Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und an den Frauenausschuss! – Frau Spurzem, SPD: Die Polizei ist zwar grün gekleidet, aber trotzdem! - Zurufe aus dem Hause)

Eine Fehlinformation. Es steht in meiner schriftlichen Vorlage so. Der Vorschlag lautet, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. – Wenn sich dagegen kein Widerspruch erhebt, ist es so beschlossen.

Als weitere Gäste im Landtag begrüße ich Studierende der Arbeitsgemeinschaft „Budgetierung“ der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:

Landesrichtergesetz (LRiG) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2288 – Erste Beratung

dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2316 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich erteile Herrn Staatsminister Mertin das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat vereinbart, von Artikel 98 Abs. 4 Grundgesetz Gebrauch zu machen und im Land Rheinland-Pfalz einen Richterwahlausschuss einzuführen. Damit soll die demokratische Legitimation der Richterbestellung verstärkt und eine größere Transparenz geschaffen werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sieht der Entwurf folgende Konzeption vor:

Der Richterwahlausschuss wirkt neben dem Justizminister bei den wesentlichen Personalentscheidungen im Rahmen einer richterlichen Berufslaufbahn mit, und zwar bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber für die Anstellung und Beförderung einer Richterin oder eines Richters auf Lebenszeit.

Insgesamt soll der Ausschuss 11 Mitglieder haben, nämlich 8 Abgeordnete des Landtags, eine Richterin oder einen Richter aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit als ständiges Mitglied, eine Richterin oder einen Richter des Gerichtszweigs, für den die Wahl stattfindet, sowie eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. Nicht stimmberechtigtes geborenes Mitglied und Vorsitzender des Ausschusses soll der Justizminister sein.

Zugleich ist vorgesehen, dass die Wahl sämtlicher stimmberechtigter Mitglieder durch den Landtag erfolgt. Die parlamentarischen Mitglieder wählt der Landtag auf Vorschlag der Fraktionen, die richterlichen Mitglieder und das rechtsanwaltschaftliche Mitglied aus Vorschlagslisten, die von der Richterschaft bzw. den Rechtsanwaltskammern aufgrund von Wahlen aufgestellt werden.

Wählt der Landtag die in einer Liste Vorgeschlagenen nicht und ist die Vorschlagsliste erschöpft, so ist dem Landtag für die noch zu wählenden Mitglieder des Richterwahlausschusses eine neue Vorschlagsliste vorzulegen.

Mit der Wahl sämtlicher Ausschussmitglieder durch den Landtag hat sich die Landesregierung für ein parlamentarisches Modell entschieden. Dadurch wird ein besonders demokratisches Legitimationsniveau gewährleistet, das auch die durch den Ausschuss berufenen Richter stärkt. Es ist deshalb nur konsequent, dem Landtag keine Bindung an die ihm von der Richterschaft und der Anwaltschaft vorgelegten Vorschlagslisten aufzuerlegen. Andernfalls würde die demokratische Legitimationswirkung seiner Wahl beeinträchtigt.

Die vorgeschlagene Zahl der richterlichen Ausschussmitglieder ist sachgerecht. Der Richterwahlausschuss ist kein zusätzliches Mitbestimmungsorgan der Richterschaft. Richterliche Mitbestimmung bei Personalentscheidungen findet grundsätzlich durch die Beteiligung des Präsidialrats im Besetzungsverfahren statt. Der Präsidialrat gibt eine schriftliche Stellungnahme zu dem Besetzungsvorschlag des Justizministers ab. Die Stellungnahme wird vom Justizminister zusammen mit der Begründung seines Besetzungsvorschlags den Mitgliedern des Richterwahlausschusses vorgelegt.

Die Vorschriften über die Ausschussarbeit im Einzelnen gewährleisten, dass die von Kritikern befürchteten parteipolitischen Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen sind.

Der Gesetzentwurf schreibt ausdrücklich vor, dass der Richterwahlausschuss seine Entscheidung aufgrund der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Bewerber zu treffen hat. Diese gesetzliche Bindung eines Richterwahlausschusses an das Prinzip der Bestenauslese ist bislang bundesweit einmalig. Sie garantiert, dass sich in einem nachfolgenden gerichtlichen Überprüfungsverfahren nicht die Frage stellt, ob für die Entscheidung eines Richterwahlausschusses das Leistungsprinzip des Artikels 33 Abs. 2 Grundgesetz durch das Prinzip der Freiheit der Wahl überlagert wird. Der strikte Vorrang des Leistungsprinzips wird somit festgeschrieben.

Des Weiteren sieht der Entwurf vor, dass der Richterwahlausschuss seine Entscheidung schriftlich zu begründen und die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe seiner Entscheidung mitzuteilen hat.

Gerade das zwingende Erfordernis verhindert eine teilweise befürchtete Ausrichtung der Ausschussentscheidungen an parteipolitischen Präferenzen.

Schließlich kann der Justizminister für den Fall, dass der Richterwahlausschuss seinen Entscheidungsvorschlag ablehnt, zwischen drei Handlungsalternativen wählen: Er kann dem Ausschuss einen anderen Vorschlag unterbreiten. Er kann die Stelle neu ausschreiben, oder er kann beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung des Richterwahlausschusses rechtswidrig ist.

Mit dieser vorbildlichen Regelung übernimmt RheinlandPfalz eine Vorreiterrolle für andere Bundesländer mit einem Richterwahlausschuss. Dadurch wird auch der nach Artikel 98 Abs. 4 Grundgesetz vorgesehenen Verantwortung des Ministers für seinen Besetzungsvorschlag hinreichend Rechnung getragen.

Darüber hinaus hat jeder Mitbewerber wie bisher die Möglichkeit, eine Konkurrentenklage zu erheben und um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.

Neben der Einführung des Richterwahlausschusses ist die Übertragung von Bestimmungen des aktuellen Landespersonalvertretungsgesetzes auf die Tätigkeit der Richtervertretungen der zweite Schwerpunkt des Gesetzentwurfs. Im Hinblick auf die vereinbarte Verkürzung der Redezeit und davon ausgehend, dass wir dieses Gesetz in den Ausschüssen intensiv beraten werden, verzichte ich deshalb heute auf weitere Ausführungen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Als weitere Gäste im Landtag begrüße ich Mitglieder des Sportvereins Vorderweidenthal. Herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich eine Bemerkung machen: Gerade bei diesem Gesetzentwurf fällt es mir wirklich schwer, ausreichend sachlich zu bleiben, weil mir bisher noch nicht klar ist, wo in irgendeiner Weise klargestellt worden ist, welche Vorteile dieser Richterwahlausschuss bieten soll.

(Beifall bei der CDU)

Wir beraten also in erster Lesung einen Meilenstein der gesetzgeberischen Vorschläge dieser Landesregierung, aber leider im negativen Sinn. Wir beraten über einen Gesetzentwurf, der den Betroffenen nicht helfen will, sondern einzig und allein das Ziel hat, die Richterschaft im Bereich des Richterwahlausschusses – nur diesen spreche ich heute an – bevormunden zu wollen und diese politisch zu steuern.

Wie man so gegen Interessen der dritten Gewalt agieren kann, ist völlig unverständlich, was die Aussagen der großen Interessenvertreter der Richterschaft auch eindeutig belegen, wenn auch von deren Seite von Bevormundung gesprochen wird.

(Hartloff, SPD: Von welchem Klischee sprechen Sie denn? – Mertes, SPD: Große Interessenvertreter!)

Herr Mertes, Sie werden die Presse genauso gelesen haben wir ich auch. Da brauche ich nicht darauf Bezug zu nehmen, was die im einzelnen sagen.

(Mertes, SPD: Glauben Sie nicht alles, was gedruckt ist!)

In der Regel ja.

Durch die Einführung des Richterwahlausschusses in der hier vorgesehenen Form wird massiv durch den Ministerpräsidenten und die SPD versucht, auf die Justiz Einfluss nehmen zu können.

(Creutzmann, FDP: So ein Schwachsinn!)

Dass man dann, dem kleinen, leider benötigten Koalitionspartner noch großzügigerweise einen Sitz abtreten ließe und ich mir als FDP so etwas nicht gefallen lassen würde, zeigt doch ganz klar, dass es sich um ein einfaches Gnadenbrot gegenüber der FDP handelt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, wie man so gegen die Interessen der Betroffenen agieren kann, ist für mich unverständlich.

(Pörksen, SPD: Das ist richtig, für Sie!)

Läuft es denn nicht in der Justiz, oder was sind die Beweggründe für eine Gesetzesänderung, die auch nach

Ihrer Ansicht nur dann erfolgen sollte, wenn Bedarf besteht? Nirgends in der Begründung lässt sich eine Notwendigkeit für die Einführung eines Richterwahlausschusses finden.

Sehr geehrter Herr Minister, da verkünden Sie bei jeder Gelegenheit, dass Sie doch auf die Justiz nicht so sehr Einfluss nehmen könnten, weil die richterliche Unabhängigkeit – Ihr Lieblingswort im Übrigen – gewährleistet sein sollte. Jetzt wollen Sie gravierender denn je in die Justiz durch das Parlament eingreifen lassen. Wodurch sich diese Kehrtwendung erklären lässt, ist zunächst völlig unverständlich. Aber man kommt zum denkbar einzigen Schluss, es soll hier aufgrund des Willens des übermächtigen Koalitionspartners aktiv in die Justiz durch die Politik eingegriffen werden. Das wirft deshalb auch auf den Ministerpräsidenten ein sehr schlechtes Bild. Dass seine Absicht, sich hier in die Justiz so aktiv einzumischen, so umgesetzt werden soll, ist eines souveränen Ministerpräsidenten meiner Einschätzung nach zumindest nicht würdig. Da es keine andere Erklärung für diese Änderung gibt, zeigt dies leider auf, dass es ihm einzig und allein um parteipolitische Interessen gehen muss. Das ist aber leider vor allem auch durch die Richterschaft leicht zu durchschauen. Daran müssen Sie sich messen lassen. Mit einer Verantwortung gegenüber der Justiz hat das auf jeden Fall nichts zu tun. Das ist leider sehr schade.

Bisher haben der Ministerpräsident und Sie, Herr Minister, immer wieder beteuert, dass Sie mit der rheinlandpfälzischen Justiz sehr zufrieden seien. Mt diesem hier vorliegenden Vorschlag erklären Sie aber gerade das Gegenteil.

(Staatsminister Mertin: Man kann immer alles besser machen!)

In einem Ihnen sicherlich bekannten Märchen ist bei solchen Kehrtwendungen einem hölzernen Knaben manchmal auch schon eine Nase lang geworden.

(Beifall bei der CDU)

Von Verantwortungsbewußtsein zeugt dies alles nicht, nur von knallharter beabsichtigter parteipolitischer Einflussnahme. Man muss sich das vorstellen. Da wird es in Zukunft nicht mehr um die schon jetzt sehr hohe Qualität in der Richterschaft, sondern eventuell um politische Gefälligkeiten gehen können.

(Kuhn, FDP: Wie das?)