Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Die grüne Gentechnik wird auch die Frage über die Ernährung der Welt und die damit zusammenhängende Produktivität in der Landwirtschaft mit einbeziehen müssen. Ich will auch die Situation in den Zonen einbeziehen, die momentan gerade auch von Klimaveränderungen – das ist nicht Mitteleuropa – betroffen sind, wo man dringend darauf angewiesen ist, zum Beispiel auf versalzten Böden oder besonders trockenen Standorten dennoch Landwirtschaft betreiben zu können. Wir dürfen die Diskussion darüber, ob gentechnologisch veränderte Pflanzen hier helfen können, heute nicht einfach beenden, indem wir sie jetzt schon ablehnen.

Auch bei der Frage des von Ihnen immer wieder in den Vordergrund gestellten Einsatzes chemischer Mittel, zum Beispiel in der Landwirtschaft durch Alternativprodukte, die weniger belastend sind, muss in Erwägung gezogen werden, ob hier nicht GVO-Produkte eine echte Chance bieten können.

Auch bei der medizinischen Versorgung unserer Gesellschaft und in der Welt – ich denke insbesondere an Mangelkrankheiten – kann nicht von vornherein jede Anwendung und Chance von GVO-Produkten ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erinnere mich noch sehr gut an die Anfänge der roten Gentechnik. Diese ist am Anfang überwiegend unter den Betrachtungen von Risiken diskutiert worden. Es gab auch damals eine Bewegung, die von vornherein gesagt hat, gar nicht erst weitermachen.

Die Entwicklung der roten Gentechnik, das heißt die Anwendung der gentechnologisch veränderten Produkte in der Medizin, hat aber gezeigt, dass die Befürchtungen nicht eingetreten sind, sondern im Gegenteil wir heute in der Medizin Produkte haben, die einen echten medizinischen Fortschritt in Therapie und Verträglichkeit von Medikamenten bedeuten. Das macht mich bei manchen Forderungen vorsichtig, die voreilig und unwissenschaftlich Ängste mobilisieren und nur von Risiken reden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Staat heute nicht die Frage der Zukunft der Gentechnik so beantworten darf, dass er sagt, eine Risikobetrachtung macht es notwendig oder rechtfertigt es sogar, dass wir heute die Anwendung, Entwicklung und Forschung in diesem Bereich behindern oder nicht fordern dürften. Dies dürfen wir nicht.

(Beifall der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen basiert die Politik, die die Landesregierung verfolgt, auf vier Akzenten:

1. Natürlich geht es uns um den Schutz von Umwelt und Gesundheit, und zwar auch schon bei der Entwicklung und der Anwendung der grünen Gentechnik.

2. Wir wollen für die Verbraucher und Verbraucherinnen die Wahlfreiheit sicherstellen, das heißt, die Kennzeichnung darstellen, wie sie vorgeschrieben ist, und diese auch kontrollieren.

3. Wir wollen verlässliche und praktikable Rahmenbedingungen für unsere Landwirte, damit sie eine echte Wahlfreiheit unter verschiedenen Anbaumethoden haben.

4. Wir wollen verlässliche Rahmenbedingungen für die Forschung und Entwicklung haben, sei es in öffentlichen oder privaten Forschungseinrichtungen oder auch denen der Wirtschaft, damit sich die Chancen entfalten können und wir die Risiken durch Forschung objektiv bewerten können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade vor diesem Hintergrund und weil wir wissen, dass es in Zukunft ein Mehr an Anbau von gentechnologisch veränderten Produkten – nennen wir es besser transgenen Pflanzen – kommen wird, haben wir uns sehr intensiv mit dem Gentechnikgesetz auseinander gesetzt.

Frau Kiltz, wir haben nicht zugestimmt. Wir haben uns bei der Frage, ob wir Einspruch erheben, enthalten, weil trotz der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss noch einige Bedenken gegenüber diesem Gesetz bestanden haben. Wir haben aber – darauf will ich noch eingehen – durchaus Fortschritte erreicht.

Gerade das Gentechnikgesetz, das die EU-Freisetzungsrichtlinie umsetzen soll, soll Rahmenbedingungen für ein möglichst konfliktfreies Nebeneinander von konventionellem, ökologischem Anbau und dem Anbau von transgenen Pflanzen beinhalten. Dieses Nebeneinander der Anbaumethoden muss jetzt – hier ist die Bundesregierung gefordert – artspezifische Regelungen beinhalten. Man braucht jetzt eine entsprechende Verordnung, die vorgelegt werden soll und muss, damit wir Anbauvorschriften haben, die praktikabel sind und die verschiedenen Anbaumöglichkeiten und Koexistenz gewährleisten.

Wir haben in den Beratungen auch deutlich gemacht, dass wir für unsere Landwirte und die nachgelagerten Branchen diese Regelungen benötigen und die Ergebnisse aus dem Erprobungsanbau bei der Ausgestaltung der Rechtsverordnung berücksichtigt wissen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einige Sätze zum Antrag der GRÜNEN. Sie sprechen von einer so genannten freiwilligen Selbstverpflichtung zum Verzicht auf den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft. Natürlich ist das zulässig. Es kann unter bestimmten Produktionsumständen begrüßenswert sein, um eine bestimmte Art der Klassifizierung von Produkten dauerhaft sicherstellen zu wollen.

Auch in Rheinland-Pfalz steht über das Zentrum für grüne Gentechnik den Landwirten eine Beratung zur Verfügung, wenn sie sich für die eine oder andere An

bauform oder für eine solche Selbstverpflichtung entscheiden wollen. Die Landesregierung lehnt – das sage ich ganz deutlich – jedes Verbot der Anwendung von transgenen Pflanzen ab. Wir lehnen auch eine solche Haltung gegenüber staatlichen Flächen eindeutig ab, weil dies bedeuten würde, dass wir von vornherein die Forschung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen massiv erschweren, wenn nicht gar behindern würden. Das ist nicht im Interesse einer objektiven Behandlung dieses Themas.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen die Potenziale nutzen. Das stelle ich zur Ehrlichkeit der Diskussion fest. Auch die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Frau Künast, führt die öffentliche Förderung des Bundes fort. Das heißt, Steuergelder fließen sehr wohl in die Forschung von transgenen Pflanzen – auch auf öffentlichen Flächen.

Der Bund betreibt übrigens auch in Rheinland-Pfalz Gentechnikforschung an Pflanzen, und zwar im Institut für Rebenzüchtung im Geilweilerhof bei Siebeldingen. Dieses Institut gehört zur Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen, für das die Bundesverbraucherministerin verantwortlich zeichnet. Dort wird zum Beispiel an pilzresistenten Pflanzen der Rebsorten Riesling, Dornfelder und anderen geforscht. Damit können Sie sehen, dass das, was hinsichtlich des Verzichts auf transgenen Pflanzenanbau auf staatlichen Flächen im Antrag steht, noch nicht einmal auf Flächen im Bundeseigentum passiert.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns ist es wichtig, noch einmal festzuhalten: Es geht nicht nur um die Landwirtschaft bzw. die Lebensmittelproduktion. Es gibt auch ein großes Potenzial für die Produktion von Rohstoffen mittels gentechnisch veränderter Pflanzen. Ich will einmal das Beispiel der BASF AG nennen, was man sich durchaus auch objektiv einmal anschauen sollte. Es geht darum, dass in Zukunft Kartoffelsorten industriell nutzbare Stärke produzieren. Die Alternativmethode, die jetzt angewandt wird, ist ausgesprochen energieintensiv und umweltbelastend, weil sie ein Trennverfahren für die Stärken vorsieht, die in den Kartoffeln konventioneller Art enthalten sind. Auch hier würde ich heute unter ökologischen Gesichtspunkten nicht das Fallbeil fallen lassen und sagen: Diese Forschung und diese Entwicklung darf nicht weiterbetrieben werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben auch in dem Verhalten zum Gentechnikgesetz des Bundes deutlich gemacht, dass wir Veränderung haben wollen, insbesondere um die Potenziale auch in Zukunft nutzen zu können, um auch Chancen für Forschung und Entwicklung zu ermöglichen. Wir haben zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern immerhin erreicht, dass auch das Bundesverbraucherministerium in einer öffentlichen Erklärung zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich durchaus, gerade was die schwierige Haftungsfrage betrifft, einen Haftungsfonds vorstellen könnte, unge

achtet dessen auch weitere Gespräche mit der Versicherungswirtschaft führen wird, um möglichst zu einer Versicherungslösung zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen unseren begonnenen Dialog, der alle Aspekte, Chancen und auch Risiken betrachtet, fortsetzen. Wir wollen auch die Informationspolitik in dem von mir geschilderten objektiven Sinn auf wissenschaftlicher Grundlage fortführen, selbst über unsere Ministerien, die Institute, aber auch, wie bereits in der Vergangenheit geschehen und auch schon bereits geplant, zusammen mit der Verbraucherzentrale in Rheinland-Pfalz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinn bin ich sehr dankbar, dass die Koalitionsfraktionen heute einen eigenen Antrag vorgelegt haben, der ganz wesentliche Aspekte aufgegriffen hat, die wir im Übrigen auch gegenüber der Bundesregierung deutlich gemacht haben und darüber hinaus Forderungen erheben bzw. Positionen beschreiben, in denen ich eindeutig eine Unterstützung der Politik der Landesregierung auf diesem Feld sehe.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Billen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben dargestellt, dass Sie sich enthalten haben. Die entscheidende Frage ist für die Zukunft auch der Biotechnologie, auch der grünen Gentechnik in Rheinland-Pfalz: Wollen wir über die europäischen Richtlinien hinaus eingreifen und mehr Abstände fordern und und und? Im Antrag ist das schön umschrieben: „Wir wollen eine praxisbezogene, eine machbare“. Wollen wir darüber hinaus gehen oder sagen wir, Europäisches Recht gilt auch für die Landesregierung Rheinland-Pfalz, das reicht, das setzen wir durch Rechtsverordnung um. Das ist der eine Punkt, bei dem ich bitten würde, dass Sie sagen, wo die Landesregierung steht, oder ob Sie bei Ihrer letzten Aussage bleiben und sagen: Wir sind in dem Diskussionsprozess und werden es dann festlegen.

In diesem Zusammenhang wissen Sie, dass die europäische Haftungsrichtlinie vorliegt und wahrscheinlich auch beschlossen wird. Diese nimmt die Landwirte, den Besitzer des Grund und Bodens oder den Bearbeiter, selbst bei ordnungsgemäßer Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder Düngemitteln, wenn irgendetwas passiert, in die Haftung. Dies gilt mit Sicherheit auch bei der Gentechnik. Ich halte das zwar nicht für in Ordnung, dass man für etwas haften muss, was man ordnungsgemäß macht. Aber das wird bedauerlicherweise so kommen. Wenn das aber so kommt, dann muss man auch bereit sein zu sagen, in Ordnung, wenn Sie schon

haften, dann haben Sie aber auch die Freiheit zu entscheiden, was Sie tun. Frau Kiltz fordert von uns Offenheit in der Diskussion, wir sollen auch einmal die Risiken der Gentechnik sehen, aber sie sagt: Ich bin nicht mehr offen, ich lehne es ab.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz)

Doch, Frau Kiltz, das ist doch der entscheidende Punkt. Sie lehnen es einfach ab. Sie sagen: Ich sehe nur Risiken und keine Chancen.

Herr Kollege Billen, ich würde Sie bitten, zur Frau Ministerin Stellung zu nehmen.

Herr Präsident, ich wollte nur den Unterschied in unserer Argumentation herausarbeiten. Insofern wäre es hilfreich, wenn Sie jetzt sagen würden: Europäisches Recht reicht, dann erhalten wir auch Arbeitsplätze und unsere Chancen. Wenn wir über europäisches Recht hinaus gehen, bin ich sicher, dass wir unsere Chance in Deutschland – das, was kommt, ist ein Bundesgesetz – verschlechtern. Das sollten wir nicht tun.

(Beifall bei der CDU)

Zur Erwiderung erteile ich Frau Staatsministerin Conrad das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, in aller Kürze bei dieser komplizierten Materie zu antworten.

Herr Abgeordneter Billen, nicht zum ersten Mal habe ich hier erklärt, dass es aus unserer Sicht sinnvoll gewesen wäre, wenn es europaweite Regelungen zur Koexistenz geben würde. Sie wissen, dass auf der Ebene der Europäischen Union nur Eckpunkte für eine Koexistenz festgelegt worden sind und man es bewusst den Nationalstaaten freigestellt hat, wie sie die Koexistenz regeln.

Natürlich gilt auch die europäische Haftungsrichtlinie in diesem Bereich. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass es nicht nur bei dieser Frage, aber auch bei dieser Frage, eine 1-zu-1-Umsetzung in der Bundesrepublik gibt. Sie wissen darüber hinaus über Ihre Landwirtschaftsverbände, dass gerade die unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Landwirtschaft, die sich dem konventionellen Anbau verschrieben haben oder die vielleicht in der Zukunft GVO anwenden wollen und dann erst recht der Ökolandbau, selbst Wert darauf legen, dass es eine sehr ausgefallene Haftungsregelung gibt, die auch – das habe ich durchaus vernommen aus den Bauernverbänden – dann bei Anwendung der guten

fachlichen Praxis eine Haftung vorsehen und die Frage erklären müssen: Was passiert denn dem Bauern, der wegen einer Verunreinigung mit GVO-Produkten in Zukunft seine Vermarktungsschiene, in der er steht, „GVO-frei“, nicht mehr bedienen kann? – Diese Diskussion ist nicht von uns, sondern von den Landwirtschaftsverbänden eingebracht worden. Ich kann das nachvollziehen. Deswegen stehen nicht nur in deutschem, sondern auch in europäischem Recht schon strenge Regelungen. Was wir aber brauchen – deswegen haben wir so sehr Wert darauf gelegt –, dass wir einen Haftungsfonds erhalten. Im Übrigen glaube ich, dass viel zu viel an Risiken vorhanden ist und dass sich, wenn wir Erfahrung haben, die Risiken minimieren werden und sich dann auch die Ängste, eine Fonds- oder Versicherungslösung zu finden, minimieren und dann wahrscheinlich eine Versicherung praktikabel ist.

Das war unsere Antwort auf die bestehenden europäischen Bedingungen, wie sie auch von der Landwirtschaft im Grundsatz gewollt sind.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2944 –. Dazu die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Landwirtschaft und Weinbau – Drucksache 14/3506 –. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag abzulehnen.

Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt ist.

Wir stimmen nun über den Alternativantrag der Fraktionen der SPD und FDP, Grüne Gentechnik in RheinlandPfalz – Drucksache 14/3578 – ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen ist.