Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Wir haben also dann im Jahr 2005 genau die von Ihnen so kritisierte Zahl von über 9.000. 9.000 war immer das Zahlenwerk, von dem wir gesagt haben, das müssen wir eigentlich erreichen, um uns die jetzige Stärke mit dem Fünfgruppenschichtdienst auch zu halten. Von daher gesehen bin ich recht zufrieden über die Entwicklung.

Wir können dann auch die Rotationskräfte bei der Bereitschaftspolizei, die eine nicht unwichtige Rolle spielen für die Kleindienststellen, auf 190 aufbauen.

Eine letzte Bemerkung. Natürlich werden wir nicht die Elternzeiten ausgleichen können aus dem Personal heraus. Das kann niemand. Das kann weder die BASF, noch kann das Boehringer in Ingelheim, noch kann das die rheinland-pfälzische Polizei oder die Justiz oder wer auch immer.

Das müssen wir schon aus unserer eigenen Kraft leisten. Wir haben jetzt aufgrund der Entwicklung zumindest eines dargestellt:

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wir werden bei der Bereitschaftspolizei eine höhere Reserve fahren, nämlich 40 Stellen mehr, die wir als einen solchen Pool wieder nehmen können.

(Pörksen, SPD: Natürlich!)

Ich habe nur einmal gesagt, aus eigener Kraft. Keine Landesregierung wird das machen können, was Sie apostrophieren, nämlich so viel Polizeistellen zu schaffen, wie Sie vermeintlich schaffen müssen, weil Sie am Schluss für 40 Jahre einstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Dr. Schiffmann, SPD – Mertes, SPD: So ist das!)

Sie geben den Menschen eine Garantie, Gott sei Dank. Sie müssen aber auch bedenken, dass Sie kurzfristig dann immer wieder aus diesem Personalkörper der 40 Jahre noch schöpfen können.

Noch einmal zum ersten Punkt: Wir bauen Zukunft und Sicherheit für die rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürger. Sie können sicher sein, dass diese Landesregierung sehr genau geschaut hat, was sie tut und wie sie es entwickelt. Wir haben etwas gebaut, von dem die rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürger sagen können, in diesem Land wohnen, leben und arbeiten wir sicher weiter.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Bevor wir fortfahren, begrüße ich weitere Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder des FDP-Ortsverbandes Bendorf sowie Mitglieder der ver.di-Post-Senioren aus Wiesbaden. Herzlich willkommen im rheinlandpfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe nun Punkt 16 der Tagesordnung auf:

Armutsbericht Besprechung des Berichts der Landesregierung (Drucksache 14/3284) auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3404 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Wir haben den Armutsbericht der Landesregierung auf die Tagesordnung dieses Plenums setzen lassen, da wir der Auffassung sind, dass das Thema „Armut“ eine solche Bedeutung in unserem Land hat, dass es auch in das Zentrum der politischen Diskussion gehört, wenn das Parlament das Zentrum der politischen Diskussion sein soll.

Ich möchte aber zunächst noch einmal in Erinnerung rufen, was Armut eigentlich bedeutet. Ich meine nicht die hinlänglich bekannten Definitionen, sondern die konkrete Bedeutung von Armut. Armut bedeutet zum einen materielle Armut, zum Teil Not und Einschränkungen in materieller Hinsicht.

Armut bedeutet aber zum Zweiten aufgrund dieser Einschränkungen eine geringe oder manchmal fast gar keine Teilhabe am so genannten gesellschaftlichen Leben. Dies klingt immer etwas schwülstig, ist aber nicht mehr oder nicht weniger als Kinobesuche, Theaterbesuche, das eine oder andere Fest, also all das, was mit materiellen Aufwendungen verbunden ist und was sich arme Menschen nicht leisten können. Es bedeutet deshalb auch Ausgrenzung aus der Gesellschaft.

Armut bewirkt einen schlechteren Zugang zu Bildung, zu Kultur, Armut bewirkt Perspektivlosigkeit, und Armut macht krank. Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass Armut tatsächlich krank macht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen bestimmten Erkrankungen und der materiellen Situation der Betroffenen.

Wenn wir feststellen – dies lässt sich im vorliegenden Armutsbericht sehr gut nachvollziehen –, wer von Armut betroffen ist, fällt uns eine Gruppe besonders ins Auge, nämlich die Gruppe der Kinder. Mehr als 37 % der Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe in Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 waren Kinder. Nun gibt es auch unter uns Politikern Menschen, die bei diesem oder jenem Thema sehr stark auf die Eigenverantwortlichkeit abheben und daran apellieren. Das ist manchmal gar nicht so falsch.

Beim Thema „Kinder und Armut“ aber greift dieses Argument nicht so schnell und ist auf keinen Fall glaubwürdig; denn Kinder geraten – übrigens ebenso wenig wie im Regelfall Erwachsene – nicht aufgrund eigenen Verschuldens oder eigenen Versagens in Armut. Sie

sind nicht selbst dafür verantwortlich, sondern in der Regel sind Kinder deshalb arm, weil ihre Eltern arm sind. Das muss man bei der Bewertung von Armut und bei einer durchgreifenden Armutspolitik bedenken.

Ich möchte jetzt zunächst einmal die Frage an den Anfang stellen: Was tut man mit einem solchen Bericht, wenn man ihn gelesen hat? Was geschieht mit einem solchen Bericht im politischen Raum? – Ich denke, die einzige methodische Antwort auf einen solchen Bericht ist eine politische Strategie gegen Armut, die, auch wenn sie nicht Bestandteil eines solchen Berichts ist, doch die Folge davon sein muss. Dazu werde ich am Ende meiner Rede noch einmal etwas sagen, wenn ich auf den Bericht eingegangen bin.

Was ist seit dem letzten entsprechenden Bericht der Landesregierung besser geworden?

Besser geworden ist der Bericht selbst. Die Armutspolitik selbst ist nicht unbedingt besser geworden, aber der Bericht weist wesentliche Merkmale einer qualitativen Verbesserung auf. Zum ersten Mal – das klingt vielleicht widersprüchlich – wird in dem Armutsbericht auch über Reichtum berichtet, wenngleich auch etwas wenig über die Zusammenhänge zwischen Reichtum und Armut gesagt wird. Aber das Thema „Reichtum“ kommt vor.

Positiv ist auch, dass eine ganze Reihe von politischen Akteurinnen und Akteuren bei der Erstellung dieses Berichts beteiligt war. Das hat sich sehr wohltuend auf den Bericht selbst, auf seine Konzeption und auf sein Ergebnis ausgewirkt.

Es gibt auch eigenständige Bereiche, eigenständige Teile mitwirkender sozialpolitischer Akteure. Auch dies hat sich sehr wohltuend auf den Bericht ausgewirkt.

In Zukunft muss aber, auch was den Bericht selbst angeht, einiges besser gemacht werden. Die Datengrundlage zum Thema „Armut“ ist dürftig und zum Teil erheblich veraltet. Das liegt daran, dass uns Armut häufig nicht so offensichtlich entgegenkommt und wir sie sozusagen einfach abzählen könnten, sondern man muss schon hingehen. Das bedeutet, dass man verlässliche und aktuelle Daten braucht. Deshalb wird ein zukünftiger Armutsbericht nicht ohne eine entsprechende wissenschaftliche Begleitung auskommen. Diese wissenschaftliche Begleitung ist bei diesem Bericht unterblieben, und ich halte dies für einen tief greifenden methodischen Mangel, auch wenn ich sage, dass der Bericht qualitativ in der Tat wesentlich besser geworden ist als das, was wir früher hatten. Aber ich erwarte, dass es in Zukunft – so häufig wird ein solcher Armutsbericht nicht erstellt – eine fundierte wissenschaftliche Begleitung mit einer entsprechenden Datenerhebung gibt.

Ich habe soeben ausgeführt, dass aus dem Bericht eindeutig hervorgeht, dass Kinder in besonderem Maß von Armut betroffen sind. Mehr als 37 % der ungefähr 102.000 Sozialhilfeempfänger in Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 waren Kinder. Das ist eine sehr große Zahl. Wenn man sich überlegt, was es bedeutet, wenn Kinder von Armut betroffen sind, die keine Möglichkeit haben, sich sozusagen am eigenen Schopf aus dem Schlamassel herauszuziehen, die häufig unter schlechten Bedingun

gen wie schlechte Ernährung und schlechte Bildung aufwachsen, die schlechtere Chancen zum Zugang zur Bildung haben und damit auch in einer großen Perspektivlosigkeit leben, wird deutlich, dass Armutspolitik gerade bezüglich einer Kinderarmutspolitik ein zentrales gesellschaftspolitisches Feld darstellt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal das Thema „Kinderbetreuung“ aufgreifen, das in diesem Bereich eine erhebliche Rolle spielt; denn qualitativ gut betreute Kinder haben häufig in guten Einrichtungen eine Erweiterung ihrer Lebenschancen, wenn sie dort Bildung und eine gute Betreuung erfahren und eine gute Ernährung erhalten.

Der Armuts- und Reichtumsbericht hat einen weiteren positiven Ansatz. Er räumt nämlich mit einigen Mythen und Vorurteilen auf. Er räumt zum Beispiel mit dem Vorurteil auf, dass ein Leben von der Sozialhilfe oder unter der Armutsgrenze sozusagen ein schönes Leben in Freizeit sein könnte. Damit räumt dieser Bericht sehr eindringlich auf.

Er räumt auch damit auf, dass viele Menschen sozusagen gern arm sind und gern von der Sozialhilfe leben. Er zeigt zum Beispiel sehr deutlich, dass insbesondere Familien und Alleinerziehende mit Kindern sehr stark am Erwerbsleben orientiert sind und da auch wieder hinein wollen, wenn man ihnen nur die Chance gibt.

Auch deshalb ist es unumgänglich, dass Armutspolitik in ihrer Vielfältigkeit begriffen und definiert wird. Was nun fehlt, ist das strategische Element, das ich eingangs erwähnt habe, Frau Ministerin Dreyer. Bei der Behandlung des Themas „Armut“, dem Sie, glaube ich, offen gegenüberstehen, ergehen Sie sich in der Regel in einer Aufzählung von Maßnahmen, die Sie in diesem Bereich vorhaben oder schon hinter sich haben. Aber eine Antiarmutsstrategie, die der Größe des Phänomens und seinen vielen Gesichtern Rechnung trägt, habe ich bisher noch nicht entdecken können. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie uns als Konsequenz aus diesem Bericht eine solche Strategie vorstellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das bedeutet, dass Sie vernünftig und seriös Daten erheben

(Glocke der Präsidentin)

ich komme gleich zum Schluss –, Ziele einer Armutspolitik nennen, Zeithorizonte und Zeiträume aufzeigen, in denen gewisse Ziele erreicht werden können, auch Finanzierungselemente einbauen, was selbstverständlich auch sein muss, die Maßnahmen auf einer Zeitachse darstellen, mit der Umsetzung beginnen und auch das, was Sie im Rahmen der Strategie umsetzen, evaluieren. Das ist das Grundgerüst einer Armutsstrategie.

Ich erwarte, nachdem Sie nun einen qualitativ wesentlich besseren Bericht vorgelegt haben, als dies in der Vergangenheit der Fall war, von Ihnen, dass Sie nun den

nächsten Schritt machen und an die Bekämpfung der Armut gehen, und zwar nachhaltig und strategisch, und wir aus der Phase herauskommen, in der wir nur die Armut beschreiben können.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dröscher das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir besprechen heute den dritten Armutsbericht der Landesregierung. Lassen Sie mich zunächst einige allgemeine Bemerkungen dazu machen.

Dieser Bericht ist ein umfangreiches, inhaltlich hochinteressantes Nachschlagewerk über soziale Lagen und soziale Sicherung, über Hilfen und Gefährdungen in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik und des Landes Rheinland-Pfalz geworden.