Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Punkt und zu einem unserer zentralen Anliegen, wo wir glauben, dass dieses Land beherzt nach vorn gehen muss. Neben Innovation, Forschung, Hochschule und Bildung brauchen dieser Landeshaushalt und dieses Land einen weiteren Schwerpunkt. Ich habe vorhin in einem Dialog mit Herrn Mertes ausgeführt, dass wir ein energisches Voranschreiten beim Ausbau der Betreuungsangebote benötigen. Wir wollen das besonders im Bereich der Betreuung der unter 3-Jährigen beherzt machen.

Wenn man, wie es Herr Mittler gestern gesagt hat, die Erwerbstätigenquote in Rheinland-Pfalz anheben und dazu kommen will, dass man die bestausgebildetste Frauengeneration mit in den produktiven und erwerbsproduktiven Prozess hineinholen will, muss man diese Bedingungen verbessern. Sonst bleiben wir dabei, dass viele Frauen nicht in den Erwerbsprozess hineingehen können und von Transferleistungen abhängig sind, weil sie zu Hause angebunden sind. Dann bleiben wir dabei, dass wir Chancen für die Entwicklung von Kindern vertun, weil sie gute Betreuungs- und Fördermöglichkeiten verpassen. Ich glaube, deswegen bleiben Sie auf dem halben Weg stehen, wenn Sie über die Verbesserung der Betreuungsangebote reden, aber die Betreuung der unter 3-Jährigen nur am Rand miterledigen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen einen klaren Schwerpunkt setzen. Dort müssen wir vorankommen. Wir können uns nicht wie Herr Mittler an einem Ein-Satz-Zitat der Untersuchung des Berlin-Instituts festhalten und in die Tasche lügen und sagen: Darin steht doch, Rheinland-Pfalz würde die besten Betreuungsangebote bieten.

Schauen wir einmal genauer hin, sehen wir, dass im Berlin-Institut nur Kindergartenangebote betrachtet wurden. Von Angeboten für unter 3-Jährige, Hort- und anderen Angeboten ist keine Rede. Natürlich ist die Anzahl der im Kindergartenbereich zur Verfügung stehenden gut. Sie reicht aber nicht für die Bedürfnisse der Kinder, der Familie und der Unternehmen aus, die auf gut ausgebildete Leute zurückgreifen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, dieser Kraftakt wird sich rechnen. Die Kinderbetreuung gerade für die Kleinsten kommt allen zugute, und zwar den Kindern, den Eltern und der Gesellschaft insgesamt. Mittelfristig zahlt sich dies in direktem Geld aus. Ich will Ihnen nur noch einmal zwei Zahlen aus dem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nennen, das im August 2002 ver

öffentlicht wurde. Dieses hat Folgendes errechnet: Wenn 1.000 Akademikerinnen mit einem Kind im Krippenalter durch den Ausbau der Kinderbetreuung wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, werden innerhalb kürzester Zeit 8,1 Millionen Euro Einkommensteuer und 10,4 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge zusätzlich erbracht. Ich sage Ihnen nicht, was noch dazukommt, weil man zusätzliche Stellen einrichtet und natürlich Arbeitsplätze schafft. Wer die Erwerbsquote erhöhen, bestausgebildetste Frauen mit hineinnehmen und Kinder optimal fördern will, muss in diesen Bereich investieren, und zwar nicht zögerlich, sondern entschlossen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Mittler, Herr Bauckhage, Herr Beck, Sie wissen wahrscheinlich selbst ganz genau, dass der Haushalt kein großer Wurf ist, nicht einmal ein kleiner. Nicht umsonst haben Sie die Haushaltsberatungen mit Ihrer Regierungsmehrheit verhindern wollen.

(Hartloff, SPD: Verhindern wollen! – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sie wollten intensive Haushaltsberatungen verhindern. Nichts anderes war Ihr Bestreben. Entschuldigen Sie bitte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD – Glocke der Präsidentin)

Die Kollegin Frau Thomas hat das Wort.

Betroffene Hunde bellen. So ist das. Sie waren die ganze Zeit still.

Herr Geschäftsführer, ich habe Sie in dem Punkt doch einmal getroffen. Sie waren einer der Vollstrecker in diesem Bereich. Die Blamage soll mit einem Schnelldurchgang und einer Etatabstimmung, von der Sie hoffen, dass sie im Vorweihnachtstrubel untergeht, klein gehalten werden.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

Ihnen fällt zur Gestaltung einer zukunftsgerichteten Landespolitik außer dem, was an Visionen und Zielen formuliert wurde, konkret in Ihrem Haushaltswerk nichts Weiteres ein. Sie verweisen, verschieben, beschönigen und ducken sich vor den tatsächlichen Problemen weg.

Herr Schwarz, ich habe Ihnen einige genannt. Der permanente Streit in der Koalition tut sein Übriges.

(Creutzmann, FDP: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, für die drängenden Zukunftsaufgaben, sei es in der Kinderbetreuung, an den Hochschulen oder bei der Ökologie, haben Sie nichts mehr zuzusetzen. Hier werden wir Sie einiges lehren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben weitere Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder des SPD-Ortsvereins Achtelsbach und Hausfrauen aus Sonnenberg-Winnenberg sowie Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse, Leistungskurs Sozialkunde, des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Kaiserslautern. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Kuhn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Thomas, zunächst vielleicht zur Aufmunterung eine kleine Geschichte. Vor nicht allzu langer Zeit hat eine deutsche Wissenschaftlerin eine Untersuchung im Rahmen ihrer Habilitation vorgenommen und Koalitionen in Deutschland miteinander verglichen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, sie hat eine genaue Analyse der bestehenden Koalitionen in Deutschland vorgenommen. Das Ergebnis hat mich persönlich nicht verblüfft. Auch da war Rheinland-Pfalz Spitze.

(Beifall bei FDP und SPD)

Das Ergebnis war klar und eindeutig – zum einen, was die menschliche Zusammenarbeit anbelangt, was den Erfolg anbelangt, was die gemeinsamen Politikkonzepte anbelangt, eine Reihe von Kriterien – mit Abstand die beste Koalition. Wenn Sie hier ständig dies so vor sich hertragen und den untauglichen Versuch unternehmen, Unstimmigkeiten in der Koalition hochzustilisieren, wird es langsam peinlich, weil jeder hier im Saal weiß, warum Sie das tun.

(Beifall bei FDP und SPD)

Dabei ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Dabei soll es zunächst einmal bleiben. Das war schon unangenehm und etwas peinlich. Jedenfalls ist es mir so vorgekommen.

Meine Damen und Herren, Sie gestatten mir, dass ich einiges zu den Rahmenbedingungen sage. Trotz der festgestellten leichten Herbstbelebung haben die Arbeitsämter in Deutschland im vergangenen Monat die höchste September-Arbeitslosigkeit seit sieben Jahren registriert. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit sieht noch keine Besserungstendenz auf dem Arbeitsmarkt. Auch in Rheinland-Pfalz ist die Arbeitslosigkeit im September im Vergleich zum Vorjahresmonat leicht gestiegen, auch wenn es im Vergleich zum August einen spürbaren Rückgang gab. Besonders positiv – das

sollte man auch erwähnen – ist in Rheinland-Pfalz, dass vor allem jüngere Menschen wieder vermehrt Arbeit gefunden haben.

Trotz der weiterhin schwierigen Arbeitsmarktlage ist die wirtschaftliche Entwicklung, wenn man sich die Analyse anschaut, eher positiv. Die Konjunktur hat an Schwung gewonnen. Das Wachstum reicht jedoch noch nicht aus, um sich bereits jetzt positiv bei den Arbeitslosenzahlen bemerkbar zu machen.

Die zaghaften Ansätze für eine wirtschaftlich positivere Entwicklung schlagen sich natürlich auch noch nicht in einer verbesserten Einnahmensituation der öffentlichen Haushalte nieder. Jahrelange wirtschaftliche Stagnation und hohe Arbeitslosigkeit haben dazu geführt, dass allen öffentlichen Haushalten – Bund, Ländern und Gemeinden – die Einnahmen weggebrochen sind. Wir wissen das; wir haben das leidvoll erfahren.

Die Einnahmensituation der öffentlichen Haushalte in Deutschland wird sich erst dann verbessern, wenn durch Reformen die Konjunktur- und Beschäftigungskrise überwunden wird.

Wir brauchen in Deutschland die Kraft der Erneuerung. Erste Reformen werden auf den Weg gebracht. Ich hoffe in diesem Zusammenhang, dass die Umsetzung von Hartz IV erfolgreich sein wird.

(Beifall bei FDP und SPD)

Kaum jemand bestreitet, dass weitere, auch schmerzhafte Reformen folgen müssen.

Meine Damen und Herren, da die weggebrochenen Einnahmen alle öffentlichen Haushalte treffen, überrascht es nicht, dass auch die Aufstellung des Doppelhaushalts 2005/2006 in Rheinland-Pfalz in der Tat nicht einfach war. Wo war sie schon einfach? Wir haben die Haushaltsberatungen im Bund verfolgt. Ich habe sie im Übrigen auch in Hessen verfolgt. Ich habe auch die Reden meiner Kollegen gelesen. Darauf komme ich noch zurück.

Bei der Aufstellung des Haushaltsplans ist die Einnahmenseite weitgehend unserem Einfluss entzogen. Aber wir können und werden durch die Fortsetzung des Sparkurses den Weg der Haushaltskonsolidierung im Land fortsetzen. Wir können und werden finanzpolitische Prioritäten setzen, um in Rheinland-Pfalz die Wachstumskräfte zu stärken und damit Beschäftigungsimpulse zu geben.

(Beifall bei FDP und SPD)

Daran misst die FDP-Fraktion den vorliegenden Haushaltsentwurf. Alle staatlichen Aufgaben müssen auf das notwendige Maß reduziert werden, um die notwendigen Kernaufgaben finanzieren zu können.

Aufgaben, die noch gestern nachvollziehbar politisch positiv bewertet wurden, müssen heute und wohl auch in der Zukunft nach anderen, und zwar nach härteren Kriterien beurteilt werden. Wir müssen uns immer darüber im Klaren sein, dass fast alle politischen Entscheidungen,

die heute getroffen werden, nicht nur die jetzige Generation betreffen. Unsere Entscheidungen wirken fort und beeinflussen die Rahmenbedingungen für die kommenden Generationen. Unsere Zukunft wird also in der Gegenwart gestaltet.

Meine Damen und Herren, der notwendige Umbau der öffentlichen Haushalte ebenso wie der sozialen Sicherungssysteme kann und wird – ich bin optimistisch – die Voraussetzungen für die Gesundung unseres Gemeinwesens schaffen. Es wird unseren Kindern und Enkeln eine gestaltbare Zukunft aus ihrer eigenen Verantwortung ermöglichen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion ist überzeugt davon, dass es möglich ist, den Bürgerinnen und Bürgern die Notwendigkeit von Umbau- und Sparmaßnahmen zu vermitteln, wenn sie breit angelegt, ausgewogen und nachvollziehbar vermittelt werden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Es wird funktionieren. Ich bin fest davon überzeugt. Im Übrigen müssen sie entscheidungsstark und konsequent umgesetzt werden. Zu diesem Thema haben wir heute das eine oder andere gehört.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es unsere politische Aufgabe, die Ausgabenseite so zu gestalten, dass die übergeordneten politischen Ziele erfüllt werden. Entsprechend den am 14. September im Ministerrat beschlossenen Eckwerten enthält der Doppelhaushalt 2005/2006 nur geringe Ausgabensteigerungen in Höhe von 0,3 % – wir rechnen die Universität Mainz einmal heraus – bzw. 0,8 %. Damit unterschreitet RheinlandPfalz die im Finanzplanungsrat verabredete Obergrenze von jahresdurchschnittlich 1 %. Rheinland-Pfalz leistet somit seinen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Defizitgrenze des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Für die FDP-Landtagsfraktion ist dies von großer Bedeutung.

(Beifall bei der FDP)