Die Krankenhäuser müssen umdenken. Es muss über die Einführung neuer Modelle nachgedacht werden. Es gibt auch eine Vorlage der Landesregierung. Das habe ich mit großer Freude gelesen. 40 % aller Krankenhäuser nutzen bereits intelligente Arbeitszeitmodelle. Man muss auf der anderen Seite aber auch sagen, dass dies für viele Ärzte, die Bereitschaftsdienste machen, auch weniger Geld bedeutet. Das ist die Kehrseite der Medaille. Das muss man klar feststellen. Anders geht es nicht.
Ergänzend stehen den Krankenhäusern in den nächsten Jahren zunehmend weitere finanzielle Mittel zur Verfügung, um vermehrt Personal einzustellen.
Dieser Mehrbedarf an Personal wird sehr unterschiedlich beurteilt, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man dies sieht. Wenn diese intelligenten Arbeitszeitmodelle und die zusätzlichen finanziellen Mittel nicht ausreichen sollten, auch wenn Frau Schmitt das anders sieht, dann müsste man in der Tat als letzte Option über weitere Mittel nachdenken.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ein anderes Problem wird es sein, überhaupt genug Ärzte zu finden. Wenn man sich den heutigen Stellenmarkt anschaut, dann ist die Zahl der angebotenen Stellen und derer, die Arbeit suchen, äußerst gering. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich vielleicht dann, wenn sich die Arbeitszeitbedingungen ändern, sich dieses Problem spürbar entlastet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe Herrn Kollegen Dr. Enders völlig Recht, es ist allerhöchste Zeit, dass über eine rechtliche Regelung die Arbeitszeitverhältnisse unserer Krankenhausärzte nicht nur geändert, sondern ganz wesentlich verbessert werden müssen. Das ist keine neue Erkenntnis und auch keine spezielle deutsche Erkenntnis, die gefunden werden musste. Dr. Enders erwähnte selbst, dass ein erstes EU-Gerichtsurteil sich auf Spanien bezog. Das Problem, das wir heute besprechen, ist ein generelles und europaweit geltendes Problem. Es ist auch wahr: Das, was wir heute besprechen, ist nicht ein Jahr oder zwei Jahre alt, sondern es handelt sich um ein Jahrzehnte altes Problem. Das ist auch einer der Hintergründe, weshalb man sich in vielen Kreisen an diesen Zustand gewöhnt hatte. Es kommt nicht von ungefähr, dass in einem Abschlussbericht unseres Ministeriums nach den Maßnahmen der Gewerbeaufsicht enthalten ist, dass in vielen Krankenhäusern bei den Bediensteten noch ein Problembewusstsein geweckt werden müsse, um zum Beispiel für die Dokumentationen, für die Notierungen, was die Arbeitszeit betrifft, echtes Verständnis zu haben.
Es ist wahr, die Marathondienste in den Krankenhäusern müssen weg. Man spricht allzu gern nur sehr konzentriert die Ärzte an. Ich möchte deshalb ganz ausdrücklich auch die Interessen der Patienten erwähnen.
Sie sind diejenigen, um die es in den Krankenhäusern geht. Sie gehen in dem guten Glauben in ein Krankenhaus, dass sie auf eine Ärzteschaft treffen, die physisch und psychisch bei besten Kräften handlungsfähig ist. Sie nehmen nicht an, dass jemand vor ihnen steht, der überarbeitet ist und der vielleicht ein Reaktionsvermögen hat, das den Ansprüchen der Situation in keiner Weise mehr gerecht wird. Wir leben schon in einer paradoxen Welt, in der es klare Regelungen für Lkw-Fahrer, für Omnibusfahrer gibt, denen genau vorgeschrieben wird, wie lang ihr Arbeitstag sein darf, wie viel Fahrleistung sie erbringen können, stundenmäßig gesehen, und wie viel Ruhezeiten sie haben müssen. Wir gehen davon aus, dass wir dann, wenn es um die Gesundheit von Menschen geht, wenn es sogar um Leben und Tod geht, mit Fachkräften arbeiten, die das Leben erhalten oder verbessern sollen, die nicht völlig übermüdet sind.
Wir begrüßen das EU-Urteil ganz eindeutig. Wir haben auch viel Verständnis für die Äußerung von Montgomery, dem Präsidenten des Marburger Bundes, wenn er von einem historischen Sieg der Ärzteschaft spricht. Meine Damen und Herren, auch die Formulierung „ein historischer Sieg“ macht klar, dass es sich nicht um ein Eintagsproblem, um ein kurzfristig geltendes Problem handelt, sondern um eine Problematik, die lange schon aktuell ist und um die sich schon viele bisher gedrückt
haben, nicht nur die, die im Augenblick für die Gesetzesänderungen die Vorschläge und Mehrheiten zu erbringen haben.
Wir wissen, dass die Umsetzung des neuen Rechts mit großen Problemen verbunden ist. Herr Dr. Enders hat das angesprochen. Es fehlt an Ärzten, und es fehlt an Geld. Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar, dass sie jetzt einen Weg geschaffen hat, der es ermöglicht, dass ab sofort 200 Millionen Euro für mehr Ärztepersonal zur Verfügung steht, das auch für das nächste Jahr gilt und darüber hinaus jährlich bis zum Jahr 2007 noch weitere 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das ermöglicht einen Personalhandlungsspielraum, mit dem man sicher ganz eindeutige Verbesserungen erzielen kann.
Aber dann gibt es das bekannte andere Problem: Woher die Ärzte nehmen, wenn sie nicht vorhanden sind? – Dies ist in der Tat ein gewaltiges Problem. Damit sind wir bei dem Thema der erforderlichen Umstrukturierungen in den Krankenhäusern, um nicht nur die Arbeitsabläufe flüssiger zu gestalten, sondern um die Arbeitsabläufe auch so zu gestalten, dass sie für die Ärzteschaft annehmbar sind und derjenige, der ein ärztliches Examen abgelegt hat, nicht lieber in die Pharmaindustrie oder anderswo hingeht, sondern tatsächlich bereit ist, in den kurativen Bereich hineinzugehen, für den er eigentlich ursprünglich einmal seine Ausbildung angefangen hat.
Meine Damen und Herren, es ist Zeit, dass Änderungen angestrebt werden. Ich freue mich sehr darüber, dass unser rheinland-pfälzisches Ministerium, das für diese Thematik zuständig ist, schon seit langem beratend in den Krankenhäusern arbeitet und es bereits einen zweiten Durchgang durch die Gewerbeaufsicht in den Krankenhäusern abschließen konnte, indem es um die Beratung der Krankenhäuser ging ohne Druck, ohne restriktive Maßnahmen, sondern nur beratend, fördernd. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten wiederholt bei Besuchen mit meinem Arbeitskreis in den Krankenhäusern sehr viel Anerkennung für die Arbeit des Ministeriums, was die Beratung für innovative Modelle betrifft, sehr viel Anerkennung auch für die Gewerbeaufsicht hören können. Ich bin der Ministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich dankbar dafür. Das muss so nicht sein, das kann nur so sein. Wenn man es so macht, dann ist das eine sehr gute Sache.
Ich erwähnte, dass es um Innovationen geht. Es gibt als Arbeitsergebnis eine Kommission, die bundesweit von den Fachministern eingesetzt wurde, eine Zusammenfassung möglicher Modelle – neun an der Zahl –, von denen ein Teil bereits praktiziert wird und von dem ein Teil künftig zur Erprobung erarbeitet wird. Ich setze auf diese Modelle große Hoffnung, und ich gehe davon aus, dass sie dazu führen, dass über intelligentere Arbeitsabläufe in den Krankenhäusern, über straffere und effizientere Strukturen ein Personalbedarf an Ärzten nicht erforderlich ist, wie er vom Marburger Bund derzeit noch gefordert wird. Ich halte die Zahl „15.000 Ärzte“ bundesweit einfach für weit überzogen. Das geht sicherlich
Meine Damen und Herren, in den Krankenhäusern hat man natürlich darauf gewartet, dass eine entsprechende Rechtsprechung, wie sie jetzt zur Grundlage für das weitere Arbeiten ist, getroffen wird. Man hat darauf gewartet. Man reagiert im Augenblick, wie ich meine, in einer sehr respektablen Form, nämlich mit einer angespannten Gelassenheit. Man weiß, dass man zu verändern hat. Man weiß auch, wie die Situation tatsächlich aussieht und dass man das Ganze nur so weit verändern kann, wie das tatsächlich machbar ist. Die Arbeit in den Krankenhäusern ist für mich Vertrauen erweckend. Man will verändern, aber man macht es mit sehr viel Augenmaß. Dafür möchte ich den Direktorinnen und Direktoren in den Krankenhäusern und speziell auch den Mitarbeitern in den Krankenhäusern – sprich den Ärztinnen und Ärzten – herzlich danken.
Sie zeigen ein hohes Maß an Innovationsbereitschaft, an verantwortungsbewusster Experimentierbereitschaft, die man in dieser Phase auch braucht.
Ich hoffe, dass wir bald, was die Dienstbereitschaft von ausgeschlafenen und motivierten Ärzten in den Krankenhäusern betrifft, andere Verhältnisse haben und die Ärzteschaft Arbeitsbedingungen hat – jetzt formuliere ich nicht mehr so salopp –, mit denen sie optimal arbeiten kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Es gibt Menschen in diesem Land, die erwarten von der Politik Visionen. Es gibt wiederum andere, die glauben, wenn man Visionen hat, muss man zum Arzt. Es gibt auch Menschen, die erwarten von uns, wenn schon nicht prophetische, so doch ausgeprägt prognostische Eigenschaften.
Gewöhnlich sind die Erwartungen der Menschen an uns aber sehr viel praktischerer Natur. Sie erwarten nämlich, dass wir frühzeitig auf Entwicklungen reagieren, die absehbar sind, so wie sie erwarten, dass die Zuständigen dafür sorgen, dass abends die Straßenbeleuchtung angeht, wenn es dunkel wird, und nicht erst anfangen zu diskutieren, wenn es dunkel wird, wie man die Straßenbeleuchtung anmacht.
Nun gab es das bereits erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Bereitschaftsdienst von Ärzten in Spanien. Es war ähnlich absehbar wie in diesem
Beispiel mit der Straßenbeleuchtung, dass dieses Urteil irgendwann auf Deutschland übertragbar sein würde.
Dafür brauchte man keine prophetischen und auch keine ausgeprägt prognostischen Fähigkeiten. Es war, wie gesagt, von allen, die etwas davon verstehen, als mit großer Wahrscheinlichkeit absehbar erklärt worden.
Wir haben daraufhin in diesem Parlament gesagt, wir müssen Vorsorge für diesen Fall treffen, dass dieses Urteil übertragbar wird und der Bereitschaftsdienst von Ärzten als Arbeitszeit angerechnet werden muss. Wir haben das im vergangenen Jahr in einem Antrag formuliert. Die Regierungskoalition hat diesen Antrag kleinkariert abgelehnt.
Nun kann man sagen, an diesen politischen Stil kann man sich gewöhnen. Ich mag mich nicht daran gewöhnen, muss es dennoch, um mich nicht allzu sehr zu ärgern. In der Sache ist natürlich Zeit verspielt worden; denn Sie haben damals ignoriert, welche Brisanz in dieser Angelegenheit steckt.
Sie haben, weil es ein Oppositionsantrag war, geglaubt, ihn ablehnen zu müssen, weil das Ihr Stil ist. Sie haben damit wichtige Zeit der Vorbereitung für die Krankenhäuser verspielt.
Das ist übrigens auch ein gewisser Widerspruch zu der Kampagne, die Sie im Zusammenhang mit der Gewerbeaufsicht probiert haben. Man kann nicht auf der einen Seite behaupten, es bestehe noch kein Handlungsbedarf, weil noch nicht sicher sei, ob ein entsprechendes Urteil ergeht, und auf der anderen Seite die Krankenhäuser auffordern, entsprechend tätig zu werden. Wenn man so mit gespaltener Zunge spricht, kann daraus nichts Rechtes werden.
Heute sind Sie immerhin einen Schritt weiter, ein bisschen weiter weg von der Kleinkariertheit. Heute hat die andere Oppositionspartei einen Antrag gestellt, dessen Sinnhaftigkeit man schon überprüfen könnte angesichts der Tatsache, dass wir nun durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts eine klare Rechtslage haben.
Zumindest im Ausschuss schien es, als seien Sie heute bereit, einem solchem Antrag zuzustimmen, der im Grunde formuliert, was ist. Sie verweigern sich zumindest nicht mehr der unumstößlichen Realität. Das ist natürlich ein gewisser Fortschritt.
Vorbildlich würde ich nicht sagen. Es ist mir etwas zu anspruchslos, mich nur noch der harten Realität zu beugen. Ich denke, man könnte auch schon ein bisschen weiter gehen, Herr Kollege Mertes.
Ich will darauf hinweisen, dass es bei der Frage der Arbeitszeit von Ärzten und der Einhaltung des Arbeitszeitrechts nicht um Formalhuberei geht. Es geht um Arbeitnehmerrechte – das will ich nicht verhehlen –, aber
das steht bei meiner Argumentation überhaupt nicht im Vordergrund. Es geht im Kern um den Schutz der Patienten.
Der Kollege Brinkmann hat heute sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass es um diesen Kernpunkt geht. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich vor eineinhalb Jahren dieser Argumentation nicht verschlossen hätte, aber auch da scheint die Zeit allerlei Malaise zu heilen.
Es geht um den Schutz der Patienten, davor, dass sie von übermüdeten Ärzten behandelt werden, es zu Fehldiagnosen aufgrund von Übermüdungen und Überforderungen kommt, davor, dass es zu Fehlbehandlungen kommt.
Das sind die Gründe für das geltende Arbeitszeitrecht und die Gründe für die Urteile, die zu seiner Konkretisierung ergangen sind. Diese Gründe haben schon früher gegolten und gelten weiter.
Worin liegen die Lösungen? Zweifelsohne liegen die Lösungen darin, zu einem die Organisation innerhalb der Krankenhäuser zu verändern. Es ist jedoch meine feste Überzeugung aus dem, was ich weiß, dass das nicht ausreichen wird, um dem Mangel abzuhelfen. Man muss die Organisation verbessern. Man darf sich jedoch nicht der Illusion hingeben, es würde ohne mehr ärztliches Personal am Ende gehen.
Nun wird entgegengehalten – das ist schon der „running gag“ in der ganzen Diskussion, seit ich sie verfolge –, wir haben gar nicht genug Ärzte. Diesbezüglich beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein Grund, weshalb wir nicht genug Klinikärzte haben, liegt darin, dass dieser Beruf, so wie er heute ausgestaltet wird, zu wenig attraktiv ist.
Das hat ganz entscheidend mit den Arbeitszeiten, mit dem Schichtdienst, mit der Frage, ob Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit anerkannt wird oder nicht, und mit der allgemeinen beruflichen Belastung zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb ist eine Regelung, die die Arbeitsbedingungen der Ärzte verbessert, auch ein Beitrag dazu, der nicht kurzfristig wirkt, aber von dem ich hoffe, dass er langfristig wirkt, diesen Beruf „Arzt im Krankenhaus“ attraktiver zu machen und auch von dieser Seite her zu einer Lösung des Problems zu kommen. Das wird jedoch noch einige Jahre dauern.