Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Das ist für beide Bereiche relativ einfach darstellbar. Wir haben den Haushalt im Sommer dieses Jahres aufgestellt. Im September ist er vom Ministerrat verabschiedet worden. Das Prognoseumfeld für die wirtschaftliche Entwicklung war zu der Zeit relativ positiv im Sinn eines stärkeren Aufschwungs mit der Folge eines möglichen Zinsanstiegs – auch wegen des internationalen Umfeldes – und mit der Folge, dass im Tarifbereich mit eher relativ hohen Abschlüssen zu rechnen ist.

In der Zwischenzeit – das muss man wohl so sehen – haben wir eher eine konjunkturelle Entwicklung, die keinen zusätzlichen Auftrieb verspricht. Dementsprechend fällt die Schätzung für das nächste Jahr aus. Das Wachstum im nächsten Jahr bewegt sich nach Schätzwerten zwischen 1,5 % und 1,8 %. Das wäre keine weitere Beschleunigung des Wachstums.

Das hat Auswirkungen auf den Zinsbereich, aber auch auf den Personalbereich. Zunächst zum Zinsbereich. Im Juni – also zu dem Zeitpunkt, als die Zahlen des Haushalts zusammengetragen wurden – belief sich die Umlaufrendite auf gut 4 %. Die aktuelle Umlaufrendite liegt bei 3,58 %. Das heißt, wir haben eine Zinssenkung von ungefähr 0,4 % zu verzeichnen, die wir für die beiden nächsten Jahren über Derivate geltend machen können. Die Bruttokreditaufnahme des Landes beträgt jährlich rund 5 Milliarden Euro. Bei einer Zinssenkung um ungefähr 0,4 % beläuft sich das dann auf rund

20 Millionen Euro. Wir haben deshalb dem Landtag vorgeschlagen, die Zinsen für die Jahre 2005 und 2006 jeweils um 20 Millionen Euro zu senken.

Dahinter steht also die Entwicklung der vergangenen Monate. Wir sehen es als unproblematisch an, diese niedrigen Zinsen zu realisieren. Dabei müssen keinerlei Verschlechterungen der Schuldenstruktur des Landes in Kauf genommen werden.

Im tariflichen Bereich haben sich in den vergangenen Monaten zwei Veränderungen ergeben. Die erste Veränderung steht im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Umfeld. In den vergangenen Wochen und Monaten sind bundesweit erheblich niedrigere tarifliche Abschlüsse getroffen worden, als noch vor einigen Monaten zu erwarten war. Bei einigen Abschlüssen in der Privatwirtschaft werden über Jahre hinweg Nullrunden gefahren. Daher ist davon auszugehen, dass die Abschlüsse im öffentlichen Bereich im nächsten Jahr nicht etwa dram atisch hoch sein werden, sondern mit einiger Sicherheit sehr moderat ausfallen werden.

Der zweite Aspekt bezieht sich auf den Vollzug des Haushalts 2004. Die Ressorts sind im Bereich der Personalkosten ausgesprochen sparsam. Dies ist dem Haushalts- und Finanzausschuss in seiner vorletzten Sitzung in Form des Budgetierungsberichts mitgeteilt worden. Das hat zur Folge, dass die Personalverstärkungsmittel im Einzelplan 20 von den Ressorts praktisch nicht in Anspruch genommen werden. Das wiederum hat zur Folge, dass wir Ende dieses Jahres mit einiger Sicherheit einen Bonus in diesem Bereich von rund 45 Millionen Euro haben werden. Das heißt, wir haben eine Sicherheitsreserve für den Fall, dass doch höhere Abschlüsse im öffentlichen Bereich getroffen werden als unterstellt.

Beides zusammengerechnet, das etwas weniger erfreuliche gesamtwirtschaftliche Umfeld mit den Folgen auf die Tarifabschlüsse der Privatwirtschaft plus unsere höhere Risikovorsorge im Einzelplan 20, lässt es problemlos zu, die Ansätze im Einzelplan 20 für Personalverstärkungsmittel, also im Wesentlichen für Tariferhöhungen, um jeweils 40 Millionen Euro in beiden Jahren abzusenken. Das ist das Ergebnis der Entwicklung der vergangenen drei bis vier Monate.

Deswegen sind beide Vorschläge aufgrund der aktuellen Entwicklung vertretbar. In beiden Fällen wird es nicht dazu kommen, dass die dann noch verbleibenden Ansätze risikobehaftet sind, zumindest bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jullien.

Herr Staatssekretär, wäre es nicht sinnvoller vor dem Hintergrund der Tatsache, dass seit Jahren die Einnahmen in den jeweiligen Haushaltsplänen unter Berück

sichtigung der Steuerschätzung zu hoch angesetzt wurden, von vornherein einen entsprechenden Sicherheitsabschlag vorzunehmen?

Herr Jullien, genau das schlägt die Landesregierung vor. Wir schlagen einen Sicherheitsabschlag von 35 Millionen Euro und 30 Millionen Euro vor. Das ist solide.

(Mertes, SPD: Wollen Sie mehr? – Jullien, CDU: Das ist die Frage! – Mertes, SPD: Dann sagen Sie doch etwas! – Jullien, CDU: Herr Mertes, die Frage ist nicht an Sie gerichtet, sondern an den Staatssekretär!)

Ich kann das Verfahren der Steuerschätzung gern noch einmal erläutern.

(Zurufe aus dem Hause: Nein!)

Die Steuerschätzung ist keine Steuerschätzung der Bundesregierung. Der Arbeitskreis Steuerschätzung wird bestückt von der Bundesregierung, von allen Ländern, von den Wirtschaftsforschungsinstituten und von der Bundesbank und arbeitet konsensorientiert. Das heißt, jedes Mal wird nach bestem Wissen und Gewissen geschätzt, aber nicht systematisch nach oben oder unten verzerrt. Es wird so geschätzt, dass sich alle Beteiligten in dem Ergebnis wiederfinden. Systematisch ist es allerdings so, dass immer dann, wenn es der Wirtschaft deutlich schlechter als erwartet geht, in der Regel Steuerlöcher entstehen.

Im Übrigen ist es bei langfristiger Betrachtung im Aufschwung genau umgekehrt. Im Aufschwung werden normalerweise die Steuereinnahmen deutlich unterschätzt. Seit einigen Jahren haben wir aber keinen kräftigen Aufschwung mehr gehabt. Aber auch wir hatten in den Jahren 1999 und 2000, also zu der Zeit des vergangenen kräftigen Aufschwungs, mehr Steuereinnahmen als von den Steuerschätzern vorhergesagt. In den vergangenen drei Jahren war es genau umgekehrt.

Mit der Steuerschätzung vom November haben wir allerdings erstmals die Situation, dass es nur noch im Unschärfebereich Veränderungen gegenüber der vorherigen Steuerschätzung gegeben hat. Das heißt, wir haben mit einer Steuerquote, die nur noch haarscharf über 20 %, genau bei 20,07 % des Bruttoinlandsprodukts liegt, offensichtlich einen Boden erreicht, der – natürlich weiß das niemand genau – hoffentlich nicht mehr unterschritten wird. Wir sind aber vorsichtige Kaufleute, wie der Herr Minister sagen würde, und haben deshalb zusätzlich einen Abschlag vorgenommen, damit wir auf der sicheren Seite sind.

(Jullien, CDU: Den Sie für angemessen halten! – Ministerpräsident Beck: Sonst hätten wir einen anderen gewählt!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bracht.

Herr Staatssekretär, wir sind uns sicher einig, dass die Kürzung der Ausgabenansätze bei Zinsen und Personal kein echtes Sparen darstellt, so wie es in der Presse seitens der Regierung dargestellt wird. Man spart also nicht, um die Steuermindereinnahmen finanzieren zu können. Wo haben Sie denn sonst noch Reserven in diesem Haushalt, die sich seit der Aufstellung des Haushalts im Sommer ergeben haben?

Verehrter Herr Kollege, die Mündliche Anfrage dient nicht dazu, das ganze Spektrum des Doppelhaushalts zu erörtern. Daher entbinde ich den Herrn Staatssekretär von der Beantwortung Ihrer Frage.

Gibt es noch konkrete Fragen zu dem Sachverhalt, den Herr Kollege Jullien aufgezeigt hat? – Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Nicole Morsblech (FDP), FH-Studiengang für Erzieherinnen und Erzieher – Nummer 5 der Drucksache 14/3558 – betreffend, auf.

Ich frage die Landesregierung:

1. Gibt es einen vergleichbaren Studiengang auch in anderen Bundesländern bzw. ist der Landesregierung bekannt, ob es in anderen Bundesländern vergleichbare Pläne gibt?

2. Welche Erwartungen verknüpft die Landesregierung mit dem neuen Studiengang im Hinblick auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag von Kindertagesstätten?

3. Liegen der Landesregierung bereits Informationen vor, wie groß die Nachfrage nach dem neuen Studiengang ist?

4. Hält die Landesregierung die Professionalisierung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in den Fachschulen für ausreichend, soweit es nicht um die Qualifizierung von Führungskräften geht?

Es antwortet Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Bundesweit gibt es keinen vergleichbaren Studiengang. Das Besondere am rheinland-pfälzischen Studiengang ist die spezifische Managementorientierung, die als bundesweit einzigartig beschrieben werden kann. Dieser Studiengang richtet sich an Leitungen von Kindertagesstätten. Hier werden sowohl die betriebswirtschaftliche Dimension als auch die Gestaltung und Organisation von Bildungsprozessen als Schwerpunkte des Studiums miteinander verbunden. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Studiengang am Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen, angesiedelt ist.

Der Landesregierung sind die folgenden beiden berufsbegleitenden Studiengänge zur Weiterqualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern bekannt: Seit dem Wintersemester 2004/05 gibt es den Studiengang „Pädagogik der frühen Kindheit“ an der evangelischen Fachhochschule in Freiburg. Er dauert sechs Semester. Seit dem Wintersemester 2004/05 gibt es das weiterbildende Studium „Frühkindliche Bildung“ an der Universität Bremen in Kooperation mit der Landesvereinigung evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen. Die Dauer beträgt vier Semester.

Darüber hinaus gibt es einige wenige bereits existierende Studiengänge mit dem Schwerpunkt Elementar- bzw. Frühpädagogik, die aber nicht berufsbegleitend angeboten werden. Für derzeit geplante Studiengänge ist dies der Landesregierung nicht im Einzelnen bekannt.

Zu Frage 2: Vor dem Hintergrund einer sich verändernden Kindertagesstättenlandschaft – veränderte Strukturen, verstärkte Konkurrenz zwischen den Einrichtungen und neue Trägerstrukturen einerseits sowie steigender Bildungserwartungen an Kindertagesstätten andererseits – möchte die Landesregierung ein über die reguläre Fachschulausbildung hinausreichendes und wissenschaftlich tiefergehendes Angebot für Leitungen von Kindertageseinrichtungen ermöglichen. Leitungen von Kindertagesstätten werden durch den Studiengang darin unterstützt, die genannten Herausforderungen eines professionellen Bildungs- und Sozialmanagements noch besser meistern zu können. Einrichtungsleitungen werden so in ihrer wichtigen Koordinations- und Multiplikationsfunktion gezielt gefördert.

Zu Frage 3: Seit Anfang November 2004 können die für die Bewerbung erforderlichen Unterlagen angefordert werden, sodass sich noch keine genauen Interessentenund Interessentinnenzahlen nennen lassen. Gleichwohl zeigen die von der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen, bereits durchgeführten mehr als 100 Beratungsgespräche, dass ein sehr großes Interesse an diesem Studiengang besteht.

Zu Frage 4: Erzieherinnen und Erzieher werden an der Fachschule in qualifizierter Art und Weise auf ihren künftigen Beruf vorbereitet. Um dies weiter zu gewähr

leisten und neuen Entwicklungen sowie geänderten Anforderungen an den Erzieherinnenberuf gerecht zu werden, hat das Land Rheinland-Pfalz in diesem Jahr eine Modernisierung und Professionalisierung der Ausbildung an den Fachschulen eingeleitet. Die vorgeschaltete Sozialassistentenausbildung wurde eingeführt und die Fachschule inhaltlich zukunftsweisend weiterentwickelt.

Der nun eingerichtete Studiengang „Bildungs- und Sozialmanagement mit Schwerpunkt frühe Kindheit“ an der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen, stellt eine zusätzliche Qualifizierungsmöglichkeit für Leitungskräfte dar. Weitere Berufsperspektiven für die Absolventinnen und Absolventen des neuen Fernstudiengangs liegen übrigens auch in der Fachberatung für Kindertagesstätten, in der Arbeit für die großen Trägerorganisationen oder auch bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, zum Beispiel im Bereich der Kindertagesstättenplanung. Somit leistet der Studiengang auch einen Beitrag zu einem konsequenten Ausbau der Durchlässigkeit des Berufsbildes.

So weit die Antwort der Landesregierung.

Gibt es Zusatzfragen? – Ich erteile der Frau Abgeordneten Morsblech für eine Zusatzfrage das Wort.

Zunächst einmal vielen Dank, Frau Ministerin. Mich würde zusätzlich die Struktur und der Aufbau des neuen Studiengangs sowie der Abschluss im Hinblick darauf interessieren, inwiefern sich dann das Lernen in den Berufsalltag von Leitungskräften von Kindertagesstätten integrieren lässt.

Deshalb haben wir den Studiengang zunächst einmal ganz bewusst als berufsbegleitendes Studium konzipiert. Der Studiengang ermöglicht schon von seiner Konstruktion her, dass es ein permanentes Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis gibt. Berufsbegleitend heißt in diesem Fall, dass wir ihn zusätzlich als Fernstudium organisiert haben. Die Betroffenen müssen also nur zu den Präsenzphasen tatsächlich an den Hochschulstandort kommen. Ansonsten können sie das Studium über das Fernstudium wahrnehmen.

Dennoch muss man darauf hinweisen, dass dies natürlich für Menschen, die im Beruf stehen, eine erhebliche zusätzliche Anstrengung ist. Deshalb haben wir auch zur Voraussetzung gemacht, dass ein entsprechender Anstellungsvertrag mit einem Träger vorliegt; dies auch deshalb, um deutlich zu machen, dass sich die Betroffenen dieser Anstrengung bewusst sind.

Abschließen soll er nach sechs Semestern mit einem Bachelor.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kohne-Gros.

Frau Staatsministerin, mich würde interessieren, wie die finanzielle Ausstattung dieses neuen Studiengangs vonseiten der Landesregierung begleitet wird. Muss die Fachhochschule Koblenz diesen Studiengang aus eigenen Mitteln finanzieren, und wo kommen die Professuren dafür her? Wie müssen sich die Studierenden an den Kosten dieses zusätzlichen Studiengangs beteiligen?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Kohnle-Gros, ich beantworte Ihre Frage wirklich gern, weil ich auch einige Erfahrungen aus dem Hochschulbereich habe. Gerade in diesem Fall sind die zuständigen Professorinnen und Professoren am Rande eines Termins auf mich zugekommen und haben auf die Frage, ob das materiell für sie auch abgesichert sei, gesagt, dass sie sich vom Wissenschaftsministerium ausgesprochen gut behandelt fühlen, das diesen Studiengang mit großer Energie unterstützt. Ich habe selten so glückliche Professorinnen und Professoren wie in dieser Frage gesehen.

(Beifall der SPD und der FDP)