Ich verbinde es mit einer Zielsetzung, die heißt, dass die laufenden Beratungen des Bundeshaushalts und die laufenden Beratungen des Landeshaushalts dazu genutzt werden müssen, Subventionen und Finanzhilfen abzubauen, um einen großen Teil dieser Steuerausfälle, die wir haben werden, kompensieren zu können.
Herr Böhr, das ist eine Zielsetzung, die, wenn man einen politischen Willen dazu hat, auch erreichen kann, und zwar auf beiden Ebenen.
Jetzt komme ich zu der Position der anderen Fraktionen. Herr Mertes hat zu Beginn gesagt, diese Regierungsko
alition will das Vorziehen der Steuerreform haben, und er hat es begründet. Aber Lieschen Müller, die gestern oder heute Zeitung gelesen hat, fragt sich, warum diese Landesregierung dann am Freitag im Bundesrat dieser Entscheidung nicht zustimmt, sondern sich enthält.
Ich will einmal sagen, was das bedeutet. Eine Enthaltung im Bundesrat ist so gut wie nein gesagt, nämlich die Ablehnung dieses Vorschlags.
Ich habe gestern sehr genau zugehört, als Sie bei der Landesvereinigung der Unternehmerverbände gesagt haben, wenn wir eine Rolle spielen würden, dann würden wir zustimmen. Aber da die CDU eine andere Linie fährt, können wir uns auch enthalten. – Da frage ich mich, wo ist die Linie, und wo ist die Glaubwürdigkeit dieser Regierungskoalition in dieser Frage.
Herr Böhr, jetzt zur CDU: Ich kann natürlich sagen, ich war schon immer für das Vorziehen und für Steuerentlastungen. Das kommt von der Seite der FDP auch. Aber dann formuliere ich Bedingungen, die quasi eine Zustimmung unmöglich machen. Genau das haben Sie mit diesen drei Punkten formuliert.
Es wird in der Strategie der CDU auch nicht besser, wenn man die jüngste Vielfalt aus CDU und CSU zu den ganzen Fragen der Steuerpolitik und des Vorziehens der Steuerreform hört und man die taktisch motivierte Vorlage der Merkel‘schen Vorschläge sieht; denn nichts anderes ist es doch. Es ist nur taktisch motiviert, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten eine Alternative zum Vorziehen der Steuerreform. Das ist mitnichten so.
Ihr Vorschlag, der von Herrn Merz erarbeitet und vorgelegt wurde, ist eine Rohskizze, aber nicht mehr. Es ist nicht durchgerechnet.
Es reicht doch nicht, zum x-ten Mal zu sagen, man sei für Steuervereinfachungen – wer würde dem denn widersprechen? – und dann mit einem weder ausgereiften noch gegengerechneten noch sozialen Modell daherzukommen.
Ich sage Ihnen: Wir sind für eine Steuervereinfachung. Wir bieten Ihnen an, diese Vorschläge zu überprüfen. Das haben die GRÜNEN auf Bundesebene auch gesagt. Ich halte auch den Vorschlag einer alle zwei Jahre
durchzuführenden Inflationsbereinigung für interessant. Auch das und viele andere Punkte müssen durchdacht werden.
Das wird aber nicht geeignet sein, um im Jahr 2004 irgendetwas an Entlastung, irgendetwas an wirtschaftlichen Impulsen oder irgendetwas im Hinblick auf das aufkeimende Pflänzchen der positiven Signale tatsächlich zu befördern. Es ist eine Rohskizze, aber nicht mehr. Damit werden Sie auch bis zum Ende des Jahres keine Alternative bieten können.
Meine Damen und Herren, in der gesamten Diskussion sehe ich es als ein großes Problem an, dass das Projekt nicht nur in den vergangenen Wochen zerredet wurde, sondern auch in den nächsten Wochen zerredet wird. Herr Creutzmann hat zu Recht auf die wirtschaftlichen Impulse in den USA verwiesen. Alle sagen, dass diese Entwicklung in den USA etwas sei, das auch hier wirken kann. Wir wissen aber auch, wie groß die Gefahr ist, dass dieser wirtschaftliche Impuls in den USA nicht ewig anhalten wird. Also muss man doch im richtigen Moment für eigene Impulse sorgen, das heißt, mit Beginn des Jahres. Das heißt also, dass man die Entscheidung nicht unter den Weihnachtsbaum legen kann.
Was funktioniert dann noch? Dann sind viele Investitions- und private Konsumentscheidungen bereits getroffen. Sie werden eine Vielzahl von Effekten des Einsatzes der persönlichen Planung und der Planung von Unternehmen verpassen, wenn Sie es nicht schaffen, zu einem früheren Zeitpunkt ein klares Ja zum Subventionsabbau und zu einem größeren Anteil der Kompens ation dieser Steuerausfälle als bisher zu setzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht heute nicht „Vereinfachung des Steuersystems“ oder „Verbreiterung der Bemessungsgrundlage“, sondern das ist ein Dauerthema, das uns auch in den nächsten Jahren noch begleiten wird; denn bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen, insbesondere im Bundesrat, wird es sicherlich noch Jahre dauern – hoffentlich nicht Jahrzehnte –, bis dieses Ziel erreicht ist. Dieses Ziel ist wichtiger denn je.
Deswegen unterstützt die Landesregierung zum Beispiel die Arbeiten von Herrn Professor Dr. Kirchhof auch finanziell, weil in diesem Zusammenhang fundierte Arbeit geleistet wird.
Es macht natürlich wenig Sinn, zwischendurch schon einmal etwas abzuschreiben und das als Konzept in die Welt zu setzen.
Das Thema wird wieder auf die Tagesordnung kommen. In den nächsten Wochen geht es nur um eines, nämlich darum, ob aus konjunkturellen Gründen die dritte Stufe der Steuerreform vorgezogen werden soll. Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist diese Entscheidung bereits antizipiert. Spätestens seit dem Sommer, seitdem die Bundesregierung das Vorziehen in Aussicht gestellt hat – übrigens einige Wochen, nachdem die Landesregierung das Vorziehen gefordert hat –, haben sich die Wirtschaft sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf eingestellt. Eine Zeit lang – so zeigen es auch Umfragen – ging man davon aus, dass die Opposition, insbesondere die CDU, nur taktisches Geplänkel betreibt, aber letztlich gesichert ist, dass die Steuerreform vorgezogen wird.
Nach dem, was in den vergangenen Tagen passiert ist, muss man allerdings Sorge haben, dass es nicht nur taktisches Geplänkel ist, sondern möglicherweise die Vorbereitung darauf, am Ende im Bundesrat nicht zuzustimmen. Das wäre eine Katastrophe.
Wenn kurz vor Weihnachten deutlich wird, dass die Politik in Deutschland, insbesondere der Bundesrat, nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, dann wird das gravierende Auswirkungen auf das Konsum- und Investitionsverhalten haben.
Sie können sicher sein, dass die Sparquote weiter ansteigen wird und Investitionen weiter zurückgestellt werden. Wenn man das will, dann muss man Ende dieses Jahres im Bundesrat offen mit „Nein“ abstimmen oder ein „Ja aber“ vorbringen und dann, wenn sich ein Einwand bewahrheitet, feststellen, dass es so nicht gehe und man nicht zustimmen könne.
Jetzt zum „Ja aber“. Alle Gegenfinanzierungsvorschläge sind abgelehnt worden, insbesondere von der CDU. Gleichzeitig wird aber eine mindestens 75%ige Gegenfinanzierung gefordert. Wie das zusammen passen soll, versteht kein Mensch.
Internationale Beobachter und Organisationen werden zunehmend unruhig in Bezug auf das, was sich bei uns abspielt. Der Internationale Währungsfonds, die OECD und internationale Forschungsinstitute schreiben geradezu händeringend: Macht endlich die Steuerreform. – Die Sorge, dass nichts passiert, und zwar aufgrund einer Blockade im Bundesrat, nimmt zu. Das darf aber nicht passieren.
Frau Thomas, die Landesregierung hat dazu im Übrigen eine sehr klare Meinung und diese auch geäußert. Sie
stimmt dem Vorziehen der Steuerreform zu. Am Freitag wird nicht über das Vorziehen der Steuerreform abgestimmt, sondern über das Haushaltsbegleitgesetz. Es wird also über ein ganzes Konvolut aus unterschiedlichen Maßnahmen abgestimmt. Die Landesregierung hat vor geraumer Zeit deutlich gemacht, dass sie einzelnen Punkten dieses Konvoluts so nicht zustimmen wird, also das gesamte Paket noch bewertet werden muss.
Die einzige Möglichkeit, um ein solches Paket aufzuschnüren, aber nicht wegen des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform, sondern wegen sonstiger Regelungen, besteht in der Überweisung an den Vermittlungsausschuss. Deswegen agiert die Landesregierung so, wie dies am Freitag geschehen wird. So kann im Vermittlungsausschuss die Chance gesteigert werden, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen und dann hoffentlich bei Einsicht aller Beteiligten ein Begleitpaket aus Gesetzen und einer Gegenfinanzierung zusammenzustellen, das vom Vermittlungsausschuss empfohlen und dann von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird. Die deutsche Wirtschaft braucht das.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder Tag, an dem die Steuerreform nicht oder später in Kraft tritt, ist ein verlorener Tag. Darauf hat der Herr Ministerpräsident bereits gestern hingewiesen. Meine Damen und Herren, würden wir es schaffen, die Steuerreform jetzt zu verabschieden, würde sofort ein dramatischer Investitionsstoß ausgelöst werden. Herr Abgeordneter Dr. Gölter, alle, die in diesem Jahr noch eine Investition vornehmen, können die Abschreibung für ein halbes Jahr geltend machen und haben mit erhöhten Steuersätzen einen hohen Steuervorteil, weil die Steuersätze im nächsten Jahr niedriger sind.
Die Wirtschaft wartet geradezu darauf, ob das Vorziehen der Steuerreform kommt oder nicht. Das würde nämlich bedeuten, dass sie sich wegen der Zuversicht nicht nur im konsumtiven Bereich, sondern auch im investiven Bereich auswirkt. Kollege Jullien wird dem sicherlich zustimmen, weil das auch in der Vergangenheit so war.