Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

Herr Minister, wo bleibt die Eigeninitiative? Haben Sie Ihr Rückgrat verloren, sich für die tatsächlichen Bedürfnisse und Belange der Justiz einzusetzen?

(Zurufe von SPD und FDP)

Was soll denn die Richterschaft jetzt von Ihrem Vorhaben halten? Glauben Sie, dass man sich über dieses „Im-Stich-lassen“ freuen wird?

(Dr. Schiffmann, SPD: So ein Gesülze!)

Wenn man schon aus Justizkreisen unmissverständlich vernimmt, dass Ihrem Vorgänger, Herrn Justizminister Caesar, so etwas sicherlich nicht passiert wäre, muss Ihnen das doch zu denken geben.

(Kuhn, FDP: Ha, ha!)

Schließlich wurde in dessen Zeit die Einführung des Richterwahlausschusses, wie wir alle wissen, erfolgreich verhindert. So einfach werden wir Ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir werden es deshalb ausführlich im Ausschuss zur Aussprache stellen, eine Anhörung beantragen, wovon Sie sowieso schon ausgegangen sind, und uns entsprechend mit Lösungsvorschlägen an dieser Problematik beteiligen. Sie werden sich wundern, wir haben sogar einen eigenen Lösungsvorschlag.

(Kuhn, FPD: Das ist neu!)

Das muss auch so sein; denn wir haben uns bereits im Januar dieses Jahres mit den Interessenvertretungen der Richterschaft getroffen und die Angelegenheit offen besprochen.

(Dr. Schiffmann, SPD: Habt Ihr euch etwas vorlegen lassen?)

Selten hat man ein so einheitliches Bild erhalten, wonach der hiesige Gesetzentwurf rundweg abgelehnt wird.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme dann zum Schluss und möchte nur noch etwas zur Vorgehensweise der SPD selbst sagen. Wenn man der Presse glauben darf, hat die SPD der Richterschaft Honig um den Mund geschmiert, als sie ihr in Aussicht stellte, die Anzahl der Richter zu erhöhen. Dies ist definitiv nicht geschehen. Das ist mehr als bedauerlich und zeigt ganz klar den Willen, in welche Richtung es gehen soll.

Damit ende ich. Alles Weitere werden wir im Ausschuss und danach besprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Beate Reich.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Was ist nicht alles bis zur heutigen ersten Parlamentsdebatte zum Richterwahlausschuss, diesem neuen Gremium des Parlaments, gesagt worden. Der Ausschuss bedeute eine verstärkte politische Einflussnahme auf die Justiz, parteipolitische Aspekte rücken bei Beförderung und Anstellung in den Vordergrund. Die ganze Bandbreite hat man gerade beim Kollegen Baldauf gehört.

Alles in allem muss es sich für einen unbefangenen Bürger oder eine unbefangene Bürgerinn so anhören, als tue sich ein wahrer Abgrund auf.

(Creutzmann, FDP: So ist es! – Baldauf, CDU: Es ist so!)

Meine Damen und Herren, warum will die Koalition überhaupt den Richterwahlausschuss?

(Baldauf, CDU: Das ist eine gute Frage!)

Herr Baldauf, jetzt kommen unsere Gründe: Zum einem wird die Gewaltenteilung als Grundprinzip unseres demokratischen Rechtsstaats durch den Richterwahlausschuss ergänzt. Richter sprechen Recht im Namen des Volkes und werden künftig auch durch den obersten Souverän des Volkes gewählt.

Zum anderen bedeutet dieses Verfahren mehr Transparenz für die Parlamentarier, aber auch für die Richter und Anwälte.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Wer hat also, bitte schön, Nachteile? Heftige Kritik gab es im Vorfeld an der Bestzung des Gremiums: Zu wenig Abgeordnete.

(Baldauf, CDU: Ja genau!)

Zu wenig Abgeordnete, zu wenig Richter. – Dazu sage ich, wir schaffen ein neues Parlamentsgremium. Deshalb ist es auch klar, dass die Parlamentarier in diesem Gremium eindeutig die Mehrheit haben werden. Es gibt übrigens auch Bürgerinnen und Bürger – über die Zeitung war das veröffentlicht –, die fragen sogar, warum in diesem Gremium nach dem Sinn und Zweck dieses Gremiums überhaupt Richter und Richterinnen vertreten sein müssen. Auch diese Meinung gibt es.

Schlussendlich wird der vorgesehene Ausschuss so zusammengesetzt sein – der Herr Minister hat das vorhin schon dargestellt –, dass keine Berufs- oder Parteigruppierung das Gremium majorisieren kann. Will man Fronten aufbauen, wie die CDU das immer polemisch tut, so sage ich ganz deutlich, die Koalition hat von den elf Sitzen nur fünf. Wo bitte ist da eine Mehrheit?

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einer mehr!)

Lediglich alle Parlamentarier zusammen können die beiden Richter und den Anwalt überstimmen. Aber dies ist wahrscheinlich nicht die Koalition, die Sie meinen, meine Damen und Herren der CDU. Wo soll also bitte die Neuregelung zu sachfremden Entscheidungen führen?

(Baldauf, CDU: Abwarten!)

Ich wundere mich überhaupt über die grundlegende Ablehnung der CDU, hätten sie doch durch den Richterwahlausschuss jetzt erstmals überhaupt Einblick in die Beförderungs- und Anstellungspraxis in der Justiz. Es ist

nämlich in der Regel so, dass Oppositionsparteien einen Richterwahlausschuss fordern.

(Baldauf, CDU: Sehen Sie mal!)

Ich möchte auch daran erinnern, dass Sie in Presseverlautbarungen schon längst dem Ministerpräsidenten ohne Richterwahlausschuss versuchte Einflussnahme in die Justiz vorgeworfen haben. Wenn Sie so etwas schon wieder besseren Wissens tun, dann können Sie in Zukunft von der Transparenz des Richterwahlausschusses partizipieren.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, oder haben Sie vielleicht Angst vor der demokratischen Kontrolle? Dies könnte auch sein.

(Beifall bei der SPD – Baldauf, CDU: Vor was?)

Der Weg zur Entscheidung eines Ausschusses ist schon von Herrn Minister Mertin dargestellt worden. Angesichts der kurzen Redezeit will ich das nicht mehr tun. Ich möchte nur noch zwei Punkte aufgreifen. Die Entscheidung ist doppelt gerichtlich überprüfbar: im Wege der Konkurrentenklage natürlich, aber auch durch das Klagerecht des Justizministers.

Es kann doch wohl nicht im Sinne des Ausschusses sein, eine offensichtlich rechtswidrige Entscheidung vorbei am Prinzip der Bestenauslese vor dem Hintergrund der Klagemöglichkeiten und der Blamage zu treffen, die letztendlich dabei herauskommen soll. Das bitte ich doch zu bedenken.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die SPD-Fraktion hat auch mit den betroffenen Richtern gesprochen. Wir haben Befürchtungen gehört, die wir ernst nehmen, zum Beispiel dass es zu Verzögerungen in den Beförderungen kommen kann. Regelmäßige Sitzungen des Ausschusses müssen dies natürlich ausschließen. Das ist klar.

(Baldauf, CDU: Na super!)

Klar ist auch, dass in der Regel wohl das Parlament die vorgelegten Listen der Richter und Anwälte bestätigen wird.

(Baldauf, CDU: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bild‘ ich einen Arbeitskreis! – Hartloff, SPD: Es gibt auch Sprüche, die dumm sind! Das ist schlicht und ergreifend so!)

Schließlich hoffe ich auch, dass die Fraktionen rechtserfahrene Kolleginnen und Kollegen in diesen Ausschuss entsenden, damit in diesem Ausschuss auch Kompetenz für die Entscheidung vorhanden ist. Aber auch da bin ich zuversichtlich.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass der Richterwahlausschuss letztendlich durch gute und sach

liche Arbeit als Gremium überzeugen wird und das, was in anderen Bundesländern funktionieren wird, letztendlich auch hier in Rheinland-Pfalz funktionieren wird.

Herzlichen Dank.