Wir müssen uns daran erinnern, dass RIGG als Gesamtkonzept nur dann zum Tragen kommt, wenn das „Kind schon in den Brunnen gefallen ist“ und die Gewaltsituation weder vor sich selbst noch vor anderen geleugnet werden kann.
Deshalb sollten wir im Verlauf dieser Aktuellen Stunde auch noch auf das Thema „Prävention“ zu sprechen kommen. Die besten Schutzfaktoren für Frauen und Kinder in nahen sozialen Beziehungen sind nach wie vor die materielle Unabhängigkeit, ausreichendes Selbs twertgefühl und ein gesundes Selbstbewusstsein. Daran müssen wir weiter verstärkt in den Kindergärten, in den Schulen, in der Medienpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik und auch – das ist ganz wichtig – in der Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie arbeiten.
Wir müssen natürlich auch an der Sozialisation von Jungen arbeiten – die Täter sind schon angesprochen worden –, damit wir ein anderes Rollenverständnis erreichen. Je erfolgreicher die Gesellschaft bei der Prävention ist, desto weniger Intervention brauchen wir für den Notfall. Sie werden mir aber Recht geben, dass wir noch weit davon entfernt sind, dass diese Art von Gewalt abnimmt. Deshalb müssen in den nächsten Jahren die Notfallauffanglinien verstärkt werden,
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass wir heute diese Aktuelle Stunde haben, weil auch ich die Intention so verstanden habe, dass das eine Gelegenheit ist, um dieses Thema, das es nicht immer so leicht hatte und es immer auch noch nicht so leicht hat, öffentlich wahrgenommen zu werden, noch einmal zu transportieren, obwohl man gerade in der letzten Zeit feststellen konnte, dass das Thema in den Medien verstärkt aufgegriffen und auch zur Information genutzt wird.
Der aktuelle Anlass ist, dass vor wenigen Tagen die Landesregierung verkünden konnte, dass im Jahr 2004 zwei weitere Interventionsstellen zu den zwei bereits existierenden hinzukommen und wir im Jahr 2005 beabsichtigen, eine weitere Interventionsstelle einzurichten, sodass wir auf der Ebene der fünf Polizeipräsidien vertreten sind. Das war auch die Planung, die im Rahmen von RIGG vorgenommen worden ist.
Frau Abgeordnete Kiltz, selbstverständlich wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Wir haben ganz bewusst gesagt, dass wir das dann machen, wenn wir mit einigen am Start sind. Wir haben uns aber auch das von Anfang an vorgenommen, so wie wir übrigens auch die Auswahl – auch das ist mir wichtig – in enger Abstimmung mit dem landesweiten runden Tisch getroffen haben. Wir wollen mit all dem, was wir machen, das Netz, das sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat, stärken und kontinuierlich ausbauen. Dazu gehört eben auch, dass die Betroffenen, die sich dort in hohem Maß ehrenamtlich engagieren, tatsächlich ihre Meinung jeweils in die Weiterentwicklung mit einbringen können; denn letztlich – das muss man ganz deutlich sagen – ist die Konzeption im Rahmen von RIGG entwickelt worden und dann in die Umsetzung gegeben worden.
Ein zweiter Punkt, der auch mir besonders wichtig ist: Die Leitlinie für das Gesamtprojekt – dazu gehören eine Reihe von einzelnen Maßnahmen, die eben schon angesprochen worden sind, wobei ich auf einige noch einmal zurückkommen werde – hat letztlich das eine Ziel, dass wir deutlich machen, dass Beziehungsgewalt, von der überwiegend Frauen und deren Kinder betroffen sind, eben nicht als Privatproblem abgetan werden darf und nicht tabuisiert werden darf, sondern dass darüber öffentlich gesprochen und vor allen Dingen auch öffentlich gehandelt und dies geahndet werden muss.
Frau Elsner und Frau Morsblech sind bereits auf die Kriminalstatistik eingegangen. Ich will das nicht mehr im Einzelnen tun, aber das macht meiner Meinung nach deutlich, dass es nicht um Ausnahmeerscheinungen oder Einzelereignisse geht, sondern man leider fast von einer Alltäglichkeit bei Beziehungsgewalt sprechen muss. Deshalb ist das ein massives gesellschaftliches Problem.
Die Interventionsstellen haben dabei im gesamten Netz eine bestimmte Aufgabe. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht so tun, als ob fünf Interventionsstellen im Land allein dieses Thema abdecken müssen, sondern sie sind sozusagen das Scharnier zwischen polizeilicher Ermittlung und psychosozialer Unterstützung. Sie verfolgen einen eigenständigen Ansatz – wir nennen das in der Fachsprache proaktiv, aber man könnte auch auf die Menschen zugehend sagen –, indem sie tatsächlich Betroffene ansprechen und mit ihnen nach der polizeilichen Ermittlung bei Einverständnis einen Kontakt aufbauen und eine Erstberatung durchführen.
Herr Kollege Zuber, eine ganz wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass wir über die Interventionsstellen eben auch über die neuen gesetzlichen Mög
lichkeiten, wie Platzverweis und Gewaltschutzgesetz, informieren und Betroffene dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt werden, ihre Entscheidung zu treffen, ob sie diese Mittel in Anspruch nehmen wollen.
Wenn jetzt gesagt wird, fünf Interventionsstellen seien zu wenig, ist mir schon wichtig, deutlich zu machen, dass das eine ergänzende Maßnahme zu den bestehenden Unterstützungsstrukturen ist, die wir haben. Mich muss niemand davon überzeugen, dass in diesem Gesamtbereich – ich beziehe ausdrücklich die Frauenhäuser, Notrufe, Beratungsstellen usw. ein – jeder Euro, den wir in diesen Bereich investieren, ein guter Euro ist, weil er in einem hohen Maß ehrenamtliches Engagement absichert.
An diesem Punkt sind die Beratungen in den vergangenen Jahren eigentlich immer von dem gemeinsamen Verständnis geprägt gewesen, dass wir in diesem Bereich tun wollen, was möglich ist. Das hat hier im Hause auch immer einen großen Konsens gefunden.
Wenn wir uns die bisher existierenden Interventionsstellen betrachten, ist zum einen auffällig, dass die Zahlen innerhalb der Existenz dieser Interventionsstellen deutlich ansteigen.
Das hängt sicherlich auch mit der Bekanntheit und den neuen gesetzlichen Regelungen zusammen. Erfreulich ist, dass dieser Erstkontakt, der von den Interventionsstellen ausgeht, fast ausnahmslos auf Akzeptanz bei den betroffen Frauen stößt. Das war nicht selbstverständlich. Hierbei handelt es sich um eine Rückmeldung der Interventionsstellen, die schon arbeiten.
Es ist auch ausgesprochen erfreulich, dass es eine wirklich gute Zusammenarbeit – Frau Kohnle-Gros, Sie haben bereits darauf hingewiesen – mit der Polizei – das wird von den Interventionsstellen nachdrücklich bestätigt –, aber auch mit den Jugendämtern, weil oft Kinder mit betroffen sind, und den Frauenhäusern und anderen Beratungseinrichtungen gibt.
Ein wichtiger Punkt ist bereits kurz angesprochen worden. Ich will noch einmal erwähnen, dass neben den gesetzlichen Veränderungen vor allen Dingen auch die Polizei ein umfassendes Rollenverständnis in diesem Prozess entwickelt hat, und zwar einen wirksamen Schutz der Opfer, die Hilfeleistung und Beratung und die konsequente Beweissicherung und Strafverfolgung. Es ist in guter Weise gelungen, dieses stärker zu verankern. Wir haben sicherlich noch Aufgaben vor uns. Ich meine, an dieser Stelle haben die Polizei und der zuständige Minister eindeutig ein Dankeschön für das verdient, was bisher auf den Weg gebracht wurde.
Frau Kiltz, Sie haben in dem Kontext auch angesprochen, dass wir auch die Täter in den Blick nehmen müssen. Auch hier gibt es ein Projekt, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Das war auch ein Erfolg des Interventionsprojekts.
Frau Kohnle-Gros, Sie hatten speziell noch einmal den Aspekt von Migrantinnen oder Frauen mit Migrationshintergrund angesprochen. Ich weiß, dass in Mainz – aus der Interventionsstelle Westerburg kann ich es Ihnen aus dem Stand nicht sagen – ein Drittel der Frauen, die sich an die Interventionsstelle wenden, Migrantinnen oder Frauen mit Migrationshintergrund sind.
Wir müssen sicherlich gerade in diesem Bereich noch besondere Informationsangebote machen. So ist zum Beispiel daran gedacht, die Informationen über die Interventionsstellen in mehrere Sprachen zu übersetzen. Ich weiß, dass das Innenministerium dies bereits in einem Flyer getan hat. Wir haben auch eine Broschüre zur Situation von Migrantinnen herausgebracht, wenn es um Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen geht. Hier ist noch ein Handlungsfeld, das erkannt ist und das wir noch verstärken wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend kann ich feststellen, dass es die Landesregierung mit der großen Unterstützung dieses Hauses geschafft hat, zu Veränderungen und Verbesserungen für die betroffenen Frauen und oft auch für die betroffenen Kinder zu kommen. Wir sind einen sehr guten Weg gegangen, weil wir alle die, die sich um dieses wichtige Thema gekümmert haben, in den Prozess mit einbezogen haben. Wir wollen, dass sie in diesem Prozess weiter dabei bleiben. Dazu will auch ich meinen Beitrag leisten.
Meine Damen und Herren, ich begrüße weitere Gäste im Landtag, und zwar Damen und Herren aus der Ortsgemeinde Willroth, Mitglieder des Gemeinderats Kahlenborn-Scheuern sowie Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Hauptschule Mendig. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Atmosphäre bedanken, die in der Aktuellen Stunde herrscht. Sie setzt das fort, was im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung bereits praktiziert worden ist.
Ich möchte noch kurz – die Ministerin hat dazu bereits einiges gesagt – auf die Pressemeldung der GRÜNEN und die Ausführungen von Frau Kohnle-Gros eingehen, dass es sich nicht um genug Interventionsstellen handelt. Ich denke, wir können nicht nur immer mehr fordern. So ist es auch damals bei den Frauenhäusern
Ich möchte den Vorschlag machen, dass wir versuchen müssen, mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, effektiv umzugehen; denn in den Haushaltsberatungen werden wir das wieder um die Ohren geschlagen bekommen. Das sehe ich auch in den Beratungsstellen vor Ort mit den runden Tischen.
Des Weiteren möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, zuerst Erfahrungen zu sammeln. Danach können wir weitere Schritte überlegen. Die Ministerin hat gesagt, dass das wissenschaftlich begleitet wird. Lassen Sie uns doch erst einmal das machen, bevor wir immer neue Forderungen aufstellen, die kein Haushalt mehr bewältigt. Das wäre ein guter und wichtiger Schritt.
Eine Sache steht noch aus. Ich hatte ausdrücklich hervorgehoben, dass eine präventiv ansetzende antigewaltorientierte Jungen- und Mädchenarbeit einsetzen muss. Hier habe ich zutiefst Vertrauen zu unserer Bildungsministerin, die das sicherlich anpacken wird.
Deshalb meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns das jetzt einmal durchführen. Nächstes Jahr kommt eine fünfte Stelle dazu. Danach werden wir eine Auswertung vorliegen haben und weiter darüber sprechen können.
Frau Kollegin Elsner, ich habe darauf verwiesen, was wir im Ausschuss von den Experten zu diesem Thema gesagt bekommen haben.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich gern noch einmal Herrn Polizeidirektor Jürgen Schmitt kurz wiedergeben, der sich zu diesem Punkt ausgelassen hat.
Frau Staatsministerin, er hat, was diesen proaktiven Ansatz anbelangt, nämlich das Aufsuchen der Opfer, gesagt, dass das landesweit nur möglich sein wird, wenn tatsächlich eine noch bessere Struktur vorhanden sein wird. Daraufhin habe ich ausdrücklich gesagt, dass das Geld kosten wird. Ich habe nicht ausdrücklich die Forderung erhoben, dass das gemacht werden soll. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass das ein weiterer Baustein an dieser Stelle ist, der mit der inhaltlichen Arbeit sehr viel zu tun hat.
Ich darf an der Stelle auch noch einmal sagen, dass dieses Aufsuchen der Opfer auch ein Punkt war, über den wir sehr intensiv geredet haben, weil es unterschiedliche Ansatzpunkte gegeben hat. Der eine oder andere war in der Anhörung oder in den Gesprächen, die wir geführt haben, der Meinung, man müsste das
zwingend machen, wie zum Beispiel die Datenübermittlung von der Justiz zur Polizei und in die Jugend- oder Sozialämter. Es gibt andere Vorstellungen.
Wir haben uns auf das geeinigt, was wir im Gesetz festgeschrieben haben. Ich denke, das ist ein sehr sinnvoller Ansatz, mit dem wir ein Stück weit arbeiten sollten. Wir sollten ihn auch fortsetzen.
Wir werden sehen, wie diese Interventionsstellen arbeiten. Wenn man sich die Zahlen aus Westerburg und Mainz betrachtet, handelt es sich nicht überall um Straftatbestände. Wir werden sehen, ob die Maßnahme, wenn sie allgemein bekannt ist, weiter zunimmt oder sich stabilisiert. Wir haben das auch bei den Vergewaltigungen in der Ehe erlebt. Solange dies ein großes Thema ist, gibt es ganz viele Menschen, die das zur Anzeige bringen und – ich sage es mit aller Vorsicht – als Instrument benutzen.