Protokoll der Sitzung vom 11.02.2004

Meine Damen und Herren, immer häufiger machen sich beispielsweise Kriminelle den technischen Fortschritt in der Telekommunikation für die Begehung von Straftaten zunutze. Vor dieser Entwicklung dürfen wir nicht die Augen verschließen. Gerade mit Handys unter Austausch von „SIM-Karten“ und „Prepaid-Karten“ werden konspirativ Straftaten geplant und vorbereitet. Dies gilt gerade im Bereich der Drogenkriminalität, aber beispielsweise auch im Vorfeld von großen Fußballspielen, wo sich rivalisierende Hooligans über Handys sozusagen verabreden.

Nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Fußballweltmeisterschaft in etwas mehr als zwei Jahren muss auch die Polizei in Rheinland-Pfalz für derartige Gefahrens ituationen gerüstet sein.

Meine Damen und Herren, die Telekommunikationsüberwachung ist ein angemessenes und in vielen Fällen auch das einzige Mittel, um schwer wiegende Straftaten verhindern zu können.

Deshalb spricht aus meiner Sicht auch nichts dagegen, der Polizei bereits im Bereich der Gefahrenabwehr die Befugnis der Telekommunikationsüberwachung zu präventiven Zwecken zu ermöglichen – ich betone zu präventiven Zwecken –, sofern hierbei die berechtigten Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger nicht zu sehr tangiert werden.

Um Letzteren Genüge zu tun, muss die präventive Telefonüberwachung auf wenige Ausnahmefälle unter klar

definierten engen Voraussetzungen beschränkt werden. Diesem Erfordernis trägt der gemeinsame Änderungsantrag der beiden Regierungsfraktionen umfänglich Rechnung.

Die Möglichkeit der präventiven Telekommunikationsüberwachung wird genau auf die Fälle beschränkt, in denen Gefahren für Leib und Leben von Personen nicht anders begegnet werden kann. Dadurch wird all denjenigen unbegründeten Befürchtungen entgegengetreten, die Telekommunikationsüberwachung würde zu einem alltäglichen Instrument der rheinland-pfälzischen Polizei werden.

Meine Damen und Herren, Änderungsbedarf ergab sich für unsere Fraktion auch hinsichtlich des Schutzes der Amts- und Berufsgeheimnisse. Trotz den wahrlich engen gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen verdeckte Ermittlungen gegen Geistliche, Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung möglich sein sollen, erachten wir einen umfassenden Schutz der Amts- und Berufsgeheimnisse dennoch für unverzichtbar.

Deshalb werden die Amts- und Berufsgeheimnisträger aus dem Anwendungsbereich von verdeckten Ermittlungen herausgenommen, so weit das Amts- oder Berufsgeheimnis reicht. Sofern allerdings kein durch ein Amtsoder Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis mehr vorliegt, sind verdeckte Datenerhebungen möglich. Ich denke, dies ist mehr als konsequent.

Die Vertraulichkeit des seelsorgerischen Gesprächs mit den Geistlichen und das Mandantengespräch mit dem Rechtsanwalt bleiben also ebenso weiterhin gewahrt wie das Arztgeheimnis und das Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und Informanten.

Damit gilt für den Personenkreis der Amts- und Berufsgeheimnisträger der gleiche Schutz, den Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten auch nach der Strafprozessordnung erfahren.

Wird allerdings das Berufs- und Amtsgeheimnis dergestalt missbraucht, dass der Berufs- oder Geheimnisträger selbst mit der sich ihm „anvertrauenden“ Person konspirative Gespräche führt, die nicht mehr dem zu schützenden Vertrauensverhältnis zuzuordnen sind, oder sich mit diesem gar zu Straftaten verabredet, so sind diese Berufsgruppen nicht anders zu behandeln als jeder andere Bürger auch.

In diesen Fällen – ich erwähnte dies bereits – können also auch gegen sie verdeckte Datenerhebungen durchgeführt werden. Dies dürfte auch bei den genannten Berufsgruppen auf Verständnis stoßen.

Meine Damen und Herren, zwischen den Jahren schlugen die Wellen hoch, als über die Presse bekannt wurde, dass in einigen Bundesländern die verdachtsunabhängige Videoüberwachung wichtiger Verkehrsknotenpunkte geprüft werde. In Rheinland-Pfalz war und ist die Einführung von Überwachungskameras zur dauerhaften

anlassunabhängigen Erfassung von Kfz-Zeichen nicht angedacht. Sie war nie angedacht.

(Beifall bei FDP und SPD)

Dies wurde im Laufe der insbesondere durch das Pilotprojekt in Thüringen auf der A 71 am Rennsteigtunnel angestoßenen öffentlichen Diskussion immer wieder versucht zu transportieren.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion lehnt jede dauerhafte Überwachung des öffentlichen Verkehrsraums ohne konkreten Anlass ab. Alles andere würde den Weg in einen „Überwachungs“-Staat ebnen.

Nicht zuletzt deshalb hat die FDP-Fraktion die Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten aufgegriffen und darauf gedrängt, die Bestimmungen zur Überwachung des öffentlichen Verkehrsraums im Entwurf des Polizeiund Ordnungsbehördengesetzes der Landesregierung zu präzisieren.

Dieser schließt nach unserer rechtlichen Einschätzung anlassunabhängige Kontrollen im öffentlichen Verkehrsraum gerade nicht explizit aus. Wäre erst einmal die Rechtsgrundlage für derartige Kontrollbefugnisse geschaffen, brächten die Willensbekundungen, dass an anlassunabhängige Kontrollen nicht gedacht sei, wenig.

Deshalb hat sich unsere Fraktion dafür eingesetzt, dass im Gesetzestext explizit klargestellt wird, dass nach dem rheinland-pfälzischen Polizeirecht anlassunabhängige Kontrollen unzulässig sind und die Einrichtung von Dauerkontrollstellen nicht erfolgen darf.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch erwähnen, dass es unsere Fraktion ausdrücklich begrüßt, dass mit den Neuregelungen im Polizeigesetz umfangreiche Löschungsregelungen sowie eine Begründungspflicht der Polizeibehörden bei Speicherung oder Nutzung der beim automatisierten Datenabgleich gewonnenen Bild- und Tonaufzeichnungen vorgesehen sind.

In den Fällen von häuslicher Gewalt wird zusätzlich ein befristetes Kontakt- und Näherungsverbot in das Polizeigesetz aufgenommen und damit nicht nur eine Schutzlücke im Gesetz geschlossen, sondern der Schutz für Opfer häuslicher Gewalt an entscheidender Stelle maßgeblich verbessert. Gleichzeitig erfolgt eine inhaltliche Angleichung an das Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene.

Als schade empfinde ich es, dass die CDU ihren Gesetzesantrag nicht zurückgezogen hat.

(Zuruf von der CDU: Doch, wir haben zurückgezogen! – Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Habt Ihr zurückgezogen? Im Innenausschuss war es noch nicht der Fall.

(Staatsminister Zuber: Das wird sofort begrüßt! – Billen, CDU: Herr Hohn, wo waren Sie denn?)

Frau Kohnle-Gros, das muss sofort begrüßt werden.

Die in diesem ursprünglichen CDU-Antrag geforderte Ausweitung der polizeilichen Befugnisse ist spätestens heute mit den zu verabschiedenden Änderungen im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz überholt. Ich denke, Sie stimmen zu. So wird beispielsweise mit diesem die Dauer der Freiheitsentziehung zum Zweck der Gefahrenabwehr von 24 Stunden auf bis zu sieben Tage erhöht. Eine weiter gehende Ausweitung der präventivpolizeilichen Ingewahrsamnahme, wie ursprünglich von der CDU gefordert, erachten wir nicht für erforderlich.

Ausdrücklich geregelt im neuen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz wird auch der Einsatz moderner Videotechnik unter anderem zur Überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten auf öffentlichen Straßen und Plätzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend denke ich, dass das Land Rheinland-Pfalz mit den Änderungen ein modernes und zukunftsorientiertes Polizeirecht schafft und damit Sorge trägt, dass auch künftig die Innere Sicherheit in unserem Land auf höchstem Niveau gewährleistet werden kann.

(Beifall bei FDP und SPD)

Den Beamtinnen und Beamten bei der rheinlandpfälzischen Polizei sowie den kommunalen Ordnungskräften wird für deren täglichen Dienst ein klares und insbesondere praktikables Regelwerk an die Hand gegeben.

In einzelnen Bereichen haben die beiden Regierungsfraktionen nach der Anhörung noch einmal im Sinn der Anwender des Gesetzes nachgebessert. Ich denke beispielsweise an § 13 oder aber auch an § 20 Abs. 3, sodass alle mit den Änderungen gut leben können, glaube ich. Dies zeigt sich auch daran, dass wir die Änderungen im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz heute mit großer Mehrheit beschließen werden.

Die FDP-Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass die Änderungen im Polizeirecht auch von der CDU-Fraktion mitgetragen werden. Dies zeigt uns, dass mit den Änderungen im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz ein angemessener Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit gelungen ist.

Ich danke Ihnen.

Es spricht Herr Innenminister Zuber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung stellt meines Erachtens eines der zentralen Gesetzesvorhaben in dieser laufenden Legislaturperiode dar. Dessen Ziel ist es, ein modernes Polizeirecht zu schaffen und damit ein Mehr an Sicherheit zu gewährleisten, Frau Abgeordnete Grützmacher.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weniger an Freiheit!)

Gleichzeitig gibt das neue Gesetz unserer Polizei und den Ordnungsbehörden ein Werkzeug an die Hand, um im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung der jeweiligen Lage entsprechend eingreifen zu können.

Frau Grützmacher, zu Ihrem Beitrag fällt mir eigentlich nur die Frage ein. Welches Bild haben Sie von unserer rheinland-pfälzischen Polizei?

(Beifall bei SPD und FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Entwurf trägt die klare sozial-liberale Handschrift dieser Landesregierung, die damit ihren erfolgreichen Weg in der Sicherheitspolitik der vergangenen rund 13 Jahren konsequent weitergeht.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Welches Bild haben Sie von unseren Bürgerinnen und Bürgern?)

Ich freue mich über die Zustimmung der Union zu diesem Gesetz. Wenn ich mich an die vergangenen Jahrzehnte zurückerinnere, dann hat dies eine gute Tradition bei der Verabschiedung des Polizeigesetzes, und zwar unabhängig davon, wie jeweils die Rollen besetzt waren.

Ich möchte mich an dieser Stelle für die konstruktiven Beratungen im Plenum und in den Fachausschüssen und bei all denjenigen, die sich schriftlich oder mündlich sachkundig geäußert haben, bedanken. Dadurch wurde erreicht, dass der Entwurf eine breite Zustimmung erfahren wird, wie eben signalisiert wurde, auch wenn darüber hinausgehende Vorstellungen der größten Oppositionsfraktion nicht in das Gesetz eingeflossen sind.

Meine Damen und Herren, vielfältige neue Herausforderungen zeigen etwa bei der Organisierten Kriminalität, dass die derzeitigen Befugnisse der Polizei und der allgemeinen Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr und zur Prävention nicht mehr ausreichen und an die aktuelle Sicherheitslage angepasst werden mussten.

So haben wir seit den Anschlägen in den USA vor rund zweieinhalb Jahren erkennen müssen, dass die gesamte Welt mit terroristischen Bedrohungen von bislang nicht gekanntem Ausmaß rechnen muss. Die letzten Attentate in Istanbul, Riad und vorige Woche in Moskau belegen die Gefahr weiterer Anschläge mit einer großen Anzahl von Toten und Verletzten.

Der Staat hat die Verpflichtung, auf solche Bedrohungen zu reagieren und notwendige polizeiliche Ermächtigungen zum Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Hierüber besteht im Landtag zum Glück große Einigkeit.

(Beifall bei SPD und FDP)