Protokoll der Sitzung vom 08.10.2003

.............................................................................................................3655 Präsident Grimm:......................................................................................................................3655, 3662

55. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 8. Oktober 2003

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz und begrüße Sie ganz herzlich.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Dieter Klöckner und Christian Baldauf. Herr Abgeordneter Klöckner führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Klaus Hammer, Elfriede Meurer und Dr. Gerhard Schmidt.

In diesen Tagen hat ein Kollege einen runden Geburtstag gefeiert. Ich denke, auch in Ihrem Namen darf ich ihm heute noch nachträglich gratulieren. Günter Rösch ist 60 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Ich freue mich auch, bereits Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Vertrauensleute der Gewerkschaft ver.di aus Frankenthal sowie Mitglieder des CDUOrtsverbandes Grafschaft.

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landeshaushaltsgesetz 2004 (LHG 2004) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2520 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2003 bis 2007 Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 14/2521; Vorlage 14/2625 –

Das Wort hat Herr Finanzminister Mittler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute dem Parlament den Haushaltsplan 2004 und den Finanzplan für die Jahre 2003 bis 2007 vor. Die Regierungsvorlage trägt den gesamtwirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Anforderungen Rechnung, sie setzt das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe für das Jahr 2004 um, sie führt die Linie des eng begrenzten Ausgabenwachstums fort,

(Heiterkeit bei der CDU)

sie sichert durch umfangreiche Sparmaßnahmen eine angemessene Finanzierung der landespolitischen Schwerpunkte, sie setzt die finanzielle Unterstützung der rheinland-pfälzischen Gemeinden im Rahmen des Beistandspaktes fort, und sie basiert auf der aktuell absehbaren Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das zentrale Problem der öffentlichen Haushalte in Deutschland – dies gilt für Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen – sind die wegbrechenden Steuereinnahmen, die ihrerseits wiederum ihre Ursache in der wirtschaftlichen Entwicklung haben.

Das Jahr 2003 ist das dritte Jahr in Folge ohne nennenswertes wirtschaftliches Wachstum. Dies führt dazu, dass wir im Landeshaushalt für das Jahr 2004 Steuereinnahmen erwarten, die um rund 500 Millionen Euro niedriger sein werden als noch im Jahr 2000. Im gleichen Zeitraum jedoch steigen die Personalausgaben beim Land und den Landesbetrieben um ziemlich genau den gleichen Betrag an, und dies trotz der Einschnitte, die wir in diesem Bereich vorgenommen haben.

Gemessen an der volkswirtschaftlichen Steuerquote des Jahres 2000 dürften allein im Jahr 2004 auf der Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte etwa 60 bis 65 Milliarden Euro fehlen. Die Steuereinnahmenentwicklung im laufenden Jahr lässt erwarten, dass wir im Jahr 2003 zum dritten Mal in Folge im Gesamtstaat eine negative Entwicklung haben werden, was es noch zu keiner Zeit zuvor gegeben hat.

Bis einschließlich zum Monat Juli lagen wir übrigens mit den originären Steuereinnahmen in Rheinland-Pfalz exakt im Rahmen der Schätzung. Im August setzte dann mit einem Rückgang von 3,6 % eine zunächst noch moderate negative Entwicklung ein, die sich allerdings im September mit einem Minus von 11,6 % verschärft fortgesetzt hat.

Die schwache Konjunkturentwicklung und ihre Folgen bei der Arbeitslosenzahl hat auch zu Druck auf die Ausgabenseite geführt, zum Beispiel bei Wohngeld, Prozesskostenhilfe und anderen sozialen Leistungen. Diese Zangenbewegung auf Einnahmen und Ausgaben des Landeshaushalts hat im vergangenen Monat bekanntermaßen eine Haushaltssperre notwendig gemacht. Die Landesregierung hat damit rechtzeitig und angemessen auf die aktuelle Lage reagiert und es durch ihre Entscheidung, Investitionsausgaben weitgehend von der Sperre auszunehmen, vermieden, dass durch staatliches Handeln das Übel der konjunkturellen Entwicklung, nämlich die Nachfrageschwäche, noch verstärkt wurde.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dem Haushaltsentwurf 2004 liegen folgende Eckdaten zugrunde:

1. Die Steuereinnahmen basieren auf den Ergebnissen der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres. Davon haben wir einen Sicherheitsabschlag insbesondere für

die Steuerausfälle vorgenommen, die sich durch ein Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf das Jahr 2004 in Höhe von 273 Millionen Euro ergeben werden. Auf eine Veranschlagung von Mehreinnahmen aus dem geplanten steuerlichen Subventionsabbau, der verschärften Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der geplanten Steueramnestieregelung haben wir aus Vorsichtsgründen verzichtet.

Folgt man den Schätzungen des Bundes, würde eine vollständige Umsetzung der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen dem Land im kommenden Jahr ein Gegenfinanzierungsvolumen in Höhe von 230 Millionen Euro bringen. Die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück sind dabei nur teilweise berücksichtigt.

Auf der anderen Seite haben wir das Risiko, dass sich im Jahr 2004 aufgrund der konjunkturellen Entwicklung die Steuereinnahmen möglicherweise ungünstiger entwickeln als veranschlagt. Das wird sich bei der Steuerschätzung im nächsten Monat zeigen. Insoweit stehen sich die Chancen aus dem nicht veranschlagten Subventionsabbau und die möglichen Risiken auf der Einnahmenseite gegenüber, wobei die Chancen aufgrund des weitgehenden Konsenses zum Subventionsabbau aus Sicht der Landesregierung höher einzuschätzen sind als die Risiken.

2. Die bereinigten Ausgaben werden im kommenden Jahr um 0,9 % wachsen. Damit wird die Vorgabe des Finanzplanungsrates, derzufolge die Ausgaben der Länderhaushalte nicht stärker wachsen sollen als 1 %, beachtet. Diese niedrige Wachstumsrate war nur möglich, weil mit den Novemberbeschlüssen des Ministerrates des vergangenen Jahres in einer großen Kraftanstrengung 386 Millionen Euro eingespart wurden. Diese Einsparungen wirken nachhaltig.

(Bracht, CDU: Wo sind sie denn?)

3. Die Gesamt-Nettokreditaufnahme im Haushalt beträgt 1,1 Milliarden Euro. Unter Einbeziehung der Landesbetriebe ergibt sich eine Nettokreditaufnahme von 1,34 Milliarden Euro. Damit wird der von der Landesverfassung vorgegebene Kreditrahmen, der sich an der Gesamtsumme der investiven Ausgaben orientiert, um rund 200 Millionen Euro überschritten. Allerdings lässt die Verfassung eine solche Überschreitung ausdrücklich zu, nämlich für den Fall, dass eine höhere Kreditaufnahme im Interesse der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts notwendig ist.

(Zuruf von der CDU: Wer hat das zu verantworten?)

Die Bundesregierung hat bei Verabschiedung des Bundeshaushalts 2004 diese Feststellung über eine Störung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts getroffen und ausgeführt, dass ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform dazu geeignet ist, die drohende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts für das Haushaltsjahr 2004 abzuwehren, da sie sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen spürbar entlasten wird. Dies wird den Konsum und die Investitionsbereitschaft deutlich stärken und damit Signale für mehr

Wachstum und Beschäftigung setzen, zwei maßgebliche Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, die gegenwärtig nicht erfüllt sind.

Da die Konjunkturschwäche nicht nur einzelne Regionen oder bestimmte Wirtschaftszweige erfasst, sondern uneingeschränkt das gesamte Bundesgebiet und die gesamte Wirtschaft betrifft und das zeitliche Vorziehen der Steuerreform als geeignetes Mittel zur Abwehr der drohenden Störung nicht nur eine Maßnahme des Bundes, sondern eine gesamtstaatliche Maßnahme darstellt, treffen die Aussagen der Bundesregierung auch für Rheinland-Pfalz uneingeschränkt zu.

Ich lese heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass der Kollege Weimar in Hessen sich bezüglich des Haushaltsvollzugs 2003 auf genau diese Vorschrift in der Hessischen Landesverfassung beruft.

(Zurufe von der CDU)

Im Übrigen darf ich darauf aufmerksam machen, dass die die Investitionssumme übersteigende Kreditaufnahme von rund 200 Millionen Euro allein dadurch verursacht ist, dass wir das Vorziehen der Steuerreform ohne Gegenfinanzierung veranschlagt haben. Im Lauf der nächsten Monate wird sich herausstellen, dass für den Fall des Vorziehens der Steuerreform, wovon die Landesregierung ausgeht, die weitaus größte Anzahl der Länder von der in allen Landesverfassungen vorges ehenen Möglichkeit der höheren Kreditaufnahme wird Gebrauch machen müssen. Wir sind bislang – wenn ich es richtig sehe – das einzige Land, das sich im Vorgriff auf die Entscheidung des Bundesgesetzgebers bezüglich des Vorziehens der Steuerreform eindeutig positioniert und eine solche Veranschlagung vorgenommen hat. Sie dient allerdings der Transparenz und Klarheit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Landesregierung unterstützt das Vorziehen der Steuerreform im Interesse der Stärkung der privaten Kaufkraft und der Investitionsfähigkeit der Unternehmen ausdrücklich; denn die Entlastung der Unternehmen und Privaten macht allein in Rheinland-Pfalz rund 1 Milliarde Euro aus.

(Beifall der SPD und der FDP)

Nicht berücksichtigt ist in dem Ihnen vorliegenden Zahlenwerk die Gemeindefinanzreform, da zurzeit noch völlig offen ist, wie diese Reform schließlich aussehen wird. Dies gilt für das Projekt der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe ebenso wie für die Neuordnung der Gewerbesteuer oder der Gemeindewirtschaftssteuer, wie sie künftig heißen soll. Ich darf bei dieser Gelegenheit unterstreichen, dass die Landesregierung sich in die Suche nach einem Kompromiss bezüglich beider Teile der Gemeindefinanzreform im Sinne einer Stärkung und Verstetigung der kommunalen Finanzkraft voll einbringen wird und sich auch für ein InKraft-Treten der Reform zum 1. Januar 2004 einsetzen wird, so schwierig sich dies auf der verbleibenden Zeitschiene auch gestalten mag.

(Beifall der SPD und der FDP)

Drei Positionen in der Regierungsvorlage müssen besonders hervorgehoben werden:

Vom Wohnungsbauvermögen des Landes wird ein Teilbetrag von 217 Millionen Euro veräußert. Der Pensionsfonds wird mit 137 Millionen Euro dotiert. Zudem gewährt das Land zulasten seiner eigenen Verschuldung den Kommunen im Rahmen des so genannten Beistandspakts ein Verstetigungsdarlehen in Höhe von 149 Millionen Euro.

(Beifall der SPD und der FDP)

Mit den beiden letzten Positionen, also der Dotierung des Pensionsfonds und dem Verstetigungsdarlehen, von insgesamt immerhin 286 Millionen Euro mutet sich das Land eine Belastung zu, die kein anderes Land auf sich nimmt und ohne die auch die Teilveräußerung des Wohnungsbauvermögens entbehrlich wäre. Die Veräußerung des Wohnungsbauvermögens erfolgt also nicht zur Finanzierung allgemeiner konsumtiver Ausgaben, sondern sie dient der Dotierung des Pensionsfonds und damit der langfristigen Vorsorge. Zum Zweiten stellt sie die Finanzierung des Verstetigungsdarlehens sicher, das wir den Kommunen zur Verfügung stellen.

Das Wohnungsbauvermögen bleibt also auch weiterhin aus wirtschaftlicher Sicht Bestandteil des „Konzernvermögens Land“.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dem Haushalt 2004 führt die Landesregierung die Linie der strikten Ausgabenbegrenzung, wie sie mit den November-Beschlüssen vom vergangenen Jahr bekräftigt und verstärkt wurde, fort.