Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

................................................................................................................................5738 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................5754, 5765 Abg. Dr. Gölter, CDU:................................................................................................................5748, 5750 Abg. Dr. Schiffmann, SPD:.................................................................................................................5763 Abg. Dr. Schmitz, FDP:.............................................................................................................5752, 5767 Abg. Dr. Weiland, CDU:......................................................................................................................5761 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..........................................................................5744 Abg. Frau Mangold-Wegner, SPD:......................................................................................................5742 Abg. Frau Raab, SPD:........................................................................................................................5749 Abg. Hartloff, SPD:.............................................................................................................................5733 Abg. Jullien, CDU:.....................................................................................................................5732, 5748 Abg. Kuhn, FDP:.......................................................................................................................5733, 5746 Abg. Lewentz, SPD:...........................................................................................................................5740 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................................5733 Beck, Ministerpräsident:............................................................................................................5734, 5758 Präsident Grimm:....................................................................... 5732, 5733, 5734, 5738, 5740, 5742, 5743 Stadelmaier, Staatssekretär:...............................................................................................................5756 Vizepräsidentin Frau Hammer:.........................5746, 5748, 5749, 5750, 5752, 5754, 5756, 5757, 5761, 5763 5765, 5767, 5768

86. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 19. Januar 2005

Die Sitzung wird um 14:02 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 86. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, wollen wir auch der Opfer der Katastrophe in Süd-Ost-Asien gedenken. Auch wir stehen noch immer unter dem Eindruck der erschütternden Berichte über die Auswirkung des Seebebens in Südostas ien.

Im Zeitalter der Globalisierung haben wir Anteil an den Krisen und Katastrophen in anderen Teilen der Welt. Menschen aus Rheinland-Pfalz befinden sich auch unter den Opfern der Flutwelle am Indischen Ozean.

Menschen aus Rheinland-Pfalz zeigen sich aber auch solidarisch mit den Überlebenden. Unser Dank gilt der Vielzahl privater Organisationen und Initiativen, die seit dreieinhalb Wochen vor Ort Hilfe leisten, und auch jenen, die durch ihre Geldspende dies erst möglich gemacht haben und weiter ermöglichen.

Lassen Sie uns angesichts dieser Naturkatastrophe jedoch nicht vergessen, dass auch die anderen Krisenregionen der Welt weiter unsere Unterstützung brauchen, materiell wie ideell.

Meine Damen und Herren, der rheinland-pfälzische Landtag gedenkt jetzt der Toten des Seebebens, ihrer Angehörigen und Freunde. Ich bitte Sie, sich für einen Moment der Stille und des Gedenkens von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen)

Ich danke Ihnen.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Manfred Nink und Erwin Rüddel. Letzterer führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Dr. Gerhard Schmidt, Anne Kipp und Elke Kiltz. Herr Staatsminister Hans-Artur Bauckhage ist in einer Sitzung des Vermittlungsausschusses. Es fehlt immer noch aus gesundheitlichen Gründen Herr Staatsminister Walter Zuber.

Ich freue mich, heute zwei Geburtstagskindern, die in diesen Tagen runde Geburtstage gefeiert haben, auch von dieser Stelle aus zu gratulieren, und zwar am 1. Januar Heinz-Hermann Schnabel – er ist 60 Jahre alt geworden – und Hans-Josef Bracht, der am 2. Januar 50 Jahre alt geworden ist. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Beifall im Hause)

Gestatten Sie mir einige Hinweise zur Tagesordnung, zunächst zu Punkt 1: Mit der Feststellung der Tagesordnung sollte gemäß § 130 der Geschäftsordnung folgende Abweichung beschlossen werden:

Für die Aktuelle Stunde in der heutigen 86. Plenarsitzung mit dem Thema „Hilfen aus Rheinland-Pfalz für Süd-Ost-Asien“ steht jeder Fraktion eine Redezeit en bloc von 15 Minuten zur Verfügung.

Zu Punkt 12 „Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Landes Rheinland-Pfalz in den Ausschuss der Regionen“ wurde ein Schreiben des Ministerpräsidenten mit der Bitte um Aufnahme dieses Punktes in die Tagesordnung als Drucksache verteilt. Die Fraktion der SPD hat vorgeschlagen, den Tagesordnungspunkt nach Punkt 10, also nach dem Diskussionspunkt „EU-Verfassungsvertrag“ zu behandeln.

Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Herr Jullien zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben eben eine vorzunehmende Änderung der Tagesordnung der vorgesehenen Plenarsitzung angesprochen, und zwar in Zusammenhang mit der Besetzung eines stellvertretenden Mitglieds in den Ausschuss der Regionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon verwunderlich, dass wir noch einmal feststellen müssen, wie diese Landesregierung mit dem Parlament umgeht. Es beweist aber auch, was diese Landesregierung vom Parlament hält und in welcher Art und Weise sie dieses Parlament mehr oder weniger entmündigt.

Was ist nun der eigentliche Vorgang? Es scheidet ein Abgeordneter aus dem Landtag aus, der bisher stellvertretendes Mitglied in diesem Ausschuss der Regionen war. Es wäre das Normalste und das Selbstverständlichste, wenn der Landtag nun beauftragt würde, aus den Reihen des Landtags einen geeigneten Kandidaten oder eine geeignete Kandidatin vorzuschlagen und auch zu wählen.

Meine Damen und Herren, was tut diese Landesregierung? Was tut der Ministerpräsident?

Er schlägt nun in einem Schreiben, das den Fraktionen am gestrigen Tag zugegangen ist, vor, dass für die verbleibende Zeit der Mandatsperiode bis Februar 2006 für das Amt des stellvertretenden Mitglieds des Ausschusses der Regionen erneut das ausgeschiedene Mitglied aus dem Landtag, Herr Dr. Schiffmann, vorgeschlagen werden soll, mit der Begründung, die Benennung erfolge nunmehr unter der Vorgabe, dass er nach Niederlegung seines Landtagsmandats von der Landesregierung vorgeschlagen wird und bei der Ausübung seines Mandats gegenüber dem Landtag als einer gewählten Versammlung im Sinn von Artikel 263 EG-Vertrag politisch verantwortlich ist.

Meine Damen und Herren, diese Vorgehensweise ist nicht zu akzeptieren. Sie ist eine Entmündigung des Parlaments und bezeichnend, wie unverfroren und selbstherrlich diese Landesregierung mit dem Parlament umgeht.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, wir hätten Gelegenheit gehabt – wenn Sie uns entsprechend unterrichtet hätten –, im Ältestenrat über diese Personalmaßnahme zu diskutieren. Es wäre sicherlich Gelegenheit gewesen, über diese Vorgehensweise entsprechend auch zu diskutieren und nicht die Fraktionen mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihnen gestern ein derartiges Schreiben zukommen zu lassen.

Die CDU-Fraktion widerspricht daher in aller Deutlichkeit der Aufnahme dieses Punktes auf die Tagesordnung. Wir sagen auch in aller Deutlichkeit, sollten Sie diesen Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung entsprechend aufnehmen, wird sich die CDU-Fraktion an der Wahl nicht beteiligen.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Hartloff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie versuchen, einen großen Vorgang aus einer kleinen Sache zu machen. Herr Jullien, am Rande des Ältestenrats habe ich Ihnen in meiner Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer die Informationen darüber gegeben.

(Mertes, SPD: Ich war dabei! – Jullien, CDU: Das ist doch nicht die Aufgabe von Ihnen! – Mertes, SPD: Sie sind doch jetzt blamiert worden! – Jullien, CDU: Das ist stillos! Stillosigkeit!)

Benennen tut die Landesregierung, und das der Landesregierung zustehende Mandat ist dem Parlament überlassen. Bislang war Dr. Dieter Schiffmann stellvertretendes Mitglied. Wir haben auch darüber informiert, dass Herr Dr. Dieter Schiffmann aus dem Parlament ausscheidet. Da wir den Standpunkt vertreten, dass das Parlament beteiligt werden soll, wird er auch im Parlament zur Wiederwahl vorgeschlagen werden. Man könnte sogar rechtlich die Auffassung vertreten, dass dies überhaupt nicht notwendig ist.

(Jullien, CDU: Warum machen Sie es dann? – Mertes, SPD: Blamierter Geschäftsführer! Nichts zu sagen! Die Geschäfts- führung ohne Land!)

Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Parlamentsbestätigung sinnvoll ist, dass die Beteiligung not

wendig ist und über diese Personalie hinreichend von allen Fraktionen beraten werden kann. Ich beantrage, dass wir über die Änderung der Tagesordnung abstimmen und halte das, was Sie vorgetragen haben, für Theater, für schlechtes Theater, mehr nicht.

(Beifall der SPD und der FDP – Jullien, CDU: Stillosigkeit!)

Es spricht Herr Abgeordneter Marz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Umgang der Landesregierung mit diesem Parlament zu kritisieren ist, dann sollten wir das tun. Ich möchte jedoch an dieser Stelle feststellen, dieser Vorgang ist nicht dazu geeignet, diesen Tatbestand sozusagen zu konzedieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, der Vorgang ist insgesamt natürlich etwas ungewöhnlich, auch was die Eile betrifft. Ich denke, das müssen alle Beteiligten einräumen. Herr Jullien, aber er eignet sich weiß Gott nicht dazu, einen solchen Popanz aufzubauen und so grundsätzliche Fragen aufzuwerfen, wie Sie dies tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Tun Sie das an Stellen, die dafür geeignet sind. Dieser Vorgang ist es nicht, auch nicht – das sage ich ganz offen – in Anbetracht des Wahlvorschlages, der vorliegt. Wir haben gut mit Herrn Dr. Schiffmann zusammengearbeitet. Warum soll er nicht weitermachen?

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir sind von der Vorgehensweise der CDU-Fraktion überrascht. Mein Informationsstand war der – ich glaube, das ist auch belegbar –, dass Sie informiert waren, Herr Jullien.

(Jullien, CDU: Ein Hinweis! Informationen sehen anders aus! – Mertes, SPD: Es wird ja immer blamabler!)

Ein Hinweis, ja. Ob ein Hinweis eine Information ist – ich denke, eigentlich ist auch ein Hinweis eine Informa

tion. Ich weiß nicht, ob es eine Falschübermittlung war, dass auch mir mitgeteilt wurde, dass Sie die Beurteilung der Situation genauso vorgenommen haben wie wir auch. (Itzek, SPD: Merke: Rede nicht mit Jullien!)

Klar ist – das muss man noch einmal unterstreichen –, die Landesregierung könnte formal gesehen diesen Vorschlag auch ohne Beteiligung des Parlaments machen. Da hätten Sie Recht. Aber die Landesregierung tut dies nicht, sondern beteiligt das Parlament. Der Vorgang, dass jemand, der ausscheidet, dieses Mandat auch weiterhin ausüben wird, kommt vielleicht nicht allzu häufig vor, aber es ist notwendig, diesen Vorschlag zu machen. Wenn wir als Parlament dies auch so wollen, wird es auch geschehen. Auch unsere Fraktion wird selbstverständlich dem Vorschlag folgen. Ich denke, wir sollten auch angesichts anderer Probleme, die wir haben, dieses nicht so dramatisieren.