Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Das ist der Bereich, bei dem Sie gerade vor der Landtagswahl eine Konsolidierungspause einlegen. Das ist aber genau das, was wir uns nicht leisten können, wenn wir an die gesamte Haushaltssituation denken.

Meine Damen und Herren, noch ein Beispiel zum Bereich des Aufgabenabbaus. Ich bin sehr dafür, dass unsere Landesregierung die Initiativen anderer Landesregierungen unterstützt und damit unsere Finanzverwaltung entlastet, indem wir als Länder künftig auf die Einnahmen aus der Kfz-Steuer verzichten und die bisherigen Einnahmen aus der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umlegen. Damit hätten wir in den Steuer- und Finanzverwaltungen der Länder erhebliche Freiräume geschaffen. Sie wissen, wie personalintensiv der Einzug der Kfz-Steuer ist. Ich merke das selbst, wenn zu uns der Bescheid kommt. Dadurch hätten wir zusätzliche Freiräume geschaffen und müssten nicht auf eine Einnahmequelle verzichten.

In diesem Bereich wünsche ich mir Unterstützung; denn dadurch würden zusätzliche Freiräume geschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme nun auf die Schwerpunkte zu sprechen, die Sie für diesen Haushalt benannt haben. Beginnen werde ich bei dem Bereich der Innovation, der Forschung und der Hochschulförderung. Ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, dass wir die Linie unterstützen, die vom Europäischen Rat vorgegeben wurde, und auch die Linie, die von der Bundesregierung vorgegeben wurde. Zu dem, was Sie vorgelegt haben, sage ich jedoch, dass wir schon weiter sein könnten. Wir hatten Ihnen bereits für dieses Jahr vorgeschlagen, die rheinland-pfälzischen Hochschulen mit 15 Millionen Euro mehr auszustatten. Außerdem haben wir eine klare Favorisierung für eine Verbesserung der Forschungsinfrastruktur an den Hochschulen und einer besseren Personalausstattung zum Ausdruck gebracht.

Das sind zwei Dinge, die für die Lehre und die Forschung in der Grundausstattung richtig sind. Herr Böhr hat das richtig gesagt. Sie sehen für das nächste Jahr lediglich 10 Millionen Euro vor, die aus ihrem Sonderprogramm dort hineinfließen sollen. Der Rest von 20 Millionen Euro soll in Rücklagen gehen. An dem Konzept arbeiten sie auch immer noch.

Meine Damen und Herren, wenn man diese chronische Unterfinanzierung der Hochschulen beseitigen will, muss man das zügig und entschlossen angehen. Dann bleiben wir nicht bei einer Höhe von 3 Millionen Euro aus dem Sonderprogramm stecken – das war das, was sie für dieses Jahr mobilisiert haben –, sondern wir müssen tatsächlich dahin kommen, diese zusätzlichen Mittel zu

mobilisieren und den Hochschulen schnellstmöglichst zur Verfügung zu stellen.

Im Zusammenhang mit diesem Hochschulsonderprogramm habe ich aber noch eine weitere Frage. Herr Kuhn, das ist ziemlich erklärungsbedürftig. Vielleicht können Sie das nachher erklären.

(Kuhn, FDP: Ja, ich schreibe mir das auf!)

Nach dem Zahlenwerk des Haushalts sollen für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur im Jahr 2005 43 Millionen Euro weniger ausgegeben werden, obwohl für dieses Haushaltsjahr bereits 30 Millionen Euro aus dem Hochschulsonderprogramm in den Haushalt eingestellt worden sind. Ich kann mir das nicht erklären. Sie reißen neue Löcher auf, setzen eine neue Überschrift über ein Programm, stopfen aber damit nur einen Teil der Löcher. So sieht das aus bei Ihrem Vorstoß für Innovation, Forschung und Hochschulförderung. Da sind Sie einiges an Erklärungen schuldig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Überschriften reichen eben nicht aus, um Zukunft zu gewinnen.

Herr Kuhn, es reicht auch nicht aus, ungedeckte Schecks auszustellen, so wie Sie das gemacht haben. Es geht nicht, dass man ein Dreivierteljahr für ein Programm trommelt und nachher mit leeren Versprechungen in diesem Haus bzw. vor den Hochschulen steht.

(Creutzmann, FDP: Stellen Sie keine falschen Behauptungen auf!)

Meine Damen und Herren, zur Ausgestaltung des Programms auch einige Anmerkungen. Die Mischung zwischen den Ausgaben, die wir schon lange gefordert haben, ist zum Teil in Ihrem Programmentwurf, so wie Sie ihn vorgesehen haben, enthalten. Promotionsmöglichkeiten für Fachhochschulabsolventen. Blättern Sie einmal in unseren zurückliegenden Haushaltsanträgen nach, was wir dazu vorgeschlagen und beantragt haben. Stärkere Verankerung der Fachhochschulen in der Region und in Kooperation mit Unternehmen.

Aufgaben, die schon lange den Hochschulen ohne zusätzliches Geld aufgebürdet wurden, sollen jetzt zusätzlich vergütet werden. Es sollen Anreize beim Fortschreiten der Lehrerausbildung, bei der Kinder-Uni und bei den konsekutiven Studiengängen, die eingerichtet werden, gegeben werden. Das sind Dinge, die wir mit forciert haben und die wir mit auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Nichtsdestoweniger bleiben Sie aber mit dem, was Sie an Profilbildung sehen wollen, meiner Meinung nach zu stark außerhalb der Hochschule; dies einmal mit dem, was Sie im Forschungsbereich finanzieren. Herr Zöllner, da will ich jemanden zitieren, den Sie selbst zurate gezogen haben, nämlich die Arbeitsgruppe „Hochschulentwicklung Rheinland-Pfalz“. Die hat gesagt: „Neben den An-Instituten sollen die Hochschulen, auch die Fachhochschulen, sich bemühen, Forschung und Ent

wicklung möglichst innerhalb der Hochschulen und im Hauptamt zu betreiben. Dies ist auch im Hinblick auf die Etablierung forschungsbasierter Masterangebote unbedingt erforderlich. Die Rahmenbedingungen für Forschung müssen weiter verbessert werden.“ Ich bin davon überzeugt, dass ein Hochschulsonderprogramm, oder wie immer wir es nennen wollen, einen ordentlichen Batzen als Reinvestitionsprogramm für die Forschungsausstattung in den Hochschulen haben muss. Das sehe ich nicht.

Meine Freude über ein Max-Planck-Institut, das zusätzlich nach Kaiserslautern kommt, ist das eine, aber meine Sorge, dass sich dort die Mittel bündeln und sie in den Hochschulen fehlen, bleibt bestehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können viel in Wissenstransferstellen und anderes stecken, aber der beste Wissenstransfer von den Hochschulen in Wirtschaft und Gesellschaft geschieht in erster Linie und am wirksamsten über die Ausbildung hoch motivierter und hoch qualifizierter Hochschulabsolventen sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen. Deshalb muss ein großer Teil dieser Mittel in die Grundausstattung und die Verbesserung der Forschungsvoraussetzungen in den Hochschulen gehen. Deshalb werden wir uns um die Ausgestaltung dieses Programms mit Ihnen noch heftig anlegen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Innovation findet aber nicht nur in den Hochschulen statt, sondern Innovation findet in vielen anderen Bereichen statt. Dazu habe ich weder von Ihnen, Herr Mittler, noch von Herrn Mertes eben ein Wort gehört.

Der gesamte Begriff „Umwelt/Natur“ kam in Ihrer Rede und in der des Fraktionsvorsitzenden kein einziges Mal vor. Sie müssen aber doch wissen, dass RheinlandPfalz nicht nur ein Produktionsstandort mit globalisierungbedingt schwachen Wachstumskräften ist – ich schiebe Ihnen das gar nicht alles in die Schuhe –, sondern dass Rheinland-Pfalz auch ein Naturstandort mit starken Wachstumskräften ist. Auf mindestens 17 % unserer Landesfläche befinden sich Naturschätze von europäischer Bedeutung, nämlich die Natura-2000Gebiete. Diese wichtigen rheinland-pfälzischen Naturressourcen werden eben nicht durch Straßenbau oder konventionelle Landwirtschaft erhalten, sondern durch naturgemäße, zumindest aber verträgliche und behutsame Entwicklung, die eine Nutzung vielerorts ausschließt. Genau dafür brauchen wir in einem Landeshaushalt auch Mittel. Genau darauf müssen wir auch einen Blick werfen. Auch das ist ein Teil von Innovation.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umwelt- und Naturschutz erleben wir bei Ihnen eher wie Feigenblätter, aber es müssten Lorbeerblätter werden. Sie dürfen nicht nur notdürftig Bereiche abdecken, sondern Sie müssen auch dort, wo das notwendig ist, über gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards hinausgehen. Das sage ich ganz platt: Das gibt es nicht für „um

me“, sondern da muss man Hirnschmalz und Finanzen hineinstecken. Dafür werden wir uns engagieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch im Bereich der Energiepolitik steckt ein enormes Innovationspotenzial. Wir sind der Meinung, Rheinland-Pfalz braucht ein klares Klimaschutz- und Energieprogramm. Bisher wird das Potenzial der erneuerbaren Energien nämlich nicht optimal ausgeschöpft. Dafür sorgen schon die Herren auf dieser Seite und im Wirtschaftsministerium, wo die Bremser für solche Programme sitzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Förderung, die auf Bundesebene vorangebracht wird, darf nicht dazu führen, die Anstrengungen auf der Landesebene einzustellen, sondern sie sollte durch eigene Maßnahmen in diesem Land begleitet und potenziert werden. Ich sage Ihnen, nicht nur in Bezug auf den Klimaschutz und eine umweltverträglichere Ernergieerzeugung im eigenen Land ist ein solches Programm und ist eine solche Schwerpunktsetzung wichtig, sondern all diese Technologien entwickeln sich zu Exportschlagern.

Herr Ministerpräsident, lassen Sie an sich das noch einmal vorbeiziehen, was uns in China und Japan begegnet ist. Dort ist man an Windenergieanlagen interessiert, und zwar massig. Dort ist man an anderen Energieerzeugungsmöglichkeiten interessiert, weil der dortige Energiebedarf so groß ist und weil die Chinesen wissen, dass sie dies nicht alles mit zentralen Kraftwerken versehen können. In Japan war das das Gleiche. In der Partnerregion Iwate gab es ein starkes Interesse an der Biomasseverwertung und an der Verwertung von Holz für die Energiegewinnung. Also wären wir doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese Chancen nicht nutzen würden und wenn wir nicht darauf einen Hauptschwerpunkt der Innovation in diesem Land setzen würden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt – das will ich gar nicht verschweigen – natürlich gute Ansätze im Land. Das sind wissenschaftliche Einrichtungen wie der Umweltcampus in Birkenfeld, die Transferstelle an der Fachhochschule in Bingen, die Uni in Kaiserslautern und in Teilbereichen auch das IMM. Natürlich gibt es in diesem Bereich gute Ansätze, aber wir müssen diese Entwicklung puschen, wir müssen sie puschen, wir müssen diese Entwicklung in unserem Land puschen.

(Pörksen, SPD: Das tun Sie mit Ihrer Rede schon!)

Wir müssen sehen, dass die Landesregierung bei diesem Punkt nicht an einem Strang zieht. Wir brauchen angefangen bei der Biomasse eine Orientierung an der Biomassepotenzialstudie, das heißt, wir brauchen energische Schritte, wenn es darum geht, regionale Verarbeitungs- und Verteilungsstrukturen aufzubauen. Wir brauchen die Unterstützung von regionalen und lokalen Bündnissen der Lieferanten und der Versorger. Wir

brauchen jede Menge Grips, der sich in Forschungsansätzen und weiterem Forschungsbedarf mit spannenden Fragen beschäftigt, nämlich wie man Pufferspeicher für Strom aus Windkraft und Sonne schafft, weil da natürlich noch ein Nachteil in diesen Energieträgern liegt und da ein riesiger Bedarf bei den Unternehmen bis hin zu den großen Konzernen vorhanden ist.

Wie schaffen wir es, Stromnetze anzupassen? Wie schaffen wir virtuelle Kraftwerke aus dezentralen Anlagen? Möglich ist, all diese Punkte, bei denen es derzeit noch Schwierigkeiten bei der Einspeisung gibt, durch eine Kooperation von Erzeugung und Wissenschaft zu lösen und zu entwickeln. Hier sind unsere Chancen. Wir müssen sie nutzen. Aufgabe der Landesregierung ist es, das zu unterstützen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Innovation im Verkehrsbereich müsste auch ein Thema werden. Mir sind die Bilder aus China und Japan noch sehr präsent. Was passiert, wenn die Chinesen die gleichen Mobilitätsbedürfnisse wie wir entwickeln? Ich will nicht nur über die Klimabelastung reden. Ich kann mir durchaus vorstellen, welche Konsequenzen das direkt vor Ort hat. Dann geht nämlich nichts mehr. Deswegen müssen wir im Verkehrsbereich nicht nur einseitig auf den Straßenbau setzen, wenn es um die Entwicklung im Verkehrsbereich geht,

(Creutzmann, FDP: Das wird doch gar nicht gemacht!)

sondern wir müssen Wissenschaft und Praxis daransetzen, um auch hier innovative und moderne Dienstleistungsangebote hinzubekommen, anstatt auf die alte Struktur zu setzen, nämlich: Wir bauen Straßen, und damit schaffen wir Wachstum. – Das ist es eben nicht mehr. Es ist auch nicht ein Transrapid. Kein Chinese würde eine zweite Strecke dafür bauen. Wir brauchen andere Ideen.

Ich will Ihnen das noch einmal sagen. Gerade gestern haben Forschungsinstitute, nämlich das IBW an der Universität Karlsruhe und INFRAS in Brüssel, eine europaweite Studie über die Folgekosten des Verkehrs vorgestellt. Das ist etwas, was Sie ständig ausblenden, wenn Sie für Ihren Kurs des Infrastrukturausbaus argumentieren.

Diese Studie hat gesagt: Der größte Kostentreiber ist der Straßenverkehr. 83 % der Gesundheits- und Umweltkosten des Verkehrs gehen auf das Konto des Straßenverkehrs. Für Deutschland wurden die Folgekosten des Verkehrs in Höhe von 150 Milliarden Euro errechnet. Davon fallen 130 Milliarden Euro auf den Straßenverkehr.

Meine Damen und Herren, das sind Kosten, die laufen in Ihren Rechnungen nie mit. Solange wir nicht anfangen, diese Kosten mitzudenken, sind wir weder innovativ noch modern, umwelt- oder menschenverträglich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Hier würde ich etwas mehr Engagement des Finanzministers erwarten; denn unter einer Überschrift „Nachhaltige Finanzpolitik“ müsste auch eine nachhaltige Verkehrspolitik stehen. Wir wollen alle mobil sein. Wir müssen auch alle mobil sein.

Herr Creutzmann, es gibt aber intelligentere Lösungen als das, was Sie vorschlagen.

(Staatsminister Bauckhage: Sagen Sie einmal eine!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Punkt und zu einem unserer zentralen Anliegen, wo wir glauben, dass dieses Land beherzt nach vorn gehen muss. Neben Innovation, Forschung, Hochschule und Bildung brauchen dieser Landeshaushalt und dieses Land einen weiteren Schwerpunkt. Ich habe vorhin in einem Dialog mit Herrn Mertes ausgeführt, dass wir ein energisches Voranschreiten beim Ausbau der Betreuungsangebote benötigen. Wir wollen das besonders im Bereich der Betreuung der unter 3-Jährigen beherzt machen.