Protokoll der Sitzung vom 09.10.2003

(Zuruf des Abg. Hohn, FDP)

aber ich kann doch nur sagen, viele Techniken, die zurzeit auch bei der BASF verkauft werden – auch in der chemischen Industrie –, sind Umweltschutztechniken. Es ist also keine Frage, ob wir uns Umweltschutz leisten

können, sondern wir können weltweit mit Umweltschutz Geld verdienen. Das haben Sie nicht verstanden.

Wir können mit Umweltschutz Arbeitsplätze schaffen und Geld verdienen. Wenn Sie das nicht verstehen, dann können Sie auch nicht in die Zukunft denken.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Morsblech.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den rheinland-pfälzischen Landeshaushalt vor einem finanzpolitisch insgesamt tiefgreifend veränderten Hintergrund. Wir hatten ein jahrzehntelanges Wirtschaftswachstum in Deutschland, das alle staatlichen Ebenen in die komfortable Lage versetzt hat, dass Politik und Staat auch weit über die Grenzen rein hoheitlicher Aufgaben hinaus handeln konnten.

Wir haben uns vieler gesellschaftlicher Probleme angenommen. Es konnte eine größtmögliche soziale Sicherung erreicht werden, und die an die Politik herangetragenen Wünsche von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen konnten erfüllt werden. Viele Probleme auch in Lebensbereiche hinein konnten politisch und auch mithilfe von Staatsfinanzen gelöst werden.

Das war lange vor dem Hintergrund der konjunkturellen Lage und im Rahmen zunächst gesunder Staatsfinanzen auch sehr gut möglich. Wenn man sich dies zahlenm äßig anschaut, war man in der Lage, dass von 1961 bis 1992 die öffentlichen Haushalte in Deutschland insgesamt von 95,3 auf 1.018,7 Milliarden DM ansteigen konnten. Das ist schon eine beachtliche Vervielfachung.

Innerhalb dieses Budgets nahm der Anteil der Ausgaben für die soziale Sicherung der Bürger von 23,2 % auf 48,7 % zu. Das ist ein Aufgaben- und Ausgabenzuwachs, den wir jetzt feststellen, bei dem es aber unredlich wäre, dafür – das ist bei der Opposition zum Teil auch für das Land geschehen – im Nachhinein jemand besonders verantwortlich zu machen oder zu kritisieren; denn die Lage war so.

An dieser Lage waren alle im Haus handelnden Fraktionen und Parteien beteiligt. Es war auch politisch richtig, zunächst einmal so zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zu reagieren und sich daran auszurichten, die Lebensbedingungen in unserem Land zu verbessern.

Mit der deutschen Wiedervereinigung hat man schon gesehen, dass es sehr schwierig wird, all diese Aufgaben weiter zu finanzieren. Im Rahmen der EuroEinführung insgesamt wurde ab Mitte der Neunzigerjahre schon ein Prozess in Gang gesetzt, der den gesamten Euroraum erfasst hat und bei dem ein sehr beeindruckender Konsolidierungsprozess in Gang gesetzt worden ist.

In diesem Rahmen haben auch wir in Rheinland-Pfalz uns das Ziel gesteckt, bis zum Jahr 2006 zu einer Haushaltskonsolidierung zu kommen. Seit 2001 gibt es eine deutliche Trendumkehr. Das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte nimmt wieder stark zu.

Die Ursachen hierfür kennen wir. Es sind konjunkturbedingte Steuerausfälle, eine Stagnation im Wirtschaftswachstum und eine bedrückend hohe Arbeitslosigkeit. Das können Sie nicht schönreden, auch nicht, wenn Sie die Einnahmensituation immer wieder anders darstellen.

Die Perspektive für einen greifbaren Zeitpunkt der Konsolidierung wäre immer noch wichtig, gerade für jüngere Generationen, die sich selbst in diesen Staat einbringen möchten oder zumindest in einem Staat mit gesunden Staatsfinanzen leben wollen und denen man keine hohe Zinslast weiter aufbürden kann.

Man kann jedoch unter den heutigen Bedingungen keinen konkreten Zeitpunkt nennen. Man kann das Jahr 2008 anpeilen, wenn man zugrunde legt, dass es wieder günstigere Wirtschaftsprognosen gibt. Man muss aber dabei sehr vorsichtig sein.

Dennoch müssen wir alle Anstrengungen darauf verwenden, die Krise der öffentlichen Haushalte zu bewältigen. Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung, was die richtige Grundlage wäre, kann man auf Dauer nur durch tiefgreifende strukturelle Reformen in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik erreichen. Dazu gehört eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme, eine flexiblere Lohn- und Tarifpolitik, aber auch ein deutlich vereinfachtes Steuersystem mit einem insgesamt abgesenkten Niveau.

Gerade deshalb ist es uns so wichtig, dass das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf das Jahr 2004 stattfindet, nämlich als positiver Impuls für die deutsche Wirtschaft, aber auch für die sehr verunsicherten Konsumentinnen und Konsumenten in unserem Land.

(Beifall der FDP und der SPD)

Dies bringt aber auch mit sich, dass es einen Steuerausfall in Höhe von ca. 270 oder 280 Millionen Euro zusätzlich geben wird. Im vorgelegten Haushaltsentwurf – dies sollte man immer wieder betonen – ist dies ebenso mit einkalkuliert wie auch Sicherheitsabschläge für den Fall einer weiterhin ungünstigen Konjunkturentwicklung. Dies ist eben ein ehrlicher Haushalt. Sie sehen an den Zahlen – jetzt ist Herr Dr. Braun leider nicht mehr da – – –

(Zurufe aus dem Hause: Doch, doch!)

Ah, da ist er! Ach, Sie waren bei uns. Das ist ja schön. Vielleicht verändert Sie das auch mental, wenn Sie sich austauschen.

Sie haben das Überschreiten der Verfassungsgrenze als Verschwendungsmentalität kritisiert. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, so ist die Redlichkeit, dass diese Ris iken einkalkuliert wurden, diejenige Größe, die dazu geführt hat, dass wir die Verfassungsgrenze einmalig überschreiten bzw. in Anspruch nehmen müssen, dass

wir uns auf die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts berufen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bracht, CDU: Ihr geht von einem höheren Wachstum aus!)

Diese ist in diesem Fall gegeben, nämlich die Maßnahme der Abwendung durch die vorgezogene Steuerreform. Das ist der politische Wille dieser Landesregierung. Wenn Sie die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger nicht wollen, kann dies die einzige Antwort sein, wie Sie dies hinbekommen können. Deshalb nehmen wir das in dieser Situation gern in Kauf.

(Beifall der FDP)

Wenn man die finanziellen Rahmenbedingungen berücksichtigt, kann man an der Einnahmenseite nicht viel verändern. Deshalb ist es dringend geboten, dass wir zu einem Umdenken in unserem Finanzgebaren kommen, was die Ausgabenstruktur, aber auch was die Aufgabenstruktur des Landes betrifft. Was früher richtig und wichtig war, muss heute vor diesem tiefgreifend veränderten Hintergrund grundlegend überdacht werden.

Wir wissen auch – dies muss man auch berücksichtigen –, dass aufgrund der Datenbasis des Statistischen Landesamtes eine Prognose vorliegt, die einen deutlichen demographischen Rückgang der Bevölkerung anzeigt und wir somit auch schrumpfende erwerbsfähige Bevölkerungsanteile haben werden, denen es umso weniger zumutbar sein kann, eine hohe Zinslast auf sich zu laden. Deshalb ist die eine Seite der Medaille die Zukunftsfähigkeit und Maßnahme zur Umstrukturierung unserer Staatsausgaben, aber die andere Seite muss nach wie vor mit dem Titel „Kernaufgaben“ überschrieben werden; denn Zukunftsfähigkeit bedeutet, auf wünschenswerte, aber nicht mehr finanzierbare Aufgaben zu verzichten. Sie bedeutet aber eben auch, dass wir uns dann auch viel auf das Wohl der Bürgerinnen und Bürger und die für unsere Zukunft wichtigen Kernaufgaben im Land Rheinland-Pfalz konzentrieren können.

Das Land muss entwicklungsfähig bleiben,

(Jullien, CDU: Entwicklungsfähig!)

wir müssen zukunftsfähige Arbeitsplätze für die Bürgerinnen und Bürger bieten können, und wir wollen eine positive Wachstums- und Arbeitsmarktentwicklung, die Perspektiven bietet. Auf diese Aufgaben müssen wir uns konzentrieren.

Dazu gehört in erster Linie, in Forschung und Technologie und auch in die Köpfe und Fähigkeiten unserer jungen Menschen zu investieren; denn wir wissen, dass die Innovationsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bildungssysteme für die Zukunft entscheidend sein wird. Es ist natürlich klar, dass die Qualität von Bildung nicht allein davon abhängig ist, wie viel Geld man hineingibt, aber Investitionen sind dennoch notwendig.

Ich möchte noch auf Frau Thomas eingehen, die gesagt hat, wir konzentrierten uns überhaupt nicht auf den

Primarbereich und auf den Elementarbereich. Nach ihrer Aussage ist uns das alles egal.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich nicht gesagt! – Kuhn, FDP: Aber sinngemäß schon! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, ich habe gesagt, man muss den Haus- halt vom Kopf auf die Füße stellen, und es gibt Veränderungsbedarf!)

Es gibt Veränderungsbedarf, richtig. Sie haben gesagt, wir nähmen diesen Veränderungsbedarf nicht wahr. Das möchte ich gern dementieren. Natürlich ist es der Landesregierung und auch den sie tragenden Fraktionen klar, dass wir beispielsweise im Elementarbereich, aber auch im Primarbereich Handlungsbedarf haben. Deshalb wurde von den Trägerinnen und Trägern der Kindertageseinrichtungen und dieser Landesregierung ein umfangreicher Katalog von Bildungsempfehlungen für Qualitätsverbesserungen in diesem Bereich erarbeitet. Dazu gehört natürlich, dass wir auch die Diagnosekompetenz bei unseren Erzieherinnen und Erziehern stärken und die Kinder zu einer Sprachkompetenz führen, die sie bei der Einschulung unabdingbar mitbringen müssen. Darin sind wir uns alle einig. Dazu gehört auch, eine anstehende Reform der Erzieherinnenausbildung vorzunehmen und in den Bereich der Sprachförderung zu investieren. Diese Investitionen tätigen wir, und wir werden sie auch weiterhin tätigen. Darin sehen wir einen Schwerpunkt.

(Beifall der FDP und der SPD)

Wir haben im Land Rheinland-Pfalz eine strukturelle Unterrichtsversorgung auf einem hohen Niveau, die wir weiterhin gewährleisten müssen. Die Qualität von Unterricht muss kontinuierlich angehoben werden und sich auch in Zukunft anhand vereinbarter Standards messen lassen, nämlich zum einen im Vergleich mit anderen Bundesländern und zum anderen auch international.

(Beifall der FDP und der SPD)

In den rheinland-pfälzischen Schulen sind mit hoher Eigenanstrengung Qualitätsprogramme erarbeitet worden. Mit den eingeführten Vergleichsarbeiten zum Ende der Grundschulzeit haben wir wichtige grundlegende Schritte dazu eingeleitet.

Mit den Ganztagsschulen in der neuen Form schafft Rheinland-Pfalz als einziges Bundesland in einer Legislaturperiode einen enormen Sprung und eine große familienpolitische Maßnahme, aber auch zahlreiche neue Unterrichts- und Förderangebote.

(Beifall der FDP)

Wir werden in unserem Land eine Vorreiterrolle in der Begabtenförderung und in der Begabtenforschung einnehmen. Neben den vier Schulen für Hochbegabte muss natürlich künftig auch ein Diagnose- und Fördersystem in Kindertagesstätten und im Primarbereich aufgebaut werden.

Mit dem einmaligen Programm zur Exzellenzförderung in den Universitäten können besondere Talente gezielt im Hochschulbereich gefördert werden. Der Lehrstuhl für Hochbegabtenforschung in Trier kann auf diesem Weg wichtige Impulse geben und den Prozess wissenschaftlich begleiten.

Auch der Hochschulbau wird auf dem Niveau der letzten Jahre kontinuierlich fortgesetzt. Diese herausgehobenen bildungspolitischen Schwerpunkte sind im Haushalt von der FDP-Fraktion ausdrücklich gewollt. Wir müssen auch in Zukunft mit gleicher Stärke und Dynamik im Bildungsbereich weitere Anstrengungen vornehmen.

(Beifall der FDP und der SPD – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und die Kürzungen im Hochschulbereich?)

Der zweite Schwerpunkt, der auch für die Entwicklung unseres Arbeitsmarkts eine tragende Rolle spielt, ist die wirtschaftliche Entwicklung. Im Moment ist die Arbeitslosenquote in Deutschland bedrückend. Aber im bundesweiten Vergleich entwickelt sich die Arbeitslosenzahl in Rheinland-Pfalz dankenswerterweise positiv. Wir können eine Quote von 7,2 % verzeichnen. Natürlich sind wir damit nicht zufrieden, aber wir haben damit immerhin den drittgünstigsten Platz in der bundesdeutschen Entwicklung eingenommen.

Im Wirtschaftswachstum liegen wir – auch dies ist eine überraschend gute Zahl, wenn man sich die gesamtwirtschaftliche Situation ansieht – mit 1 % an der Spitze aller Bundesländer.

Politikschwerpunkte im Bereich der Wirtschafts-, Verkehrs- und Tourismuspolitik müssen weiterhin zielgerichtet eingesetzt werden, um in unserem Land Arbeitsplätze zu schaffen. Gerade in den letzten beiden Jahren haben unsere Unternehmen gezeigt, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen in der Lage sind, ihre Wettbewerbsposition zu behaupten. Daran sieht man, welche Motivation und Kraft in diesem Land steckt.

Wenn man sich den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz ansieht, wundert es nicht, dass es noch ganz gut läuft. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Cap Demini Ernst & Jung gehört Rheinland-Pfalz zur Spitzengruppe der unternehmerfreundlichsten Bundesländer. Man muss einmal sehen, woher das kommt.