Protokoll der Sitzung vom 06.11.2003

Sie wissen, in unserem Wahlprogramm stehen eindeutig zwölf Jahre drin. Wir streben dies nach wie vor an. Herr Kollege Lelle, man muss fair sein. Wenn man so etwas anstrebt, muss man konzeptionell vorbereiten und arbeiten.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben Sie noch immer nicht, Herr Creutzmann, das fehlt noch!)

Hören Sie doch auf mit diesen Dingen, Frau Thomas. Sie haben in einem Punkt nicht ganz Unrecht, wir müssen vermeiden, die Durchlässigkeit in unserem System zu demontieren, wenn wir auf zwölf Jahre gehen. Das ist ganz wichtig. Ich wollte nur erklären, mit uns werden Sie niemanden finden. Das ist eine Klarstellung. Herr Keller, das können Sie draußen sagen. Zu Unanständigkeiten ist diese FDP-Landtagsfraktion nicht bereit.

Danke. (Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Das Schulgesetz – Drucksache 14/2567 – wird an den Ausschuss für Bildung und Jugend – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen.

Es wird weiter vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/2573 –, Einführung des Gymnasiums in achtjähriger Form, an den Ausschuss für Bildung und Jugend zu überweisen. Es ist so beschlossen.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:

Erziehungshilfe in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Abg. Ebli, Brinkmann (SPD) u. a. und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksachen 14/1937/2102/2329 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart. Ich bitte um Wortmeldungen. – Für die SPDFraktion hat Frau Abgeordnete Leppla das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im April die Große Anfrage zum Thema „Erziehungshilfe“ stellten, war das ein bis dahin in der Öffentlichkeit wenig beachteter Bereich der Jugendhilfe. Heute ist die Situation eine andere. In fast jedem Pressespiegel findet sich ein Bericht zu diesem Thema. In Anbetracht der knappen Mittel in den öffentlichen Haushalten wird immer wieder die Frage nach Effizienz und Effektivität der Hilfen zur Erziehung gestellt.

Was sind die Hilfen zur Erziehung? Hilfen zur Erziehung sind ein Leistungsbereich des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Sozialgesetzbuch VIII. Personensorgeberechtigte erhalten dann Hilfe und Unterstützung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Die Hilfen werden immer in Absprache aller Beteiligten, also Jugendamt, Erziehungsberechtigte und den betroffenen Kindern und Jugendlichen gewährt, in Not- und Konfliktsituationen auch ohne das Einverständnis der Eltern.

Hilfen zur Erziehung können in Form von ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten erbracht werden, wobei es keine Rangordnung zwischen den einzelnen Hilfen gibt.

Meine Damen und Herren, neue fachliche Anforderungen und rechtliche Vorgaben forderten ein Umdenken Mitte der 90er-Jahre. Das Land startete deshalb eine Erziehungshilfeoffensive. Ziel dieser Offensive ist die qualifizierte Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung. Ein weiteres Ziel ist aber auch, die Kosten zu stabilisieren. Mit ausschlaggebend dafür waren die um 35 % gestiegenen Fallzahlen damals im Bereich der Heimerziehung, was zur Folge hatte, dass die Kosten zum Teil um über 70 % anstiegen und somit die öffentlichen Haushalte stark belasteten.

Im Rahmen der Erziehungshilfeoffensive wurde nun eine Reihe von Projekten in Kooperation mit öffentlichen und freien Trägern, dem Landesjugendamt und den Forschungsinstituten initiiert. So haben sich nun erfreulicherweise fast die Hälfte aller rheinland-pfälzischen Jugendämter an dem Projekt „Qualitätsentwicklung in den Jugendämtern“ beteiligt. Etwa 200 Fachkräfte aus den Jugendämtern nahmen an Fortbildungsmaßnahmen teil. Etwa 12.000 Fälle der Erziehungshilfe wurden im Jahr 2000 vom allgemeinen Dienst im Jugendamt beraten, entschieden und auch evaluiert. Das sozialpädagogische Fortbildungszentrum – das muss hier auch einmal erwähnt werden – ist hier auch ein wichtiger Kooperationspartner.

Meine Damen und Herren, die Erfolge dieser Erziehungshilfeoffensive können sich sehen lassen. Landkreise und Städte haben gut auf diese sich entwickelnde Situation reagiert und unter dem Schlagwort „ambulant vor stationär“ die ambulanten Hilfen ausgebaut. Gab es 1989 im Land zehn Tagesgruppen mit 200 Plätzen, so stehen im Jahr 2000 126 Tagesgruppen mit 1.156 Plätzen für Jugendliche und Familien zur Verfügung. Öffentliche und freie Träger werden übrigens beim Ausbau dieser ambulanten bedarfsgerechten Hilfen besonders

gefördert. Die Anzahl der Heime hat sich zwar gegenüber 1989 mehr als verdoppelt, aber die Anzahl der Plätze hat sich nur um ein Drittel erhöht. Hier gilt Qualität statt Quantität, wobei der Anteil der rheinlandpfälzischen Kinder und Jugendlichen in den Heimen unverändert etwa bei 75 % liegt, sodass die vielfach in der Presse doch sehr hochgespielte stärkere Belastung der Heime und die Einweisung in die Heime sich so nicht in den Zahlen widerspiegelt.

Die fachlichen Innovationen zeigen hier insbesondere im Heimbereich ökonomische Effekte. Der Kostenanteil konnte reduziert werden, minimal zwar, und ist im Gegensatz zu dem Durchschnitt in den alten Bundesländern in Rheinland-Pfalz nicht angestiegen.

Eine wirklich überaus positive Entwicklung ist, dass Kinder und Jugendliche und ihre Familien zunehmend Hilfen nach Maß erhalten. Hier möchte ich stellvertretend für viele Projekte nur das vor kurzem in der Presse vielfach dargestellte Projekt der stationären Familienbetreuung in Worms erwähnen. Hier wurde eine Mutter mit ihren vier Kindern zwei Jahre lang ganztägig von Fachkräften betreut. Die Heimeinweisung wurde vermieden, das soziale Umfeld erhalten und der Familie die Fähigkeit vermittelt, künftig ihre Probleme selbst zu meistern.

Meine Damen und Herren, der Aufbau einer qualifizierten Daten- und Informationsgrundlage auf kommunaler Ebene zur Planung der Hilfen zur Erziehung auf der einen Seite geschieht aus der gleichen Notwendigkeit wie die Erforschung der Zusammenhänge zwischen soziostrukturellen Entwicklungen, der Qualität der sozialen Infrastruktur sowie der Qualität und Ausstattung der Jugendämter auf der anderen Seite. Diese drei Punkte sind neben der demographischen Entwicklung die zentralen Einflussgrößen bei der Nachfrage zur Hilfe zur Erziehung und der Bedarfsentwicklung. So wurde nun im Rahmen eines Modellprojekts dazu ein Controlling- und Steuerungssystem aufgebaut, dass dann in die Fläche gehen soll. Alle, die an diesem Projekt beteiligt sind, die mit der Hilfe zur Erziehung zu tun haben, sind eingebunden: das Ministerium, das Landesjugendamt, die kommunalen Spitzenverbände, AG Jugendämter Nord und Süd, die Liga und die öffentlichen Träger. – Die Einbindung der freien Träger in ein solches Projekt geschieht übrigens bundesweit zum ersten Mal.

(Rösch, SPD: Sehr gut!)

Die Zusammenarbeit beweist, wie wichtig uns die bisher geleistete Arbeit ist, dass es aber bei der Fall- und Kostenentwicklung notwendig ist, unter ökonomisch eingeschränkten Bedingungen qualifizierte Bedarfsvorausschätzungen zum Ziel zu haben.

Zum Schluss möchte ich einen Dank an alle richten, deren Arbeitsbereich die Hilfe zur Erziehung ist; denn sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien in Krisensituationen und bei gravierenden Erziehungsproblemen.

(Beifall der SPD und des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Die Hilfen zur Erziehung leisten“ – ich zitiere nun aus der von uns allen gelesenen Großen Anfrage – „gerade auch durch ihre Möglichkeiten der schulischen und ausbildungsbezogenen Förderung einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration und zur Gestaltung einer kinderfreundlichen Umwelt.“

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete SchneiderForst das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Dreyer, ich würde mir wünschen, dass auch Frau Ministerin Ahnen anwesend ist.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und gemeinsam mit der vorherigen Bildungsdebatte haben wir heute einen Themenschwerpunkt „Jugend“ im Landtag. Auch ich will für die CDU-Landtagsfraktion einen Dank vorausschicken an alle, die an der Beantwortung der Großen Anfrage beteiligt waren. Die Große Anfrage ist eine gute Grundlage für unsere Arbeit und wird allen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine gute Hilfestellung sein. Die Jugendhilfe ist uns lieb und teuer. Frau Kollegin Leppla hat einige Zahlen vorgetragen. Ich will sie nicht mit dem Rezitieren des Textes der Großen Anfrage langweilen.

(Pörksen, SPD: Können Sie ruhig!)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier und auf der kommunalen Ebene laufen derzeit die Kraftakte, die Vielfalt der Jugendhilfeangebote auch weiterhin zu gewährleisten. Diesbezüglich steht uns ein heißer Herbst bevor. Das Füllhorn des SGB VIII – Kinder- und Jugendhilferecht – droht bei den derzeitigen Betragshöhen bei der Leistungsdauer und auch bei dem Empfängerkreis auszutrocknen. Insofern ist der Mut der Unionsparteien im Bundestag zu loben, die nachhaltig mit einem Gesetzentwurf im Moment dafür sorgen wollen, dass Jugendhilfe so weiterentwickelt wird, dass sie auch morgen noch kraftvoll tragen kann und Wirkung zeigt.

(Beifall der CDU)

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt bei diesem Gesetzentwurf besonders, dass der Leistungsrahmen für junge Volljährige hinterfragt werden soll. Es ist ein Fass ohne Boden, wie mir die Jugendämter sagen. Die CDULandtagsfraktion begrüßt, die Regelungen über die örtlichen Zuständigkeiten zu vereinfachen. Wir begrüßen weiterhin, dass auch über die Heranziehung der Eltern gesprochen wird, die auch dann zum Teil Kindergeld bekommen, wenn ihr Kind außerhalb der Familie untergebracht ist. Das ist wirklich keiner Familie zu vermitteln,

die die eigenen Kinder im Haus und am Tisch hat. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt außerdem – das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt –, dass der Datenschutz praxisgerecht ausgestaltet wird.

Meine Damen und Herren, gerade der letzte Punkt wird seit 1998 nicht wirklich beherzigt. Erinnern wir uns zurück. Mit Beginn der rotgrünen Bundesregierung und den Versprechungen von Bundeskanzler Schröder – 100.000-Jobs-Programm, Programm JUMP I, Programm JUMP II – sollten engere Vernetzungen der Leistungsgesetze kommen, um neue Weichenstellungen zu treffen, damit die Effekte der Hilfen einfach besser greifen und jungen Menschen in Problemlagen wirklich helfen. Viel ist seitdem nicht geschehen.

(Rösch, SPD: Sie haben nicht alles mitbekommen!)

Frau Ministerin Dreyer, bei jeder Fachtagung, zu der Ihr Haus oder auch Frau Ministerin Ahnen oder auch der Landesjugendhilfeausschuss einlädt, wird das Thema „Datenschutz und Optimierung im Datenschutz“ ein Thema bleiben. Ich sage das wirklich ohne Polemik. Wenn ich gleich dabei bin, Sie anzusprechen, will ich sagen, es ist auch viel zu optimieren in der Zusammenarbeit der beiden Häuser – wenn wir uns den Einzelplan 06 anschauen, für den primär Frau Thelen Verantwortung trägt, wenn wir uns den Einzelplan 09 anschauen –, dass die Dinge ineinander greifen und eine bessere Vernetzung erfahren.

Meine Damen und Herren, die Große Anfrage, die wir heute besprechen, darf kein vorgezogenes Martinsfeuer sein. Sie darf erst recht kein Strohfeuer sein. Die kommunalen Jugendämter sind in großer Not. Sie sehen sich zunehmend geringerer Landeszuweisungen ausgesetzt.

Gedeckelte Landeszuschüsse verschärfen den Kostendruck. Wissen wir doch alle, dass ein Landrat, ein Oberbürgermeister oder eine Sozialdezernentin die neuen Steuerungsinstrumente, von denen Sie auf Landesebene ausgehen und daran arbeiten, Controlling und Kosten-Leistungs-Rechnung, aufgrund verschiedener Bestimmungen, sei es im Tarifrecht oder im Besoldungsrecht, bei weitem noch nicht so angewendet werden können, dass sie vor Ort greifen, wie es wünschenswert wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Eindruck zum Schluss: 40 Jahre deutsches Jugendinstitut in diesem Jahr, 50 Jahre Jugendforschung in Deutschland. Diejenigen, die den Jugendhilfeausschüssen angehören, werden mit Papier zugeschmissen – ich möchte fast sagen –, erschlagen mit Studienexpertisen und Fachvorträgen. Es ist schön zu sehen, dass fast kein Problem bei der wissenschaftlichen Durchleuchtung ausbleibt. In dieser Meinung bestätigt mich ein Artikel aus der „FAZ“, im regionalen Anhangteil, im Rhein-Main-Teil der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Es war eine Veranstaltung eines SPD-Ortsvereins im Rhein-Main-Gebiet.

Zu Gast war eine Professorin der Uni Frankfurt. Ich habe den Artikel dabei. Ich kann ihn Ihnen geben. Zitat: „Die bestehenden Maßnahmen allein lassen keine Erfolge

erwarten. Wir brauchen koordinierte Programme. – Jetzt ein so wichtiger Satz für uns alle, auch Teil des Artikels: In Deutschland ist noch zu wenig bekannt über den mit präventiver Arbeit zu erzielenden Spareffekt.“ Mir fiel auf Anhieb der Brandbrief des Landesjugendrings zum Landeshaushalt 2004 ein. Darüber werden wir auch noch an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt reden.

Ich wiederhole diesen Satz: „In Deutschland ist noch zu wenig bekannt über den mit präventiver Arbeit zu erzielenden Spareffekt. Eine aktuelle Studie in den Vereinigten Staaten gibt darüber Aufschluss und soll demnächst Gegenstand der Fachgespräche sein.“ Ich fand das sehr schön.

Frau Ministerin Dreyer, Frau Ministerin Ahnen, ich sage zum Schluss an Sie: Lassen Sie bitte nicht zu, dass die Vertreterinnen und Vertreter der die Regierung tragenden Fraktionen einfach nur die Große Anfrage und die Antwort ablesen. Zeigen Sie uns bitte Zukunftsentwürfe auf.

(Beifall der CDU)

Wir begrüßen weitere Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder der AG 60 plus aus dem Kreis Kusel, Mitglieder des SPD-Gemeindeverbands Wachenheim sowie Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Schule mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ aus Idar-Oberstein. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Frau Abgeordneter Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Schneider-Forst, wenn wir eine Große Anfrage besprechen, dann besprechen wir natürlich die Ergebnisse der Anfrage und setzen uns auch mit diesen auseinander.

Sie hören gar nicht mehr zu. Schade.