Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Schule funktioniert aber nicht nur, wenn die äußeren Rahmenbedingungen stimmen. Gute Schule kann nur sein, wenn die Qualität des Unterrichts so ist, dass alle Beteiligten – Eltern, Lehrer, Schüler – das Gefühl haben, dass guter Unterricht gemacht wird. Alle Schulen haben ein Qualitätsprogramm vorgelegt und setzen dies um. Dazu gehören besondere Maßnahmen in den von PISA und anderen Vergleichsuntersuchungen überprüften Fächern ebenso wie verstärkte Kooperation in den Kollegien und – was ich besonders wichtig finde – die Kooperation mit den Eltern und externen Partnern.

(Lelle, CDU: Das ist richtig!)

Lassen Sie mich noch einige Sätze zu den Deckblättern und Entschließungsanträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen. Wer würde den populistischen Satz von Herrn Wiechmann in der Grundsatzaussprache am Montag „mehr Geld für Köpfe als für Beton“ nicht unterschreiben?

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Januar haben Sie uns dafür noch beschimpft!)

Ein Haushalt ist immer eine Abwägung zwischen den unterschiedlichen Interessen. Vor einigen Tagen ist mir eine Pressemitteilung des Instituts der Deutschen Wirtschaft in die Hände gefallen. Überschrift: Mehr Geld allein reicht nicht. – Darin sind Forderungen aufgelistet für die Verbesserung der Struktur der Bildungsausgaben. Weitere Ganztagsschulen sollten entstehen. Ganztagsbetreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren sollten entstehen. Schulen und Kindergärten sollten besser in der Lage sein, Kinder mit Sprachproblemen zu fördern.

All dies tun wir mit dem Haushalt 2005/2006.

(Beifall bei SPD und FDP)

Herr Wiechmann, natürlich würden wir gern noch viel mehr tun. Ihre Einsparvorschläge sind aber nicht seriös. Glauben Sie wirklich, dass die Verlegung der B 42 in Koblenz-Ehrenbreitstein oder der Umbau des Bubenheimer Kreisels überflüssig waren? Wenn Sie die Rheindörfer Straße und die Nordumgehung Metternich für nicht machbar halten, dann würde ich das gern den Koblenzer Bürgerinnen und Bürgern sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind stolz auf den Einzelplan 09.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Wiechmann.

Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Frau Präs identin, meine Damen und Herren!

(Unruhe im Hause)

Ich möchte meine Rede heute mit einer uns einigenden Feststellung beginnen. In der politischen Prioritätensetzung für Kinder, Jugend und Bildung gibt es viele Übereinstimmungen in diesem Haus, nicht überall, aber es gibt von den Grundsätzen her Übereinstimmungen.

(Lelle, CDU: Die Konsequenzen sind andere!)

Auch ich habe mir wie Herr Kollege Keller überlegt, welche Note ich der Landesregierung für ihre Bildungspolitik geben würde. Da wir GRÜNE Noten abschaffen wollen,

(Heiterkeit im Hause – Lelle, CDU: Sie geben Punkte!)

bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass der Kommentar „sie war stets bemüht“ angemessen ist.

Meine Damen und Herren, die jüngste OECD-Studie hat uns allen wieder einmal bestätigt, dass wir mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung, in die Kindertagesstätten und die Grundschulen brauchen. Wir brauchen mehr Hochschulzugangsberechtigte und Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Außerdem müssen wir die Zahl der Schülerinnen und Schüler verringern, die die Schule ohne Abschluss verlassen.

Der vorliegende Doppelhaushalt ist keine ausreichende Antwort auf die aktuellen bildungspolitischen Herausforderungen nach PISA I und PISA II, weil sich keine konsequenten und durchdachten Maßnahmen zur Verminderung des strukturellen Unterrichtsausfalls finden und auch keine zur besseren Integration benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Die rotgelbe Regierungskoalition war und ist immer noch nicht in der Lage, grundlegende Reformen und Strukturreformen, die nicht immer im Zusammenhang mit Geld stehen, Herr Kollege

Heinrich, in den rheinland-pfälzischen Schulen anzupacken. Dazu benötigte sie vor allem den Mut, Schulstrukturen zu verändern und den tagtäglichen Unterricht neu zu gestalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Haushaltsentwurf zeigt auch, dass nach der Aufbruchphase zu Beginn der Legislaturperiode, als tausend neue Lehrkräfte für die Ganztagsangebote gefordert wurden, jetzt offensichtlich eine Konsolidierungsphase eingesetzt hat und weitere Verbesserungen für das Schulsystem wenn überhaupt, dann nur noch aus der Substanz erwirtschaftet werden müssen.

Der politische Zauberkasten – die Titelgruppen im Kapitel 09 19 – bleibt oftmals das, was wir in den Beratungen im Ausschuss bereits festgestellt haben. Mittel werden auch nach erfolgreichen und wichtigen Modellen nicht erhöht. Oftmals werden sie nicht einmal vernünftig und gänzlich ausgeschöpft. Schulsport, Umwelterziehung, Gewaltprävention, Schulversuche, Medienerziehung, Computereinsatz an Schulen und PES haben nach den Vorgaben dieses Haushaltsvorschlags bei dieser Landesregierung leider keine Zukunftsperspektive. Sie werden gerade einmal mühsam verwaltet. Das alles geschieht vor dem Hintergrund von PISA.

Auch der Unterrichtsausfall bleibt nach der tagtäglichen Erfahrung der Schülerinnen und Schüler und der Eltern weiter auf der Tagesordnung. Die Landesregierung antwortet auf die bildungspolitischen Herausforderungen mit der Devise „von allem ein bisschen“, aber es stellt sich als „von allem zu wenig“ heraus. Das Grundübel des Schulsystems, das frühe Aussortieren und die damit verursachte soziale Auslese bei den Bildungschancen, packt die Landesregierung nicht an. Auch auf den erwarteten Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler hat das rheinland-pfälzische zersplitterte Schulwesen keine Antwort.

Die Forderung der FDP nach jahrgangsübergreifendem Unterricht an Grundschulen belegt die Ratlosigkeit der sozial-liberalen Regierung, wie sie die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Schullandschaft bewältigen will. Während sich die FDP auf Landesebene aufplustert und sich dafür einsetzt, jede Grundschule zu erhalten, hat das Bildungsministerium längst Tatsachen geschaffen. Es wurden bereits zwei Grundschulen geschlossen.

(Mertes, SPD: Vom Träger der Grundschulen!)

Seit neuestem plant die CDU-FDP-Stadtratskoalition in Landau die Schließung von gleich zwei Grundschulen.

(Ministerpräsident Beck: Diese Koalition gibt es nicht in Landau!)

Es gibt aber eine Zusammenarbeit von CDU und FDP in Landau, die im Bereich der Grundschulen Streichungen vorschlagen.

(Unruhe im Hause)

Ich kann Sie auch mit einbeziehen. Das stimmt. Ich kann natürlich auch die SPD mit einbeziehen. Damit haben Sie Recht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer auf Landesebene banale Forderungen nach kleinen und wohnortnahen Standorten erhebt, der sollte lieber seine Möglichkeiten in der Regierung nutzen und sich vor allem vor Ort an die Grundsätze halten.

Nun etwas zu unseren Anträgen.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen vor Ort einmal, was Sie auf Landesebene vertreten, Frau Kollegin Morsblech.

(Frau Morsblech, FDP: Das wissen sie sehr gut!)

Sie sind aber ganz anderer Meinung als Sie.

Meine Damen und Herren, die jüngste PISA-Studie hat bestätigt, dass unser bestehendes Bildungssystem in höchstem Maß ineffizient ist. Es ist international nicht konkurrenzfähig und leistungsschwach sowohl gegenüber benachteiligten als auch gegenüber den leistungsstärkeren Kindern und Jugendlichen. In den Ländern, die bei der PISA-Studie erfolgreich abgeschnitten haben, lernen Kinder länger gemeinsam und werden individuell bestmöglich gefördert.

In Deutschland gibt es kein anderes Bundesland, das ein derartig zersplittertes Schulsystem aufweist wie Rheinland-Pfalz. Ein längeres gemeinsames Lernen, eine bessere individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler sowie mehr Selbstständigkeit für die einzelne Schule – davon sind wir GRÜNEN überzeugt – fördern die Vielfalt, sie verbessern die Unterrichtsqualität, und sie sind ein Schlüssel für eine zukunftsfähige Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems brauchen wir eine neue Schulstruktur, Herr Kollege Keller. Das dreigliedrige Schulsystem ist historisch überholt, da es weder den Anforderungen einer modernen Wissensgesellschaft noch dem Anspruch eines gerechten Zugangs zu dieser Wissensgesellschaft entspricht.

Unsere neue Schule für alle – Herr Kollege Keller, Sie haben gesagt, unsere Einheitsschule – ist eine Schule der Vielfalt, weil die Integration und gute Leistungen in ihrem Programm sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich komme zur Sprachförderung. Die Sprachkompetenz ist ein zentraler Schlüssel zur sozialen Kommunikation und gesellschaftlichen Teilhabe. Aus der Sprachforschung ist bekannt – Herr Kollege Heinrich hat es auch schon gesagt –, dass Kin

der, die ihre erste Sprache beherrschen, eine zweite Sprache, zum Beispiel die deutsche, viel leichter und besser erlernen können.

Insbesondere für zugewanderte Menschen hat die deutsche Sprache eine wichtige Funktion, nämlich die der Verkehrssprache. Deshalb – hier gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege Keller – brauchen wir eine klare Struktur von Sprachstandserhebungen – das ist vollkommen klar –, damit rechtzeitig Möglichkeiten für eine Sprachförderung bei deutschen Kindern und bei Kindern mit Migrationshintergrund ergriffen werden können, und zwar beginnend in der Kindertagesstätte. Über die Art und Weise, wie wir es machen, haben wir grundverschiedene Auffassungen. Ich glaube, dass unser Konzept sehr viel tragfähiger als Ihres ist, den muttersprachlichen Unterricht einfach zu streichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz noch zu einem besonders düsteren Kapitel der rheinlandpfälzischen Schulpolitik kommen, nämlich den berufsbildenden Schulen.

(Ministerpräsident Beck: Oh!)