Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

Meine Damen und Herren, ich möchte gern noch einen anderen Punkt erwähnen.

(Schweitzer, SPD: Lass es sein!)

Der rasche Fortschritt im Bereich des E-Government, das wir alle begrüßen – das ist keine Frage –, bedeutet aber leider auch oftmals, dass Effektivität und ein schneller Handlungsablauf den Datenschutz oftmals in den Hintergrund drängen, zum Beispiel beim Direktabrufverfahren auf das elektronische Grundbuch. Das hat der Herr Datenschutzbeauftragte erwähnt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kommunen haben teilweise uneingeschränkten Zugriff auf alle Grundbuchblätter im Land, ohne dass die Kommune protokolliert, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu welcher Zeit auf das Grundbuchblatt zugreifen.

Aus diesem Grund ist es aus unserer Sicht wichtig, dass wir noch stärkere Anstrengungen auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit im Bereich des Datenschutzes unternehmen. Meine Damen und Herren, Aufklärung muss weiterhin vorrangiges Ziel des Datenschutzes sein. Die gestiegene Anzahl an Bürgeranfragen ist sicherlich ein Beleg dafür, dass im vergangenen Berichtszeitraum auch darauf ein besonderer Wert gelegt worden ist. Ich glaube aber, wir können uns alle eine Scheibe davon abschneiden, und wir müssen alle auf diesem Weg weitergehen.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNEN teilen die Bedenken des Datenschutzbeauftragten, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zunehmend infrage gestellt sieht.

Die Ursachen dafür können aber nicht allgemein mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage entschuldigt werden, die entsprechende Gesetze notwendig erscheinen lassen. Hier müssen wir, hier muss die Politik dem Datenschutz wieder eine größere Priorität einräumen, damit die individuelle Freiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mit Argumenten der allgemeinen Sicherheit oder auch der Verteilungsgerechtigkeit in den Hintergrund gedrängt wird. So sind auch zukünftige Reformen im Gesundheits- und Sozialwesen, wie sie auf uns zukommen werden, aus unserer Sicht nur zu schaffen, wenn wir einen vernünftigen und ein hohes Maß an Datenschutz gewährleisten.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist die Betonung des Grundsatzes von Datenvermeidung und Datensparsamkeit von unerlässlicher Bedeutung.

(Pörksen, SPD: Das haben wir ins Gesetz geschrieben!)

Das hat Herr Professor Dr. Rudolf auch immer wieder betont.

Einen weiteren Bereich möchte ich noch kurz ansprechen: den privaten Datenschutz. Herr Kollege Pörksen, der private Datenschutz gehört zurzeit nicht zu den Aufgabenfeldern des Datenschutzbeauftragten und ist deshalb auch nicht in seinem Tätigkeitsbericht erwähnt. Dennoch dürfen wir ihn natürlich nicht aus den Augen lassen; denn erst eine gemeinsame Betrachtung von öffentlichem und privatem Datenschutz würde unserer Meinung nach dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerecht werden. Die Wahrung dieses Grundrechts ist, wie wir alle in der jetzigen Diskussion immer wieder erleben, tatsächlich von zen

traler Bedeutung. Deshalb bleibt unsere grüne Forderung nach einem Datenschutz, der beide Bereiche abdeckt, weiter ein grünes Anliegen in Rheinland-Pfalz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen auch in Rheinland-Pfalz die gewichtigen Argumente, die für das Grundrecht auf Datenschutz und damit für die individuellen Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger sprechen, wieder stärker in den Vordergrund stellen.

Dem Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage ich ganz herzlichen Dank für ihre geleistete Arbeit und wünsche ihnen viel Erfolg bei der Bewältigung der Herausforderungen, die auch auf den rheinland-pfälzischen Datenschutz in Zukunft zukommen werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Pörksen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bericht des Datenschutzbeauftragten erstreckt sich über einen Zeitraum, in dem die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit einer besonderen Belastung ausgesetzt war, nämlich vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2003.

Nach den schrecklichen Ereignissen am 11. September 2001 in den USA und Spuren, die auch nach Deutschland führten, haben wir uns alle die Frage gestellt und stellen müssen: Tun wir genug für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger? Gibt es Wege, derartige Terrorakte zu verhindern, zu vermeiden, zumindestens aber einzugrenzen, und zu welchem Preis? – Diese Überlegungen führten zu den Terrorbekämpfungsgesetzen des Bundes mit einem Bündel von Maßnahmen, die in Freiheitsrechte eingreifen, eingreifen mussten. Darüber haben wir im Plenum schon mehrfach gesprochen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Datenschutzbeauftragten in seinem Bericht dazu. Er sagt sinngemäß, es handele sich um einen hinnehmbaren Kompromiss, weil die Maßnahmen nach einer gewissen Zeit evaluiert werden sollen und die Eingriffsbefugnisse zeitlich befristet sind, also ein hinnehmbarer Kompromiss. Dazu hören wir von den Grünen gar nichts.

Durch den Terroranschlag vor wenigen Wochen in Madrid wurde uns wiederum deutlich vor Augen geführt, dass der Terror nicht nur weit weg von uns, sondern praktisch auch vor unserer Haustür sein schreckliches Gesicht zeigt. Für nachlassende Aufmerksamkeit gibt es deshalb keinen Grund. Trotzdem ist für ein vernünftiges Leben in einer freiheitlich verfassten Gesellschaft zwin

gend, dass Datenschutz nicht zu einem Fremdwort wird, sondern als Grundrecht seinen Platz behält.

Herr Kollege Wiechmann, in diesem Zusammenhang vielleicht eine kurze Bemerkung zu Ihnen: Als in diesem Landtag noch niemand von Ihnen sprach, wurde bereits in diesem Landtag Datenschutz betrieben. Herr Kollege Bischel, auf den ich nachher noch einmal zu sprechen komme, könnte einiges dazu sagen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Den Eindruck zu erwecken, als wenn der Datenschutz mit den Grünen in den Landtag einmarschiert wäre, ist sicherlich absurd.

Durchzuhalten, dass der Datenschutz weiterhin ein hoch zu achtendes Grundrecht ist, ist besonders schwierig in einer Zeit, in der die Möglichkeiten auf dem Gebiet der Technik immer umfangreicher, aber auch immer undurchsichtiger für den norm alen Bürger werden.

In Rheinland-Pfalz sind im Berichtszeitraum zwei Gesetzesvorhaben hervorzuheben, die den Datenschutzbeauftragten in besonderer Weise beschäftigt haben. Das ist zum einen die Novellierung des Datenschutzgesetzes wegen der Anpassung an eine EU-Richtlinie. Wichtige Grundsätze des Gesetzes, die wir ins Gesetz hineingeschrieben haben, sind Datensparsamkeit und Datenvermeidung, weitere sind Datenschutzkontrollmaßnahmen, Widerspruchsrechte für die Bürgerinnen und Bürger, Voraussetzungen für die Videoüberwachung.

Die besondere Aufgabe des Datenschutzbeauftragten und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Umsetzung der teilweise sehr komplizierten Regelungen in die praktische Arbeit der öffentlichen Verwaltung; denn diese muss davon überzeugt werden, dass Datenschutz, so wie er geregelt ist, auch vernünftig ist.

Das weitere, größere Gesetzesvorhaben war die Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – POG –, die ebenfalls vor dem Hintergrund des 11. September 2001 erfolgte.

Nach meiner Auffassung, die sich sicherlich etwas von der des Datenschutzbeauftragten unterscheidet, ist es gelungen, notwendige Veränderungen, zum Beispiel beim Einsatz technischer Mittel, rechtlich abzusichern, aber gleichzeitig die Voraussetzung so festzulegen, dass Bürgerinnen und Bürger nicht über das gebotene und unvermeidbare Maß hinaus in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden.

(Beifall bei SPD und FDP und des Abg. Bischel, CDU)

Dabei darf nicht vergessen werden, dass es bei diesem Gesetz um Maßnahmen zur Verhinderung von schweren und schwersten Kriminaldelikten geht. Ich glaube, das muss man immer wieder sagen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So ist es!)

Deswegen teile ich nicht die Kritik des Datenschutzbeauftragten am Gesetzesvorhaben, der es nicht für erforderlich gehalten hat.

Es ist im Übrigen der Ablauf des Berichtszeitraums des Datenschutzberichts zu berücksichtigen, nach dem noch Einschneidendes in dem Gesetz verändert worden ist, was sicherlich der Kritik, die zum Teil völlig zu Recht geführt worden ist, dann Rechnung getragen hat.

Die Frage – Herr Kollege Wiechmann hat es eben gesagt –, ob weitere Änderungen des POG erforderlich sind, werden wir in wenigen Minuten noch einmal erörtern.

Wichtig und eigentlich nicht richtig gewürdigt sind in diesem Gesetz die umfangreichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die Sorge dafür tragen, dass auch beim Einsatz neuester Technik zum vorbeugenden Schutz unserer Bevölkerung der Datenschutz auf hohem Niveau gewährleistet ist. Dass dies leider zu sehr komplizierten Vorschriften führt, habe ich eben schon einmal gesagt.

Dem Bericht des Datenschutzbeauftragten ist zu entnehmen, dass unsere Polizei trotz der Einführung neuer Methoden durch IT-Verfahren wie POLADIS, INPOL-neu usw. mit dem Datenschutz sehr verantwortungsvoll umgeht.

(Beifall bei SPD, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das schließt natürlich kleine Pannen nicht aus.

Ein Thema, das gerade erst vor wenigen Tagen eine Rolle im Innenausschuss gespielt hat – Herr Kollege Wiechmann hat es eben angesprochen –, ist die Rasterfahndung, eine Form der Terrorismusbekämpfung mit hoher datenschutzrechtlicher Relevanz. Das ist wohl war. Sie ist aber zulässig und durch das Verfassungsgericht bestätigt. Sie ist sicherlich aufwändig, aber sie ist jedenfalls notwendig, selbst wenn am Schluss das Ergebnis nicht so ist, wie sich das manche Bürger vorstellen.

Aber wir haben in dem Bericht des Ministers vor wenigen Tagen gehört, wie es tatsächlich um diese Fragen bestellt ist. Nach meiner Auffassung ist es so: Selbst wenn man bei einer großen Zahl von Überprüfungen feststellt, es ist keiner darunter, so ist das auch ein Ergebnis, das das Sicherheitsbedürfnis der Menschen betrifft, wenn man sagt: Wir haben das überprüft, und es sind keine dabei.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP – Schweitzer, SPD: Das kapieren die nicht!)

Viele weitere Gesetzes- und Verordnungsvorhaben sind vom Datenschutzbeauftragten in den letzten zwei Jahren begleitet worden. Einige Stichworte: Umsetzung von EURecht, Telekommunikation, E-Government – eben angesprochen –, Einwohnermeldesystem EWOIS-neu, Probleme mit der Beauftragung Privater, das elektronische Grundbuch – eben schon angesprochen – und die

Umwandlung des DIZ. Es ist oftmals ein Problem, dass Schnelligkeit und Effizienz zulasten von Datenschutz gehen.

Der Bericht des Datenschutzbeauftragten stellt einen Querschnitt des Datenschutzes in der gesamten öffentlichen Verwaltung dar. Aus für jeden nachvollziehbaren Gründen hat es eine Fülle von Beanstandungen gegeben, die im Einzelfall heute aufzuzeigen den zeitlichen Rahmen sprengen würden. Allein der Umfang des Berichts, der nicht künstlich aufgebläht ist, belegt eindeutig die Feststellung, dass der Kontrollinstanz Datenschutz eine wesentliche Rolle in der öffentlichen Verwaltung zukommt.

Große datenschutzrechtliche Relevanz haben die Reformen im Gesundheitswesen und der sozialen Sicherungssysteme. Das Streben des Staates nach gerechter Verteilung der Mittel, der Verhinderung von Mißbrauch, besserem und Kosten sparendem Einsatz von Mitteln erfolgt zu Recht, um Systeme reformiert erhalten zu können. Sie bergen jedoch die Gefahr in sich, dass zum Beispiel im Gesundheitswesen der gläserne Mensch geschaffen wird. Das ist ein Thema, das wir in der Datenschutzkommission sehr oft behandelt haben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dort eines Tages elektronische Daten in unbefugte Hände kommen könnten, zum Beispiel in die Hände des Arbeitgebers.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige wenige Ausführungen zur Datenschutzkommission machen, die bis Ende vergangenen Jahres von Herrn Kollegen Bischel sachkundig und unparteiisch geleitet worden ist. Dafür möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus recht herzlich danken, Herr Kollege Bischel.

(Beifall im Hause)

Weiter stelle ich fest, dass wir uns in dieser Kommission durch den Datenschutzbeauftragten und seine fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut informiert über das fühlen, was auf dem Gebiet des Datenschutzes in unserem Land und darüber hinaus geschieht. Beanstandungen und Beratungen für Verwaltungen – übrigens ein großer zeitlicher Rahmen – werden eingehend erläutert, wobei für mich der Eindruck entsteht, dass trotz vielschichtiger Probleme die öffentliche Verwaltung generell bemüht ist, dem Datenschutz zu genügen. Ausreißer sind nicht ausgeschlossen.

Im Übrigen ist für uns in Rheinland-Pfalz der gute Ruf des Datenschutzbeauftragten im Bund und in den Ländern von besonderer Bedeutung. Dies ist besonders in einer Konferenz vor wenigen Jahren deutlich geworden. Herr Professor Dr. Rudolf, bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke ich mich recht herzlich für die gute Arbeit und Zusammenarbeit in der Kommission und mit dem Landtag. Sie schaffen es, mit wenigen Personen eine große Bandbreite zu überprüfender Sachverhalte auf den verschiedensten Gebieten zu bewältigen – von der Hundesteuer bis zur elektronischen Signatur.