Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Dennoch möchte ich jetzt gern zum Thema sprechen.

Deutschland braucht eine neue Lernkultur. Das war nicht nur ein Motto, das wir uns als FDP-Fraktion für unseren

Bildungskongress in der letzten Woche gegeben haben, sondern es ist ein hoher Grundkonsens bei den an der Bildung beteiligten Gruppen. Zurzeit gibt es eine Diskussion, die im Hinblick auf Lernkultur, Leistung soll wieder Spaß machen, aber auch individuelle Förderung unserer Kinder und Jugendlichen unser Bildungssystem ungeheuer viel in Schwung gebracht hat. Wir haben dabei eine Debatte gehabt, bei der man gesehen hat, dass es in den letzten 20 Jahren schon so war, dass man einen Konsens darüber hatte, dass Schwache gefördert und Leistungsschwächen aufgegriffen werden müssen und es eine stärkere Förderung geben muss.

Wenn man sich Experten anhört, dann ist es allerdings so, dass bei großen Begabungen oder begabteren Kindern und Jugendlichen die Meinung noch sehr auseinander ging und es noch eine Tabuisierung im Hinblick auf Begabungen und den Umgang mit Begabungen gab. Mittlerweile hat sich das Klima geändert, und wir haben uns in Rheinland-Pfalz als Koalitionspartner darauf geeinigt, ein System zur Hochbegabtenförderung einzurichten. Davon geht jetzt in diesem Schuljahr die erste Schule in Kaiserslautern am Heinrich-Heine-Gymnasium an den Start. Für uns ist das ein Anlass zur Freude, aber auch ein Anlass, darüber zu diskutieren, wie sich auf dieser Basis die Perspektiven der Hochbegabtenförderung in Rheinland-Pfalz entwickeln.

Es gibt dort 23 Schülerinnen und Schüler. Sie haben vielleicht zum Teil im Südwestrundfunk gesehen, wie diese Kinder an der Universität experimentiert haben. Es ist eine Wonne zuzuschauen. Wir haben eine Situation, bei der klar ist, dass diese Kinder zum einen getestet werden und Gutachten mitbringen. Zum anderen wurden aber auch Aufnahmegespräche geführt. Ich glaube, dass sich im Auswahlverfahren gezeigt hat, dass man eine tolle Truppe zusammenbekommt.

Wir haben 10 Kinder, die im Internat untergebracht sind und aus anderen Bundesländern stammen. Offensichtlich besteht auch bundesweit ein Bedarf an solchen Förderangeboten.

Mainz und Trier werden jetzt folgen. Wir haben uns als FDP besonders darüber gefreut, dass der Ministerpräs ident sich für eine weitere Hochbegabtenförderung in Koblenz ausgesprochen hat.

(Beifall bei der FDP)

Wir können uns vorstellen, dass der Zeitplan nun so aussehen kann, dass wir jedes Jahr eine Schule haben werden, die an den Start gehen kann. Das hieße dann, dass Koblenz als Abschluss 2006/2007 an den Start geht.

Das sind Entwicklungschancen im Bereich der Hochbegabtenförderung, bei dem wir in Rheinland-Pfalz sicherlich ein Vorreiterland sein werden und Angebote auch bundesweit und über die Grenzen von Rheinland-Pfalz und Deutschland hinaus machen können. Ich denke da an Trier, wo der Charakter dieser Förderung mit Sicherheit etwas internationaler sein kann.

Wir müssen darauf achten, dass diese Angebote durch eine frühe Diagnose von Begabungen in der Kinderta

gesstätte und der Grundschule ergänzt werden. Auch eine frühe Förderung solcher Begabungen muss es geben.

Es wird einen Lehrstuhl in Trier geben, der jetzt schon ausgeschrieben ist. Als FDP-Fraktion sehen wir sehr gute Chancen, dass sich einiges entwickeln und in Rheinland-Pfalz eine Keimzelle für Ansätze, auch Forschungsansätze, entstehen kann, die dann in unserem Land direkt in die Praxis umgesetzt werden können, um eine bessere Förderung, aber auch ein insgesamt stimmigeres Paket hinzubekommen.

Wir wissen, dass, wenn wir vier weiterführende Schulen aufbauen, das nicht das Ende der Fahnenstange sein kann, sondern man mit Sicherheit auch Ansätze zum einen in den Schulalltag der Regelschule transportieren kann. Ich bin mir sehr sicher, dass man gerade die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen und Methoden aus diesen Schulen aufgreifen kann. Zum anderen – wie gesagt – braucht man ein integriertes System, das möglichst früh ansetzt; denn wir wissen, dass Schulkarrieren auch dadurch verdorben werden können, dass solche Begabungen nicht frühzeitig erkannt werden und die Kinder und Jugendlichen sehr früh Frustrationen im Schulsystem erfahren.

Es ist auch ein Problem, dass Methodenkompetenz abhanden kommt, wenn Kinder auf einem Niveau lernen müssen, auf dem ihnen alles zufliegt und sie sich nicht mehr besonders anstrengen müssen. Deshalb gibt es noch viel zu tun.

Wir sind der Auffassung, dass es ein enorm schöner Start in dieses Schuljahr war. Für uns war es schön, mit dieser Schule anzufangen und zu beobachten, dass das gut klappt. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken, allen voran bei der Frau Ministerin. Frau Ahnen, Sie haben das in einer vorbildlichen Weise umgesetzt, und es geht sehr zügig voran. Wir sind als die Fraktion, der das besonders am Herzen lag, sehr zufrieden damit. Ich möchte mich aber auch bei den Akteuren vor Ort bedanken. Wir wissen, dass in Kaiserslautern und in Mainz viele Beteiligte dabei waren. Die Universitäten, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulleiter haben sich in ungeheuerem Maß engagiert. Ich freue mich auf eine Diskussion über das, was wir vorfinden. (Beifall bei FDP und SPD)

Es spricht Herr Abgeordneter Lelle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Präs ident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich aus der Drucksache 13/5965. Dort heißt es:

„Die Landesregierung wird daher aufgefordert,

besonders begabte und leistungsbereite Schülerinnen und Schüler in einem stärkeren Maße, als es

bisher der Fall ist, gezielt zu fördern. Diese Förderung muss über Schülerwettbewerbe und BEGYSKlassen für begabte Schülerinnen und Schüler hinausgehen,

eine Schule für besonders begabte und leistungsbereite Schülerinnen und Schüler mit angegliedertem Internat einzurichten,

dafür zu sorgen, dass diese Schule auch mit adäquatem Lehrpersonal ausgestattet wird.“

Meine Damen und Herren, diesen Antrag der Fraktion der CDU aus dem Jahr 2000 haben Sie damals abgelehnt. Heute feiert sich die Regierungskoalition genau für diese Sache. (Beifall bei der CDU)

Das ist ein bekanntes Spiel, meine Damen und Herren. Sie sollten sich aber in Zukunft dreimal überlegen, ob Sie unsere zielführenden und guten Vorschläge ablehnen; denn das würde Ihnen die Zeit des Nachdenkens sparen. Außerdem wären Sie schneller bei der Umsetzung wichtiger Reformen.

(Frau Morsblech, FDP: Neider!)

Ich brauche nicht noch einmal deutlich zu machen, dass die Hochbegabtenförderung innerhalb dieser Regierung ausschließlich ein Kind der FDP ist. Die SPD hat eine solche Förderung der Hochbegabten von Anfang an nicht gern gesehen. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Gespräch der vier bildungspolitischen Sprecher mit der Familie Bopp, die sich große Verdienste erworben hat. Die GRÜNEN haben damals, wie es auch heute noch der Fall ist, eine solche Förderung der Hochbegabten abgelehnt. Sie sind bei Ihrer Meinung geblieben. Frau Brede-Hoffmann sprach damals von einer unangebrachten Selektion.

Meine Damen und Herren, diese Distanz zur Hochbegabtenförderung ist immer noch feststellbar; denn im Ausschuss für Bildung und Jugend haben Sie dieses ungeliebte Kind der FDP schweigend hingenommen und ihm zugestimmt. Der Versuch, das Ganze zu verwässern, wird durch die begriffliche Ausweitung zu einer internationalen Schule deutlich.

Auch die Bemerkung von Herrn Schullleiter Becker aus Kaiserslautern, man habe unter einem ungeheurem Zeitdruck gestanden, lässt einige Vermutungen zu. Gerade deshalb möchte ich mich bei Herrn Becker und seinem Team herzlich für das große Engagement und für den Einsatz bedanken.

(Vereinzelt Beifall im Hause)

Für meine ehemalige Schule hoffe ich sehr, dass man mit dem entwickelten Konzept großen Erfolg hat. Die Fraktion der CDU begleitet diesen ersten Versuch der Hochbegabtenförderung wohlwollend kritisch, Herr Kuhn. Deshalb werden wir zu gegebener Zeit bestimmte Knackpunkte dieses Projekts hinterfragen müssen. Ich will sie auch nennen: beispielsweise die Auswahl der Schülerinnen und Schüler, die Auswahl der Lehrer, die Umsetzung des Konzepts, die Zusammenarbeit mit

Universität und Wirtschaft, der Anspruch der Internationalität sowie natürlich die Überprüfung des Angebots.

Erlauben Sie mir noch einige wenige Hinweise.

1. 2 % aller unserer Schüler sollen hochbegabt sein. Das wären in Rheinland-Pfalz 12.000 bis 15.000 Schülerinnen und Schüler. Wir beginnen jetzt mit 22 Schülerinnen und Schülern.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kommen nicht einmal aus Rheinland-Pfalz!)

2. Die Hochbegabung muss früher erkannt und früher gefördert werden. Das muss im Kindergarten beginnen und in der Schule fortgesetzt werden.

3. Der Begriff der Elite darf nicht auf den kognitiven Bereich verengt werden. Es gibt auch Hochbegabungen und besondere Talente im sportlichen, musischen und künstlerischen Bereich. Auch sie müssen gefördert werden.

4. Hochbegabung ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler. Ich denke, das ist uns allen bewusst.

5. Es gibt eine Alternative zu dem jetzigen Projekt, nämlich eine frühere Einschulung und ein leichteres Überspringen der Klassen. Dies hatte damals schon Herr Dr. Gölter mit den BEGYS-Klassen eingeführt. Außerdem besteht die Möglichkeit der Frühförderung durch zusätzliche AGs, Sommercamps und Schülerakademien wie im Saarland.

Schlussbemerkung: In der ARD-Sendung „Gabi Bauer“ hat der Bildungssenator aus Bremen, Willi Lemke, in einem Gespräch mit Frau Petra Gerster ein beachtliches Bekenntnis abgelegt. Er sagte sinngemäß: Wir 68er haben in der Bildungspolitik vieles falsch gesehen. Wir brauchen Leistungseliten. – Wie wahr, meine Damen und Herren. Für diese Erkenntnis hat man allerdings lange gebraucht.

An Frau Brede-Hoffmann, die gelegentlich die SPD vertritt, will ich die folgende Anmerkung richten: Sehen Sie sich vor, dass Ihnen nicht Gleiches passiert.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Es spricht Frau Abgeordnete Leppla.

(Ministerpräsident Beck: Mit der CDU hätten wir wahrscheinlich noch die Bekenntnisschule! – Lelle,CDU: Sie wissen, dass Sie das allein nicht verändert haben! – Ministerpräsident Beck: Genau das ist Ihre Argumentation! – Lelle, CDU: Genauso habe ich nicht argumentiert!)

Wie wäre es denn, wenn wir Frau Leppla zuhören würden?

(Lelle, CDU: Der Ministerpräsident hat einen Einwand gebracht!)

Der Ministerpräsident ist auch nur einer unter gleichen. Für ihn gilt die Geschäftsordnung auch.

Bitte schön, Frau Leppla.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die optimale Förderung der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik ist und bleibt die Förderung jeder Schülerpersönlichkeit. Dies ist der Auftrag jeder Schule in Rheinland-Pfalz. Um sowohl die intellektuell-kognitiven als auch die mus ischen, die sportlichen, die praktischen und die sozialen Begabungen unserer Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz zu fördern, gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten im schulischen Bereich.

Abgerundet wird das Angebot der Begabtenförderung in Rheinland-Pfalz durch die Einrichtung von vier Hochbegabtenschulen. An der ersten Hochbegabtenschule am Standort Kaiserslautern hat man bereits mit dem Unterricht mit 22 Schülerinnen und Schülern begonnen. Durch das pädagogische Konzept dieser neuen Schulform soll Schülerinnen und Schülern die Chance eingeräumt werden, sowohl in ihrer Begabung gefördert zu werden als auch mit dieser Hochbegabung die Chance zu erhalten, eine normale Kindheit und Jugendzeit unter ihresgleichen zu erleben.

Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass an den Universitätsstandorten Kaiserslautern, Mainz und Trier ein System der Hochbegabtenförderung geschaffen werden soll. Diese Entscheidung wurde vor Bekanntgabe der Ergebnisse der PISA-Studie getroffen. Darauf muss einmal hingewiesen werden.