Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Jullien.

(Kramer, CDU: Herbert, klär ihn auf!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Derzeit wird sehr viel über Steuerentlastungen und Steuersenkungen und in diesem Zusammenhang auch über die Reform der Gewerbesteuer diskutiert. Es wurden zwei Modelle angesprochen, die vorliegen und die mit Sicherheit je nach Betrachtung aus Sicht der Kommunen oder auch aus Sicht der Unternehmen des Mittelstands ihre Berechtigung haben.

Meine Damen und Herren, insoweit ist es schon interessant und wichtig zu erfahren, wie die Haltung der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur Reform der Besteuerungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer ist.

Meine Damen und Herren, dies ist kein neues Thema, sondern ein Thema, das schon sehr lange diskutiert wird und aufgrund der dramatischen Situation der Kommunen gerade jetzt eine besondere Aktualität erhält. Bei dieser Diskussion ist in den Vordergrund zu stellen, dass die Gewerbesteuer in ihrer jetzigen Erhebungsform nicht mehr zeitgemäß und zu einer einseitigen steuerlichen Belastung vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen geworden ist. Insoweit ist dringender Handlungsbedarf angezeigt, allein schon aus der Tatsache heraus, dass gerade Großunternehmen und -konzerne durch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten ihre Beteiligungsverhältnisse so gestalten können, dass sie keine Gewerbesteuer mehr zu zahlen brauchen, Herr Kollege Itzek.

Es muss die Frage beantwortet werden: Wer zahlt heute überhaupt noch Gewerbesteuer? Wer sind diejenigen, die diese Steuerlast zu tragen haben? – Meine Damen und Herren, es sind gerade kleine und mittelständische Unternehmen oder Handwerksbetriebe, die Gewerbesteuer zahlen.

(Mertes, SPD: Es sind die Kleinen! Das haben wir doch in Trier gesehen, dass es nur aufgeblasen ist! In Trier haben wir doch die Zahlen genannt bekommen!)

Genau, gerade in Trier. Herr Mertes, es sind Unternehmen, die nicht über firmenmäßige Verflechtungen oder Organschaften verfügen und je nach Bedarf ihre Verluste hin- und herschieben können. Es sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die noch Gewerbesteuer zahlen, Herr Mertes. Sie müssen einmal

nachschauen, wer in Trier noch Gewerbesteuer zahlt. Dort zahlt kein Großunternehmen und kein Großkonzern mehr Gewerbesteuer, sondern es sind 80 % der kleinen und mittelständischen Betriebe. Insoweit werden gerade diese Betriebe durch die anstehende Reform erheblich benachteiligt.

Auch im Hinblick auf die europäischen Nachbarländer ist die Gewerbesteuer gerade im Raum Trier ein enormer Wettbewerbs- und Standortnachteil. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Mertes, SPD: Teilen Sie uns doch einmal mit, ob es in Luxemburg Gewerbesteuer gibt! Gibt es in Luxemburg Gewerbesteuer? – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die Kommunen ist die Gewerbesteuer schon längst keine verlässliche Größe mehr. Insoweit ist eine Gemeindefinanzreform dringender denn je.

(Beifall bei der CDU – Itzek, SPD: 16 Jahre Zeit gehabt!)

Allein im Jahr 2003 wird sich nach Berechnungen des Deutschen Städtetags bei den Kommunen ein Defizit von rund 10 Millionen Euro ergeben. Nun will die Bundesregierung im August oder September einen Gesetzentwurf vorlegen, der zum 1. Januar 2004 in Kraft treten soll. Dieser Gesetzentwurf beabsichtigt eine so genannte Revitalisierung der Gewerbesteuer. Was ist unter dieser hochtrabenden Umschreibung zu verstehen?

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihren Vorschlag!)

Es ist eine Verbreiterung der Besteuerungsbasis, die Einbeziehung der Freiberufler in die Gewerbesteuerpflicht, Frau Thomas.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich weiß, was das heißt! Die Lösung interessiert mich noch!)

Hinzu kommen noch weitere Bemessungsfaktoren wie Mieten, Leasingraten, Pachten und Zinsen, die in die Besteuerungsbasis mit einbezogen werden.

(Mertes, SPD: Umgehungstatbestände! Das sind alles Umgehungstatbestände! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr Vorschlag!)

So einfach ist das Modell, und es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Steuererhöhung. Frau Thomas, nicht mehr und nicht weniger steckt dahinter.

(Beifall der CDU)

Da diese Steuererhöhung voll in die Substanz der Unternehmen geht, wird sie eine Konsequenz haben: Sie wird die Unternehmenspleiten vorantreiben und wird vor allen Dingen zu einer weiteren Vernichtung von Arbeits

plätzen führen. Das sollten Sie bei Ihren Überlegungen mit einbeziehen.

Im „Trierischen Volksfreund“ steht heute: „Vielen Firmen geht die Puste aus. Die Zahl der Insolvenzen steigt dramatisch an.“ Man muss doch wissen, dass gerade der Mittelstand alles andere vertragen kann, nur keine weitere Steuererhöhung mehr. Insoweit glaube ich schon, dass alles geschehen darf, nur keine weitere Substanzbesteuerung bei diesen Unternehmen. Das ist auch die Aufforderung an die Landesregierung, einmal darzulegen, mit welcher Art und Weise Sie Ihre Vorschläge zur Reform dieser Gewerbesteuer einbringen. Ich glaube, die Landesregierung wäre sehr gut beraten, wenn sie dabei auf zwei Dinge achten würde:

Sie sollte darauf achten, dass im Zuge dieser Reform der Gewerbesteuer die Kommunen nicht weiter benachteiligt werden

(Glocke der Präsidentin - Zurufe der Abg. Mertes und Itzek, SPD)

und sie eine konstante und verlässliche Einnahmequelle bekommen. Die Reformvorschläge dürfen keine weiteren Maßnahmen beinhalten, die höhere Steuern für den Mittelstand mit sich bringen; denn dies wäre Gift für den Mittelstand und wäre eine Vernichtung von Arbeitsplätzen.

(Beifall der CDU – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das waren jetzt fünf Minuten ohne einen Vorschlag!)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hohn das Wort.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So, Herr Hohn, jetzt sind wir aber einmal gespannt! – Mertes, SPD: Umgehungstatbestände! – Jullien, CDU: Nein, Gestaltungsmöglichkeiten!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der angespannten Finanzlage der Gemeinden und Städte ist eine Neuordnung der kommunalen Steuern unumgänglich. In diesem Punkt besteht parteiübergreifend Konsens. Lediglich die Umsetzung der Gemeindefinanzreform wird kontrovers diskutiert. Das haben wir bisher mitbekommen.

Auf dem Tisch liegen zwei Modelle, die jedoch nur schwer oder sogar gar nicht kompatibel sind. Auch wenn meine Vorredner im Verlauf der Debatte auf die beiden konkurrierenden Modelle bereits eingegangen sind,

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Möchte ich sie auch noch einmal beschreiben!)

möchte ich gleichwohl noch ein paar Worte darüber verlieren.

Herr Kollege Marz, Ihre Intention ist doch ganz offensichtlich: Wenn Sie die Landesregierung fragen, wie sie sich letztendlich verhält,

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, ich möchte das wissen!)

so haben Sie doch selbst schon die Antwort gegeben. Die Position, die Gefechtslage ist klar. Sie haben Herrn Staatssekretär Dr. Deubel zitiert.

Herr Kollege Itzek hat auch noch einmal klar zum Ausdruck gebracht, es gibt zwei Auffassungen. An diesem Punkt brauchen Sie nicht unruhig zu werden.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie ist denn Ihre Auffassung?)

Insofern finde ich diese Aktuelle Stunde von Ihrer Seite aus vollkommen überflüssig. Auch für den Fall, dass man manchmal in bestimmten Dingen unterschiedlicher Meinung ist, ist doch die Vorgehensweise vollkommen klar und festgelegt. Auch das hat Ihnen Herr Staatssekretär Dr. Deubel in der Sitzung des Innenausschusses schon gesagt.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich will es doch von Ihnen wissen!)

Meine Damen und Herren, von den kommunalen Spitzenverbänden wird ein Modell präferiert, das die Revitalisierung der Gewerbesteuer durch deren Ausdehnung auf die freien Berufe bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage vorsieht.

(Itzek, SPD: Und Anrechnung auf die Steuerschuld!)

Nach diesem so genannten Gewerbesteuermodell soll der gesamte Zinsaufwand eines Unternehmens dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden, ebenso Teile des Aufwands für Miete, Pacht und Leasing.

Das von der Wirtschaft favorisierte Modell zielt dagegen auf eine Abschaffung der Gewerbesteuer ab. Zum Ausgleich sollen die Kommunen einen Zuschlag auf Einkommen- und Körperschaftsteuer erhalten.

Meine Damen und Herren, der von der rotgrünen Bundesregierung auf Bundesebene eingesetzten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen oblag es, eine Entscheidung darüber zu treffen, nach welchem Modell die Kassen der Gemeinden und Städte wieder gefüllt werden sollen. Leider konnten sich die Mitglieder der Kommission nach nunmehr über einjähriger Arbeit in der vergangenen Woche nicht auf ein konsensfähiges Ergebnis einigen, was ich sehr bedauere.

Herr Kollege Jullien, mit Sicherheit ist auch die Landtagswahl in Bayern schuld daran. Ich denke, sonst wären wir beim Thema „Gemeindefinanzreform“ mit Sicherheit in der Diskussion ein Stück weiter.

Der Presse war zumindest zu entnehmen, es sei vorgesehen, dass die rotgrüne Bundesregierung ein gemeinsames Eckpunktepapier in den Bundestag einbringt, welches wohl auf dem Modell der kommunalen Spitzenverbände beruhen und dem Mehrheitsvotum der Kommission entsprechen dürfte.

(Jullien, CDU: Herr Bauckhage sagt aber etwas anderes!)