Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde den Stil der Diskussion zu diesem sehr sensiblen Thema zu einem Zeitpunkt, zu dem die Anverwandten der Ermordeten in der Vorweihnachtszeit in einer Stimmung sind, in der ich nicht sein möchte, mehr als bedenklich.
Meine Damen und Herren, ich finde es auch mehr als bedenklich, wenn der Rechtsanwalt Baldauf ebenso wie große Teile der CDU mit dem Finger während eines laufenden Verfahrens auf einen der Tatverdächtigen zeigen, wobei wir nicht wissen können, wer letztlich diese Tat begangen hat und wie die Tatvorgänge wirklich waren.
Ich finde, es ist das Wenigste, dass wir auf den Abschlussbericht warten und nicht in einer Art und Weise immer wieder die gleichen Fragen stellen, um die gleichen Antworten zu provozieren.
Ich bitte alle, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass Einzelne oder Parteien versuchen, PR-Erfolg aus einem solchen Vorgang zu schlagen. Das wäre der Sache mehr als unangemessen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Baldauf, wenn Sie den Vorwurf erheben, es seien Ihnen Informationen vorenthalten worden, kann ich dies nicht nachvollziehen. Wir haben Ihnen noch im Rechtsausschuss den Schriftverkehr, den Sie vorher angefordert haben, überreicht.
Herr Kollege, beim Sprechvermerk ging ich eigentlich davon aus, dass er im Protokoll steht. Ich habe ihn vollständig vorgelesen. Das Protokoll des Landtags, das gefertigt worden ist, müsste diesen Sprechvermerk wiedergeben. Sollte es nicht so sein, stelle ich ihnen den selbstverständlich gern zur Verfügung. Das ist für mich kein Problem.
Aber zu behaupten, wir hätten keine Unterlagen zur Verfügung gestellt, ist allein vom rein tatsächlichen Ablauf dieser Rechtsausschusssitzung her nicht zutreffend.
Herr Präsident, erlauben Sie, dass ich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz zitiere: § 72 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) bestimmt, dass Untersuchungshaft gegen einen Jugendlichen – der Angeklagte war bei Erlass des Haftbefehls erst 16 Jahre alt – nur ausnahmsweise verhängt und vollstreckt werden dürfe, wenn der Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung im Sinn des § 71 JGG oder durch eine andere Maßnahme erreicht werden könne.
In diesem konkreten Verfahren hat das Gericht dann weiter ausgeführt: Nach Aktenlage deutet nichts darauf hin, dass diese Ausnahmevorschrift beachtet wurde. Es führt weiter aus: Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass ihre Voraussetzungen vorliegen könnten. Das heißt, dass die U-Haft statt der Unterbringung ins Heim angeordnet werden darf.
Zum Schluss führt das Gericht aus: Dem Senat ist es verwehrt, durch eine Entscheidung nach §§ 121 und 122 Strafprozessordnung die Fortdauer einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung anzuordnen oder einer jetzt gebotenen Entscheidung hinauszuschieben, um der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Jugendrichter Gelegenheit zu geben, nach nunmehr sechs Monaten ers tmals einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen.
Das heißt, dass sich aus diesen Ausführungen ergibt, dass die Entscheidung, ob jemand in ein solches Heim kommt oder nicht, vom Gericht in richterlicher Unabhängigkeit getroffen wird
und vom Oberlandesgericht entsprechend voll inhaltlich überprüft werden kann, Herr Kollege Baldauf, weshalb es zum Beispiel dem Justizministerium völlig verwehrt wäre, diese Entscheidung zu überprüfen, weil wir sonst in richterliche Unabhängigkeit eingreifen würden.
Deshalb hat das Justizministerium auch diesen Einzelfall gar nicht prüfen dürfen, weil in richterlicher Unabhängigkeit entschieden wird. Selbstverständlich sind auch in anderen Verfahren Bedenken des Heims beachtet worden. Wenn das Heim abgelehnt hat, wie in anderen drei Fällen geschehen, ist dies anstandslos akzeptiert worden, wie es auch verabredet war.
Das Ministerium hat nur darauf hingewiesen, dass erstens eine der genannten Voraussetzungen nach den Angaben der Staatsanwaltschaft nicht vorliege und zweitens Fluchtgefahr bestehe. Nur darauf konnten wir abstellen, auf das Problem der Fluchtgefahr. Andere Gründe waren und sind von uns nicht zu prüfen, weil dies das Gericht machen muss, Herr Kollege Baldauf. Sie müssten das als Jurist wissen. Deswegen haben wir nur darauf abgestellt.
Selbstverständlich aber wird die Landesregierung – das hat Frau Kollegin Dreyer dargelegt – den Vorgang weiter untersuchen und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Dies können wir erst machen, wenn wir sorgfältig untersucht haben, Herr Kollege Baldauf. Das bedarf einer gewissen Zeit. Schnellschüsse sind nicht erlaubt und nicht erforderlich. Insoweit stimme ich mit Frau Kollegin Grützmacher voll inhaltlich überein. Das Projekt müssen wir aus rechtlichen Gründen auf jeden Fall fortsetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht der CDU mit Sicherheit nicht um vorschnelle Schnellschüsse.
Dafür ist der Anlass viel zu bedauerlich und viel zu dramatisch, als dass man politisch so damit umgehen könnte.
Es ist eine Betreuerin in Ausübung ihres Dienstes, im Rahmen eines Konzepts gestorben, für das diese Landesregierung und auch die CDU im Landtag stehen.
Genau deshalb müssen wir genau hinschauen. Wir müssen sauber analysieren, um zu wissen, wo gegebenenfalls Dinge falsch gelaufen sind, wo wir Dinge verbessern müssen, die Rahmenvereinbarungen, die Sicherheitskonzeption, um auch in Zukunft die Chance zu haben, Jugendliche in Heimunterbringung zu geben, anstatt in eine Haftstrafe. Auch das ist unser Ziel, und sonst gar nichts. (Beifall der CDU)
Es kann aber doch nicht sein, dass wir nicht in die Lage versetzt werden sollen, uns in gleicher Weise ein Bild zu
machen. Ein Verfahren abzuwarten, ist das eine, aber die Zeit zu nutzen, sich über die vorhandenen Materialien, über Schriftverkehre, über Informationen, die wir in den Ausschüssen dankenswerterweise bekommen, uns ein eigenes Bild in dieser Situation zu machen, ist die andere Notwendigkeit.
Herr Mertin, Sie haben uns in der Rechtsausschusssitzung einen Sprechvermerk zugesagt. Das ist etwas anderes als das Wortprotokoll, auf das wir im Ausschuss überhaupt nicht warten können, weil es kein Wortprotokoll gibt. Das gibt es nur von Plenardebatten. Deshalb war es uns wichtig, Ihren Sprechvermerk zu bekommen, um sehen zu können, ob wir die Fakten richtig notiert und richtig zu Kenntnis genommen haben.
Ich denke, es ist wichtig nachzuschauen, ob die Vereinbarung in Ordnung ist. Klärt sie die Zuständigkeiten hinreichend? Wie sieht es in einem Konfliktfall aus, den Sie vorhin beschrieben haben, bei dem die Entscheidungskorridore offensichtlich nur noch sehr eng sind?
Für mich bleibt nach wie vor „ein G‘schmäckle“, wenn die Mitarbeiter des Heims nach zweimaligen Gesprächen mit den Jugendlichen zum Ergebnis kommen, dass sie nicht nur aus Gründen der Fluchtgefahr, sondern auch aus pädagogischen Gründen nicht in der Lage seien, ihr Konzept mit den Jugendlichen umzusetzen. Das Konzept sieht drei Stufen vor, unter anderem die Hinführung zur Hauptverhandlung sowie die Eröffnung von Perspektiven. Sie sehen sich aufgrund des Konzepts nicht in der Lage, dies mit diesem Jugendlichen zu tun.
Es gibt einen Brief des Justizministeriums, der darauf hinweist, wie bedauerlich es doch wäre, wenn dieses ganze Konzept stürbe. Dies ist eine verbrämte Anweisung, die dort formuliert wird. Es ist eine verbrämte Androhung, das Konzept sterben zu lassen. Dies ist eine Form von Druck auf das Heim, der unseres Erachtens schon außerordentlich bedenklich ist, Herr Minister.
Sie müssen uns als Parlament das Recht und die Möglichkeit einräumen, uns die Unterlagen genau anzuschauen, um daran mitzuwirken, die Dinge auf einen guten Weg zu bringen, damit das Konzept zukünftig Bestand hat. Das ist unser Ziel. Wenn sich aus dieser Analyse Fragestellungen nach Verantwortlichkeiten ergeben, werden sie zu dem Zeitpunkt gestellt werden, an dem sie auf dem Tisch liegen. Es geht nicht um Vorverurteilungen oder Schnellschüsse, sondern um eine zeitnahe, zügige und verantwortliche Arbeit auch des Parlaments und nicht nur der Regierung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist tragisch, wenn eine junge Frau, die engagiert an einer schwierigen Stelle in unserer Gesellschaft ihre Arbeit geleistet hat, dabei umkommt und man sich damit befassen muss, wie Veränderungen vorgenommen und vielleicht Verbesserungen erreicht werden können. In erster Linie gilt unser Mitgefühl den Verwandten der jungen Frau.
Es geht überhaupt nicht um die Frage, dass irgendwelche Unterlagen, Schreiben oder Sprechvermerke nicht vorgelegt würden. Es mag eine Verzögerung von einer Zusage gegeben haben. Aber ob der Sprechvermerk des Ministers nun im Protokoll ist oder nicht, er hat zugesagt, dass der Sprechvermerk zur Verfügung gestellt wird.
Ihnen wurde vorhin von Staatsministerin Frau Dreyer zugesagt, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe und der Gespräche mit den Experten sowie Änderungen oder Schlussfolgerungen in beiden Ausschüssen dem Parlament dargelegt werden.
und sich dann so ereifern, wie Sie es derzeit tun, dann verstehe ich nicht, warum man nicht die Geduld hat, ein sorgfältiges Arbeiten auch zuzulassen.
Frau Thelen, ich bin mit Ihnen einer Meinung. Aber die Äußerung Ihres Kollegen Baldauf oder anderer Ihrer Kollegen haben einen anderen Tonfall. Den halte ich in keiner Weise für angebracht.