Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

(Beifall der CDU)

denn wenn wir sie zu 100 % auf Pump finanzieren, ist ganz sicher, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden. Ich habe übrigens, weil die Aussage wahrscheinlich gleich kommt – ich kann mich an meine eigenen Zitate gut erinnern –, von Anfang an gesagt, ich bin nicht der Meinung, dass man sie zu 100 % gegenfinanzieren muss, abgesehen davon, dass das gar nicht geht, wie ich behaupte. Inzwischen hat man sich in unserer Parteifamilie in Deutschland auf die magische Formel von 75 % geeinigt. Darüber kann man streiten. Ich sage aber, 100 % auf Pump, das konterkariert entscheidend das Ziel, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in Deutschland zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Zweite Bedingung: Diese Steuerreform erfüllt natürlich das Ziel, für mehr Wachstum und für mehr Beschäftigung zu sorgen, nur dann, wenn sie eng mit den notwendigen Veränderungen bei den sozialen Sicherungssystemen verknüpft ist; denn die Hauptbremse für Arbeit ist die Diskussion, die wir eben hier geführt haben, oder das Haupthindernis, das verhindert, dass mehr Beschäftigung in Deutschland entsteht, sind die exorbitant hohen und weltweit höchsten Bruttoarbeitskosten in Deutschland. Um die Bruttoarbeitskosten zu verringern – da kann ich die Sache drehen und wenden, wie ich will –,

bleibt mir am Ende nichts anderes übrig, als den Leistungsumfang unserer sozialen Sicherungssysteme neu zu gestalten, um so zu einer Absenkung der Lohnzusatzkosten zu kommen.

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht anders. Gottlob können wir uns über die Frage heute sehr viel besser verständigen, als das beispielsweise noch vor einem Jahr möglich war.

Herr Kollege Mertes, jetzt kommt ein dritter Punkt, weil man als normaler Zeitungsleser und aufmerksamer Zuhörer in Parlamentsdebatten nicht weiß, was die Landesregierung Rheinland-Pfalz im Moment aktuell in diesem dritten Punkt gerade will.

(Staatsminister Bauckhage: Was?)

Herr Kollege Bauckhage, ich komme jetzt zu diesem Punkt. Heute morgen lese ich in der Zeitung eine Position, von der ich sage, das ist unsere. Ich begrüße es, wenn die Landesregierung nach langer Debatte unsere Position einnimmt. Ob es dann wirklich die Position der Landesregierung ist, müssen wir sehen.

Dritte Bedingung: Damit mehr Wachstum und Beschäftigung erreicht werden kann, kann ich doch nicht eine steuerliche Entlastung vornehmen und im gleichen Atemzug neue Belastungen mit der Folge schaffen, dass beispielsweise die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland am Ende trotz Steuerreform und trotz steuerlicher Entlastung netto zu den Verlierern gehört. Das macht doch keinen Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der CDU)

Deswegen ist es schlechterdings unmöglich, dass wir dieses Paket, wie es morgen im Bundestag ist – egal vor welchem parteipolitischen Hintergrund –, annehmen; denn das sieht genau diese Form der Kompensation vor, die sich bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des Nettoverlustes auswirkt. Dagegen sind wir mit aller Entschiedenheit. Dann kann man auch gleich die ganze Operation bleiben lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen, wenn wir diese steuerliche Entlastung wollen – ich will sie –, und wenn wir uns davon einen Impuls für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in Deutschland versprechen wollen, müssen mindestens diese drei Bedingungen erfüllt sein. Das ist Aufgabe der Bundesregierung, von der wir erwarten, dass diese Aufgabe bis zum Dezember gelöst wird. Dann können wir in aller Ruhe über die große Steuerreform diskutieren, um das Stichwort vom Anfang aufzugreifen, Herr Kollege Mertes: Mit Flickschusterei ist es wirklich nicht mehr zu machen. –

Das mit dem großen Schritt ist in der Tat meine tiefe Überzeugung. Wir müssen einen großen Schritt machen.

Paul Kirchhof hat neulich gesagt, wir müssen den Mut haben, etwas Neues anzufangen. Mit Flickschusterei

bekommen wir die Probleme nicht mehr vom Hals. Im Gegenteil. Die Probleme werden uns in den Abgrund reißen, wenn wir nicht etwas Neues anfangen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die US-Wirtschaftsleistung ist zwischen Juli und September so stark wie seit dem Jahr 1984 nicht mehr gewachsen. Das reale Bruttoinlandsprodukt der größten Volkswirtschaft der Welt erhöhte sich gegenüber dem zweiten Quartal um 1,7 %.

Nach amerikanischer Rechnung ist das auf ein Jahr hochgerechnet ein Zuwachs von 7,2 %. Damit wird das Wirtschaftswachstum angegeben, das innerhalb eines Jahres erreicht würde, wenn die Wirtschaft von Quartal zu Quartal in diesem Tempo weiterwachsen würde.

Die größten Beiträge zum Wachstum lieferten im dritten Vierteljahr der Konsum der amerikanischen Verbraucher, höhere Investitionen und der Anstieg der Exporte. Die Kauflust der Amerikaner war im dritten Quartal so groß wie seit sechs Jahren nicht mehr. Der private Verbrauch legte gegenüber dem zweiten Vierteljahr annualisiert um 6,6 % zu.

Damit zeigte sich in den Vereinigten Staaten deutlich die Wirkung der Steuergutschriften. Mit dem jüngsten Steuerpaket hat die US-Regierung die Konsumenten im zweiten Halbjahr um rund 35 Milliarden Euro entlastet. Davon seien rund 26 Milliarden auf das dritte Quartal entfallen, schätzen die Ökonomen.

Im Jahr 2004 summierten sich die Entlastungen auf 105 Milliarden Dollar. Das sind 1,5 % der verfügbaren Einkommen der US-Verbraucher, wie die Ökonomen der Deutschen Bank ausgerechnet haben.

Meine Damen und Herren, diese Zahlen der Vereinigten Staaten zeigen deutlich, dass durch Steuersenkungen mehr Wachstum erzielt werden kann, wobei bei entsprechend hohen Wachstumsraten sich dies auch in mehr Beschäftigung niederschlagen wird.

Im Gegensatz zur immer besser werdenden Stimmung in der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland ist die Laune der deutschen Verbraucher weiterhin schlecht, und sie halten sich mit Ausgaben zurück.

Die Verbraucher sind offenbar unter dem Eindruck der mageren Wirtschaftsprognosen skeptisch, wie die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten sein wird. Ihre persönliche Einkommenserwartung haben die Verbraucher im Oktober sogar drastisch nach unten korrigiert. Die Bereitschaft, Geld für die Anschaffung langlebiger Güter wie Autos, Fernsehgeräte und Gefrier

schränke „locker zu machen“, ist deshalb unverändert gering.

Ein Hauptgrund für die schlechte Konsumstimmung in Deutschland machen die Institute und Beobachter in der sich verschärfenden politischen Auseinandersetzung um die konkreten Reformschritte aus.

Meine Damen und Herren, dies sage ich auch zur Opposition, ein Grund ist auch die Haltung der unionsgeführten Länder im Bundesrat zu den Arbeitsmarkt- und Steuergesetzen. Während die Menschen im Frühsommer wegen des möglichen Vorziehens der Steuerreform zuversichtlicher geworden seien, überwiege jetzt die Angst vor weiteren Belastungen, erläuterte Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung, wie dies im „Handelsblatt“ vergangene Woche nachzulesen war. Ohne Planungssicherheit über Be- und Entlastungen würden die Verbraucher ihre Konsumzurückhaltung nicht aufgeben.

Meine Damen und Herren, ein Wirtschaftswachstum von 2 %, wie es die Bundesregierung im nächsten Jahr anstrebt, ist jedoch nur dann realistisch, wenn es zu einer vorgezogenen Steuerreform mit entsprechenden Steuersenkungen kommt. Deshalb unterstützt die FDPLandtagsfraktion das Ziel der Bundesregierung, die geplante Steuerreform zum 1. Januar 2005 auf das Jahr 2004 vorzuziehen.

Im Übrigen wäre die Steuerreform 2000 – das will ich betonen – ohne die konstruktive Beeinflussung durch das Land Rheinland-Pfalz nicht möglich gewesen, und wir sind uns sicher, dass im anstehenden Vermittlungsverfahren das Land Rheinland-Pfalz konstruktiv an einem Vorziehen der Steuerreform mitwirken wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Dabei sollte nach unserer Auffassung die Steuerreform jedoch nur zu einem Teil durch eine höhere Neuverschuldung finanziert werden, um durch ein höheres Wachstum und dadurch bedingt höhere Steuereinnahmen die Maastricht-Kriterien von 3 % Neuverschuldung auch einhalten zu können.

Herr Kollege Böhr, volkswirtschaftlich wäre es richtiger, die Steuerreform über „Pump“ zu finanzieren;

(Dr. Schiffmann, SPD: Sehr richtig!)

denn Sie haben in Ihrem Beitrag gezeigt, wenn ein Abbau – wir würden dies begrüßen – von Steuervergünstigungen und Subventionen mit einhergeht, dann habe ich teilweise einen Austausch von rechter und linker Tasche.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, nur einen Teil der Steuersenkungen über eine erhöhte Neuverschuldung zu finanzieren, ist eine politische Forderung, die wir teilweise teilen. Teilweise finanziert sich eine Steuerreform durch höheres Wachstum selbst, aber nur teilweise. In dem Moment, wo ich Subventionen abbaue, die bei einem Teil

der Bevölkerung Einkommen darstellen, oder wenn ich die Entfernungspauschale kürze, was zu Einkommensminderungen führt, nehme ich das, was ich den einen über die Steuerreform gebe, den anderen wieder weg.

Volkswirtschaftlich müsste eigentlich alles auf „Pump“ finanziert werden. Wir präferieren das nicht. Dann wäre der Effekt am größten. Das ist das klassische „deficit spending“, wie wir es kennen.

Wir meinen allerdings – ich habe es betont –, wir sollten die Steuerreform auch teilweise durch den Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen gegenfinanzieren.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, darüber hinaus muss es weiterhin das Ziel bleiben, unser Steuerrecht radikal zu vereinfachen und damit mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen.

Ich will dazu anschließend, wenn ich noch Zeit habe, ein paar Ausführungen machen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren! Manche Diskussionen wiederholen sich wieder. Aber wir wollen dieser Wiederholung nicht ausweichen, sondern mit einer klaren Positionsbestimmung für unsere Fraktion in diese Debatte gehen. Wir sind für das Vorziehen der Steuerreformstufe, und jetzt kommt kein Aber.

Ich will es aber mit einer Zielsetzung verbinden.

(Lelle, CDU: Es war ein Aber dabei!)