Protokoll der Sitzung vom 06.11.2003

(Beifall der FDP und der SPD)

Die Selbstständigkeit wird explizit aufgenommen. Der künftige § 23 gibt einen gesetzlichen Rahmen für eine pädagogische, personale und wirtschaftliche Eigenständigkeit der Schulen vor. Es werden Rahmen gesetzt und für die Delegation dienst- und arbeitsrechtlicher Zuständigkeiten für die Schulleiterinnen und Schulleiter geschaffen. Die Schulleiter werden künftig bei der Pers onalauswahl beteiligt. Die Schulen werden zu regelmäßiger interner Evaluation, aber auch zur Teilnahme an Maßnahmen der externen Evaluation und dabei insbesondere an internationalen, länderübergreifenden und landesinternen Vergleichsuntersuchungen verpflichtet.

Die Rolle der pädagogischen Service-Einrichtungen wird festgeschrieben, und die Qualitätssicherung spielt im gesamten Gesetz künftig eine entscheidende Rolle. Sie wird auch als Aufgabe von Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften, Gesamtkonferenzen und Schulelternbeirat formuliert. Damit wird die Verantwortlichkeit deutlich gemacht.

Das Einschulungsalter wird konsequent flexibilisiert. Ein Kind kann nur noch dann zurückgestellt werden, wenn es gesundheitliche Gründe gibt, die dies erfordern. All dies ist nun im Gesetz verankert.

An das Thema des Einschulungsalters schließt sich auch die Debatte zum CDU-Antrag an. Dies fand ich auch sehr spannend. Insgesamt haben wir mit Sicherheit das Problem, dass wir noch immer zu lange Ausbildungszeiten haben. Sie wissen, dass auch die FDP grundsätzlich für ein Abitur nach zwölf Jahren ist.

(Zurufe der Abg. Keller, Schreiner und Lelle, CDU)

Nein, lassen Sie mich einmal aus meiner Sicht begründen, weshalb man diesem Antrag auf keinen Fall zustimmen kann. Dies ist grundsätzlich dasselbe, was

auch Herr Wiechmann sagt, aber bei ihm lassen Sie es durchgehen, weil er nicht mit in der Regierungsverantwortung ist.

Wenn Sie sich für ein Abitur in zwölf Jahren aussprechen, stimmen wir dem grundsätzlich zu. Aber es gibt immer noch verschiedene Möglichkeiten, dies umzusetzen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

In den Ländern, die dies bereits beschlossen und umgesetzt haben, hat es einen erheblich längeren Zeitraum zur Vorbereitung benötigt. Die meisten beginnen erst 2008. Sie sagen, Sie möchten dies bereits 2004/2005 umsetzen und möchten dabei die gesamte Sekundarstufe I umstrukturieren, die Lehrpläne reformieren und die Betroffenen frühzeitig einbinden. Frühzeitig ist schon gar nicht mehr möglich, wenn Sie schon 2004/2005 starten wollen.

Sie müssen das Volumen von 256 Unterrichtsstunden beibehalten, und dann stellen Sie einfach fest, dass mit diesem gesamten Konglomerat, das Sie zusammenpacken, auch die Durchlässigkeit gewährleistet ist. Wie Sie dies in dem Zeitraum schaffen wollen, möchte ich einmal wissen. Mit dem, was Sie inhaltlich vorschlagen, glaube ich, dass Sie tatsächlich ein Durchlässigkeitsproblem bekommen werden, das meiner Ansicht nach ein Schnellschuss schlimmster Güte ist.

Außerdem verkennen Sie tatsächlich die Realität, wenn Sie sagen, dass wir mit unseren Ausbildungszeiten in Rheinland-Pfalz hintanstehen. Wir haben bereits vor drei Jahren die gymnasiale Oberstufe neu organisiert und damit 12,5 Jahre möglich gemacht. Im BEGYS sind es sogar 11,5. Dies ist ein halbes Jahr kürzer, als Sie von der CDU vorschlagen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber doch nicht von der Lernzeit!)

Dies einfach zu übergehen ist nicht okay.

Das, was wir in Finnland bei den Gymnasialzeiten fes tgestellt haben, fand ich im Übrigen auch sehr interessant. Dort gab es für die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie die gymnasiale Oberstufe in zwei, drei oder vier Jahren machen wollen. Dies hat den Vorteil, dass die Eigenverantwortlichkeit des Schülers gestärkt wird und es unterschiedliche zeitliche Wege gibt, das Abitur zu erreichen. Wir haben mit BEGYS einen Ansatz, der in diese Richtung zielt. Wenn man sich die Regelungen in anderen Ländern anschaut, sollte man sie seriös in solche Überlegungen mit einbeziehen.

(Schreiner, CDU: Sie wollen 12,5 Jahre!)

Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren in dieser Regierungskoalition nicht nur die Verkürzung der Zeit bis zum Abitur konsequent in Angriff genommen, sondern wir haben uns gleichzeitig auf den Weg begeben, die Durchlässigkeit unserer Bildungswege konsequent zu verbessern und die Gleichwertigkeit von schulischer und beruflicher Bildung auch in der

Realität umzusetzen. Gerade das Modell „Duale Oberschule“ hat hierzu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Schülerinnen und Schüler werden dabei nicht nur sehr früh auch in ihrer berufsvorbereitenden Qualifikation gestärkt, sondern sie können auch bereits nach der Klasse 9 einen Weg einschlagen, der es ihnen ermöglicht, durch schulische Zusatzqualifikationen parallel zu der dualen Ausbildung einen durchgängigen Weg bis zur Fachhochschulreife zu gehen.

Das neue Strukturkonzept zur Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen folgt konsequent dem Leitbild der Gleichwertigkeit von schulischer und beruflicher Bildung.

Es ist auch beispielhaft gelungen – die beiden Häuser haben sich mit Sicherheit sehr gut darüber verständigt –, die Interessen sowohl des schulischen Teils als auch des Teils der ausbildenden Betriebe miteinander zu vereinbaren. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für diesen Entwurf bedanken. Es ist ein toller Entwurf, der es für die Jugendlichen ermöglichen wird, jeden möglichen Bildungsweg zu jedem möglichen Zeitpunkt einzuschlagen, der der veränderten Arbeitswelt Rechnung trägt und der insbesondere den Gedanken der Gleichwertigkeit realisiert, indem es berufsintegrierte Möglichkeiten gibt, hochschulqualifizierende Abschlüsse zu erlangen. Insgesamt ist dies ein Kernpunkt, der sehr zu begrüßen ist.

Über eine Anhörung müssen wir uns noch verständigen. Es sind zuvor schon Konsensgespräche geführt worden. Ich habe den Eindruck, dass die meisten Verbände im Grundsatz mit diesem Gesetzentwurf sehr zufrieden sind und auch schon sehr viele Einzelwünsche realisiert und eingearbeitet werden konnten, sodass man im Gesetzgebungsprozess zwar noch über den einen oder anderen Punkt diskutieren wird, aber insgesamt schon eine Grundlage besteht, mit der man sehr gut arbeiten kann, die wir sicherlich noch etwas weiterentwickeln werden, aber grundsätzlich sehr begrüßen.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, mit dem ich als frauenpolitische Sprecherin ebenfalls zu tun habe. Dies ist der Punkt des Gender Mainstreaming. Wir hatten in den vergangenen Monaten eine sehr verwunderliche und für mich zum Teil auch etwas amüsante Debatte darüber geführt, ob zu viele Grundschullehrerinnen die Bildungschancen von Jungen verschlechtern und insgesamt zu einem Qualitätsverlust des Grundschulunterrichts führen. Wenn man sich die Ergebnisse der IGLU-Studie anschaut, kann dies eigentlich nicht sein. Es ist mehrfach gefragt worden, und die Presse hat dieses Thema begeistert aufgegriffen.

Ich glaube auch nicht, dass es etwas mit dem Geschlecht der Unterrichtenden zu tun hat, sondern damit, wie sich der oder die Unterrichtende und Erziehende verhält. Deshalb ist es auch besonders wichtig, den Gedanken des Gender Mainstreaming so offen in diesen Gesetzentwurf hineinzuschreiben; denn er beinhaltet, dass wir insbesondere bei den Punkten, bei denen es noch Unterschiede in den Geschlechterverhältnissen und den Geschlechtersituationen an unseren Schulen gibt, Ansätze finden müssen, wie wir diese kompensieren oder auch aufheben und bearbeiten können. Ich

nenne beispielhaft Stichworte wie unterschiedliche Berufsentscheidungen bei Mädchen in Handwerk und Technik sowie später in Führungspositionen oder bei Jungen im Bereich von Erziehung und Pflege, aber auch Unterschiede im Geschlechterverhalten, was beispielsweise Aggressivität, Delinquenz und Kriminalität anbelangt. Dies sind Punkte, die mit Sicherheit in der Schule eine wichtige Rolle spielen werden. Auch das Verhalten der Geschlechter untereinander sowie Rollenbilder werden mit Sicherheit in der Schule mit am stärksten vermittelt. Deshalb ist dies ein Gedanke, den man ebenfalls mit in den Vordergrund rücken sollte, wenn man über dieses Gesetz debattiert.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Frau Abgeordnete Morsblech, zu Ihrer Rede gibt es jetzt zwei Kurzinterventionen. Sie können dann nach den Kurzinterventionen zusammen antworten.

(Frau Morsblech, FDP: Ich darf einmal antworten?)

Ja, nach den beiden Kurzinterventionen zusammen.

Ich erteile zunächst Herrn Abgeordneten Schreiner zur Kurzintervention das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Morsblech, ich finde, Sie machen es sich schon recht einfach. Uns werfen Sie ganz pauschal vor, wir mogeln uns drumherum.

(Frau Morsblech, FDP: Worum mogeln Sie sich herum?)

Aber ehrlich gesagt, Sie haben sich um die entscheidenden Probleme herumgemogelt. In der Kürze der Zeit möchte ich zwei kurze Anmerkungen machen. Sie haben drei Minuten Zeit zu antworten.

(Mertes, SPD: Sie auch nur drei Minuten zu argumentieren!)

Ich möchte zwei kurze Schlaglichter nennen. Der erste Punkt betrifft den Schulausschuss. Es ist von Herrn Keller angesprochen worden. Keiner der beiden Kollegen von den Regierungskoalitionen hat dazu etwas gesagt.

(Schweitzer, SPD: Weil es dummes Zeug war!)

Wie würden Sie es finden, wenn Sie sich für eine Schulleiterstelle bewerben und Ihre zukünftigen Schüler würden im Schulausschuss Ihre dienstlichen Beurteilungen lesen? Finden Sie, dass das ein guter Beitrag zu

einer guten und demokratischen Auslese von Schulleitern ist?

(Beifall bei der CDU – Mertes, SPD: Wenn ich gute Zeugnisse hätte, dann ist das kein Problem!)

Ich sage Ihnen, was passiert. Kein Mensch wird sich auf eine Schulleiterstelle bewerben. Ich würde mich doch nicht bewerben,

(Mertes, SPD: Das glaube ich! Bei Ihren Zeugnissen! – Weitere Zurufe von der SPD)

wenn meine Schüler im Nachhinein genau wüssten, wie meine dienstlichen Beurteilungen aussehen.

(Mertes, SPD: Ja eben!)

Das ist gegen den Datenschutz. Vor allem werden wir so keine Schulleiter, vor allem keine guten Schulleiter in Rheinland-Pfalz bekommen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: In der Wirtschaft werden Beurteilungen offen diskutiert!)

In meinem zweiten Punkt geht es um das Abitur nach zwölf Jahren. Im Kern liegt das grundsätzliche Problem ganz woanders. Liebe Nicole Morsblech, es gibt ein FDP-Konzept. Dieses Konzept ist: Abitur nach zwölf Jahren. – So stand es in Ihrem Landtagswahlprogramm. So sind Sie in Rheinland-Pfalz gewählt worden.

(Beifall bei der CDU)

Dann gibt es ein SPD-Konzept. Das SPD-Konzept ist: Abitur nicht nach zwölf Jahren. Das SPD-Konzept ist ein Abitur nach 12,5 Jahren, weil man nicht genug Lehrer hat. Das ist der Punkt.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Nach 11,5 und 12,5 Jahren!)