Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Bischel, CDU: Es hätte gegebenenfalls rechtliche Konsequenzen, aber wenn Sie das so sagen, sind weitere Fragen überflüssig!)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Mündliche Anfrage ist damit beantwortet.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dieter Burgard, Christoph Grimm, Manfred Nink, Heike Raab und Günter Rösch (SPD) und Reinhold Hohn (FDP), Kernkraftwerk Cattenom – Nummer 5 der Drucksache 14/3256 – betreffend, auf.

Bitte schön, Frau Raab.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Liegen der Landesregierung offizielle Informationen vor, die den oben genannten Sachverhalt bestätigen?

2. Was hat die Landesregierung in dieser Angelegenheit unternommen?

3. Was sind die zentralen Inhalte der Genehmigung und wie werden sie bewertet?

Es antwortet Frau Umweltministerin Conrad.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die französische Genehmigungsbehörde hat am 23. Juni 2004 die Genehmigung zur Wasserentnahme aus der Mosel sowie zu Ableitungen mit Luft und Wasser durch das Kernkraftwerk Cattenom erteilt.

(Unruhe im Hause)

Die Genehmigung wurde am 24. Juni 2004 als „ARRÊTÉ“ im französischen amtlichen Organ, dem „Journal officiel“, veröffentlicht.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dieter Burgard, Christoph Grimm, Manfred Nink, Heike Raab, Günter Rösch (SPD) und des Abgeordneten Reinhold Hohn (FDP) wie folgt:

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse ist sehr unangenehm, vor allen Dingen für die Rednerin.

Vielen Dank!

Zu Frage 1: Die Genehmigung liegt dem Ministerium für Umwelt und Forsten seit dem 24. Juni 2004 infolge der veröffentlichten Bekanntmachung offiziell vor. In dem Bescheid werden entsprechend den rheinlandpfälzischen Forderungen die bisher genehmigten Höchstwerte und die von der Betreiberin neu beantragten Ableitungswerte überwiegend reduziert. Dies gilt insbesondere für die Emissionen von Tritium, Hydrazin, Kupfer, Zink, Chloriden oder Borsäure.

Zu Frage 2: Die Genehmigung schließt ein Verfahren ab, das im April 2003 mit dem entsprechenden Antrag der EdF eröffnet wurde. Im Sommer 2003 leitete die französische Genehmigungsbehörde eine öffentliche Untersuchung einer Enquête publique in Frankreich ein. Insbesondere durch die Intervention meines Ministeriums ist es gelungen, dass auch die in Grenznähe lebende deutsche Bevölkerung in das Verfahren der Enquête publique einbezogen wurde. Die Beteiligung der deutschen Öffentlichkeit war ein wichtiger Schritt hin zu einer verbesserten Verfahrenstransparenz.

Am 17. September 2003 habe ich mich mit meinen Kollegen aus dem Saarland und aus Luxemburg auf Eckpunkte für ein abgestimmtes Vorgehen in dem laufenden Genehmigungsverfahren verständigt. Außerdem hat mein Ministerium am 2. Oktober 2003 unter der Leitung von Herrn Staatssekretär Hering eine gut besuchte Informationsveranstaltung durchgeführt, bei der die französische Enquête-Kommission und eine hochrangige Delegation des Kraftwerksbetreibers ihre Positionen darstellten.

Am 14. Oktober 2003 hat das Ministerium für Umwelt und Forsten eine detaillierte sachorientierte Stellungnahme mit zahlreichen Kritikpunkten an den beantragten Ableitungswerten der Enquete-Kommission übersandt. Wesentliche Forderungen betrafen ein Minimierungsgebot für alle Ableitungen, die Ablehnung der Erhöhung der Tritiumableitungen mit dem Abwasser und die Installation einer Hydrazin-Vernichtungsanlage.

Die Enquete-Kommission hat unsere Argumente gewürdigt und sich in weiten Teilen zu Eigen gemacht. An dieser Stelle möchte ich der Kommission, insbesondere deren Vorsitzender, Frau Stroebélé, danken, die unvoreingenommen alle Aspekte des Antrags der EdF untersucht und kritisch bewertet hat. Außerdem wurde unsere Stellungnahme über die Bundesregierung, die sich ihrerseits in vollem Umfang den von uns erarbeiteten Pos itionen angeschlossen hat, der Französischen Republik übermittelt.

Gegenüber dem Leiter der französischen Genehmigungsbehörde habe ich im März diesen Jahres die Haltung des Landes zu dem Antrag der EdF noch einmal schriftlich dargelegt. Weiterhin hat mein Ministerium in der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen seine Positionen mehrmals eingehend erläutert. Außerdem wurden die wasserwirtschaftlichen Fragen in der Internationalen Kommission zum Schutz der Mosel und Saar erörtert

und ein einvernehmlicher Standpunkt erarbeitet, der vollinhaltlich in die Position des Landes eingeflossen ist.

Zu Frage 3: Die Genehmigung legt in 7 Abschnitten und 44 Artikeln die Bedingungen für die Wasserentnahme und für alle flüssigen und gasförmigen Ableitungen aus dem Kernkraftwerk hinsichtlich seiner Hilfs- und Nebeneinrichtungen fest. Die jetzt erteilte Genehmigung enthält detaillierte Beschreibungen und Festlegungen hinsichtlich der Systeme und Grenzwerte für die Wasserentnahme und für die Ableitungen. Außerdem regelt sie die Emissions- und Immissionsüberwachung und legt der Betreiberin näher bestimmte Berichtspflichten auf.

Weiter regelt die Genehmigung ausdrücklich, dass alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, um den Wasserverbrauch und die Auswirkungen der Ableitungen auf die Umwelt und die Bevölkerung zu beschränken, und dies unter Einsatz der besten Technologie, die zu ökonomisch vertretbaren Kosten verfügbar ist. Dies betrifft sowohl die radioaktiven wie auch die nicht radioaktiven Ableitungen. Weiterhin wird die Betreiberin bei allen Ableitungen auf das Minimierungsgebot verpflichtet. Demgegenüber muss die Ableitung unterhalb der genehmigten Höchstwerte gehalten werden, sofern dies unter vernünftigen Gesichtspunkten möglich ist. Damit wird der in der rheinland-pfälzischen Stellungnahme mehrfach erhobenen Forderung nach einem Minimierungsgebot bei den Ableitungen entsprochen.

Mit der jetzt erteilten Genehmigung werden die für die heutigen Brennelemente geltenden maximal zulässigen Tritium-Emissionen um 20.000 GigaBecquerel gesenkt. Für einen zukünftigen, bislang noch nicht genehmigten Betrieb mit höher angereicherten Brennelementen werden die maximal zulässigen Tritium-Emissionen im DreiJahres-Mittel auf den bisher geltenden Grenzwert von 160.000 GigaBecquerel begrenzt. Dies bedeutet eine Reduzierung gegenüber dem Antrag um 25 %. Wenn jedoch in einem Zeitraum von einem Jahr bei mehreren Reaktorblöcken Brennelemente-Wechsel anstehen, lässt sich dieser Grenzwert unter Umständen nicht einhalten. Daher wurde zugelassen, dass die Tritium-Emission in einem Jahr bis zu 192.000 GigaBecquerel betragen kann. Allerdings muss die erhöhte Emission im DreiJahres-Mittel ausgeglichen werden.

Zudem enthält die Genehmigung die Forderung nach Untersuchung von Möglichkeiten, bis zum 1. Januar 2007 die Tritiumproduktion weiter zu vermindern. Damit ist die Genehmigungsbehörde unserer Forderung nachgekommen, keine Erhöhung der TritiumEmissionen zuzulassen, und hat zudem weitere Reduzierungen initiiert.

Bei Hydrazin wird bis zum 31. Dezember 2006 ein gegenüber der bisherigen Genehmigung von 300 kg pro Jahr deutlich reduzierter Grenzwert von 180 kg pro Jahr zugelassen. Ab dem 1. Januar 2007 wird dieser Wert auf 40 kg pro Jahr abgesenkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese drastische Absenkung des Grenzwerts kann nach Einschätzung der Fachleute nur erreicht werden, wenn im Kernkraftwerk Cattenom eine Hydrazin-Vernichtungsanlage eingebaut wird. Auch dies entsprach unserer Forderung.

Gegenüber dem Genehmigungsantrag werden die Grenzwerte für Kupfer und Zink um rund 25 % abgesenkt. Zusätzlich wird der Betreiberin aufgegeben, bis zum 1. Januar 2007 eine Studie zu erstellen, mit der die Reduzierung der Kupfer- und Zinkemissionen durch Ersatz der jetzigen Kondensatorrohre untersucht werden soll.

Hiermit wird der Forderung des Landes Rheinland-Pfalz hinsichtlich einer Machbarkeitsstudie zur Reduzierung der Kupfer- und Zinkemissionen voll entsprochen.

Gegenüber dem Genehmigungsantrag werden die Tageswerte für die Chloridableitungen von 43.000 kg auf 24.315 kg abgesenkt. Zusätzlich wird dem Betreiber eine Studie aufgegeben, Alternativen zur Behandlung der Kühlturmeinbauten mit Salzsäure bis 1. Januar 2007 vorzulegen. Hiermit wird ebenfalls dem Anliegen des Landes – aber nur zu einem Teil – entgegengekommen.

Die Forderung nach einer Kompensation im Sinne einer integrierten Wassergütebewirtschaftung wird im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz von Mosel und Saar von uns erneut gegenüber den Haupteinleitern von Chloriden in die Mosel zu stellen sein.

Meine Damen und Herren, die Initiativen des Landes, aber auch der Bürgerinnen und Bürger und der Gebietskörperschaften haben zu einem insgesamt positiven und nicht von Anfang an vorhersehbaren Ausgang des Genehmigungsverfahrens geführt. Diese Auffassung wird vom Bundesumweltministerium geteilt, das die französische Genehmigungsentscheidung ausdrücklich begrüßt hat.

Natürlich sind noch weitere Verbesserungen vorstellbar. Einiges ist bereits in der Genehmigung angelegt; denn diese Genehmigung hält den Betreiber an, immer weiter an der Absenkung der tatsächlichen Ableitungswerte zu arbeiten. Die Grenzwerte legen den maximal zulässigen Rahmen fest. Innerhalb dieses Rahmens ist dann das Minimierungsgebot zwingend zu beachten. Die französische Aufsichtsbehörde wird dies einfordern. Wir werden uns in der deutsch-französischen Kommission berichten lassen.

Weitere positive Perspektiven werden durch die Verpflichtung der Betreiberin eröffnet, Machbarkeitsstudien für die weitere Reduzierung der Emissionen und damit für eine weitere Entlastung von Mensch und Umwelt zu erstellen.

Meine Damen und Herren, die französische Genehm igungsbehörde hat mit dieser Genehmigung ein positives, ein gutnachbarschaftliches Zeichen gesetzt. Dies ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis einer sachorientierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zum Wohl der Bevölkerung und der Umwelt diesseits und jenseits der Grenzen. Es liegt mir daran, dass dies auch in Zukunft fortgesetzt wird. Es liegt mir auch daran, dies in dem Sinn heute zu betonen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zu einer Zusatzfrage erteile ich Frau Abgeordneter Raab das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben erfreulicherweise mitgeteilt, dass die Tritiumableitungen in die Mosel reduziert werden. Haben Sie von der Betreiberin Hinweise erhalten, wann damit begonnen wird?

Es muss ab Januar 2007 begonnen werden, weil die jetzt festgesetzten Grenzwerte von 180 kg pro Jahr nur bis Ende 2006 gelten. Dieser Zeitraum muss also genutzt werden, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen – nach unserer Meinung die Installation einer Hydrazin-Vernichtungsanlage –, um die Grenzwerte zu erreichen, die dann gelten.

Zu einer Zusatzfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Licht das Wort.

Frau Ministerin, ich teile Ihre Schlussaussage und habe eine Frage. Die Haltung der Landesregierung und die Haltung der saarländischen Landesregierung sind in eine gemeinsame Erklärung des Interregionalen Parlamentarierrats eingeflossen, die Grundlage einiger Debatten und Diskussionen war. Sie haben heute vorgetragen, dass es überwiegend zu Reduzierungen kam. Aus dem ganzen Vortrag heute ist mir aber eine Gegenüberstellung nicht möglich. Ich frage Sie: Können Sie sagen, in welchen Teilen es nach wie vor Unterschiede zwischen Forderungen des Interregionalen Parlamentarierrats und dieser gemeinsamen Erklärung von RheinlandPfalz und dem Saarland und der jetzigen Genehm igungslage gibt? Da die gesamte Genehmigungslage aber sehr kompliziert und umfangreich ist, würde ich auch damit einverstanden sein, wenn Sie uns dies schriftlich mitteilen.

Ich würde das letzte Angebot von Ihnen sehr gern aufgreifen, zumal ich die Stellungnahme des Interregionalen Parlamentarierrats nicht komplett im Gedächtnis habe. Ein Beispiel, wo wir bezüglich unserer Stellungnahme nicht ganz zufrieden sind, habe ich angesprochen. Das ist das Thema, die Chloridbelastungen in der Mosel deutlich zu reduzieren. Das muss weiter auf der Agenda stehen. Über andere Unterschiede würden wir Sie gegebenenfalls unterrichten.

Zu einer Zusatzfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Frau Ministerin, Sie haben die Absenkung der Grenzwerte im Genehmigungsbescheid erwähnt. Wenn man sich die Praxis anschaut, wie sie bisher in Cattenom hinsichtlich der tatsächlichen Ableitungen war – sie waren häufig niedriger als die Grenzwerte, die nur maximal zulässige Ableitungen beinhaltet haben –, können Sie uns sagen, wie sich mutmaßlich die tatsächlichen Ableitungen aus dem Atomkraftwerk Cattenom durch die neue Genehmigung verändern werden?

Herr Abgeordneter, zunächst einmal ist es so, dass die Grenzwerte maximale Einleitungserlaubnisse zulassen, die in einem Betrieb vorkommen können.

Eine zentrale Forderung war, diese so an die tatsächlichen Ableitungen heranzuführen, dass damit auch Druck gemacht wird, um bestimmte Werte auch im Betrieb nicht überschreiten zu dürfen. Das ist eine technische Herausforderung.

Der zweite Teil ist, dass tatsächliche Ableitungen, die wir kennen, in den letzten Jahren abgesenkt worden sind. Ein Beispiel habe ich im Kopf, nämlich die Borsäure. Borsäure ist auf einen halbierten Betrag genehmigt worden, und zwar von 140.000 kg pro Jahr auf noch 70.000 kg pro Jahr, der dann nach einem anderen Betrieb, also nach einem höheren Abbrand, noch einmal auf 85.000 kg pro Jahr angehoben werden darf. Er liegt aber deutlich unter 140.000 kg.