Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

......................................................................................................... 3490, 3493, 3495 Abg. Bracht, CDU:........................................................................................3434, 3435, 3436, 3502, 3511 Abg. Creutzmann, FDP:................................................................................3449, 3462, 3467, 3494, 3495 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................3427, 3442, 3447, 3449, 3461, 3466 Abg. Dr. Gölter, CDU:............................................................................................. 3428, 3440, 3446, 3465 Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD:.................................................................................... 3431, 3451, 3457 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................. 3483, 3485, 3488, 3493 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:....................................................................................................3487, 3488 Abg. Frau Morsblech, FDP:.......................................................................................................3453, 3507 Abg. Frau Reich, SPD:..............................................................................................................3491, 3493 Abg. Frau Schmidt, CDU:...................................................................................................................3436 Abg. Frau Schmitt, SPD:....................................................................................................................3509 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:...................................3432, 3433, 3434, 3435, 3505, 3510 Abg. Hartloff, SPD:....................................................................................................................3439, 3513 Abg. Hohn, FDP:..................................................................................3441, 3446, 3471, 3477, 3486, 3499 Abg. Hörter, CDU:.....................................................................................................................3438, 3439 Abg. Itzek, SPD:.......................................................................................................................3469, 3475 Abg. Jullien, CDU:.........................................................................................3434, 3436, 3439, 3470, 3476 Abg. Keller, CDU:.................................................................................................. 3428, 3430, 3431, 3450 Abg. Kramer, CDU:............................................................................................................................3512 Abg. Lammert, CDU:..........................................................................................................................3480 Abg. Lelle, CDU:............................................................................................................. 3429, 3430, 3456 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................3436, 3468, 3474, 3498, 3499 Abg. Mertes, SPD:.............................................................................................................................3436 Abg. Pörksen, SPD:..................................................................................................................3481, 3485 Abg. Puchtler, SPD:..................................................................................................................3445, 3466 Abg. Ramsauer, SPD:............................................................................................ 3426, 3428, 3434, 3439 Abg. Schmitt, CDU:............................................................................................................................3438 Abg. Schnabel, CDU:....................................................................................3437, 3438, 3495, 3499, 3501 Abg. Schwarz, SPD:..........................................................................................................................3460 Abg. Schweitzer, SPD:.......................................................................................................................3496 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:....................................................... 3430, 3432, 3452, 3458 Abg. Wirz, CDU:................................................................................................................................3459 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:......................... 3448, 3463, 3468 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend:.........................3429, 3430, 3431, 3432, 3454, 3459 Frau Conrad, Ministerin für Umwelt und Forsten:..................................................... 3426, 3427, 3428, 3443 Mertin, Minister der Justiz:..................................................................................................................3489 Mittler, Minister der Finanzen:...............................................................3433, 3434, 3435, 3436, 3472, 3500 Vizepräsident Creutzmann:..............................3481, 3483, 3485, 3486, 3496, 3498, 3499, 3500, 3501, 3505 3507, 3509, 3510, 3511, 3512, 3513 Vizepräsidentin Frau Grützmacher:..................3426, 3427, 3428, 3429, 3430, 3431, 3432, 3433, 3434, 3435 3436, 3437, 3438, 3439, 3440, 3441, 3442, 3443, 3445, 3446 3447, 3448, 3449, 3450, 3451, 3452, 3453, 3454, 3456, 3457

3458, 3459 Vizepräsidentin Frau Hammer:.........................3459, 3460, 3461, 3462, 3463, 3465, 3466, 3467, 3468, 3469 3470, 3471, 3472, 3474, 3475, 3476, 3477, 3480, 3487, 3488 3489, 3490, 3491, 3493, 3494, 3495 Zuber, Minister des Innern und für Sport:................................................................. 3437, 3438, 3439, 3478

52. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 10. Juli 2003

Die Sitzung wird um 9:31 Uhr von Vizepräsidentin Frau Grützmacher eröffnet.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie sehr herzlich zur 52. Sitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:

Fragestunde – Drucksache 14/2331 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frank Puchtler, Günter Ramsauer und Franz Schwarz (SPD), EU-Konzeption zur Registrierung und Kontrolle chemischer Stoffe – Nummer 1 der Drucksache 14/2331 – betreffend, auf.

Zur Darstellung der Mündlichen Anfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Ramsauer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es handelt sich um die EU-Konzeption zur Registrierung und Kontrolle chemischer Stoffe.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Teilbereiche des Verordnungsentwurfs sind aus Sicht der Landesregierung unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung einer praktikablen Chemikaliensicherheit kritisch zu bewerten?

2. Welche Auswirkungen ergeben sich für den Chemiestandort Rheinland-Pfalz, wenn der vorliegende Entwurf EU-Recht würde?

3. Wie würden sich die vorgesehenen Regelungen für die Registrierung und Autorisierung von Chemikalien auf die kleinen und mittleren Unternehmen in Rheinland-Pfalz auswirken?

4. Welche Initiativen beabsichtigt die Landesregierung zu ergreifen, um eine Verbesserung der vorgesehenen Regelungen zu erreichen?

Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Frau Conrad.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich die Ziele eines europäischen Chemikalienrechts, welches eine hohe Sicherheit für Mensch, Umwelt und

Verbraucherschutz, aber auch gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten soll.

Wir sehen uns in Übereinstimmung mit der Wirtschaft, die sich bereits 2002 mit der Bundesregierung unter Einbeziehung der zuständigen Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie auf Eckpunkte verständigt hat. Die Landesregierung unterstützt diese Position. Auch begrüßt die Landesregierung, dass mit dem neuen Regelwerk ca. 60 bestehende, zum Teil wenig praxistaugliche Rechtstexte ersetzt werden sollen. Unser gemeinsames Ziel ist ein einheitliches Regelwerk, welches auch die Altstoffe erfasst.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen der Herren Abgeordneten Frank Puchtler, Günter Ramsauer und Franz Schwarz wie folgt:

Zu Frage 1: Gerade das Ziel der Vereinfachung und Verschlankung des Chemikalienrechts wird nicht erreicht. Zu viele alte Regelungen bleiben erhalten, sodass ein Zuwachs an Bürokratie bei Unternehmen und Behörden absehbar ist. Kosten und Nutzen stehen in keinem angemessenen Verhältnis zueinander.

Durch das vorgesehene Registrierverfahren wird sich der von den Betrieben zu betreibende Aufwand für viele Produkte – selbst bloße Zwischenprodukte – deutlich erhöhen, ohne dass ein nennenswerter Sicherheitsgewinn zu verzeichnen ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es fehlen ausreichende Vorgaben zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Diese sind für ein Überleben mancher Unternehmen und ihrer Produkte im internationalen Wettbewerb unverzichtbar. Die Registrierpflicht für einzelne Substanzen – auch wenn diese nur Bestandteil von Zubereitungen sind – auf allen Verwendungsstufen in der Produktionskette wird nicht nur extrem hohe Kosten verursachen. Sie bedeutet zugleich eine unüberschaubare Datenflut, die letztendlich nicht mehr, sondern weniger Sicherheit und Transparenz schafft. Hier gilt: Weniger ist manchmal mehr.

(Beifall bei SPD und FDP)

Nicht zuletzt bedeuten die vorgesehenen Regelungen, dass eine ungeheure Zahl von Tierversuchen zu befürchten ist. Dies könnte durch effizientere Regelungen – ohne auf Sicherheitsaspekte zu verzichten – vermieden werden.

Zu den Fragen 2 und 3: Die Landesregierung sieht insbesondere die Gefahr, dass kleinere und mittelständische Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu Verlierern werden. Diese Betriebe haben vor allem Know-how hinsichtlich der Anwendung von Chemikalien für ganz bestimmte Zwecke.

Selbst die Europäische Kommission geht von Kosten und Aufwendungen bis ins Jahr 2020 von 18 Milliarden bis 30 Milliarden Euro aus. Davon entfallen allein auf die Registrierung von Stoffen bereits mehrere Milliarden Euro. Ohne uns die Zahlen in einer Studie des Bundesverbands der deutschen Industrie zu Eigen zu machen,

die je nach Szenario von einem Rückgang der Bruttowertschöpfung von 2 % bis 24 % spricht, muss man festhalten, dass für Rheinland-Pfalz wegen des bedeutenden Chemieanteils eine überdurchschnittliche Belastung und Gefährdung von Arbeitsplätzen zu verzeichnen wäre.

Zu Frage 4: Die Landesregierung beteiligt sich an dem aktuellen Konsultationsverfahren der EU-Kommission zu dem vorgesehenen neuen Regelwerk.

Wir setzen vor allem an folgenden Punkten an: Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und dem erzielbaren Sicherheitsgewinn, vor allem im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen eine kosteneffizientere Ausgestaltung des Registrierungsverfahrens, Datensicherheit und Datenschutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, keine Datenfriedhöfe, Vermeidung unnötiger Tierversuche, um nur einige zu nennen.

Die Landesregierung wird wie bisher alle Möglichkeiten, über die Bundesregierung, das Europäische Parlament und die Kommission nutzen, um im Interesse von Sicherheit, Wettbewerb und Innovationsfähigkeit des Chemiestandorts Rheinland-Pfalz zu einer praxisgerechten Ausgestaltung des neuen Regelwerks zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Braun.

Frau Ministerin, was halten Sie von den erhobenen Daten der EU-Kommission bezüglich der Kosten der EUChemikalienrichtlinie, in denen klar festgehalten ist, dass die Kosten des REACH–Systems weit unter 0,1 % des Umsatzes liegen? Halten Sie diese Daten für falsch?

Ich glaube erst einmal, die Zahlen sind durchaus überprüfbar. Ich sage dies ganz vorsichtig, weil nur ein Teil der Kosten mit eingerechnet worden ist. Das Zweite ist, dass diese Kosten sich nicht gleichmäßig auf Umsätze, Unternehmen und Produkte verteilen, sondern unter Umständen unverhältnismäßig hoch sind, und zwar dort, wo kleine Chargen in der Tat heute noch unter wettbewerbsfähigen Bedingungen hergestellt werden, die ohne große Gewinnmargen heute auf dem Markt vertrieben werden müssen, aber in Zukunft wegen dieser Belastungen ausfallen würden. Insofern ist es richtig, sehr genau zu betrachten, wie sich solche Regelungen produkt- und unternehmensbezogen auswirken werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Braun.

Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die erreichten Änderungen, die sich inzwischen nach der ersten Entwurfsfassung der Europäischen Union durchgesetzt haben, gerade in den Bereichen unter einer Jahrestonne und bis zu 10 Jahrestonnen, in denen die Europäische Union weit über das in Deutschland übliche Verfahren hinaus Lockerungen vorsieht? Das Positionspapier, das die Landesregierung in der vergangenen Diskussion unterstützt hat, fordert sogar schärfere Regelungen als die Europäische Kommission.

Herr Abgeordneter, wir begrüßen durchaus, dass gegenüber dem Weißbuch einige Verbesserungen vorgesehen sind, die wir im Übrigen in mehreren Veranstaltungen in Brüssel diskutiert haben und nicht zuletzt der Herr Ministerpräsident im direkten Gespräch mit Frau Wallström erörtert hat. Eine unserer Positionen war, dass wir eine europäische Verordnung gefordert haben, um klare rechtliche Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb zu schaffen. Dies sieht heute so aus. Ein Verordnungsentwurf steht heute im Internet.

Wir begrüßen darüber hinaus, dass die Stoffe für Forschung und Entwicklung aus diesem strengen Registrierverfahren herausgenommen worden sind. Ferner begrüßen wir – das war aber auch im Weißbuch schon so –, dass wir hinsichtlich der Mengen gegenüber der alten Chemikalienverordnung andere Eingangsgrenzen haben. Das sind Akzente, die durchaus von unserer Seite gewürdigt wurden.

Umgekehrt müssen wir jetzt feststellen, dass im Verordnungsentwurf weitere Stoffe – auch Zwischenprodukte, insbesondere das Thema Polymere ist anzusprechen – mit einer bestimmten Fließfähigkeit – so sage ich es einmal salopp zum Verständnis – wieder hineingenommen werden, sodass man an einigen Punkten durchaus von Mehraufwendungen sprechen muss. Insgesamt gibt es also noch keine absolut befriedigende Lösung, obwohl wir in dieser Frage einen sehr differenzierten Standpunkt einnehmen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Braun.

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Antwort die Kosten des REACH-Systems genannt. Soweit mir diese Zahlen geläufig sind, sind diese Zahlen vom VCI erhoben worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als noch nicht klar

war, dass es diese Lockerungen, die wir gerade angesprochen haben, geben wird. Gehen Sie davon aus, dass diese VCI-Zahlen weiterhin belastbar sind?

Herr Abgeordneter, ich habe Zahlen genannt, die „von...bis“ gingen. Ohne uns diese zu Eigen zu machen, weil wir sie gar nicht nachprüfen konnten, sollte und muss man sie kommunizieren, aber sie beschreiben eine erhebliche Bandbreite, weil diese Studie – im Übrigen ist es eine BDI-Studie gewesen – von unterschiedlichen Szenarien und Annahmen ausgegangen ist. Diese werden sogar ergänzend unterlegt mit möglichen Arbeitsplatzverlusten. Wir können nicht exakt sagen, dass das eintritt, aber wir können sicher sagen, dass es eine Belastung und eine Gefährdung für kleine und mittelständische Unternehmen und deren Produkte und damit eine Gefährdung der Arbeitsplätze nach wie vor bedeutet.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gölter.

Frau Ministerin, Sie haben darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission ihren 1.200 Seiten umfassenden Verordnungsentwurf ins Internet gestellt hat. Die InternetAnhörung der EU-Kommission geht heute zu Ende. Hat die Landesregierung Rheinland-Pfalz im Rahmen dieser Internet-Anhörung detailliert Stellung genommen?

Die Landesregierung nimmt heute detailliert Stellung.