Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Studien PISA, IGLU, TIMS usw. entgegen. Auf einmal werden führende Koalitionspolitikerinnen und -politiker auf Bundesebene wirklich zu Bildungspolitikern, wobei man sie hier in Rheinland-Pfalz nun wirklich nicht in diesem Bereich zu den üblichen Verdächtigen zählen kann, wenn man sich zum Beispiel die Lage der Lehrerinnen und Lehrer in unserem Bundesland vorstellt.

Meine Damen und Herren, ein wesentlicher Bestandteil für den Erfolg der Ganztagsschule in Angebotsform ist ohne Zweifel die Tatsache, dass die Kosten für das zusätzlich notwendige Personal für den Ganztagsbetrieb vollständig aus dem Landeshaushalt getragen werden. Entscheidenden Schwung hat die Einrichtung dieser Ganztagsangebote sicherlich durch das Investititonsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ der grünroten Bundesregierung mit einem Umfang von rund 200 Millionen Euro für das Land Rheinland-Pfalz bekommen. Damit unterstützt unsere Bundesregierung den Kurs. Sie trägt entscheidend dazu bei, dass die Schulträgerinnen und Schulträger, die zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften trotz defizitärer Haushalte einen Beitrag zur Errichtung weiterer Ganztagsangebote leisten können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das kann nicht hoch genug bewertet werden. Man muss einen Dank und einen Respekt an die Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung nach Berlin schicken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie alle und insbesondere Sie von der SPD wissen, dass Ihr Wahlkampfschlager aus dem Landtagswahlkampf 2001 ohne diese massive Unterstützung aus Berlin nie eine solche Resonanz hervorgerufen hätte.

(Mertes, SPD: Jetzt gibt es Schlagseite!)

Herr Mertes, das ist so.

Nach dem Motto, es gibt nichts Gutes, was man nicht noch verbessern könnte, möchte ich einige Dinge kurz ansprechen. Nach Auskunft der Landesregierung sind beispielsweise an den Ganztagsgrundschulen nur 48,4 % des für den Nachmittag eingesetzten Personals Lehrkräfte, an den wenigen Ganztagsgymnasien sind dies 92,7 %. (Frau Brede-Hoffmann, SPD: Es ist ein Gymnasium, das ausgewertet worden ist!)

Das zeigt ein typisches Missverständnis.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Nur ein Gymnas ium!)

Frau Brede-Hoffmann, in den Grundschulen geht es landläufig nur um Betreuung, und in den Gymnasien ist das hoffentlich die breite Übereinstimmung, dass der Bildungsauftrag im Vordergrund steht.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Nach den Erkenntnissen der PISA-, IGLU-Studie usw. kann die Bedeutung der Grundschule insbesondere im bildungspolitischen Bereich und für das Lernen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier haben wir in Rheinland-Pfalz Nachholbedarf, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, Frau Kollegin Brede-Hoffmann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, aus der Unterrichtung der Landesregierung, die schon zitiert wurde, geht weiterhin hervor, dass nur an ganz wenigen Ganztagsschulen die Möglichkeit angenommen wird, den gesamten Zeitraum von 8 Uhr bis 16 Uhr organisatorisch und pädagogisch neu zu gestalten und wirkliche Ganztagsklassen einzurichten. Wir würden uns wünschen, dass das Bildungsministerium auf die Schulen, bei denen das organisatorisch möglich wäre, stärker zugeht und versucht auf sie einzuwirken, den Schulalltag in Gänze neu zu gestalten. Sie sollen die Schulen dabei unterstützen, wirklich unterrichtliche Ergänzungen über den ganzen Schulalltag verteilt anzubieten. Das ist Aufgabe des Ministeriums.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz darauf eingehen, dass die Belastungen für die Schulleitungen insbesondere im Ganztagsbereich wirklich drastisch sind. Man muss sagen, in den letzten Jahren und in der letzten Zeit sind auf die Schulleitungen viele zusätzliche Aufgaben zugekommen. Beispielsweise sind Qualitätsentwicklungsprozesse zu initiieren und zu unterstützen. Dazu gehört auch das Projekt „Erweiterter Selbstständigkeit“. Ich bitte Sie zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, im Bereich der Ganztagsschulen wirkliche Koordinatorinnen und Koordinatoren bei den Ganztagsschulen einzusetzen, um die Schulleitungen bei den zusätzlichen Aufgaben zu unterstützen, die sie haben.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Wir GRÜNEN haben uns schon lange vor Ihnen für einen massiven Ausbau von Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz ausgesprochen.

Ich verspreche Ihnen, wir werden diese Entwicklung weiterhin konstruktiv und kritisch begleiten. Vor allem werden wir immer wieder auch ein durchorganisiertes pädagogisches Konzept einfordern.

(Glocke der Präsidentin)

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht diskutieren wir das hier auch so oft, weil es doch die Hoffnung gibt, dass in der Argumentation Bewegung erkennbar ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich will nach dieser Debatte nicht verhehlen, dass Bewegung erkennbar ist. Herr Abgeordneter Keller, ich empfinde es als einen großen Fortschritt, dass Sie sagen: Das ist ein gutes Projekt, und wir brauchen es. –

(Beifall der FDP – Frau Brede-Hoffmann: Das war der Ansatz!)

Danach kommt dann viel der alten Kritik, aber eben doch vor einem anderen Hintergrund.

Herrn Abgeordneten Wiechmann ist es leichter geworden, diesem Projekt zuzustimmen, seit es das Investitionsprogramm des Bundes gibt.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich freue mich über das Investitionsprogramm. Dass das auch noch die nette Begleiterscheinung hat, dass Sie das jetzt aus Ihrem Herzen sozusagen offen zu Tage tragen können an diesem Projekt, das freut mich auch; denn die Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz ist zweifelsohne eines der größten Schulentwicklungsprojekte, das in diesem Land je auf die Reise gegeben worden ist. Wir haben uns im Jahr 2001 für einen völlig neuen Weg entschieden. Wir haben dieses Thema, das zum damaligen Zeitpunkt bei weitem nicht bundesweit diskutiert worden ist, hier zu einem zentralen Projekt pädagogischer Weiterentwicklung gemacht.

Herr Abgeordneter Keller, Sie haben Recht, es waren unterschiedliche Gründe, die uns bewegt haben. Natürlich spielt für uns eine Rolle, dass wir mit staatlicher Infrastruktur Familien unterstützen wollen. Das war eine Motivation für die Ganztagsschule.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Natürlich ist es mir als Frauenministerin ein besonderes Anliegen, dass die Ganztagsschule zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere für Frauen, beiträgt. Natürlich haben wir diskutiert, dass wir mit der Ganztagsschule wirtschaftspolitisch im Sinne eines guten Standortfaktors etwas erreichen wollen. Natürlich haben wir auch gesagt, das hat auch sozialpolitische Aspekte im Hinblick auf eine bessere Förderung von Kindern. Aber in der Tat, die ausschlaggebende Motivation war die bildungspolitische. Jetzt sage ich es noch einmal: Schulentwicklungsprojekt im Sinne einer Veränderung der Lehr- und Lernkultur in unseren Schulen. – Das ist uns in hohem Maß gelungen und ist, glau

be ich, der Punkt, der für das Bildungssystem insgesamt am wichtigsten ist.

(Vereinzelt Beifall der SPD und Beifall der FDP)

Dass die Ganztagsschule heute bundesweit akzeptiert ist, dazu hat sicherlich das Bundesprogramm, über das ich mich sehr freue

(Beifall des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

200 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren für Rheinland-Pfalz – beigetragen. Aber Herr Abgeordneter Wiechmann, mein Kollege Zöllner würde sagen, seine sprichwörtliche Bescheidenheit – ich nehme das auf –, verbietet es mir aber doch nicht zu sagen, dass auf das Bundesprogramm und seine Ausgestaltung das Land Rheinland-Pfalz auch ein ganz klein bisschen Einfluss hatte.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Ganztagsschulprojekt in Rheinland-Pfalz ist – darauf ist hingewiesen worden – von Besonderheiten geprägt.

Erste Besonderheit: Wir übernehmen zu 100 % die Kosten für das pädagogische Personal.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zweite Besonderheit: Die Ganztagsschulen selbst entscheiden, welches Personal sie davon dann letztlich zum Einsatz bringen, ob es Lehrkräfte sind, ob es pädagogische Fachkräfte sind oder ob es außerschulische Partner sind. Herr Wiechmann, jetzt sage ich auch einmal, Sie weisen immer wieder darauf hin, die Schulen brauchen mehr Selbstständigkeit. Jetzt geben wir sie ihnen, und dann sind Sie der Erste, der kritisiert, wie sich die Schulen entschieden haben.

(Beifall bei SPD und FDP – Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie machen auch andere Vorgaben als das, was eingehalten wird!)

Das ist ein Punkt, wo wir nach wie vor kontrovers diskutieren. Ich halte es für absolut unzulässig, zu behaupten, sobald außerschulische Partner – damit eine Profession außerhalb des Lehrerberufs – in der Schule sind, sei dies kein pädagogisches Angebot mehr.

(Beifall der SPD und der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit, das kann ich auch als Jugendministerin nicht vertreten.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)