Protokoll der Sitzung vom 10.09.2003

Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, als die Ökosteuer in der letzten Stufe erhöht wurde, war es insbesondere auch das Land Rheinland-Pfalz, das mit den damals noch verbundenen Möglichkeiten im Bundesrat dafür gesorgt hat, dass die Entfernungspauschale erhöht wurde. Herr Kollege Jullien, deshalb denke ich, es ist nicht Schaum vor dem Mund gefragt, sondern wir müssen uns fragen: Wo können Subventionen gekürzt werden? Wo kann man sparen? Wo und in welcher Form ist dies vertretbar machbar?

Ich komme auf Ihren billigen Vorwurf, eine Arbeitsgruppe zu bilden, zu sprechen. Es muss doch in der Politik möglich sein, dass man Leute, die sich mit einem Thema befassen, daran arbeiten lässt, bevor irgendein Papier, das möglicherweise irgendjemand auf dem Schreibtisch hatte, bundesweit gezirkelt ist, und jeder kommentiert irgendeinen Käse dazu. Das gehört doch auch zur Seriosität von Politik.

(Beifall der SPD)

Dass Sie nicht so weit von den Überlegungen entfernt waren, zeigen doch die Vorschläge, die Sie damals selbst in der Diskussion über die Steuerreform eingebracht haben, nämlich bis zu 15 Kilometer überhaupt

keine Zahlungen und darüber hinaus eine Zahlung von 50 Pfennig, also wesentlich schlechter, als es geändert wurde.

Ich habe die Pressemitteilung von Herrn Böhr vom 13. August dabei, in der er tränenreich die neuesten Entwicklungen kommentiert, und seine eigenen sind drei Jahre alt.

(Böhr, CDU: So ist es aber nicht!)

Herr Kollege, setzen wir uns doch ernsthaft damit auseinander.

(Böhr, CDU: Das will ich!)

So war es: Bis zu 15 Kilometer nichts und darüber hinaus 50 Pfennig.

(Böhr, CDU: Ja, und vor welchem Hintergrund?)

Genau! Vor welchem Hintergrund? – Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines Subventionsabbaus in Deutschland stehen wir heute.

(Böhr, CDU: Nein, das ist nicht wahr!)

Wer so tut, als käme man ohne Sparen und Subventionsabbau hin, immer, wenn es konkret wird, – – –, und das machen Sie so.

(Beifall der FDP und der SPD)

Sie bejammern die Eigenheimzulage, die im Bundesetat mit etwa 3 Milliarden veranschlagt ist, insgesamt 6,4 Milliarden, und dass dort nichts passieren darf, obwohl dort Fehlsteuerungen laufen. Ich sage auch an die Adresse meiner Kolleginnen und Kollegen in NordrheinWestfalen, dass der Abbau bei der Steinkohlesubvention aus meiner Sicht notwendig ist. Das sind im Übrigen auch 3 Milliarden. Das heißt, wir brauchen ein geschlossenes Konzept.

(Zurufe von der CDU: Richtig, das ist wahr! Wo ist es? Wo ist das Konzept?)

Ja, und von Ihnen hören wir das tagtäglich.

Es gehört zur Ehrlichkeit von Politik, dass man auch aufzeigt, wo Ecken und Kanten sind und wo man möglicherweise nicht einer Meinung ist mit denen, die andere Vorschläge oder auch andere Interessen haben. Glauben Sie doch, dass die Interessenlage bei der Frage der Pendler in Hamburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen eine andere ist als die in Rheinland-Pfalz, weil dort kurze Strecken zu bewältigen sind und keine langen Strecken. Deswegen werden wir sicherlich unsere rheinlandpfälzischen Interessen wahren. Ich werde darauf in der zweiten Runde noch einmal kurz eingehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich darf als neuen Kollegen im Landtag Herrn Dr. Thomas Gebhart begrüßen, der für unseren Kollegen Manfred Kramer nachgerückt ist. Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit!

(Beifall im Hause)

Es spricht nun Frau Abgeordnete Thomas.

Meine Damen und Herren! Werter Kollege Jullien! Ich sage es einmal aus der Position einer kleineren Oppos itionsfraktion in Rheinland-Pfalz: Auch als Opposition muss man manchmal Antworten geben und darf nicht nur Fragen stellen.

(Itzek, SPD: So ist es! – Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Antworten habe ich heute bei Ihnen vermisst und vermisse sie besonders, weil sie sowohl im Bund als auch im Land in der Opposition sind. Ich vermisse sie in der derzeitigen Diskussion um die Frage des Vorziehens der Steuerreform, gekoppelt mit Subventionsabbau, um eine Teilkompensation zu erreichen und einen Haushalt aufzustellen, den man im Bund fahren kann. Ich habe von Ihnen noch keine klare Botschaft gehört, und zwar nicht nur von Ihnen nicht, Herr Jullien. Ich würde auch sagen, die erwarte ich von Ihnen auch nicht. Ich vermisse auch klare Antworten von den Größen in der CDU, insbesondere von Herrn Koch. Ich habe ihn heute Morgen im Deutschlandfunk gehört, wo er lediglich gesagt hat, über die Entfernungspauschale sei nicht mit ihm zu reden.

Ich möchte einmal in Erinnerung rufen, dass Sie in den Bundesländern dann aber mit im Wort stehen, Alternativvorschläge zu machen. Mich würde interessieren, was Sie bei der Eigenheimzulage oder der Entfernungspauschale sagen, wo man aus ökologisch sinnvollen Gründen und aus dem Wissen heraus, dass man Fehlsteuerung betrieben hat und auch weiterhin betreiben wird, wenn man dies so ausgestaltet lässt.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass im Dezember 2000 die rotgrüne Bundesregierung in der Diskussion um die damals stattgefundenen enormen Spritpreiserhöhungen – 7 Pfennig Ökosteuer und weit über 50 Pfennig aufgrund der Situation auf dem Weltmarkt – einen richtigen Schritt getan hat. Sie hat gesagt, wir verändern die bestehende Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale und zahlen sie zukünftig verkehrsmittelunabhängig. Damit lösen wir das, was wir bisher an Diskriminierung für Fußgänger oder ÖPNVNutzer im Vergleich zu denen hatten, die mit dem eigenen Auto fahren. Das war ein wichtiger Schritt, der natürlich sinnvoll war.

Aber heute müssen wir sehen, dass wir aus Klimaschutzgründen, aber auch aus Gründen des Flächenverbrauchs solche Subventionen in der Höhe überprüfen

müssen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle sagen – ich möchte mich dabei nicht um Antworten drücken –, dass eine Reduzierung der Pendlerpauschale notwendig ist. Die Koalitionsfraktionen auf Bundesebene haben sich darauf geeinigt, dass man eine Absenkung nicht verkehrsmittelabhängig vornimmt, sodass die Autofahrer nach wie vor mehr bekommen als die Pendler mit dem ÖPNV. Wenn dies verkehrsmittelunabhängig geschieht, ist dies der richtige Weg und findet unsere Unterstützung, gerade im Zusammenhang mit den Überlegungen, dass wir Subventionen im Zusammenhang mit dem Vorziehen der Steuerreform zurückführen müssen und genau an den Stellen, die ökologisch sehr schädlich sind und auch langfristig schädlich sein werden, zuerst anfangen müssen, meine Damen und Herren.

Ich erwarte von Herrn Jullien, aber auch von den Vertretern der Landesregierung, dass Sie heute oder in den anschließenden Debatten, die nicht nur im Landtag, sondern auch im Bundesrat mit dem Einfluss der Länder geführt werden, eine klare Position beziehen, ob sie es schaffen, nicht nur Versprechungen über Steuersenkungen zu machen, sondern auch die Konsequenz zu ziehen, den damit verbundenen Subventionsabbau zu leisten.

Ich stehe zu diesem Abbau und zu dieser Neueinpendelung. Die Vorschläge, die derzeit in der Diskussion sind und die in der Arbeitsgruppe ausgearbeitet werden, lauten dahin gehend: Es darf keine Benachteiligung für ÖPNV-Nutzer bestehen. Es muss mittelfristig ein Einsparvolumen von 3 Milliarden erbracht werden. Wenn wir das im Rahmen der anstehenden Entscheidungen auf der Bundesebene entsprechend umsetzen können, haben wir auch eine entsprechende Entlastung des Landeshaushalts 2004 umgesetzt, wenn auch nicht in dem Volumen, wie es letztendlich erreicht werden kann, aber doch 3 Milliarden spätestens im Jahr 2006 an zusätzlichen Steuereinnahmen für den Bund und für die Länder. Das würde die Einnahmensituation in Rheinland-Pfalz verbessern.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn wir diese drei Punkte haben, also eine Entlastung der Länderhaushalte, keine Benachteiligung, ob es nun Autofahrer oder ÖPNV-Nutzer sind, und die Bedingung, dass die Konsequenzen auch für die Länder spürbar sein werden, dann ist das ein Weg, den wir an dieser Stelle unterstützen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes sind Werbungskosten – ich zitiere – „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ im Rahmen der Einkünfte aus nicht selbststän

diger Tätigkeit. Nimmt man den Gesetzestext ernst und möchte keinerlei Benachteiligungen der Arbeitnehmer gegenüber Selbstständigen und Unternehmen zulassen, dann müsste man die tatsächlichen Fahrtkosten von der Wohnung zur Arbeitsstelle als Werbungskosten anerkennen. Insofern empfinde ich die Diskussion, die in dem Zusammenhang von Subventionen spricht – ich möchte es einmal gelinde sagen –, als eine Geisterdiskussion. Sie ist für mich völlig unverständlich.

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Braun, hören Sie einmal zu. Dass man dies nicht anerkennt und dies nicht macht, zeigt § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes, nach dem die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur begrenzt abzugsfähig sind. Danach erkennt der Fiskus 0,36 Euro für die ersten zehn Kilometer und 0,40 Euro für jeden weiteren Kilometer als Werbungskosten an, höchstens jedoch 5.112 Euro je Kalenderjahr. Allerdings kann ein höherer Betrag als 5.112 Euro dann angesetzt werden, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen Kraftwagen benutzt.

Diese so genannte Entfernungspauschale, die seit 2001 gilt, ist nicht von der Benutzung bestimmter Verkehrsmittel abhängig. Liebe Frau Thomas, sie gilt auch für Fußgänger, Fahrradfahrer, Mitglieder von Fahrgemeinschaften und Arbeitnehmern, die durch ihren Arbeitgeber in Fahrzeugen gemeinsam mit Arbeitskollegen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln verbilligt oder unentgeltlich befördert werden.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber doch nur, wenn sie über einen bestimmten Betrag kommen!)

Frau Thomas, nehmen Sie doch einmal den Text des Gesetzes. Dann müssten Sie Ihre Vergünstigungen – das sind Subventionen – in der Werbungskostenpauschale geltend machen, aber nicht in der Entfernungspauschale. Dies zeigt, dass die so genannte Entfernungspauschale mit der Intention des § 9 des Einkommensteuergesetzes, wonach Werbungskosten Aufwendungen sind – ich zitiere wieder – „die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ notwendig sind, überhaupt nichts mehr zu tun hat. Meiner Einschätzung nach sollte hier ordnungspolitisch die Haltung der Landesregierung bei der geplanten Kürzung der Entfernungspauschale für Berufspendler ansetzen.

Es kann doch nicht sein, dass so genannte Aufwendungen – ich zitiere – „beispielsweise bei Fußgängern oder Mitgliedern von Fahrgemeinschaften“, die überhaupt nicht bei dem Arbeitnehmer anfallen, als Werbungskosten abgezogen werden können.

Ich sage noch einmal, das ist allenfalls ein Fall der Erhöhung der allgemeinen Werbungskostenpauschale, was man auch überlegt.

Die FDP-Landtagsfraktion bittet deshalb die Landesregierung zu prüfen, ob bei den Beratungen zur geplanten Kürzung der Entfernungspauschale für Berufspendler

wieder zu dem zurückgekehrt wird, was Werbungskosten eigentlich sind. Ich habe es mehrmals zitiert.

Für die FDP-Fraktion nicht nachvollziehbar sind auch die Vorschläge für eine Kappung der Kilometerpauschale ab einer bestimmten Entfernung. Für Rheinland-Pfalz bedeutete dies, dass die Mobilität unserer rheinlandpfälzischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bestraft würde, weil man bei einer Entfernungspauschale willkürliche Grenzen ansetzen würde.

Ich habe vorhin das Gesetz zitiert. Bei Kfz galt nicht die Obergrenze von 5.112 Euro. Es kann doch nicht sein, dass nur derjenige Berufspendler in den Genuss einer Entfernungspauschale kommt, der mindestens 20 Kilometer von seinem Wohnort entfernt arbeitet. Das ist weder ökologisch noch sozialpolitisch noch städtebaupolitisch noch von der Gesetzeslage her zu begründen.

(Beifall bei FDP und CDU – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Creutzmann, das ist längst vom Tisch!)