Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Diese Landesregierung kann in der Finanzierung keine Wunder vollbringen. Die Hochschulpolitik ist aber finanzpolitisch durch einen langen Atem ausgezeichnet, der zu der heutigen Situation geführt hat, die im Hinblick auf ihre Wertigkeit und ihre Auswirkungen viel besser ist als zu Beginn der 90er-Jahre. Die Hochschulpolitik zeichnet sich weiter durch ihre Kalkulierbarkeit in der Finanzierbarkeit aus.

Frau Thomas, Sie haben Recht. Ich hätte gern – ich bin sicher, auch der Finanzminister – das Flächenmanagement bereits auf dem Weg. Sie können und sollen es mit Recht einfordern. Wir kneifen auch nicht, sondern sagen, dass wir versuchen müssen, es noch in dieser Legislaturperiode zu schaffen. Frau Thomas, wenn wir sachlich miteinander diskutieren, dann sollten Sie aber auch dazusagen, dass es für die beiden anderen Ressortbereiche, in denen Ressourcen akquiriert werden, nur in Rheinland-Pfalz ein solch transparentes und nachvollziehbares Anreizsystem bereits gibt. Wir haben es noch nicht für die Flächen, aber für die anderen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Frau Thomas, das, was andere mit großen Worten als Bildungspakte oder Bildungsbündnisse – was noch

schöner klingt – beschreiben, ist nichts anderes als das, was wir praktizieren. Wir praktizieren es de facto mit den zwangsläufig notwendigen Sanktions- und Belohnungsmechanismen, damit solche Pakte funktionieren. Ansonsten würden wir uns nur gegenseitig den Rücken streicheln und uns loben, wenn es weder gute noch schlechte Konsequenzen gibt, je nachdem, ob wir in die richtige Richtung marschieren.

Dies wird fortgesetzt werden. Meine Damen und Herren, das führt offensichtlich zu einem Erfolg. Ich will jetzt nicht die Erfolgsbilanz in allen Bereichen aufgreifen, sondern das anschauen, was im Bereich der Studierenden passiert ist, die in Rheinland-Pfalz scheinbar in chaotischen Verhältnissen ihrem Studium nachgehen müssen.

Im Jahr 1992 sind 6.778 Studierende aus RheinlandPfalz mehr in ein anderes Land gegangen als umgekehrt. Dieser Saldo hat sich mit jedem Jahr zu unseren Gunsten verbessert, sodass heute 3.219 Studierende mehr nach Rheinland-Pfalz kommen als umgekehrt. Das ist offensichtlich – je nach Standpunkt – eine Insel der Glückseligkeit oder eine Belastung gegenüber den anderen. Abgesehen von Rheinland-Pfalz gibt es nur noch in Nordrhein-Westfalen einen positiven Wanderungssaldo. In Hessen sind es 1.714 Studierende, die mehr nach außen gehen. In Baden-Württemberg, dem gelobten Ländle der Wissenschaft, beträgt der Saldo minus rund 10.000 Studierende. Im Saarland sind es minus 5.000 Studierende.

Sie könnten jetzt sagen, dass das durch die Strukturen bedingt sei. Im Saarland war es zu Beginn der 90erJahre so, dass nur rund 700 Studierende mehr ausgewandert sind und ihre Fort- und Weiterbildung und ihre Qualifikation in einem anderen Bundesland gesucht haben. Jetzt sind es ca. 5.000 Studierende.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe nicht den Eindruck, dass sich das saarländische Hochschulsystem im Hinblick auf seine Qualität auf Kosten von ca. 5.000 Studierenden, die jedes Jahr das Saarland verlassen, zu einer Spitzenlandschaft in dieser Republik oder auf der Welt emporgearbeitet hat, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei SPD und FDP)

Frau Kohnle-Gros, ich versichere Ihnen, dass es sich langfristig rechnen wird, weil die Basis für einen langfristigen wirtschaftlichen Aufstieg die Ausbildungsbasis der jungen Menschen ist. Es geht nicht nur darum, dass sie gut sind; aber mehr Gute sind besser als weniger Gute. Diese Politik sollten wir verfolgen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Frau Thomas, ich unterstütze in aller Öffentlichkeit das Anliegen, dafür zu sorgen, dass die Erlöse von Goldverkäufen der Deutschen Bundesbank zur Finanzierung von Innovationen und Wissenschaft genutzt werden. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie die Initiative der Landesregierung unterstützt hätten, meine Äußerungen, dass wir es nur schaffen werden, im Wissenschafts- und Bil

dungsbereich die notwendigen Finanzen zu erreichen, wenn wir einen Paradigmenwechsel prinzipieller Art in Bezug auf unser Finanzverständnis und unser Haushaltsgebaren letztlich praktizieren.

Dann geht das nicht mit dem 3 % Verschuldungskriterium der EU, sondern dann muss es – so wie der Herr Ministerpräsident das formuliert – ein Ende damit haben, dass Investitionen in Friedhofsmauern wertvoller sind als die Investitionen in Köpfe. Dazu muss etwas gemacht werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dann sollten Sie uns auch unterstützen, wenn wir das tun. Ich freue mich auf den Augenblick, wenn konkrete Vorschläge gemacht werden, da wir dann offenbar in der Lage sein werden, gemeinsam als Parlament hinter so etwas zu stehen. Auch zu so etwas kann das dienen.

Gewundert habe ich mich etwas bei der Diskussion um die Studiengebühren. Ich gehe jetzt davon aus, dass alle tatsächlich persönlich das meinen, was sie hier gesagt haben. Dann frage ich aber vor allen Dingen die beiden Oppositionsfraktionen, ob sie dann nicht möglicherweise von Ihrer Position einer gewissen Skepsis gegenüber dem rheinland-pfälzischen Modell der Studienkonten doch abrücken könnten oder sollten.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Thomas, Ihr leidenschaftlicher Kampf – darauf zielte mein Schlenker, dass Sie sich von der Dramatik der parlamentarischen Intervention doch möglicherweise etwas haben mitreißen lassen – hat mich natürlich schon etwas gewundert. Bei der Beobachtung der bundesrepublikanischen Szene habe ich den Eindruck, dass es bisher keinen Fall gegeben hat, bei dem sich in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Fischer nicht durchgesetzt hätte. Sie wissen sicherlich, dass es eine eindeutige öffentliche Positionierung Ihres Vorsitzenden aus vergangenen Tagen und des jetzigen Meinungsführers Fischer gibt, dass Studiengebühren eingeführt werden sollten.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund frage ich mich, wie Sie, wenn Sie in der Verantwortung sind, dies verhindern wollen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wenn Sie sich hinstellen und leidenschaftlich gegen ein Modell für die Hochschulen kämpfen, von dem sie genau wissen, das es die einzige realistische Alternative ist, um die klassischen Studiengebühren ab dem ersten Sem ester zu verhindern, habe ich schon ein bisschen den Zweifel, ob da Wort und Tat im Einklang stehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Kalkulierbarkeit gibt es. Wir brauchen keine Verträge mit den Hochschulen. Bei dem Personalbemessungskonzept handelt es sich um

Ziehungsrechte. Sie sind sicher eng begrenzt, aber „einklagbar“. Wir brauchen dies nicht. Diese Verlässlichkeit ist das, wodurch die Hochschulen im Augenblick in die Lage versetzt werden, mit den sicher engen Finanzmitteln zurecht zu kommen.

Es ist gerade der Kraftakt im vergangenen Haushalt gewesen, weshalb die Hochschulen keine Budgetierungsdividende zu erbringen hatten. Das wurde innerhalb des Gesamthaushalts – in diesem Fall im Rahmen des Einzelplans 15 – aufgefangen. Die Hochschulen waren aber nicht diejenigen, die dieses Päckchen zu tragen hatten, sondern das musste aufgrund von Einsparungen bei der allgemeinen Forschungsförderung oder bei überregionalen zentralen Aktivitäten erbracht werden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn wir alle das meinen, was wir heute zu diesem Tagesordnungspunkt gesagt haben, können wir in den zentralen Fragen sehr schnell zueinander finden. Es bleibt aus meiner Sicht nur ein einziger zentraler Punkt des Unterschieds. Den sollten wir dann auch austragen, weil er es ermöglicht, in vielen entscheidenden Dingen gemeinsam zu gehen.

Frau Kohnle-Gros, ich bin der festen Überzeugung, dass der Ansatz, den Sie angedeutet haben, nämlich eine Optimierung des Systems – ich bestreite nicht, dass das so erreichbar ist – und ein Ansatz der Selektion und der Verminderung der Zahl, gehbar ist. Ich bin aber der festen Überzeugung – das ist die Position dieser Landesregierung –, dass die Zukunft von Bildung und Wissenschaft nur in einem Gleichklang von Fördern und Fordern und nicht in einer Selektion liegt, weil wir eine breite Basis von gut ausgebildeten jungen Menschen brauchen, auf die von denen, die besonders leistungsfähig sind, eine Spitze gesetzt wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir werden es sicherlich in Verfolgung der Umsetzung der Hochschulgesetzesnovelle und in Verfolgung der Schwerpunktbildung im Haushalt – damit wir wieder zu Investitionen in die Fraunhofer-Gesellschaft und Ähnlichem zurückkommen – in Rheinland-Pfalz trotz der nicht breiten Finanzdecke schaffen, einen Weg zu finden, die Breitenförderung mit einer Profilbildung in der Spitze zu verbinden, sodass wir gut wettbewerbsfähig sind.

Damit die oft gestellte Frage, ob wir eine Chance haben, und Sie mit Ihrem Schlenker, dass wir im Ranking so schlecht wären, eine konkrete Antwort erfahren, sage ich Folgendes: Ich sehe dem, wenn das vernünftig gemacht wird – meine Position dazu ist bekannt –, in aller Ruhe in Bezug auf die rheinland-pfälzische Hochschullandschaft entgegen.

Sie haben Rankings aus dem „Stern“, „Spiegel“ und Ähnliches zitiert. Ich darf Ihnen sagen, dass das Ranking, das in diesem Bereich maßgebend sein wird, ein Ranking von Leuten sein wird, die tatsächlich in der Lage sind, die Kompliziertheit der Wissenschaft zu beurteilen.

Es gibt eine internationale Studie, die vor einem halben Jahr veröffentlicht worden ist, in der insgesamt 105

Wissenschaftsfelder auf der ganzen Welt untersucht wurden. Es wurde eine Rangliste von Institutionen und Einrichtungen mit den Plätzen, die sie in den entsprechenden Bereichen einnehmen, aufgestellt. Von den 105 Wissenschaftsfeldern gibt es nur sechs Wissenschaftsfelder – das ist ein bundesrepublikanisches Problem –, bei denen sich deutsche Einrichtungen unter den ersten Zehn platzieren konnten. Von diesen sechs kommt eine aus Rheinland-Pfalz. Wenn wir von sechs Universitäten der obersten Spitzenklasse eine haben, ist mir um die rheinland-pfälzische Hochschullandschaft nicht bange.

Ich bedanke mich.

(Anhaltend Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Thomas für eine Kurzintervention das Wort.

Herr Professor Zöllner, ich will nur einen Aspekt aufgreifen, den Sie genannt haben. Sie haben gesagt, eigentlich gibt es bei uns so etwas wie ein Bildungsbündnis und eine verlässliche Finanzierung.

Ich weiß nicht, was die Hochschulleitungen mit Ihnen besprechen, aber ich kann durchaus über das berichten, was sie mit mir besprechen. Ich war mit vielen im Gespräch und habe insbesondere noch die Gespräche mit dem Mainzer Hochschulpräsidenten im Kopf. Er hat gesagt: Natürlich kommen wir in die Bredouille. Es gab die Zusage, dass wir innerhalb der Hochschulen mit den Mitteln, die wir in den Jahren nicht verbrauchen, quasi Rücklagen bilden können, wodurch wir in die Lage versetzt werden, innerhalb unserer Hochschule so etwas wie das Dezemberfieber zu vermeiden, indem Fachbereiche, die Finanzentscheidungen treffen, sagen, wir brauchen das uns zugewiesene Geld in diesem Jahr nicht komplett, aber wir legen das zurück, weil wir eine bestimmte Anlage benötigen oder ein bestimmtes Projekt verwirklichen wollen.

Sie wissen selbst genau, wofür das Geld jetzt verwendet wird. Das, was in den einzelnen Fachbereichen für solche Zwecke zurückgelegt wurde, muss jetzt innerhalb der Mainzer Universität – bei den anderen Universitäten ist das nicht anders – genutzt werden, um den Alltagsbetrieb zu finanzieren. Wenn Sie die Budgetierungsdiskussion innerhalb der Landesregierung und ihren Ressorts verfolgen, wissen Sie, was das für einen Effekt hat. Denjenigen, die nichts in diese Rücklage gelegt haben, kann man nichts wegnehmen. Diejenigen, die aber etwas hineingelegt haben und gesagt haben, wir haben ein Superprojekt, für das wir dieses Geld ausgeben wollen, wird dieses Geld im Moment entzogen. Der Effekt ist, dass sie sagen: Wir sind nicht noch einmal so blöd und legen Geld zurück, wenn nachher einer kommt, egal ob er Michaelis oder Mittler heißt, und uns das wegnimmt. Daher werden wir das nicht mehr tun.

Der Effekt, den ich durchaus begrüße, wenn man mit Budgets arbeitet, der nämlich in der eigenen Steuerung und durch die Zusammenlegung von Finanz- und Fachverantwortung liegt, ist weg. Dieser Effekt ist nicht nur für ein Jahr, sondern für eine viel längere Frist weg. So viel will ich nur zur Verlässlichkeit sagen.

Das waren keine Kleckerbeträge. Sie haben uns selbst im Ausschuss gesagt, dass es für die rheinlandpfälzischen Hochschulen gemeinsam ein Betrag von meines Wissens 30 Millionen Euro war. Dies wirkt sich aus. Es spricht keiner mehr von Verlässlichkeit, sondern es wird eher davon gesprochen, dass sie um das, was sie geplant haben und was sie machen wollten, betrogen wurden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Na, betrogen!)

Ich erteile Herrn Staatsminister Professor Dr. Zöllner das Wort.

Das war für mich ausgesprochen interessant, weil ich jetzt offensichtlich etwas lernen werde. Ich weiß nur, dass die Universität Mainz im Jahr 2003 ihre Rücklagen um 50 % erhöht hat. Wie das damit in Einklang zu bringen ist, dass sie aus diesen Rücklagen laufende Geschäfte finanzieren musste, wird mir sicher jemand erklären. Deshalb werde ich weiser werden. Das ist nämlich nicht möglich. Fakt ist, sie haben die Rücklage um 50 % erhöht und nicht, wie Sie gesagt haben, verbraucht.

Nun zu den Aussagen.

Ich komme zu Ihrer Aussage. Da ich bisher von Ihnen nicht zu den Gesprächen, die Sie mit dem Präsidenten geführt haben, eingeladen worden bin, lade ich Sie zu meinem nächsten Gespräch ein. Dann gibt es keine Missverständnisse mehr.

(Beifall der SPD und der FDP)