Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Ich halte fest, dass wir bei allen kleinen Meinungsverschiedenheiten im Detail zwischen allen Fraktionen ein hohes Maß an Übereinstimmung der Sichtweise in den letzten Jahren immer verzeichnen konnten.

Deshalb möchte ich auch meinerseits im Namen der CDU-Fraktion darum bitten, dass unser Antrag – ich sage das jetzt wie Frau Kiltz –,auch der Antrag der GRÜNEN an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen werden. Dann reden wir darüber und schauen, wie ein vernünftiger Auftrag an die Landesregierung herangetragen werden kann, hoffentlich gemeinsam.

Das ist das Wesentliche, dass wir einmal in einer breiteren Form einen gewissen Überblick bekommen, auch über die Konsequenzen der Verspätungen der letzten Jahre.

Als wir diesen Antrag am 6. Februar formuliert haben, was schon ein bisschen länger her ist, – –

(Mertes, SPD: Winterfahrplan!) – Ja.

ist uns die Hutschnur gerissen. Das merkt man dem Antrag auch an. Das schadet aber nichts.

Es war wohl eine Kette von großen Unzulänglichkeiten und großen Zumutungen. Es hat in den letzten Jahren fundamentale Fehler gegeben.

Der erste fundamentale Fehler – vielleicht ausgehend von dem renommiertesten Unternehmensberater in Deutschland, Roland Berger – war die Fraktionierung der Bahn, das Zerschlagen in ganz unterschiedliche Bereiche.

Die Schnittstellenproblematik ist nicht nur nicht richtig eingeschätzt worden, sondern sie ist in einer dramatischen Situation übersehen und verkannt worden. Dann kam der undifferenzierte und in vielen Bereichen zu schnelle Personalabbau; gar keine Frage.

Die dramatische Reduzierung der ingenieurwissenschaftlichen Kenntnisse: Ich habe das in diesem Jahr schon einmal gesagt. Jede kleinere Baustelle ist heute ein Sicherheitsrisiko, weil die Ingenieure von heute in aller Regel jung und ohne Erfahrung und die alten Ingenieure draußen und zum Teil vorzeitig gegangen worden sind.

Die Alten haben gewusst, wo man die Kabel hinlegt. Die Jungen wissen das nicht, und der Bagger greift erfolgreich dorthin, wo er nicht hingreifen sollte. Dann ist drei Tage mehr oder minder Matthäi am Letzten.

Ferner die Luftverkehrsvorstellung, die auf die Bahn übertragen wurde.

Ich denke, dass sich die Bahn insofern auf einem guten Weg befindet, als dass eine ganze Reihe weit reichender Korrekturen eingeleitet worden sind:

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gott sei Dank!)

im Tarifsystem bis hin zu einem kleinen, aber psychologisch wichtigen Punkt, der in den letzten Tagen verkündet worden ist und heute in der Presse zu lesen ist – die Speisewagengeschichte.

Ich denke, wir sind mit der Bahn auf einem guten Weg, auch weil die großen Defizite in Schiene und Technik in den nächsten Jahren mit erheblichen Problemen für die Züge und die Kunden schrittweise bereinigt werden sollen. Insofern ist es sehr erfreulich, dass diese 1,2 Milliarden Euro – hoffentlich bleibt es dabei – bis

zum Jahr 2008 in das rheinland-pfälzische Schienennetz investiert werden. Das ist der Hintergrund.

Vor dem Hintergrund wollen wir natürlich auch über die Probleme sprechen, die es gegeben hat und gibt. Wenn man auf die Idee kommt, einen ICT von Frankfurt nach Saarbrücken fahren zu lassen, der in der Regel in Saarbrücken mit ein paar Minuten Verspätung ankommt, in Saarbrücken neun Minuten Zeit hat zu wenden, weil er nur einen Triebkopf hat und deswegen richtig wenden muss und nicht wie ein doppelgliedriger ICE oder ICT wieder herausfahren kann, reichen die neun Minuten für das Wendemanöver kaum aus, und er ist schon verspätet.

Er fährt in der Regel verspätet los, und der ganze Fahrplan auf der Strecke Saarbrücken – Ludwigshafen bricht dann stundenweise mehr oder minder zusammen, weil der Fernverkehr vorrangig bedient werden muss.

Es gibt also auch logistische Fehler, die aus meiner Sicht bis zum heutigen Tag nicht verständlich sind und die bei der alten Beamtenbahn, die gar nicht immer so schlecht war, wie sie von vielen gemacht worden ist, eben nicht passiert sind.

(Bischel, CDU: Sehr richtig! Sehr gut!)

Das waren Leute, die in der Bahn groß geworden sind.

Ich habe nun Franz-Josef Bischel eine große Freude gemacht. (Bischel, CDU: Nein, nein!)

Aber ich habe es auch aus Überzeugung gesagt, meine Damen und Herren.

Diese Leute sind in der Bahn groß geworden, und ihnen war der Gedanke der Vernetzung und der gegenseitigen Rücksichtnahme des Im-Verbund-Denkens gewissermaßen in der Ausbildung mit ins Blut gegeben. Es gibt also eine ganze Reihe von Punkten. Wir werden die Landesregierung, wie ich hoffe einvernehmlich, im Ausschuss bitten, uns einen entsprechenden Bericht zu geben. Herr Minister, wir werden uns auch darum bemühen müssen, dass dies eine ganze Abteilung nicht über vier Monate bindet. Insofern ist unser Antrag vielleicht auch ein wenig weitreichend bei dem, was verlangt wird. Aber ich denke, wir werden auch darüber im Ausschuss vernünftig reden können, und hoffe, wir kommen zu einem gemeins amen Ergebnis.

Ich bitte darum, dass die beiden Anträge mit Wohlwollen, was das weitere Vorgehen betrifft – dies setze ich voraus, weil wir im Ausschuss sehr vernünftig zusammenarbeiten –, behandelt werden.

(Zuruf des Abg. Schwarz, SPD)

Wenn ich mir vorstelle, wie ich mich um meinen Stellvertreter bemühe und ihm entgegenkomme, hoffe ich, dass wir im Ausschuss zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, meine Damen und Herren.

Ich bedanke mich. (Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Bischel das Wort.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! In diesen für die Beamten harten Zeiten tut es wirklich gut, aus dem Munde eines ehemaligen Ministers, also eines Regierungsvertreters, so wohlwollende Worte über die Beamten zu hören. Ich bedanke mich ausdrücklich. Dies war natürlich für mich Anlass, ein paar Worte zu diesem wichtigen Thema zu sagen.

Georg Gölter hat – bewusst oder unbewusst, das weiß ich nicht genau – einen sehr wichtigen Aspekt nicht erwähnt.

(Zurufe aus dem Hause: Oh!)

In dem Antrag der CDU wird gefordert, dass wir einen umfassenden Bericht der Landesregierung erhalten, meine Damen und Herren. Diesen Bericht brauchen wir auch. Aber er muss auch Grundlage dafür sein, dass die Landesregierung gebeten und aufgefordert wird, dringend zu handeln und in den Gesprächen mit Vertretern der Bundesbahn die Problematik des Nahverkehrs so zu behandeln, wie sie draußen in den Gemeinden tagtäglich ansteht.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei möchte ich auf einen Aspekt hinweisen. Seit Jahren bemühen wir uns, immer mehr Menschen vom Individualverkehr auf den Schienenverkehr zu bringen. Dazu müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Aber diese Voraussetzungen können wir in unseren Gemeinden nur dann schaffen, wenn uns die Bundesbahn entgegenkommt.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde erzählen, als ich noch Bürgermeister war. Wir haben von der Bundesbahn gewünscht, dass sie uns entsprechende Flächen am Bahnhof zur Verfügung stellt. Wir wollten sie ihr abkaufen. Die Bundesbahn hat dem Kauf zu einem horrenden Quadratmeterpreis zugestimmt und uns gleichzeitig dazu verpflichtet, die kontaminierten Stellen auszubessern, die Parkplätze zu bauen und sie der Bahn zur Verfügung zu stellen, damit diese sie an die Kunden vermieten kann.

(Dr. Gölter, CDU: Das ist heute noch so!)

Meine Damen und Herren, darüber kann man reden. Aber es kann nicht so sein, dass sich die Bundesbahn über Jahre, man kann fast schon sagen, über Jahrzehnte unter fadenscheinigen Gründen weigert, weil sie ihren Verpflichtungen hinsichtlich des Umweltschutzes nicht nachkommt, und wir von den Gemeinden, die wir den besten Willen und die beste Zielsetzung haben, nicht in die Lage versetzt werden, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass mehr Menschen mit der Bahn

fahren. Herr Minister, Sie wissen ganz genau, zu diesem Anliegen liegen schon entsprechende Briefe und Anträge vor. Heute steht in meiner Heimatgemeinde eine Sache mit der Bahnhofssanierung an. Das möchte ich jetzt nicht ausführen.

Aber dies ist so wichtig, dass Sie mit der Macht und der besonderen Stellung der Landesregierung die Bundesbahn dazu bringen – ich möchte nicht sagen, dazu zwingen, aber doch dazu bringen – müssen, aufgeschlossen zu sein für das, was die Gemeinden im Interesse ihrer Bürger und aller Bahnbenutzer realisieren wollen.

(Beifall der SPD)

Dazu ist unsere Bitte an Sie: Helfen Sie den Kommunen und den Bahnfahrern.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Nink.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage vorweg, dem Zusatzantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es zu verdanken, dass wir bereit sind, auch den Antrag der CDU mit an den Ausschuss zu verweisen. Ansonsten hat dieser Antrag doch über große Strecken für Verwunderung gesorgt. Herr Dr. Gölter, ich sage dies auch vor dem Hintergrund, dass wir in der Tat auf der sachlichen Ebene sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Das wurde in zahlreichen Debatten an dieser Stelle schon bestätigt.

Aber wenn man Ihre Forderungen an die Landesregierung sieht, hat man den Eindruck, wir hätten noch eine Länderbahn, und die haben wir schon seit 1930 nicht mehr. Wir hatten auch 1994 eine Bahnreform, und ein Ziel dieser Bahnreform war es, die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn in ein in privatrechtlicher Form geführtes, gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen umzuwandeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist unser Knackpunkt an dieser Stelle.

Ich darf daran erinnern, es war zu Zeiten einer CDUgeführten Bundesregierung, als dies geschah, ebenso wie mit der damaligen Übernahme ein katastrophales Schienennetz und völlig veraltetes Rollmaterial übernommen werden musste. Es sind Jahrzehnte ungenutzt verstrichen, um aus der Bahn ein modernes und attraktives Verkehrsmittel zu machen, welches den Konkurrenzkampf mit der Straße aufnehmen kann.

Die sträflich vernachlässigte Bestandspflege des Schienennetzes hat heute einen Reparaturaufwand zur Folge, sodass dringend notwendige Neuinvestitionen nicht getätigt werden können. Der veraltete Lok- und Wagenbestand verursacht im Durchschnitt Ausfallzeiten und Reparaturaufwand, der jährlich dreistellige Millionenbeträge verschlingt.

Gestern gab es noch Beifall für die Tatsache, dass beispielsweise die Schienen an der Moselstrecke instandgesetzt werden. Im Antrag wird die Unzuverlässigkeit durch die zahlreichen Verspätungen beklagt, die im Wesentlichen durch die zwingend notwendigen Reparaturarbeiten entstehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sprechen von einem schienengebundenen Verkehrsmittel. Wir können nicht vor jeder Baustelle den Blinker rechts oder links setzen und dann über die Wiese fahren. Diese Verspätungen sind ärgerlich, aber man kann sie nicht so hinstellen, als wären sie unvermeidbar.