Verehrter Herr Bracht, der Ausbau der Ganztagsschulen ist ein notwendiges Gestaltungsmittel, ist ein gesellschaftspolitisch notwendiges Mittel, eine gesellschaftspolitisch notwendige Maßnahme und keine billigen Geschenke an Eltern, wie Sie glauben, es hier darstellen zu müssen.
Aber man sollte es den Eltern, insbesondere in den Großstädten, sagen, wie die CDU-Sprecher dazu stehen.
Der Ausbau der Ganztagsschulen, die erheblichen Investitionen im Bereich der Mobilität und der Beitrag des Haushalts zur Konsolidierung der Finanzprobleme der Kommunen, sind Gestaltungsmaßnahmen, auf die wir großen Wert legen. Die Landesregierung setzt der Beliebigkeit der CDU ein konstruktives Konzept entgegen. Mit dem Haushaltsentwurf 2004 liegt uns eine solide, eine gute Grundlage für die Beratung vor.
Wir hatten die Hoffnung, dass sich die CDU, wie Sie eben angekündigt haben, konstruktiv an diesen Beratungen beteiligen will.
Aber wenn man hört, was Sie alles nicht wollen, und wenn man leider nicht hören kann, was Sie wollen, hat man daran erhebliche Zweifel und fürchtet, dass Sie vielleicht heute doch schon mit der Absage an die Zusammenarbeit begonnen haben.
Gegenüber dem Jahr 2003 steigen die bereinigten Gesamtausgaben um ganze 0,9 %. Das ist im Vergleich ein sehr guter, ein sehr geringer Betrag.
Er kommt auch deshalb zustande, weil wir das gemacht haben, was Sie bestreiten, weil wir gespart haben. Ich will Sie noch einmal erinnern: im Jahr 2003 Maßnahmen, die uns sehr geschmerzt haben, in Höhe von
386 Millionen Euro Einschnitten. Ich sage dies noch einmal ausschnittsweise: Kürzung der Mittel für Arbeitsmarktförderung, Kürzung im Bereich der Erziehungshilfen, Kürzung bei den Mitteln für kulturelle Angelegenheiten, Kürzung bei den Zuschüssen für Träger der Krankenhäuser, Kürzungen in der Landwirtschaft, Kürzungen beim Landesblindengeld und die Veränderung bei der Arbeitszeit der Polizistinnen und Polizisten. Das war für uns nicht einfach. Wir haben diese Maßnahmen ergriffen. Dann finden wir es schon seltsam, wenn die Redner der Opposition so tun, als hätten wir überhaupt nichts getan, als würden wir tatenlos zusehen, wie die Schulden steigen.
Meine Damen und Herren, trotz dieser schwierigen Ausgangslage stehen wir hinter dem Vorhaben der Bundesregierung, die Steuern schnell und wirkungsvoll schon zu Beginn des Jahres 2004 zu senken. Dazu gibt es in der aktuellen konjunkturellen Situation keine Alternative. Mit Recht ist die Finanzierung des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform auf der Einnahmenseite unseres Landeshaushalts, anders als über dem Rhein in Hessen, klar und deutlich dargestellt. Das hat etwas mit Haushaltswahrheit zu tun. Das ist das Gegenteil von dem, was heute Morgen kritisiert worden ist.
In den letzten Wochen hat sich die Stimmung bei den Investoren und Konsumenten auch in Rheinland-Pfalz verbessert. Dieses verbesserte Klima muss in veränderte harte Fakten umgesetzt werden. Wir müssen jetzt um Vertrauen werben, Zuversicht wecken und Wachstum anregen. Die Funktion der Haushaltspolitiker kann in dieser Situation nicht nur darin bestehen, ausschließlich auf der Bremse zu stehen. Wir gestalten, ohne dass wir die Zügel aus der Hand geben. Der Weg zur Haushaltskonsolidierung wird dabei trotzdem und notwendigerweise weitergegangen.
Für das Jahr 2004 ergibt sich gegenüber der bisherigen Finanzplanung eine erhöhte Kreditaufnahme. Das ist wohl wahr. Aber vergegenwärtigen wir uns doch einmal, was hierzu Herr Dr. Böhr gesagt hat. Sie erlauben, dass ich ihn zitiere: „Ein Kredit, der eine Zukunftsinvestition finanziert, kann auch in Zeiten einer hohen Verschuldung der öffentlichen Hand einen guten Sinn haben.“
Meine Damen und Herren, die Umsetzung der Steuerreform dient dazu, schnell und wirksam Wachstum anzuregen. Mehr als jede Investition in ein Gemeindehaus oder in ein Feuerwehrfahrzeug kann dieses Projekt helfen, die wirtschaftliche Talsohle zu durchschreiten.
Wenn wir bisher von Mindereinnahmen bei den Steuern gesprochen haben, dann bedeutete dies meist, dass die Einnahmen unter den Erwartungen der letzten Schätzungen lagen.
Jetzt müssen wir mit der Erwartung leben, dass die Steuereinnahmen von 2003 auf 2004 real um 1,7 % sinken werden. Dies ist Ergebnis der konjunkturellen Situation und insbesondere aber auch auf die steuerlichen Entlastungen zurückzuführen. Niemand in diesem Raum wird ernsthaft bestreiten, dass die Steuerreform der Bundesregierung nur zu einer begrenzten Entlastung der Bürgerinnen und Bürger führen wird. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an der Steuerquote der vergangenen Jahre. In der Abgrenzung der Finanzstatistik liegen wir mittlerweile bei einer Steuerquote von 21,5 %. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre waren es immerhin noch 23 %.
Diese Entwicklung hat natürlich zwei Seiten. Einerseits können wir uns mit diesen Werten in Europa und in der Welt sehr gut sehen lassen. Andererseits stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Staats, der schließlich auch in Zukunft in der Lage sein muss, in Bildung und Forschung zu investieren. Joachim Mertes hat in seiner Rede die Frage einer künftigen Architektur des Steuersystems angesprochen. Lassen Sie mich einen Gesichtspunkt näher betrachten.
Finanzminister Mittler engagiert sich in der Frage der zukunftsfähigen Regelungsstruktur für die Mehrwertsteuer. Mit Recht hat er auf die dramatischen Auswirkungen des Umsatzsteuerbetrugs hingewiesen. Dazu einige Zahlen: Das ifo-Institut geht für das Jahr 2001 von einem Volumen der Umsatzsteuerhinterziehung in Deutschland von 14 Milliarden Euro aus. Davon entfallen etwa 4 Milliarden Euro auf so genannte Karussellgeschäfte. Die Mainzer Vorschläge zur Umsatzsteuer von Gernot Mittler sehen vor, die Lieferungen im unternehmerischen Bereich steuerfrei zu lassen und die Mehrwertsteuer erst beim Endverbraucher zu erheben.
SPD-Finanzpolitikerinnen und -politiker aus Baden Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben vor einigen Tagen einen Appell an die Europäische Kommission und an die Bundesregierung gerichtet: Nach unserer Auffassung muss das Umsatzsteuersystem dringend reformiert werden. Nur so lässt sich der massenhafte Steuerbetrug auf diesem Gebiet bekämpfen.
Herr Minister Mittler, wir möchten Ihnen in dieser Diskussion ausdrücklich den Rücken stärken. Sie sind es, der das Thema auf die bundes-, sogar die europapolitische Agenda gesetzt hat. Ich würde mich freuen, wenn auch die Fraktion der CDU und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Initiative ausdrücklich unterstützen würden.
Wenn ich rede, dann schließe ich die Koalition immer mit ein. Wir lassen uns von niemandem auseinander dividieren, Herr Kuhn.
Den Rücken stärken wollen wir der Regierung auch auf dem Gebiet der Verwaltungsmodernisierung. Das Land Rheinland-Pfalz ist mit seinen Projekten zur Modernisierung des öffentlichen Sektors in vielen Bereichen bun
desweit Schrittmacher geworden. Rheinland-Pfalz ist einen eigenständigen Weg gegangen, der mittlerweile von vielen Fachleuten als vorbildlich angesehen wird. Unsere Reformen sind nicht von Softwareherstellern abgeschrieben, sondern sind einfach, praktisch, gut.
Je nachdem, wie stark eine politische Anbindung an das Parlament und die Regierung notwendig ist, erfolgt eine Verselbstständigung von Organisationseinheiten wie beispielsweise die Neustrukturierung der staatlichen Liegenschaften und des Immobilienwesens bei der Gründung des LBB oder der Errichtung des LSV.
Der Herr Ministerpräsident hat sich bereits ausführlich mit dem Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung auseinander gesetzt. Ich bin froh, dass das geschehen ist; denn ich war entsetzt, was ich heute Morgen gehört habe. Ich bin froh, dass wir den Beamtenversorgungsfonds haben. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn eine solche Maßnahme nicht rechtzeitig ergriffen wird. Mir tun schon jetzt die Bundesländer Leid, die in einigen Jahren ganz gewaltig in die Bredouille kommen. Ich bin der Auffassung, dass das eine zukunftsweisende Investition ist.
Die Landesverwaltung ist in weiten Teilen funktional neu ausgerichtet worden. Es ist eine Bündelung von Aufgaben zahlreicher Behörden unter fachlichen Gesichtspunkten erfolgt. Mit der Modernisierung der Finanzverwaltung des Landes erfolgte eine Reduzierung der Zahl der Finanzämter. Gleichzeitig wird nach und nach ein Leistungsvergleich zwischen Finanzämtern eingeführt.
Herr Minister, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein Kompliment an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen. Neu und ausgesprochen übersichtlich ist der Regierungsentwurf im Einzelplan 04. Es ist ein vorbildlich dargestellter Einzelplan.
Weitere organisatorische Maßnahmen waren Veränderungen in der Behördenstruktur bei der Polizei und in der Sozialverwaltung.
Trotz der Einlagen von Herrn Böhr, die einen gewissen Unterhaltungscharakter aufwiesen, weisen wir darauf hin, dass die Zahl der Verwaltungs- und Rechtsvorschriften in den vergangenen Jahren deutlich reduziert worden ist. Richtig ist, dass es in dieser Hinsicht noch viel zu tun gibt. Ich darf darauf hinweisen, dass die Zahl der im amtlichen Gültigkeitsverzeichnis enthaltenen Verwaltungsvorschriften von 1997 bis Ende 1999 von 772 auf 435 abgebaut worden ist. Sie sehen also, dass die Verwaltung und die Ministerien an diesem Problem arbeiten.
Aktuell überprüft die Landesregierung in einem weiteren Durchlauf alle Verwaltungsvorschriften des Landes. Ich denke, dass man dann gemeinsam mit den Bundesbehörden das eine oder andere Hasenproblem in den Griff bekommen kann.
Die Notwendigkeit des Subventionsabbaus ist ein ebenso aktuelles wie wichtiges Thema. Die Ministerpräsidenten Steinbrück und Koch haben ein sehr diskussionswürdiges Papier vorgelegt. In ihrem Konzept kürzen sie eine Vielzahl von Subventionen linear. Hut ab vor dem Mut der beiden. In diesem Zusammenhang muss man sich aber auch vor Augen führen, dass Herr Dr. Böhr in seiner Bewertung dieser Vorschläge noch größere Steuersenkungen, als wir sie mit der Steuerreform vorhaben, fordert, während beispielsweise Herr Kollege Baldauf mit mehr Richtern, Frau Kollegin Kohnle-Gros mit mehr Polizisten und Herr Kollege Keller mit mehr Lehrern nach mehr Personalausgaben schreien. Ich weiß nicht, wie Sie das zusammenbringen wollen. Ich weiß nicht, wie Sie Ihre Finanzplanung danach ausrichten wollen.
Meine Damen und Herren, die beiden Ministerpräsidenten haben das entdeckt, was ich in einer früheren Haushaltsrede bereits angesprochen habe. Sie haben nämlich einen mehr oder weniger intelligenten Rasenmäher entdeckt. Sie haben nämlich gesagt: Alles linear, aber bestimmte Dinge sind ausgeschlossen. – Dazu gehören zum Beispiel Kindertagesstätten, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Das ist auch unsere Überzeugung, wenn es in Rheinland-Pfalz um Subventionskürzungen und darum geht, dass auf dem Gebiet der Finanzhilfen in Rheinland-Pfalz Weiteres geschehen kann. Aber auch in diesem Zusammenhang dürfen wir mit Stolz berichten, dass wir uns in der Bundesrepublik nicht zu verstecken brauchen, wir trotz der Tatsache, die heute bereits angesprochen wurde, die geringsten Subventionen zahlen und bereit waren und auch in Zukunft bereit sein werden, Einschnitte hinzunehmen und miteinander darüber zu diskutieren.
Miteinander diskutieren müssen wir aber auch über die Situation in den Kommunen in unserem Land. Nicht nur in unserem Land leben die Kommunen mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Insbesondere sie sind auf stabile Einnahmen angewiesen. Sie stützten sich aber in wesentlichen Teilen auf die Einnahmen aus der sehr unterschiedlich fließenden Gewerbesteuer. Wirtschaftliche Probleme schlagen sich auch auf der Ausgabenseite nieder, weil die Sozialausgaben steigen. Im Prinzip gilt dies natürlich für alle kommunalen Gebietskörperschaften, für die kleinen und die großen.
Besonders stark betrifft das aber die Situation der großen Städte. Die Stadtregionen sind Brennpunkte sozialer Entwicklungen. Hier zeigen sich Arbeitslosigkeit und soziale Veränderungen besonders schnell und deutlich. Das System „Stadt“ steht vor enormen Herausforderungen. Städte sind aber auch Motoren für die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung in unserem Land.
Ein Viertel des rheinland-pfälzischen Bruttoinlandsprodukts wird in den Großstädten Ludwigshafen, Mainz und Koblenz und fast drei Viertel der wirtschaftlichen Leistungen in den städtischen und den weitgehend suburbanen Bereichen des Landes erbracht.
und Pforzheim sind weitgehend städtisch geprägte Räume entstanden. Die Grenzen der städtischen Räume haben sich in den vergangenen Jahrzehnten faktisch weit vor die Verwaltungsgrenzen geschoben. RheinlandPfalz ist schon lange nicht mehr allein das Land der Reben und Rüben. Bereits im Jahr 1998 lebten 54 % der Bevölkerung in unserem Land in hochverdichteten Räumen. Viele Kernstädte werden von der Alterung der Gesellschaft deutlich stärker betroffen sein als ihr ländliches Umfeld. Suburbanisierung und Alterung stellen vor allem die Städte sowohl hinsichtlich ihres Aufgabenspektrums als auch ihrer Einnahmenkraft vor erhebliche Schwierigkeiten.