Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Herr Kollege Weiner hat das Wort.

Vielleicht schöpfe ich die Redezeit nicht aus.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, dem Beginn Ihrer Rede kann ich nur zustimmen.

Wir müssen anhand der Studie die demographischen Entwicklungen auf die Investitionen des Landes bei Kindergarten und Schulbauprogrammen herunterbrechen, aber auch in anderen Bereichen und damit vielleicht auch den einen oder anderen Euro damit freischaufeln, um an den Punkten, bei denen Defizite herrschen – Sie haben am Schluss das Wort der Solidarität erwähnt –, stärker gegensteuern zu können.

Ein zweiter Punkt: Der Club of Rome hat in den 70erJahren eine Studie mit dem Namen „Grenzen des Wachstums“ herausgegeben. Wenn man heute – heute leben wir in diesem Prognosezeitraum – nachschaut, sind Gott sei Dank viele dieser Prophezeiungen und

Prognosen nicht eingetroffen, weil die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft entsprechend gegengesteuert haben.

Das macht uns optimistisch, dass wir auch mit vereinten Kräften in den Landesteilen, in denen Nachholbedarf besteht, entsprechend gegensteuern können und im Jahr 2020 diese Landesteile den Anschluss gefunden haben werden.

Zur B 10 wäre es natürlich hilfreich, wenn die Aussagen der Landesregierung von Anfang an hinsichtlich der Frage, ob es nur um das „ob vierspurig“ oder um das „wie“ geht, deutlicher gewesen wären, Herr Ministerpräsident. Es muss natürlich so sein, dass, wenn Sie für die Landesregierung oder Ihr Minister eine Aussage gegenüber einem offiziellen Vertreter einer Gebietskörperschaft treffen, diese Aussage dann auch vor der Öffentlichkeit Bestand hat.

Wir wollen sehen, was die Mediation für ein Ergebnis hat, ob diejenigen Recht behalten, die sagen, das war nur Zeitverschwendung, oder andere, die sagen, es gibt ein Ergebnis. Das müssen wir in der Tat abwarten.

Ein vierter Punkt, der noch nicht angesprochen worden ist, ist, das Land Rheinland-Pfalz hat einen Pendlerüberschuss – also mehr als 100.000 Pendler, die mehr in die starken Ballungsräume der Nachbarregionen auspendeln – von über 100.000 Menschen. Damit ist eine gewisse Entlastungswirkung gegeben.

Wir sollten uns aber davor hüten, uns in den Bereichen, die noch relativ gut dastehen, wohlhabender zu rechnen, als wir es sind.

Ein letzter Punkt: Zuwanderung und Geburtenrate. Herr Ministerpräsident, diesbezüglich stimme ich mit Ihnen vollkommen überein. Ich habe das auch in der EnqueteKommission gesagt. Die Geburtenrate in Deutschland ist nicht als Fakt anzusehen, sondern auch hier kann die Politik durch eine familienfreundliche Art und Weise der Ausgestaltung, von der Steuerreform bis hin zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, vieles machen.

Wir sollten jedes Gesetz, das wir machen und das im Bund gemacht wird, daraufhin prüfen, ob diejenigen, die Kinder haben, und diejenigen, die keine Kinder haben, gesetzlich fair und gleichartig behandelt werden, um Nachteile für die Familien mit Kindern abzubauen.

(Beifall der CDU)

Ein Letztes zu der Zuwanderung: Wir müssen uns auch überlegen, wie wir es so steuern können, dass die richtigen Menschen nach Deutschland kommen, nicht Menschen, die in die Arbeitslosigkeit hineingehen, sondern Menschen, die wir brauchen.

Eine Steuerung der Zuwanderung über eine gute Bildungspolitik, über die Hochschulen, wäre zum Beispiel zu diskutieren. Wenn entsprechend hoch qualifizierte Menschen aus dem Ausland herkommen, um bei uns

eine Hochschule zu besuchen, bleiben viele oder etliche von ihnen auch in Deutschland.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn sie dürften!)

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns überlegen, ob wir nicht viel mehr machen müssen, um an den Hochschulen auch mit der finanziellen Ausstattung eine gute Bildung und, im Sinne einer qualifizierten Zuwanderung, mehr Kapazitäten auf die Hochschulen zu lenken.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat der Herr Kollege Kuhn.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir ganz wenige Worte vielleicht auch zum Schluss dieser sehr anregenden Debatte.

Politische Schlussfolgerungen aus einer solchen Untersuchung. Man muss auch die Grenzen sehen – das ist richtig –, auch das, was der Herr Ministerpräsident vorhin gesagt hat.

Es ist eine Untersuchung. Es gibt viele Studien. Aber es birgt in sich etwas Neues, weil sie anhand vielfältiger Indikatoren alle Regionen Deutschlands unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen versucht.

Wie tragfähig das dann sein wird, wird man in der Zukunft noch sehen. Das ist auch erst einmal der Anfang einer solchen Diskussion.

Es gibt Grenzen der Aussagbarkeit. Das stellen wir auch fest, wenn wir das Kapitel Rheinland-Pfalz lesen. Da gibt es viele einfache Tatbestände, von denen wir alle wissen, dass uns das nicht vom Hocker haut.

Es gibt noch ein Problem, das man in einer solchen Studie offen legen muss. Es sind Momentaufnahmen. Zufälligerweise haben wir in meiner Heimatstadt Kaiserslautern in der letzten Woche eine Umfrage zur Kenntnis genommen, die von einer enormen Aufbruchsstimmung dieser Stadt zeugt.

In dieser Studie kommt Kaiserslautern eher negativ weg. Das heißt, ein solcher Trend kann auch in einer solchen Studie gar nicht erfasst werden und konterkariert natürlich den Aussagewert einer solchen Studie.

(Hartloff, SPD: Ist dieser Tend schon am Betzenberg angekommen? – Ministerpräsident Beck: Am Samstag!)

Es gibt einige Hoffnungen, dass das vielleicht überschlägt. Wollen wir hoffen, dass sich der FCK in diesem

Konzert positiv verhalten wird. Hoffen wir, dass er gewinnt.

Ich freue mich, dass diese Diskussion um Strukturveränderungen in unserem Land weitergeht. Ich denke, dass wir auch die Anregungen des Kollegen Dr. Gölter aufnehmen sollten, diese Studie und vielleicht auch andere in den Ausschüssen noch intensiver zu beraten.

Eines ist für die FDP-Fraktion klar: Alles, was wir an positiven politischen Strukturen und an positiven Leitlinien in diesem Land haben, haben wir bereits deutlich gemacht. Wir sind schon auf dem richtigen Weg. Aber wir müssen eines bedenken, und das ist auch Teil der Studie: Wir müssen und werden im Bildungsbereich die entsprechenden Akzente setzen. Herr Kollege Mertes, der heute leider nicht anwesend sein kann, hat vor einigen Wochen an dieser Stelle gesagt, die Entscheidungen in Konkurrenzsituationen fallen in den Klassenzimmern, in den Hörsälen und den Forschungseinrichtungen unseres Landes. Ich verweise zum Schluss auf die Struktur der Fachhochschulen in unserem Land, die flächendeckend ein Instrument regionaler Politik sind. Das heißt, Hochschule, Forschung und Bildung sind der Schlüssel für eine positive Entwicklung unseres Landes in der Zukunft.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Braun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Anmerkungen zu der Studie machen. In dem Teil der Studie, der Rheinland-Pfalz betrifft, wird geschrieben, die BASF sei natürlich für das hohe Bruttosozialprodukt im Stadtkreis Ludwigshafen zuständig. Weiter heißt es dort: „Dem Konzern ging es in den letzten Jahren nicht besonders gut. Beschäftigte die BASF in Ludwigshafen 1995 noch fast 46.000 Mitarbeiter,“ – es waren übrigens davor noch viel mehr – „waren es im Jahr 2003 gerade noch 38.000.“

Die Problematik ist anders: Der BASF ging es in diesen Jahren sehr gut. Aber auch wenn es der BASF sehr gut geht, haben wir deswegen nicht mehr Arbeitsplätze in Ludwigshafen. Gerade weil es der BASF so gut geht, kann und muss sie als Globalplayer natürlich auch in Asien investieren. Wenn dadurch, dass es dem einzelnen Betrieb sehr gut geht, nicht mehr Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz entstehen, sehen wir erst einmal die Dimension der Problematik.

Es ist schon oft erwähnt worden: Wir brauchen ein Wachstum, das über 2 % oder 3 % liegt, um die Produktivitätssteigerung aufzufangen.

(Kuhn, FDP: Richtig!)

Herr Kuhn, Sie können jeden fragen: Wir bekommen auf diesem Niveau kein dauerhaftes Wachstum von über 3 % mehr hin, auch dann nicht, wenn wir eine sinkende Bevölkerungszahl haben. Genau darüber reden wir zu Recht in der entsprechenden Enquete-Kommission.

Wir müssen lernen, das Wachstum in den absoluten Raten vom Wachstum pro Einwohner zu entkoppeln. Ich glaube, deswegen ist die Diskussion, die ein absolutes Wachstum von 2 % oder 3 % fordert, in eine Schieflage geraten. Das können wir im Jahr 2010 garantiert nicht mehr leisten. Wir haben ein Produktivitätswachstum pro Einwohnerin und pro Einwohner, das wir auch weiterhin steigern werden, weil mehr als eine Million Frauen, die momentan nicht am Produktionsprozess beteiligt sind, auch weiterhin in den Produktionsprozess integriert werden. Dies sind zum Teil hoch ausgebildete Frauen. Das heißt, wir werden pro Mensch in Deutschland mehr produzieren. Aber wir werden insgesamt keine industriellen Wachstumsraten wie früher mehr haben.

Wenn wir sehen, dass wir die Wachstumsraten in anderen Bereichen haben müssen, beispielsweise im Pflegeoder im Gesundheitsbereich, dann müssen wir in Rheinland-Pfalz entsprechende Strukturen dafür zur Verfügung stellen. Wir brauchen mehr Schulen, wir brauchen hoch qualifiziertes Pflegepersonal. Wir brauchen mehr Personal in der Bildung und Ausbildung. Ich glaube, dies ist auf die Dauer ein sehr entscheidender Punkt.

Herr Ministerpräsident Beck hat es vorhin erwähnt: Wir brauchen natürlich das Potenzial insgesamt, das wir haben. Wir können es uns nicht leisten, 30.000 oder 40.000 Jugendliche ohne Ausbildung in Deutschland zu lassen. Jeder einzelne Jugendliche in Deutschland, der ohne Ausbildungsplatz bleibt und später ohne Arbeitsplatz dasteht, ist verlorenes Potenzial. Es ist leichter, die Leute im eigenen Land auszubilden, als die Zuwanderung zu steuern. Das ist auch richtiger.

Aber wir werden momentan dank der CDU davon abgehalten, dass die Leute, die aus dem Ausland kommen und in Deutschland studieren, hinterher hierbleiben können. Das ist doch das, was wir wollen. Aber die CDU blockiert solche Lösungsmöglichkeiten. Sie müssen eine andere Politik machen. Das wäre eine Chance für das Land.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Creutzmann von der FDP-Fraktion hat das Wort.

Herr Kollege Dr. Braun, die Zahlen sind noch viel dramatischer. Wir hatten ursprünglich 52.000 Beschäftigte bei der BASF, und nun liegen wir etwa bei 34.000. Wir machen immer einen Fehler: Wir haben sehr viele

Fremdfirmen, die dort arbeiten. Herr Ministerpräsident Beck hat es erwähnt, ein Großteil der Abnahme der Beschäftigten wurde durch die Zunahme bei der mittelständischen Wirtschaft aufgefangen. Wir dürfen nicht immer von statischen Zahlen ausgehen.

(Dr. Schiffmann, SPD: Die sind auch weniger geworden!)