Sie wissen, Eltern haben einen Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gefährdet ist sowie die Hilfe geeignet und notwendig ist. Ich halte es für wichtig, das zu betonen, weil die Hilfen zur Erziehung nicht einfach irgendeine freiwillige Leistung sind, die durch die Kommune erbracht wird, sondern es ist tatsächlich ein staatliches Unterstützungsangebot an die Eltern, die Kinder haben, bei denen sich Erziehungspro
bleme ergeben. Diese Eltern haben einen Anspruch darauf. Ich bin der Meinung, wir müssen gemeinsam mit den Kommunen diesem Anspruch auch tatsächlich gerecht werden.
Herr Abgeordneter Wiechmann, ich bin etwas optimistischer als Sie. Ich bin der Meinung, dass die Themen „Bedarfsorientierung“ und „Lebensweltorientierung“ sowie „sozialräumliche Orientierung“ inzwischen in vielen Kommunen schon ein viel stärkeres Thema geworden sind. Das sind nicht nur Stich- und Schlagworte, sondern ich bin tatsächlich der Meinung, dass sich gerade bei der Jugendhilfe diese Prinzipien verinnerlicht haben. Natürlich werden wir an dem Thema weiterarbeiten, aber ich bin sehr optimistisch, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.
Wir haben natürlich auch zu verzeichnen, dass zwischen 1995 und 2000 die Fallzahlen um knapp 20 % zugenommen haben. Die Faktoren, weshalb es zu dieser Steigerung kam – sie sind schon mehrfach genannt worden –, sind sehr vielschichtig. Die demographische Entwicklung ist schon genannt worden. Es ist das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu nennen, die beispielsweise in einem ganz anderen Lebensumfeld als in der Vergangenheit aufwachsen. Das alles sind unterschiedliche Faktoren, weshalb es bei den Hilfen zur Erziehung zu einem höheren Bedarf gekommen ist.
Auch die Qualität und Quantität der vorhandenen Angebote und Leistungen in den Kommunen beeinflusst natürlich den Bedarf. Auch das muss man deutlich sehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Kommunen längst erkannt haben, dass sie an qualifizierten Lösungen weiterarbeiten und sie entwickeln müssen. Im Rahmen der Erziehungshilfeoffensive, an der sehr, sehr viele Kommunen über ihre Jugendämter beteiligt sind, haben wir zusammen mit den Kommunen Wege entwickelt, die sich an die neuen Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen angepasst haben.
Natürlich möchte auch ich einige Worte zu den Kosten sagen. Es war auch für uns ein schwieriger Schritt, aufgrund der aktuellen Haushaltslage festzulegen, dass wir hinsichtlich der Kostenbeteiligungen einen Schritt zurückgehen. Dennoch meine ich, dass man mit sehr gutem Gewissen sagen kann, dass sich das Land natürlich nicht aus der Mitverantwortung im Bereich der Hilfen zur Erziehung zurückgezogen hat. Natürlich finanzieren wir nicht mehr 25 % der Hilfen zur Erziehung, sondern nur noch 20 %. Dennoch – das ist schließlich eine originäre Aufgabe der Kommunen – zeigt sich das Land nach wie vor außerordentlich engagiert. Wenn man einen Vergleich mit anderen Bundesländern zieht, sieht man, wie engagiert wir tatsächlich sind.
Ich möchte das nicht schönreden, aber ich habe den Eindruck, dass wir inzwischen mit den Kommunen bei den Hilfen zur Erziehung einen partnerschaftlichen Weg gefunden haben, sodass wir in der Lage sein werden, mit der Vereinbarung, die wir im Moment mit den kommunalen Spitzenverbänden entwickeln, dauerhaft ein leistungsstarkes und finanzierbares Angebot in den Kommunen sicherzustellen und die Unterstützungsmög
lichkeiten des Landes gemeinsam zu vereinbaren, womit wir auch in finanzieller Hinsicht eine solide Grundlage haben, um dieses Thema gemeinsam in der Zukunft zu betreiben.
Ein paar Worte zur Erziehungshilfeoffensive, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sie das eigentliche Kernstück unserer Unterstützungsangebote und Beratungsangebote an die Kommunen ist. Sie besteht seit zehn Jahren. Frau Abgeordnete Morsblech hat dies bereits gesagt. Es handelt sich um ein Maßnahmenbündel mit unterschiedlichen Förder- und Steuerungsinstrumenten. Sie zielt auf gleichmäßige und abgestimmte Entwicklungen im Feld der Erziehungshilfen ab. Wir wollen natürlich nicht, dass gute Beispiele der Jugendhilfe per Zufall nur in einer Region vertreten sind, sondern wir wollen über die Erziehungshilfeoffensive dafür sorgen, dass es landesweit zu einer Verbreitung dieser Ideen kommt.
Ein Stichwort ist die Stärkung von Prävention. An dieser Stelle sage ich noch einmal deutlich, dass das Thema „Prävention“ kein Thema ist, das inhaltlich von uns vernachlässigt wird. Stichworte lauten aber auch „Regionalisierung“, „Flexibilisierung“ und „Entwicklungslinien“, wie wir sie beispielsweise in der Behindertenpolitik oder in der Psychiatrie verfolgen, also Personenzentriertheit und Bedarfsorientiertheit.
Die Maßnahmen haben nicht nur zu einer nachhaltigen Qualifizierung der Leistungen, sondern auch – das zeigt sich auch im Vergleich mit anderen Bundesländern – zu einer relativen Begrenzung des Ausgabenanstiegs beigetragen. Auch das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Punkt. Dadurch, dass die Erziehungshilfen in den ersten Jahren sehr stark auf den Ausbau ambulanter Angebote gesetzt haben, konnten wir tatsächlich den starken Trend zu mehr stationären Einrichtungen ein Stück weit stoppen. In dieser Frage stehen wir im Vergleich der Bundesländer sehr gut da.
Frau Schneider-Forst hat ein Stück weit eingeklagt, dass ein Stillstand der Jugendhilfe sozusagen nicht legitim ist. Ich kann mit sehr gutem Gewissen auch zu diesem Punkt sagen, dass gerade die Erziehungshilfeoffensive tatsächlich der Garant dafür ist, dass wir uns im Prozess befinden und auch immer wieder neue Schwerpunkte setzen. Darauf werde ich noch einmal ganz kurz im Ausblick eingehen.
Die Erziehungshilfeoffensive ist ein Baustein der Jugendhilfepolitik der Landesregierung. Wir entwickeln immer wieder neue Schwerpunkte. Drei zukunftsweisende Schwerpunkte möchte ich zum Abschluss noch nennen.
Zum einen haben wir im Januar 2003 – darauf ist Frau Kollegin Leppla schon eingegangen – ein zweijähriges Modellprojekt zur Qualitätsentwicklung mit Berichtswesen entwickelt. Dieses Projekt wird uns meiner Meinung nach mittelfristig sehr viel Aufschluss darüber geben, wie die Maßnahmen im Verhältnis zu den Kosten stehen und an welchen Stellen tatsächlich noch ein weiterer Entwicklungsbedarf besteht.
Der zweite Schwerpunkt ist das Thema „Heimerziehung“. Herr Wiechmann, wir haben in den ersten Jahren
einen klaren Schwerpunkt auf die ambulanten Hilfen gelegt. Jetzt liegt der Schwerpunkt in dieser neuen Modellphase auf dem Thema „Heimerziehung“. Wir wollen die Kommunen darin unterstützen, flexiblere, integrierte Angebotsformen zu entwickeln. „Umbau der Heimerziehung“ lautet das Stichwort, das von Frau Leppla und auch von Frau Morsblech genannt worden ist. Es ist das Wormser Projekt zu nennen, das in der Presse Schlagzeilen gemacht hat. Wir wollen die Kommunen unterstützen, noch stärker die Heimerziehung weiterzuentwickeln und auch die Familienorientierung noch stärker in den Blick zu nehmen.
Ein dritter Schwerpunkt wird der § 35 a des Achten Buches Sozialgesetzbuch, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen, sein. Die Kinder und Jugendlichen, die hiervon betroffen sind, sind eigentlich nicht von den Hilfen zur Erziehung betroffen, aber in diesem Zusammenhang wird das Thema immer wieder thematisiert. Eigentlich handelt es sich um eine Eingliederungshilfe, aber eine jüngst in Auftrag gegebene Expertise hat uns jetzt noch einmal bestätigt, dass in den vergangenen Jahren rund 20 % des Kostenanstiegs bei den Hilfen zur Erziehung auf die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche zurückgeht. Landesweit schildern Leitungs- und Fachkräfte öffentlicher Träger Probleme bei der Umsetzung des § 35 a. Auch aus meiner Sicht besteht in diesem Fall ganz, ganz dringender Handlungsbedarf.
Das Land hat sich deshalb einer Gesetzesinitiative zu diesem Punkt im Bundesrat angeschlossen, um zu einer inhaltlichen Veränderung des § 35 a zu kommen. Ob sich das letztlich tatsächlich auf Bundesebene durchsetzen lässt, bleibt abzuwarten, aber auch für uns ist das ein Anliegen, und wir haben den Kommunen zugesagt, dass wir uns für diesen Bereich einsetzen werden.
Last, but not least ein paar Worte zum Kinder- und Jugendhilfegesetz. Ich glaube, wenn wir über die Defizite im KJHG nachdenken, müssen wir immer vorausstellen, dass die Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes eine kleine Revolution zugunsten der Kinder und Jugendlichen war.
Es ist bis heute bei allen Experten und Expertinnen nach wie vor unumstritten, dass wir nach über zehn Jahren darüber nachdenken müssen, welche Regelung nicht so funktioniert, wie man es sich ursprünglich vorgestellt hat. Auch das ist selbstverständlich. Dazu gehört beispielsweise, dass man die Hilfen für junge Volljährige hinterfragen kann. Im Gegensatz zu dem Antrag von Bayern im Bundesrat reicht eine Abschaffung dieser Hilfen im KJHG nicht. Man muss sich überlegen, welches System für diese Jugendlichen zuständig ist, die nach wie vor eine Unterstützung brauchen.
Dazu gehören aber auch Fragen, wie zum Beispiel der Datenschutz und, ob Eltern, die leistungsfähig sind, bei den stationären Hilfen in finanzieller Hinsicht nicht stärker einbezogen werden können. Wir werden als Land bei diesen Fragen aktiv bleiben und versuchen, auf
Ich denke, insgesamt sind wir in Rheinland-Pfalz auf einem sehr guten Weg. Mit den neuen Schwerpunkten der Erziehungshilfeoffensive können wir neue fachliche Akzente setzen, wie zum Beispiel die jüngst organisierte Fachtagung mit der Kollegin Ahnen zum Thema „Damit beide Seiten profitieren! Qualifizierte Kooperation von Schule und Jugendhilfe im (Vor-)Feld von Erziehungshilfen“. Auch hier sind wir bundesweit ganz vorn. Wir haben eine Modellregion in der Vorderpfalz, die die Zusammenarbeit zwischen der Jugendhilfe und der Schule weiter vorantreiben soll. Ich glaube, damit und in allen anderen Bereichen können wir uns sehen lassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Landtags hat den Antrag gem. § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags zur Beratung an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen. Der Sozialpolitische Ausschuss hat den Antrag in seiner 20. Sitzung am 18. September 2003 beraten. Die Beschlussempfehlung lautet: Der Antrag wird angenommen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ausgerechnet in der „Frankfurter Rundschau“
war am 10. September 2003 zu lesen – ich zitiere –: „Die Blamage könnte nicht größer sein. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist notwendig, um die Bundesregierung dazu zu zwingen, die unhaltbaren Zustände in deutschen Krankenhäusern zu beenden, die Ausbeutung von Ärzten und die Gefährdung von Patienten.“
Der Antrag der CDU vom 19. März dieses Jahres lautet: „Die Landesregierung wird aufgefordert, über den Bundesrat auf eine mit der EG-Arbeitszeitrichtlinie übereinstimmende bundesrechtliche Regelung zum Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern hinzuwirken.“
Dieser Antrag wird heute sehr zeitnah im Parlament behandelt. Was ist der Hintergrund? Bereits im Oktober 2000 hat der EuGH auf Klagen spanischer Ärzte entschieden, dass der Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern künftig als normale Arbeitszeit zu bewerten ist. Das Bundesarbeitsgericht hat im Februar dieses Jahres festgestellt, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz den Anforderungen dieser Richtlinie nicht genügt, weil es die Zeiten des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit rechnet.
Das war eine ganz klare Aufforderung an die Gesetzgeber, hier tätig zu werden, und zwar im Interesse des Personals und vor allen Dingen der Patienten.
Diese Notwendigkeit wurde von der Landesregierung früher immer mit dem Hinweis auf ausstehende Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts negiert. Dabei konnte sich jeder, der sich mit der Materie beschäftigt hat, an den Fingern abzählen, wie das Gericht entscheiden würde und letztendlich entschieden hat, nur die Landesregierung nicht.
Frau Dreyer, noch im Januar 2001 hat Ihr Vorgänger Florian Gerster im Rahmen meiner Kleinen Anfrage meine Kritik an der Nichteinhaltung des gültigen Arbeitszeitgesetzes als nicht berechtigt zurückgewiesen. Damals hat der Gesetzgeber elegant an seinen Aufgaben vorbeigeschaut. Er ist erst jetzt tätig geworden, nachdem der EuGH am 9. September aufgrund der Klage eines Hamburger Kollegen noch einmal ganz klar bestätigt hat, womit man eigentlich schon seit drei Jahren rechnen musste: Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit.
Dann ging es ganz schnell. Minister Clement hat Bemühungen unternommen, das umgehend in das Arbeitszeitgesetz umzusetzen. Wie in unserem Antrag gefordert, hat der Bundestag bereits am 26. September und der Bundesrat am 17. Oktober die Gesetzesänderung beraten. Sie wurde gestern im Vermittlungsausschuss ohne Einigung verhandelt und wird dort eine Woche später noch einmal diskutiert.
Wie kam das zustande? Die CDU-Mehrheit im Bundesrat hat die vorgesehenen Änderungen abgelehnt, und zwar deswegen, weil sie allein auf eine tarifrechtliche Regelung zur Flexibilisierung der gesetzlichen Arbeitszeit setzt. Dieses Instrument hat sich in der Vergangenheit immer als ungeeignet erwiesen, weil sich die Tarifvertragsparteien nicht über geeignete Kompensationen für die Ausschöpfung der rechtlichen Spielräume einigen konnten. Darüber hinaus belastet der wirtschaftliche
Zwang zur Einigung über die Ausnutzung der rechtlichen Gestaltungsspielräume auch die Tarifvertragsparteien meiner Ansicht nach über Gebühr.
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn man sich im Vermittlungsausschuss entsprechend unseres Vorschlags hätte einigen können. Hier wird unser Antrag letztendlich konkret. Das ist auch eine Aufforderung an die Landesregierung zu handeln.
Meine Damen und Herren, erforderlich ist vielmehr, dass die auch unter wirtschaftlichen Aspekten notwendigen und unter gesundheitlichen Aspekten vertretbaren Gestaltungsspielräume der europäischen Richtlinie ausgeschöpft werden. Hier liegen wir auf einer Linie mit der Bundes-FDP. Ich hoffe, dass dies Herr Dr. Schmitz nachher genauso bewerten wird.
Es bleibt festzuhalten: De facto arbeiten viele Krankenhausärzte bis zu 80 Stunden in der Woche – Abgeordnete übrigens auch –, weil sie Bereitschaftsdienste ableisten, die als Ruhedienste eingestuft werden, in der sie aber sehr selten zur Ruhe kommen. Dieser Ausbeutung der ärztlichen Arbeitskraft wird jetzt endlich durch einen großen Konsens ein Riegel zum Wohl der Patienten vorgeschoben.
Die Krankenhäuser müssen umdenken. Es muss über die Einführung neuer Modelle nachgedacht werden. Es gibt auch eine Vorlage der Landesregierung. Das habe ich mit großer Freude gelesen. 40 % aller Krankenhäuser nutzen bereits intelligente Arbeitszeitmodelle. Man muss auf der anderen Seite aber auch sagen, dass dies für viele Ärzte, die Bereitschaftsdienste machen, auch weniger Geld bedeutet. Das ist die Kehrseite der Medaille. Das muss man klar feststellen. Anders geht es nicht.