Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Gesellen mit zehnjähriger Berufserfahrung, davon mindestens fünf Jahre in herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Funktion (§ 7 b Abs. 2 der Handwerksord- nung), die selbstständige Handwerksausübung erlaubt werden soll. Diese Regelung hält die Landesregierung für veränderungsbedürftig.

Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt das Ziel der Bundesregierung, erfahrenen Gesellen die Gründung einer selbstständigen Existenz ohne Ablegung der Meisterprüfung zu ermöglichen. Die im Gesetzentwurf angewandte Formulierung „herausgehobene“ oder „verantwortliche“ Stellung im Handwerksbetrieb ist allerdings zu unbestimmt. Herr Wirz, im Übrigen müssten Sie einmal sagen, was gemeinwohlwichtige Bereiche sind. Das ist sehr schwer zu definieren. Sie haben vorhin diesen Begriff gebraucht.

(Wirz, CDU: Ich habe den Begriff gebraucht, der im Gesetzentwurf der Bundesregierung steht!)

Sie haben vorhin gesagt, das müsste ein Kriterium sein.

(Wirz, CDU: Nein!)

Die im Gesetzentwurf angewandte Formulierung „herausgehobene“ oder „verantwortliche“ Stellung im Handwerksbetrieb ist allerdings zu unbestimmt. Deshalb ist eine klare Definition dessen, was eine „leitende“ oder „verantwortliche“ Stellung im Meisterbetrieb ist, notwendig.

An den von uns geforderten Nachweis der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten dürfen allerdings nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, damit es nicht zu einer Beibehaltung der Meisterprüfung quasi durch die Hintertür kommt.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, Existenzgründer in den ersten vier Jahren nach einem gestaffelten System von den Kammerbeiträgen freizustellen. Man muss dies allerdings im Zusammenhang mit den von den Kammern erbrachten Leistungen sehen. Hierzu gehören zum Beispiel die speziellen Beratungsangebote der Kammern für Existenzgründer. Diese werden von den Existenzgründern stark in Anspruch genommen.

Existenzgründer, die eine fachliche Beratung in Anspruch nehmen, haben wesentlich bessere Chancen, die kritische Anlaufphase zu überstehen als Unternehmen, deren Existenzgründung ohne externe Beratung erfolgt ist. Um diese Beratung weiter anbieten zu können, ist die Finanzierung der Kammern eine wichtige Voraussetzung.

Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, dass die von den Existenzgründern zu entrichtenden Kammerbeiträge mit durchschnittlich etwa 200 Euro pro Jahr eine vergleichsweise geringe Belastung darstellen.

Rheinland-Pfalz schlägt deshalb vor – dem ist der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats gefolgt –, von der

vorgesehenen Befreiung der Existenzgründer von Kammerbeiträgen in den ersten vier Jahren Abstand zu nehmen.

Wer von den Kammern gut beraten wird, sollte auch für diese Leistung einen finanziellen Beitrag erbringen.

Meine Damen und Herren, nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen künftig nur noch 29 Handwerksberufe dem Meisterprivileg unterliegen. 65 Handwerksberufe sollen künftig zulassungsfrei sein.

Ein Meisterbrief als Voraussetzung für den selbstständigen Betrieb eines Handwerks ist bei diesen Berufen nach den Plänen der Bundesregierung künftig nicht mehr vorgeschrieben, kann aber freiwillig erworben werden. Die Bundesregierung orientiert sich jedoch bei den Handwerksberufen, die dem so genannten Meisterzwang unterliegen, ausschließlich an dem Gesichtspunkt der Gefahrgeneigtheit. Dieser Aspekt allein greift aber zu kurz.

So sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung zum Beispiel auch Fleischer und Bäcker künftig nicht mehr dem Meisterzwang unterliegen, obwohl von diesen zweifelsohne bei unsachgemäßer Herstellung ihrer Produkte erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung ausgehen können.

Die Kriterien für Berufe, die auch künftig nur von Inhabern eines Meisterbriefs selbstständig ausgeübt werden dürfen, müssen deshalb erweitert werden.

Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats – immer auf Intention des Landes Rheinland-Pfalz; Herr Kollege Wirz, Sie sehen, wir haben uns konstruktiv in die Angelegenheit eingeklinkt –, – –

(Dr. Gölter, CDU: Sie sprechen den Falschen an!)

Herr Kollege Dr. Gölter, das ist auch die Beschlussgrundlage des Wirtschaftsausschusses. So wird sich das Land Rheinland-Pfalz auch im Bundesrat verhalten. Das ist eine einheitliche Meinung der Landesregierung, damit wir Klarheit haben.

empfiehlt deshalb dem Bundesrat auf Antrag von Rheinland-Pfalz, dass für den Meisterzwang nicht nur das Kriterium der „Gefahrgeneigtheit“ zu berücksichtigen, sondern auch der Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes mit einzubeziehen ist.

(Beifall des Abg. Kuhn, FDP)

Außerdem ist der Ausbildungsleistung des jeweiligen Handwerks als Garant zur Erhaltung des dualen Systems Rechnung zu tragen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass letztlich eine weit größere Zahl von Handwerksberufen auch künftig dem Meisterprivileg unterliegen muss, als dies derzeit vorgesehen wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Kontext zur Handwerkrechtsnovelle steht das Gesetz zur Änderung der

Handwerksordnung und zur Förderung von Kleinunternehmen. Mit diesem so genannten Vorschaltgesetz soll sichergestellt werden, dass einfache, das heißt, für das jeweilige Handwerk nicht wesentliche Tätigkeiten von jedermann und nicht nur von Handwerksbetrieben ausgeübt werden dürfen. Hierdurch erhalten insbesondere die Ich-AGs Betätigungsmöglichkeiten auch im Bereich des Handwerks.

In Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestimmt das Gesetz, dass „keine wesentlichen Tätigkeiten“ insbesondere solche sind, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können.

Meine Damen und Herren, die Haltung der CDUgeführten Länder, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel anzurufen, die Aufhebung des Gesetzbeschlusses zu beantragen, halte ich nicht für zielführend. Da es sich bei der so genannten „Kleinen Handwerkrechtsnovelle“ lediglich um ein Einspruchsgesetz handelt, könnte dies zu dem Ergebnis führen, dass das Gesetz in der von der Bundesregierung vorgelegten Fassung verabschiedet wird.

Es bleibt abzuwarten, ob in einem eventuellen Vermittlungsverfahren zu dem Gesetz eine praktikablere Lösung gefunden werden kann, die für die Beteiligten Rechtssicherheit darüber verschafft, welche einfachen Tätigkeiten von jedem ausgeführt werden dürfen. Deshalb sollte in einem solchen Vermittlungsverfahren eine Kompromisslösung zwischen Bundestag und Bundesrat angestrebt werden.

Meine Damen und Herren, die Änderungsvorschläge des Landes im Bundesrat zeigen, dass sich die Landesregierung der großen Bedeutung des Handwerks für die rheinland-pfälzische Wirtschaft bewusst ist.

Die Landesregierung wird sich daher im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Anbetracht der Wichtigkeit des Themas ohne parteipolitisches Taktieren für eine Modernisierung des Handwerksrechts einsetzen, die die bewährten Vorzüge unseres Meistersystems nicht gefährdet und den Meisterbrief zugleich europakompatibel und zukunftsfest macht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Dr. Gölter. Die Fraktionen haben noch eine Redezeit von drei Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich fand das hochinteressant, was Sie vorgetragen haben. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass Sie nicht gesagt haben, wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Ich verstehe, dass die Landesregierung das manchmal sagt. Sie haben Ihre Position sehr deutlich formuliert.

Meine Damen und Herren, zwischen der paradiesischen Welt der Rede des Abgeordneten Schwarz und der Position der Landesregierung sehe ich eine erhebliche Kluft. Herr Kollege Schwarz hat uns ein Paradies gekennzeichnet, und zwar mehr Ausbildung, mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das liegt alles an der Handwerksordnung. Das ist die Argumentation von Herrn Clement – ich kann es leider aus Zeitgründen nicht vortragen – zu Beginn der schriftlich vorgelegten Begründung im Gesetzgebungsverfahren. Darin heißt es: Das Handwerk ist in einer tiefen Krise. – Das ist richtig. Jetzt machen wir das, und dann wird das anders.

Meine Damen und Herren, es ergibt sich die Frage, ob dieser weitreichende Kahlschlag, der die Betroffen auch nicht in Ansätzen mitnimmt, nicht genau zum Gegenteil führt.

(Beifall der CDU)

Das ist die entscheidende Frage. Ich will noch einmal unterstreichen, was der Kollege Wirz gesagt hat. Von uns wird nicht bestritten, dass die Handwerksordnung insgesamt eine Modernisierung und eine Weiterentwicklung braucht. Der Kollege Schwarz hat davon gesprochen, dass der Zentralverband des Deutschen Handwerks ein Konzept ausarbeitet. Das ist mittlerweile völlig überholt. Herr Philipp ist ein ehrenwerter Mann. Dessen persönliche Lauterkeit hat noch nie ein Politiker in der Republik infrage gestellt.

Meine Damen und Herren, Herr Philipp sagt, Herr Clement habe ihm verbindlich versprochen, dass die Novelle in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks erarbeitet wird. Dies ist nicht geschehen. Daraufhin hat der Zentralverband seine Arbeiten eingestellt. Das Reformpapier liegt vor.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann der Überzeugung sein, dass es an der einen oder anderen Stelle weitergeht.

Meine Damen und Herren, das ist ein Kahlschlag, der die Betroffenen nicht mitnimmt. Das ist im Übrigen auch in der Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestags am Dienstag bekannt geworden. Ich beziehe mich auf den Wirtschaftsteil der „FAZ“.

(Glocke der Präsidentin)

Dort ist die offene Frage, was aus der Ausbildung wird, ganz intensiv thematisiert worden. Der Bundesverband der Verbraucherverbände hat gesagt, dass der Verbraucherschutz nicht ausreichend gewährleistet ist. Das heißt, hier muss nachgebessert werden. Vielleicht gibt es doch noch einen Weg, der dazu führt, dass dieser Kahlschlag, der nach meiner Überzeugung zu weniger Ausbildung und zu weniger Arbeit führen wird, in einen vernünftigen Weg und ein vernünftiges Ergebnis übergeleitet wird.

Es gibt eine große Gefahr. Wenn ein Handwerksmeister in Zukunft einen Auftrag hat, holt er sich fünf, sechs oder sieben Leute auf der Basis der Ich-AG. Es gibt keinen

Kündigungsschutz, keine Zusatzgebühren und keine Lohnzusatzkosten. Ist die Sache abgeliefert, wird die Zusammenarbeit eingestellt. Demnächst werden sie wieder geholt. Das heißt, hier gibt es auch Probleme eines Selbstständigenproletariats, die Sie nicht wollen können.

(Beifall der CDU)

Wenn Herr Clement Portugal mit 26 % Selbstständigen zum großen Vorbild erklärt, ist das ein falscher Weg.

(Beifall der CDU)