Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Dr. Schiffmann, SPD: Wäre dann die Wahlbeteiligung höher gewesen?)

Meine Damen und Herren, dies war kein Signal zur Stärkung. Es war kein Signal, das den Leuten suggeriert hätte, dass man sie beteiligen will, sondern es ist vielmehr als ein Signal verstanden worden, dass man hinterher eine Entschuldigung sucht, um zu sagen: Na ja, ihr seid letztendlich selbst daran schuld. Warum seid ihr nicht wählen gegangen? – Meine Damen und Herren, ich finde, so kann man Integrationspolitik nicht machen.

(Dr. Schiffmann, SPD: An vielen Stellen hat man sich deswegen besonders bemüht!)

Es ist klar, dass Integrationspolitik eindeutige Ansprüche formulieren muss. Es müssen Kriterien für die Integration definiert werden. Zentral ist dabei – das sagen auch

wir – die Anerkennung der Werte des Grundgesetzes und natürlich auch die Kenntnis der deutschen Sprache. Integration richtet sich aber nicht allein an die zugewanderte Bevölkerung; sie ist keine Einbahnstraße, sondern sie bezieht sich natürlich auch auf uns, auf die Bevölkerungsmehrheit, auf die Deutschen. Eine Fehlleistung in der alten Ausländerpolitik sehen wir darin, dass sie uns Einheimische ungenügend auf die Normalität von Migration vorbereitet hat und sie unsere Integrationsbereitschaft und unsere Integrationsfähigkeit nicht gefördert und unterstützt hat.

Meine Damen und Herren, auch in Rheinland-Pfalz ist Integration eine wichtige Zukunftsaufgabe. Wir vermissen, dass sich eine solche Politik der Zukunft in diesem Haushalt niederschlägt. So wurden zwar die zusätzlichen Aufgaben, die auf die Landesbeauftragte zukommen, in einer entsprechenden Vorlage aufgezählt – es gibt also eine Reihe zusätzlicher Aufgaben, die sich aus dem Zuwanderungsgesetz ergeben –, aber dann heißt es lapidar: „Es wird derzeit davon ausgegangen, dass der Aufgabenanstieg aus den vorhandenen Personal-, Sach- und Haushaltsmitteln bewältigt werden kann.“

Meine Damen und Herren, da sind wir anderer Meinung. Die große gesellschaftliche Herausforderung der nächsten Jahre erfordert auch, dass Institutionen und Initiativen, die sich schon lange für Integration und gegen das Ausbilden von Parallelgesellschaften eingesetzt haben, nun auch personell und finanziell in die Lage versetzt werden, diese Aufgaben effektiv und erfolgreich zu bearbeiten. Dazu haben wir unsere Änderungsanträge eingereicht.

Meine Damen und Herren, zum Schluss komme ich noch auf das zu sprechen, was auch Herr Pörksen am Schluss seines Beitrags ausgeführt hat, nämlich auf den Umgang mit Flüchtlingen in dem Abschiebegefängnis in Ingelheim und im Ausreisezentrum in Trier. Ich finde, wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen ins Gefängnis gesteckt werden – und Ingelheim ist ein Gefängnis –,

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

deren einziges Vergehen es ist, dass sie trotz As ylablehnung nicht ausreisen, und zwar oft deshalb – das ist natürlich nicht immer so, aber doch sehr oft –, weil sie in dem Land, in das sie abgeschoben werden sollen, nicht sicher sind und weil sie sich dort bedroht fühlen.

(Pörksen, SPD: Das sind die wenigsten Fälle!)

Meine Damen und Herren, um nicht missverstanden zu werden: Ein Land muss in der Lage sein, Menschen, die rechtmäßig zur Ausreise aufgefordert sind, abschieben zu können. Aber diese Menschen wie Straftäter zu behandeln, das ist und bleibt inhuman, und daran werden wir und wollen wir uns nicht gewöhnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz besonders nachdrücklich fordern wir aber die Landesregierung auf, das Ausreisezentrum in Trier zu schließen. Das Konzept ist nicht nur Menschen verach

tend, sondern es hat auch sein Ziel völlig verfehlt. Es trägt im Gegenteil dazu bei, Menschen in die Illegalität zu treiben. Das zeigen die Zahlen: Nur ein Drittel der aus den Kommunen angemeldeten Personen taucht wirklich im Ausreisezentrum auf. Es ist schon zynisch, wenn die Landesregierung dann behauptet, die restlichen zwei Drittel seien wohl ausgereist. So einfach kann man sich der Verantwortung für diese Menschen nicht entziehen, meine Damen und Herren.

(Pörksen, SPD: Sie machen es sich besonders einfach!)

Wir fordern Sie noch einmal eindringlich auf, das Ausreisezentrum zu schließen. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen und von der Landesregierung, dies sind rund 600.000 Euro, die Sie in den Kommunen mit – zugegebenermaßen – oft schwierigen Fällen, was Abschiebung angeht, zur Verfügung stellen können.

(Pörksen, SPD: Da werden sie sich freuen!)

Dann sollte das Innenministerium teilweise auch das Know-how für schwierige Ausreisefälle den Kommunen zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch auf die Eckpunkte eingehen, wie eine Härtefallkommission in Rheinland-Pfalz aussehen soll, die uns heute gerade neu auf den Tisch geflattert sind.

Meine Damen und Herren, um es vorweg zu sagen, so, wie wir die Eckpunkte, die wir aus der Presseerklärung kennen, vor uns sehen, findet das nicht unsere Zustimmung. Wir sind auch nicht der Meinung, dass dies dem Geist, der in § 23 des Zuwanderungsgesetzes ausgedrückt wurde, entspricht.

(Mertes, SPD: Jetzt sind wir aber einmal gespannt!)

Wir glauben, dass die Zusammensetzung in diesem Fall nicht die richtige ist. Es gibt zum Beispiel auf der einen Seite den Staatssekretär und einen Referenten aus dem Bereich Ausländerrecht. Auf der anderen Seite heißt es aber, diese Härtefallkommission ist unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Wie passt denn das zusammen, ein Referatsleiter, der unabhängig ist und nicht an Weisungen gebunden ist?

Dann soll mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden. Das heißt, es gibt eindeutig eine Sperrminorität gegenüber denjenigen, die aus den humanitären Institutionen, aus den Kirchen, aus der Liga der Wohlfahrtsverbände, aus amnesty international usw. kommen. Ich denke, es kann nicht sein, dass es sozusagen für diese Personen eine Sperrminorität gibt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Schiffmann, SPD: Das erhöht doch die Legitimation!)

Meine Damen und Herren, wir stellen uns vor, dass das ein Instrument ist, mit dem Härtefälle wirklich human und unserer demokratischen Grundordnung entsprechend

entschieden werden können. Wir sehen es so, wie es jetzt aussieht, noch nicht. Aber vielleicht ist es möglich, in den Anhörungen noch zu Verbesserungen zu kommen, sodass wir letzten Endes das, was wir uns vorstellen, auch wiederfinden. Das wenigsten wünschen wir uns.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Pörksen, SPD: Dafür sorgen Sie dann direkt mit Ihrer Presseerklärung!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mertes das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb eine Kurzintervention abgeben, weil Frau Kollegin Grützmacher einen Eindruck hinterlässt, der beim besten Willen nicht haltbar ist.

Wir richten freiwillig eine Härtefallkommission ein.

Wenn Sie zwischen den Menschen unterscheiden, die beruflich damit zu tun haben, und jenen, die in Organisationen tätig sind, dann ist das eine Wertung, die vollkommen unzulässig ist. Sie ist vollkommen unzulässig.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir akzeptieren sie einfach nicht. So einfach ist das. Wir akzeptieren nicht, dass Sie einem Beamten sagen, er hätte weniger Gewissen als jemand aus einer Flüchtlingsorganisation. Das akzeptieren wir nicht.

(Beifall der SPD – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat sie doch gar nicht gesagt!)

Die Zusammensetzung, wie wir sie jetzt gewählt haben, ist in der Tat ein entscheidender Vorsprung vor vielen anderen Ländern. Man muss wirklich sagen, nur weil Sie Ihre Gefühle an unterschiedlichen Berufsbezeichnungen austoben wollen, sind wir nicht bereit, das zu ändern.

Wir haben jetzt eine Kommission, die ihre Arbeit aufnehmen wird. Mit solchen Argumenten helfen Sie niemandem.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Schon die Debatte, die Sie eben geführt haben zwischen gut und böse in dieser Frage, geht vollkommen an der Realität vorbei.

Viele Landräte und viele Oberbürgermeister haben sich sehr darum bemüht, insbesondere auch Innenminister

Walter Zuber, mit diesen Fragen gerecht und humanitär umzugehen. Immer wieder den Eindruck zu erzeugen,

(Glocke des Präsidenten)

das Gegenteil wäre die Realität, halte ich für schlecht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zur Erwiderung erteile ich Frau Abgeordneter Grützmacher das Wort.

Herr Mertes, ich spreche einem Beamten überhaupt nicht das Gewissen ab. Das wäre das Letzte, was ich tun würde. Sie haben das gerade gesagt.

Ich sage aber, dass ein Beamter aus dem Ministerium weisungsgebunden ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er das mit der Unabhängigkeit seines Gewissens überein bekommt.

(Pörksen, SPD: Das liegt dann aber an Ihnen!)

Das habe ich nur gesagt. Es geht nicht an die Person, sondern an die Funktion. Ich glaube, da gerät ein solcher Mensch in ziemliche Gewissenskonflikte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)