des Schulwesens orientiert. Es ist richtig, dass die Landesregierung durch die pädagogischen und berufspraktischen Angebote der Studienseminare eine hohe Qualität der Ausbildung von Seiteneinsteigern und Seiteneinsteigerinnen für den zukünftigen pädagogischen Berufsalltag in der Schule sicherstellt.
Meine Damen und Herren, natürlich ist das Quereinsteigerprogramm aus der bundesweiten Mangelsituation in einigen Fächern heraus entstanden, also eigentlich aus einer negativen Situation heraus. Das geht vor allem an die Adresse von Herrn Keller, der jetzt leider nicht mehr bereit ist, hier zuzuhören.
Nun gut, er ist jetzt geschafft. Er hat sich wieder sehr echauffiert. Ich lasse ihm einfach einmal die Zeit, sich zu erholen.
Auch wenn ein solches Programm in diesem Fall aus einer Mangelsituation heraus entstanden ist, sollten wir die Vorteile, die dieses Quereinsteigerprogramm hat, trotzdem nicht schlechtreden.
Es bedeutet schon eine Riesenchance, wenn man für die Schulen und vor allem für die Schülerinnen und Schüler auch von der Lebenspraxis und beruflichen Erfahrung der Quereinsteiger profitieren kann.
Das kann nach unserer Ansicht nicht negativ sein. Sie wissen selbst, dass es grundsätzlich nicht so sein wird, dass wir grundsätzlich nur noch Quereinsteiger und Leute aus der beruflichen Praxis haben werden. Es ist ein Einzelinstrument, um eine akute Mangelsituation zu beheben. Es eröffnet sicherlich Perspektiven auch für die berufsbildenden Schulen, auf die ich gleich noch kommen werde. Sie wissen selbst, dass es diesen pos itiven Aspekt gibt. Man sollte ihn benennen. Man sollte daraus nicht einen Abbau pädagogischer Standards herbeireden.
Wir müssen den Quereinsteigern Anreize bieten, um in die Schulen zu gehen. Bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut werden. Deshalb fordern wir, dass mit den zu erarbeitenden Vorschriften für Quereinsteiger auch möglichst flexible Ausgangsvoraussetzungen geschaffen werden, damit die Schulen und vor allem die Schüler von den vielfältigen beruflichen und persönlichen Erfahrungen der neuen Lehrkräfte profitieren können. Fachwissenschaftliche, pädagogische und didaktische Vorqualifikationen müssen angemessen gewürdigt und anerkannt werden, auch wenn sie nicht in der traditionellen Berufslehrerlaufbahn erworben wurden.
Es muss sichergestellt werden, dass bei der Entwicklung von pädagogischen und fachdidaktischen Zusatzausbildungen sofort Ausbildungs- und Einstellungsangebote gemacht werden können, wenn Bewerber in besonderen Mangelfächern zur Verfügung stehen. Die neu zu schaffenden Ausbildungswege für Quereinsteiger dürfen auch von uns selbst nicht gleich als Ausbildung zweiter Klasse wahrgenommen werden. Deshalb muss durch entsprechende laufbahnrechtliche und besoldungsrechtliche Regelungen dafür auch Sorge getragen werden, dass sowohl im Selbstverständnis der Beteiligten als auch nach außen hin diese Ausbildung qualitativ gleichrangig mit der klassischen Ausbildung gesehen wird.
Es muss auch geprüft werden, inwieweit fachwissenschaftliche und pädagogische Zusatzqualifikationen, die außerhalb der Universität erworben wurden, als Zusatzausbildungsanteile anerkannt werden können. Das gilt vor allem auch für Weiterbildungsangebote aus der Wirtschaft. Das sagte Frau Kollegin Brede-Hoffmann schon.
Ich möchte eine letzte Anmerkung machen. Ich denke, in diesem Zusammenhang kann man auch eine Perspektive als einen weiteren Schritt, insbesondere für die berufsbildenden Schulen, eröffnen. Wir müssen darüber nachdenken, nicht nur Quereinsteiger auf Dauer für die Schulen zu gewinnen, sondern in der Wirtschaft vorhandene pädagogische Ressourcen auch auf Zeit oder möglicherweise auch auf Teilzeitbasis zu nutzen. Das gilt für die berufsbildenden Schulen und kann natürlich nur in enger Kooperation mit der Wirtschaft geschehen. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass ein Unternehmen einen Mitarbeiter für eine gewisse Zeit beurlaubt, in der dieser Mitarbeiter an einer berufsbildenden Schule unterrichten kann, oder ein Unternehmen stellt stundenweise jemanden für diese Unterrichtstätigkeit frei. Das sind nur zwei Beispiele. Sicherlich sind auch noch andere Formen und Möglichkeiten denkbar. Wir sollten in
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft so viel Gestaltungsspielraum wie nur irgend möglich eröffnen und auch entsprechende Vertragsverhältnisse auf Angestelltenbasis zulassen; denn es geht hierbei auch um die Stabilisierung uns eres dualen Systems in Deutschland.
Wir sind auf einem guten Weg, die Situation, die nicht erfreulich ist, die aber nun einmal vorhanden ist, mit weiteren positiven Begleitaspekten zu lösen. Ich freue mich über diese Initiative.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 22. Februar dieses Jahres hat die Kultusministerkonferenz einen Maßnahmenkatalog zur Deckung des Lehrerinnenbedarfs beraten und vereinbart. Darin empfiehlt die KMK den Ländern – ich zitiere – „Ungeachtet der vorrangigen Einstellung von grundständig ausgebildeten Bewerbern ist in Mangelbereichen eine Öffnung für qualifizierte Seiteneinsteiger notwendig“. Auf den Internetseiten des Bildungsministeriums hier im Land steht daher unter der Überschrift „Öffnung des Schuldienstes für qualifizierte Seiteneinsteiger“ – ich zitiere –: „Derzeit wird auch in Rheinland-Pfalz geprüft, unter welchen Voraussetzungen auch Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen ohne Lehramtsausbildung in den Schuldienst bzw. in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden können. Regelungen für die Zulassung von Seiteneinsteigern zu Bewerbungsverfahren werden zurzeit vorbereitet. Dabei ist eine gründliche pädagogische Qualifikation der Seiteneinsteiger von zentraler Bedeutung.“
Sie merken, während Sie, die Regierungsfraktionen, noch Anträge schreiben, hat Ihre neue Ministerin glücklicherweise schon etwas schneller reagiert und schon gehandelt. Es ist nichts Neues in Ihrem Antrag zu lesen. Es ist alles kalter Kaffee.
Deswegen hat sich dieser Antrag meiner Meinung nach überflüssig gemacht. Es haben sich allerdings – das ist jedenfalls bis eben, bis Herr Keller gesprochen hat, meine Meinung gewesen – eigentlich zwischen den Fraktionen in der Frage nach dem Einsatz von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten feststellen lassen können. Ich bin jetzt von der CDU eines Besseren belehrt worden.
Ich glaube jedenfalls, dass es grundsätzlich in diesem Hause eine Übereinstimmung gibt. Natürlich können wir uns den Einsatz von Quereinsteigern und Seiteneinsteigern in den Schuldienst vorstellen.
Natürlich wollen wir sie alle auch pädagogisch und fachdidaktisch qualifiziert haben. Ein solches Programm, wie das von den Regierungsfraktionen vorgeschlagen wurde, reicht natürlich bei weitem nicht aus. Mit einer zusätzlichen pädagogischen und fachdidaktischen Qualifikation, die sie sich durchaus berufsbegleitend oder auch berufsintegriert aneignen können, und bei intensiver Betreuung in der Berufseinstiegsphase können sich Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit ihren Erfahrungen aus der Berufs - und Arbeitswelt durchaus als ein sehr belebendes Element in einem Kollegium und in einer Schule erweisen. Das ist gar keine Frage. Das ist gerade auch besonders vor dem Hintergrund der Forderung nach einer Öffnung der Schule zur Gesellschaft und einer Öffnung der Lernwelten zu den Lebenswelten zu sehen.
Mit diesen Bemerkungen könnte ich meine Rede zum vorliegenden Antrag eigentlich schließen, wäre da nicht tatsächlich ein sehr drängendes Problem, und zwar mit gefährlichen Ausmaßen für alle Schulen und nicht nur partiell für einige Schularten, nämlich das Problem, das auch von anderen schon angesprochen wurde, eines in naher Zukunft zu erwartenden Lehrerinnen- und Lehrermangels in bisher ungeahnten Dimensionen. Das eigentliche Problem, das Ihrem Antrag auch zugrunde liegt, ist der sich bundesweit abzeichnende Mangel an ausgebildetem Lehrerinnennachwuchs. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, Sie verharmlosen diesen Mangel im Feststellungsteil Ihres Antrags auf eine unverantwortliche Art und Weise.
Bundesweit und landesweit zeichnet sich nicht nur ein partieller Lehrerinnenmangel für einige Fächer und einige Schularten ab, sondern für das gesamte Schulwesen und auch für viele andere Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft zeichnet sich ein dramatischer Engpass bei akademisch ausgebildeten Fachkräften ab. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur wir, sondern auch die BundLänder-Kommission für Bildungsplanung, die am Montag einen Bericht vorgelegt hat.
Diese Entwicklung werden die Schulen insbesondere und in besonderem Maße betreffen, da in den kommenden zehn Jahren nach Einschätzung der Kultusministerkonferenz rund die Hälfte der gesamten Lehrerinnenschaft aus dem aktiven Schuldienst ausscheiden wird. Für Rheinland-Pfalz kommt sehr erschwerend hinzu, dass mit rund 80 % Frühpensionierungen bei den Lehrkräften auch unser Land leider bundesweiter Vorreiter ist. Weiterhin wird die Situation natürlich auch noch dadurch verschärft, dass jetzt 1.000 zusätzliche Lehrkräfte für Ganztagsangebote an rheinland-pfälzischen
Schulen gefordert werden, was ich durchaus auch nachvollziehen kann. Allerdings müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie wir dem Mangel an Lehrerinnen nachkommen. Deswegen brauchen wir zur Lösung dieser Problemlage ein ganzes Maßnahmenbündel, um die Unterrichtsversorgung an den Schulen dauerhaft verbessern zu können und zu sichern. An die erste Stelle möchte ich die von der Regierungskoalition seit zehn Jahren angekündigte und bis heute versäumte Reform der Lehrerinnenausbildung stellen.
Die zukünftige Lehrerinnenausbildung muss in jeglicher Form attraktiver gestaltet und insbesondere auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in der Wissensgesellschaft ausgerichtet werden.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das wird aber die Probleme der nächsten drei Jahre nicht lösen! Unter anderem muss die Lehrerinnenausbildung in all ihren Phasen sehr viel praxisorientierter werden. Es muss an den Hochschulen für die Lehramtsstudierenden ein verbindliches und fachdidaktisch vorbildliches Lehrangebot in den Berufs- und Fachwissenschaften aufgebaut werden. Unterstützend zu einer attraktiveren Lehrerinnenausbildung, die sie tatsächlich versäumt haben, müssen neben den Seiteneinsteigerinnen weite- re qualifizierte Menschen gefunden werden, um die Unterrichtsversorgung dauerhaft zu verbessern. So sollte zum Beispiel unserer Meinung nach aus dem Bildungsministerium unter dem Motto „welcome back“ aktiv um Wiedereinsteigerinnen in den Schuldienst ge- worben werden. Auch wer nach dem zweiten Staats- examen seit einigen Jahren bereits einen anderen Beruf ausübt, muss nach einer entsprechend gestalteten Ein- stiegsphase die Möglichkeit bekommen, wieder zu unter- richten. In fast allen Lehrämtern gibt es ausgebildete Lehrkräfte mit nicht nachgefragten Fächerkombinatio- nen. Auch das habe ich heute Morgen in meiner Mündli- chen Anfrage nachgefragt. Ausgebildeten Lehrkräften aus diesen Überhangbereichen müssen verstärkt Ange- bote für eine zusätzliche Qualifikation in einem stark nachgefragten Fach gemacht werden. Dazu soll die Landesregierung ein umfangreiches Zusatzqualifizie- rungsprogramm auflegen. Nicht nur vor dem Hintergrund des bevorstehenden Lehrerinnenmangels, sondern insbesondere auch in Vorbereitung auf ein vereintes Europa muss sich das Bildungsministerium in den nächsten Jahren ganz aktiv und verstärkt um ausländische Lehrkräfte an unseren Schulen bemühen. (Beifall des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Ausbildung muss als gleichwertig anerkannt werden; denn sie können insbesondere dazu beitragen, den Sprach- und den bilingualen Unterricht zu verbessern.
Im Zusammenspiel dieser einzelnen Maßnahmen sollte es uns durchaus möglich sein, auch auf Dauer unseren Schulen gut ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung zu
stellen. Wir GRÜNEN – das möchte ich noch einmal betonen – haben das Unsere immer dazu beigetragen und werden das auch weiterhin tun, um den Arbeitsplatz Schule tatsächlich attraktiver zu machen.
Ich möchte Sie am Schluss noch einmal auffordern, neben Ihrem Werben für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, das auch begründet ist, Ihre große Verantwortung wahrzunehmen und mehr hochwertige pädagogische und fachdidaktische Weiterqualifizierungsangebote zu machen.
Als letzten Punkt spreche ich an, dass Sie sich – das ist uns besonders wichtig; Frau Brede-Hoffmann, jetzt spreche ich gerade auch Sie an – nicht weiterhin von der FDP blockieren lassen dürfen. Eine Reform der Lehrerinnenausbildung muss dringend in die Wege geleitet werden.