Protokoll der Sitzung vom 08.09.2004

................................................................................................... 5150, 5152, 5154, 5157 Abg. Dr. Enders, CDU:.......................................................................................................................5119 Abg. Dr. Geisen, FDP:..................................................................................................... 5131, 5135, 5147 Abg. Frau Baumann, SPD:........................................................................................................5151, 5153 Abg. Frau Ebli, SPD:..........................................................................................................................5143 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................5120, 5125 Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................5130, 5134, 5145, 5147, 5156 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:.............................................................................................................5124 Abg. Frau Raab, SPD:...............................................................................................................5129, 5134 Abg. Frau Schneider, CDU:................................................................................................................5142 Abg. Hohn, FDP:.......................................................................................................................5121, 5127 Abg. Mertes, SPD:.............................................................................................................................5126 Abg. Noss, SPD:................................................................................................................................5118 Abg. Schmitt, CDU:...................................................................................................................5128, 5133 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:................ 5132, 5136, 5154, 5155 Beck, Ministerpräsident:.....................................................................................................................5121 Präsident Grimm:............................................5118, 5119, 5120, 5121, 5124, 5125, 5126, 5127, 5128, 5129 5130, 5131, 5132, 5133, 5134, 5135, 5136 Vizepräsidentin Frau Grützmacher:..................5142, 5143, 5145, 5147, 5150, 5151, 5152, 5153, 5154, 5155 5156, 5157

77. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 8. September 2004

Die Sitzung wird um 14:01 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Beate Reich und Gerd Schreiner. Die Rednerliste führt Frau Reich.

Ich freue mich, wenn auch etwas später, aber dafür jetzt persönlich, unserem Kollegen Carsten Pörksen zu seinem vollendeten 60. Lebensjahr zu gratulieren.

(Beifall im Hause)

Zur Tagesordnung: Zu Punkt 15 liegt ein Antrag mit dem Betreff „Betreuungsgarantie für die Kleinsten auf den Weg bringen – Tagesbetreuungsausbaugesetz umsetzen“ vor. Dieser Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist am 6. September 2004 eingegangen und wurde am gleichen Tag unter der Drucksache Nr. 14/3395 verteilt.

Gemäß § 52 Abs. 2 in Verbindung mit § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung beginnen die Beratungen frühestens am vierten Werktag nach der Verteilung der Drucksache. Da der Antrag somit nicht fristgerecht verteilt worden ist, kann mit der Feststellung der Tagesordnung gleichzeitig die Frist vor der einmaligen Beratung gemäß § 68 Abs. 1 abgekürzt werden.

Indes haben die Fraktionen der SPD und der FDP mit Schreiben von heute mitgeteilt, dass sie mit der Abkürzung nicht einverstanden sind. Damit ist über die Abkürzung der Frist abzustimmen. Das tun wir hiermit.

Wer für die Abkürzung der Frist ist, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Der Antrag ist abgelehnt. Der Antrag wird somit nicht auf die Tagesordnung gesetzt. (Unruhe im Hause)

Mit dieser Maßgabe stelle ich die ausgedruckte Tagesordnung fest.

Ich rufe nun Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Auswirkungen der beabsichtigten weltweiten Umstrukturierungen der US-Streitkräfte auf Standorte in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 14/3389 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Kollege Noss.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! RheinlandPfalz ist schon seit vielen Jahren von einer hohen militärischen Präsenz gekennzeichnet. Ganze Regionen, darunter unter anderem auch der Landkreis Birkenfeld, sind in erheblichem Maße wirtschaftlich von dem Militär abhängig.

Die geänderte weltpolitische Lage hat zu einem erheblichen Abbau militärischer Potenziale, natürlich auch in Rheinland-Pfalz, geführt. Statt 126.000 Soldaten, die noch im Jahr 1990 im Land stationiert waren, sind heute lediglich 45.000 Soldaten, darunter 21.000 Angehörige der US-Armee, im Land stationiert.

Die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, in den nächsten Jahren bis zu 70.000 US-Soldaten aus Europa abzuziehen, kam nicht überraschend. Dennoch fühlen sich die eventuell hiervon betroffenen Menschen und Regionen verunsichert und verspüren selbstverständlich auch Ängste.

Dies trifft auch in besonderem Umfang auf Baumholder zu, von dem oft gesagt wird, es wäre die amerikanischste Stadt außerhalb Amerikas. Ihr drohen schlimmstenfalls Verluste von etwa 5.500 amerikanischen Soldaten, ihren 7.500 Familienangehörigen und etwa 650 zivilen Arbeitsplätzen, die in Gefahr sind.

Dieser worst case muss auf alle Fälle verhindert werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es wird sicherlich Veränderungen geben, Veränderungen geben müssen. Ziel muss es dabei aber sein, dass es auch weiterhin die Bundeswehr und US-Soldaten in Baumholder geben wird.

Die Nähe von Ramstein, dem Drehkreuz der amerikanischen Streitkräfte in Europa, die weitere Optimierung des Truppenübungsplatzes könnten helfen, um ihn für eine weitere Nutzung der Bundeswehr und auch der USStreitkräfte zu attraktivieren, ihn aber auch für andere Nutzer zu qualifizieren.

Die vorhandene Infrastruktur am Standort muss verbessert werden. Ich nenne nur beispielhaft das so genannte Housing-Konzept. Ebenso sollte der gute und enge Kontakt der Landesregierung zu der US-Administration und der Bundeswehrführung von Vorteil sein.

(Beifall der SPD und der FDP)

Daneben sind natürlich weitere Schritte erforderlich, um den Standort Baumholder längerfristig zu festigen. Unser Dank gilt in diesem Zusammenhang ganz besonders Herrn Staatssekretär Karl Peter Bruch, der sehr engagiert und vor allen Dingen innovativ in dieser Angelegenheit gewirkt hat.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eines sollte dabei nicht vergessen werden, nämlich dass jede Veränderung auch Chancen bietet, auch der Abbau der Truppen. Man muss diese Chancen suchen und

nutzen, ähnlich wie es auf dem Flugplatz Hahn und der Fachhochschule Birkenfeld mit der Hilfe des Landes gelungen ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Nicht politisch motiviertes Schlechtreden, sondern gemeinsames Handeln von Bund, Land und Kommunen sind in dieser Stunde gefordert. Die neuen Herausforderungen müssen angegangen werden, und die sich bietenden Chancen müssen genutzt werden.

Vielen Dank. (Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Enders.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute ein sehr wichtiges Thema auf der Tagesordnung, das in seiner Konsequenz strukturelle Folgen hat. Da geht es um Arbeitsplätze, da geht es um Kaufkraft, um Wohnungsmarkt, aber auch um Menschen.

Wir haben uns gefragt, warum die SPD das heute zum Thema macht.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist eine gute Frage, gut!)

Sicherlich war angedacht, die Landesregierung zu loben. Das ist auch richtig. Wenn man sich engagiert und Erfolge erzielt, dann darf man jemanden auch loben.

Der Hauptfokus liegt nicht mehr auf Ramstein, auch nicht auf Spangdahlem, der Hauptfokus des Interesses der Reduktionen der Streitkräfte der Amerikaner liegt auf Baumholder.

Der US-Präsident hat vor einigen Wochen klar gemacht, dass man bis Ende des Jahrzehnts auf 30.000 USStreitkräfte in Europa herunter will. Zurzeit sind es 100.000, 70.000 davon allein in Deutschland, sehr viele in Rheinland-Pfalz und benachbarten Regionen.

Diese Umstrukturierungen muss man auch in einem gewissen Zusammenhang mit Umstrukturierungen der Bundeswehr, die die Bundesregierung jetzt plant, sehen. Beides hängt miteinander zusammen, und zwar ganz grundsätzlich; denn nach Ende des Ost-West-Konflikts sind weniger Streitkräfte notwendig, auch weniger Am erikaner notwendig. Das muss man klaren Auges sehen.

Man kann darüber streiten, wie stark diese Reduzierung sein muss. Das hängt alles damit zusammen, wie man die sicherheitspolitische Lage letztendlich bewertet. Man muss auch, wenn man das jetzt sieht, was sich entwickelt, die historische Entstehungsgeschichte sehen.

Die Amerikaner kamen hierher, um Deutschland von den Nazis zu befreien und haben 40 Jahre lang danach

sichergestellt, dass wir in Europa Frieden haben, und damit einen Beitrag dazu geleistet, dass die deutsche Wiedervereinigung friedlich, ohne einen Schuss, erfolgt ist. Ich denke, das muss gesagt werden.

(Beifall der CDU und vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Heute – darüber bin ich sehr froh – interessieren sich auch Politiker für die Bundeswehr, für die USStreitkräfte, die früher zu friedlichen Demonstranten gehört haben. Das ist anerkennenswert, und das muss man loben.

In einem Auszug eines Kongressprotokolls vom Mai dieses Jahres wird ein Senator zitiert, der durchaus kritisch mit der Bundesrepublik – in dem Fall mit der Bundesregierung – ins Gericht geht. Wenn man verhandelt, sollte man die Befindlichkeiten der Amerikaner bedenken. Die Amerikaner haben ein hervorragendes Verhältnis zu den Menschen in Deutschland. Aber die Wunden, die durch die Diskussion im Vorfeld des IrakKrieges gerissen wurden, sind noch nicht verheilt. Der Bundeskanzler hat ohne Not Deutschland aus wahltaktischen Gründen abgemeldet, wissend, dass die Amerikaner uns gar nicht brauchen, auch gar nicht brauchen konnten. Da bin ich ziemlich sicher.

(Ministerpräsident Beck: Oioioi! – Zurufe von der SPD – Kuhn, FDP: Das ist aber sehr einfach!)

Die Bundeswehr ist gar nicht darauf ausgerüstet und dafür strukturiert, einen solchen Einsatz, wie er im Irak gelaufen ist, durchzuführen. Das muss einmal gesagt werden.

Ich bin sehr dankbar, dass es zu Baumholder Gespräche gibt und der Verteidigungsminister der Landesregierung zugesagt hat zu prüfen, inwiefern man dort Bundeswehreinrichtungen – gegebenenfalls kompensatorisch – installieren kann. Ich bin diesbezüglich skeptisch – die Bundeswehr reduziert selber –, woanders etwas aufzubauen. Ich bin gespannt, was wir am 2. November dazu erfahren. Es wird spannend bleiben und sicherlich auch noch einmal zum Thema werden.

Irritiert waren wir über eine Pressemitteilung in der „Rheinpfalz“, wo etwas unterschiedliche Begriffe gebraucht wurden. Vielleicht kann man dies noch einmal erklärt bekommen. Es ging zum einen um den Begriff „Verhandlung“ und zum anderen um den Begriff „Gespräch“. Staatssekretär Wagner aus dem Verteidigungsministerium hatte einem Bundestagskollegen geantwortet, dass es keine Verhandlungen zwischen Land und Bund zu dieser Thematik gäbe. Vonseiten der Landesregierung wurde es anders bewertet und der Begriff „Verhandlung“ in Richtung „Gespräch“ gedeutet. Vielleicht können wir dazu mehr Hintergrundinformationen bekommen.