Im Weißweinsektor haben traditionelle Rebsorten wie Riesling, Silvaner und die Burgunder-Sorten wieder erheblich an Bedeutung gewonnen.
20 % der Traubenproduktion werden durch Erzeugergemeinschaften und Winzergenossenschaften erfasst. 55 % der Produktion werden in Winzerbetrieben zu Fasswein ausgebaut und am freien Markt gehandelt. 25 % werden schließlich von den Weingütern direkt vermarktet.
Meine Damen und Herren, die Erzeugergemeinschaften stabilisieren den Fassweinmarkt, da sie in der Lese große Erntemengen ihrer Mitglieder einlagern und für eine optimale Vermarktung sowie eine kontinuierliche Marktbeschickung sorgen. Sie sind unverzichtbare Akteure am Weinmarkt und erweisen sich als Vorreiter in der Bildung von horizontalen und vertikalen Kooperationen.
In diesem Bereich ist eindeutig ein innerer Strukturwandel erkennbar. Neben vereinzelten Fusionen existieren inzwischen innerhalb von Rheinland-Pfalz und länderübergreifend zukunftsweisende Kooperationen von Winzergenossenschaften für Produktion, Logistik und Marketing.
Ein weiterer Leistungsträger der rheinland-pfälzischen Weinwirtschaft sind die rund 32 gewerblichen Weinkellereien mit rund 1.150 Mitarbeitern. Sie beziehen insbesondere Traubenmost und Fassweine von Winzerbetrieben und Erzeugergemeinschaften. Weinkellereien vermarkten immerhin rund 55 % der rheinland-pfälzischen Qualitätsweine.
Von besonderer Bedeutung sind auch die direkt vermarktenden Weingüter. Diese prägen das traditionelle Bild der Anbaugebiete. Mit der Direktvermarktung werden gute Einkommen aus dem Weinbau erzielt.
Die Weinwirtschaft ist in Rheinland-Pfalz ein bedeutender Auftraggeber für Gewerbe und Dienstleister. Beispielhaft nenne ich den Land- und Kellereimaschinenbau, Druckereien, Werbeagenturen, Weinbau- und Kellereiartikelhandel und Speditionen.
Schließlich dürfen bei der Situationsbeschreibung die Stichworte „Weinbau, Kultur und Tourismus“ nicht feh
len. Diese drei Elemente bilden eine untrennbare Einheit in der touristischen Landschaft von Rheinland-Pfalz.
Unsere Gäste besuchen die rheinland-pfälzischen Weinund Flusslandschaften, weil sie dort die Einheit von Wein, Kultur und touristischem Angebot finden und ihnen kulturelle Erlebnisse in einer spektakulären und zugleich romantischen Landschaft geboten werden.
Kein anderes Bundesland wird von den Urlaubern so deutlich mit dem Thema „Wein und Kultur“ verbunden wie Rheinland-Pfalz.
Meine Damen und Herren, will man Weinmärkte gestalten und Weine marktorientiert erzeugen, muss man den großen Weinmarkttrends und Innovationen folgen, die den Weinmarkt beherrschen.
Waren es in den vergangenen zehn Jahren vorwiegend die „Chardonnays“ und „Sauvignon blancs“ aus Übersee, die die Märkte erobert haben, erleben wir derzeit einen ausgeprägten Trend nach hochwertigen Rotweinen. Der Rotweinmarkt boomt. Viele Erzeuger profitieren von dieser Entwicklung. Unter den hochwertigen Rotweinen befindet sich der Spätburgunder aus unseren Anbaugebieten im internationalen Weinangebot in einer hervorragenden Position.
Für die nahe Zukunft zeichnet sich nach übereinstimmender Einschätzung vieler Marktexperten eine Renaissance des Rieslings, der weißen Burgundersorten und des Silvaners ab. Neben dem harmonisch trockenen Weißweinstil sucht der Verbraucher die Fruchtigkeit von Weinen, die im gemäßigten Klima unserer Anbaugebiete besonders gut gedeihen.
Auch die Gesundheitsaspekte eines moderaten Weinkonsums stoßen auf ein starkes Verbraucherinteresse.
Zahlreiche Studien belegen die positiven Wirkungen eines moderaten Weinkonsums. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse waren und sind Image bildend. Sie haben erheblich zu einem weltweit großen Interesse an Wein beigetragen.
Eine besondere Herausforderung für die Unternehmen der Weinwirtschaft ist und bleibt es, junge Konsumentenschichten an die rheinland-pfälzischen Weine heranzuführen. Aus diesen aktuellen Trends ergibt sich für unsere Weinwirtschaft eine gute Ausgangsposition zur Belebung der Nachfrage.
Das aus Sicht der Erzeuger und der Verbraucher lukrativste Einkaufssegment liegt im Mittelpreisbereich. Hier ist auf qualitativ hohem Niveau zukünftig mit einem hohen Wettbewerbsdruck zu rechnen. Vordringliches Ziel der Unternehmen der Weinwirtschaft muss daher die Stärkung der eigenen Wirtschaftlichkeit sein, um die notwendigen Produktinnovationen zügig am Markt platzieren und die Neuheitseffekte besser nutzen zu können.
Die Unternehmen der Weinwirtschaft müssen sich auch auf ein geändertes Einkaufsverhalten der Konsumenten
einstellen. Dies betrifft in erster Linie die Wahl der Einkaufsstätten. Hier nehmen die Discounter zwischenzeitlich eine dominierende Stellung ein. Fast jede zweite Flasche wird dort eingekauft. Wein ist für den Lebensmittelhandel generell ein ökonomisch interessantes Produkt. Kein anderes alkoholisches Getränk verzeichnet höhere Verbrauchszahlen. Daher dürfte das Interesse des Lebensmittelhandels an Wein auch künftig sehr groß sein.
Meine Damen und Herren, die Marktnähe ist ein wesentlicher Vorteil der Unternehmen der rheinland-pfälzischen Weinbranche. Sie müssen in diesem Wettbewerb ihre Spezialisierung aufgeben und sich zum Vollsortimenter entwickeln, um als Lieferanten entsprechend bestehen zu können. Für die Zukunft ergeben sich daraus gute Chancen für den Weinbau.
Die Winzer müssen sich entscheiden, welches Marktsegment sie bedienen wollen. Winzer, die Trauben und Fasswein produzieren und die ihre Produkte auf das Basissegment ausrichten, müssen unter kostenoptimalen Bedingungen wirtschaften, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Sie liefern die Rohware für den Fassweinmarkt. Dieses Segment mit rund 50 % des Weinkonsums wird im Discount abgesetzt.
Im Premiumsegment dagegen werden sich die Unternehmen behaupten, die Vorteile im Qualitätswettbewerb gegenüber den Mitbewerbern aufzeigen können. Gute Ausgangsqualitäten können nur mit reduzierten Erträgen im Weinberg erreicht werden.
Meine Damen und Herren, zur Gewährleistung der Qualitätssicherungskette in diesem Segment wird zwischen Traubenerzeuger und Handel überwiegend Vertragsweinbau stattfinden. Im Premiumsegment sind der Lebensmitteleinzelhandel, der Fachhandel und die Gastronomie die Einkaufsstätten der Verbraucher. Von der Erzeugerseite her werden im Wesentlichen die Weingüter und Erzeugergemeinschaften dieses Segment bedienen können.
Im Superpremiumsegment, einem Marktsegment mit einem Anteil von etwa 3 bis 5 %, werden zweifellos ausschließlich Topqualitäten vertreten sein. Höchste Qualitätsstandards bei gleichzeitig sehr niedrigen Erträgen sind in diesem Segment die weinbaulichen Voraussetzungen. In erster Linie werden große Weingüter dieses Segment besetzen können. Gastronomie- und Fachhandel werden diese Superpremiumprodukte führen. Von ihnen geht eine positive Ausstrahlung auf das Image der deutschen bzw. rheinland-pfälzischen Weine aus.
Meine Damen und Herren, es ist Zeit zu einer Umkehr der Denkrichtung. Wie in allen Bereichen der Wirtschaft sind die Marktrelevanz und somit die Verbraucherpräferenz Ausschlag gebende Kriterien für die Produktent
wicklung und Produktpositionierung. Der Weinmarkt folgt den Gesetzmäßigkeiten eines Käufermarktes. Marktinformationen sind das entscheidende Erfolgskriterium.
Das Kundenverhalten an den verschiedenen Marktplätzen für den Weineinkauf bestimmt die Nachfrage nach Weinart und Weinstil. Dies beeinflusst wiederum die Maßnahmen im Keller und die Produktion der Trauben im Weinberg. Erfolgreiche Unternehmen haben dies erkannt. Die Denkrichtung darf nicht vom Weinberg zum Kunden gehen, sondern sie muss vom Kunden zum Weinberg gehen. Die entscheidenden Stationen sind Kunde, Marktplatz, Önologie, Weinberg und Winzer. Mit diesem Denkmuster kann unsere Weinwirtschaft sich am interessanten deutschen Weinmarkt behaupten.
Damit stellt sich die Frage, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und welche Handlungsfelder das Land in der Zukunft besetzen soll. So ist es zum Beispiel dringend notwendig, dass der technische Fortschritt im Weinbau zügig umgesetzt wird. In den vergangenen Jahren konnte mit technischer Hilfe der Arbeitsaufwand im Weinbau erheblich abgesenkt werden. Pionierbetriebe realisieren heute weniger als 200 Arbeitsstunden pro Hektar im Direktzug. Wird der technische Fortschritt konsequent umgesetzt, so sind in absehbarer Zeit in Flachlagen weniger als 150 Stunden je Hektar und Jahr durchaus möglich. In Steillagen sehe ich die realistische Chance, deutlich unter 500 Arbeitsstunden zu kommen.
Solch ein niedriger Arbeitsaufwand lässt sich aber nur realisieren, wenn wichtige Rahmenbedingungen wie ausreichend große und vernünftig geschnittene Parzellen geschaffen werden und optimale Zeilenbreiten und Stockabstände zur Anwendung kommen. Moderne leistungsfähige Technik bietet vielfach Kapazitäten, die ein einzelner Betrieb nur selten ausschöpfen kann. An dieser Stelle ermöglichen die rheinland-pfälzischen Maschinenringe einen sinnvollen überbetrieblichen Einsatz. Ich unterstütze gern die Maschinenringe; denn nur sie bieten oft erst die Möglichkeit, kostengünstige und rationelle Arbeitserledigung auch in kleineren Betrieben durchzuführen. Damit lässt sich teure Arbeitszeit einsparen und gleichzeitig die Schlagkraft erhöhen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Kooperation in der Weinwirtschaft lassen sich strukturelle Nachteile ausgleichen. Die Weinwirtschaft agiert positiv mit neuen und Kosten sparenden Organisationsformen. Darüber hinaus wendet sie ganzheitliche Qualitätsregeln im Sinne von Qualitätssicherungskonzepten an. Ausreichend große Partien von qualitativ überzeugenden Weinen für den Discount lassen sich meist nur durch partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Kellereien und Winzern erzeugen. Unter aktiver Beteiligung der staatlichen Weinbauberater ist inzwischen eine Vielzahl großer und kleiner so genannter vertikaler Kooperationen entstanden. In einigen Fällen holen die Kellereien die Trauben zur weiteren Verarbeitung im eigenen Betrieb unmittelbar am Feldrand des Winzers ab. Andere Beispiele belegen, wie durch präzise Vorgaben der Kellereien rheinland-pfälzische Fassweinwinzer unter Ausnutzung der eigenen Kapazitäten die gewünschten Weine erzeugen.
Eine solche Zusammenarbeit muss, damit sie erfolgreich ist, auf Dauer angelegt sein. Darüber hinaus muss sie klare Regeln für Leistung und Gegenleistung beinhalten. Ich gehe davon aus, dass diese Kooperationen zunehmen werden und Schritt für Schritt die Spontankäufe auf dem Fassweinmarkt ablösen können.
Ich lehne es aber gleichzeitig ab, diesen dynamischen Markt mit staatlichen Normen und Bedingungen einzuschränken. Ich setze vielmehr auf die Vernunft der Handelspartner, die durch faire Zusammenarbeit Erfolge am Markt erzielen wollen.
Inzwischen nutzen auch Weingüter mit einem starken Vermarktungspotenzial die Möglichkeit des geplanten und vertraglich gesicherten Zukaufs. So entsteht ein flexibles weinbauliches Netzwerk, durch das mögliche einzelbetriebliche Krisen besser gemeistert werden können. Das Weinrecht lässt solche Kooperationen zu.
Es stehen jedoch nicht alle Bezeichnungsmöglichkeiten zur Verfügung. Hierzu zählen zum Beispiel Angaben zum Weingut oder zur Erzeugerabfüllung. Pacht- und Bewirtschaftungsverträge sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten sehr gute Instrumente, um enge Kooperationen knüpfen zu können. Hier liegt die Zukunft für wachsende Betriebe. Wir müssen aber gleichzeitig Verbesserungen erreichen. Ich bin gern bereit, bei der Reform des Weingesetzes Anpassungen im Bezeichnungsrecht auf den Weg zu bringen, die sowohl den betrieblichen Entwicklungen der Kellereien und Weingüter als auch den Verbraucherwünschen Rechnung tragen.
Meine Damen und Herren, branchenübergreifende Kooperationen mit Tourismus, Gastronomie und Kultur führen ebenfalls zu enormen Synergieeffekten. Ein Urlauber, der einen guten Wein direkt beim Erzeuger gekauft hat, wird mit Sicherheit leichter als Stammkunde für rheinland-pfälzische Weine zu gewinnen sein als jemand, der dies nicht getan hat.
Vor diesem Hintergrund hat das Weinbauministerium verschiedene Kooperationen angestoßen und realisiert. Der Gedanke „Wein und Tourismus – Partner im Erfolg“ ist in unseren Weinbauregionen auf sehr fruchtbaren Boden gefallen. Es konnte eine große Zahl gelungener Kooperationen entwickelt werden. Es muss jedoch noch vieles getan werden, wenn wir uns zukünftig im Wettbewerb mit anderen touristischen Zielregionen weiter erfolgreich behaupten wollen.
Hierzu müssen wir den eingeschlagenen Weg weiter konsequent verfolgen, das Miteinander von Weinbau und Tourismus intensivieren und aus diesem verstärkten Miteinander neue Ideen und Konzepte entwickeln. Diese Konzepte müssen von einer großen Zahl touristischer Leistungsträger aus Gastronomie, Hotellerie und der regionalen Weinwirtschaft mitgetragen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, markantes Zeichen für ein wirkungsvolles Zusammenspiel von Wein und Tourismus, Kultur und Natur ist zweifellos der Steillagenweinbau. Gerade in den Urlaubsregionen der
Die imposante Kulisse einer über Jahrhunderte gewachsenen Struktur steht aber vor einer großen Bewährungsprobe, die sich nur durch aktives Zusammenwirken von Weinwirtschaft und öffentlicher Hand meistern lässt.
Meine Damen und Herren, um es deutlich auszusprechen, der Steillagenweinbau wird nicht allein durch staatliche Förderung erhalten werden können; denn niemand hat Interesse an einem Museumsweinbau. Deshalb müssen die Instrumente des Flächenmanagements auch zukünftig genutzt werden, um ein Ausbreiten von einzelnen Brachen in der geschlossenen Weinlage zu vermeiden. Positive Beispiele sind die Ausgleichsmaßnahmen in der Verbandsgemeinde Schweich und des Kulturamts Bernkastel-Kues.