Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es sind schon viele richtige Dinge gesagt worden. Herr Mertin, ich möchte Sie von diesem Podium aus an zwei Stellen ausdrücklich unterstützen. Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass nicht ein bestimmtes Spektrum auf der linken Seite so tut, als gebe es nur auf diesem Spektrum wirkliche Demokraten, und alles, was von rechts komme, schon per se in dem Verdacht stehe, nicht so gut zu sein wie die anderen. Frau Grützmacher, darauf legen wir großen Wert in dieser Debatte.

(Beifall der CDU – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Was soll denn das heißen? – Ministerpräsident Beck: Wen meinten Sie denn jetzt? – Zurufe der Abg. Frau Thomas und Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es richtig war, darauf hinzuweisen, dass bei den Demonstrationen auch die Linken diejenigen sind, die uns sehr viel mehr Kummer machen als die anderen.

(Zurufe des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Grützmacher, ich glaube, dass man an dieser Stelle gelegentlich den Menschen draußen auch einmal die Wahrheit sagen muss und nicht nur so tun kann, – – –

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch, man muss ihnen die Wahrheit über bestimmte Zusammenhänge sagen. Gerade die GRÜNEN haben

große Probleme, wenn sie darüber reden, wie es in diesem Land um die Fremdenfeindlichkeit und um die Aufnahmebereitschaft unserer Bevölkerung steht. Schauen Sie einmal nach Berlin, welches Szenario wir mit der Visa-Affäre zum Besten geben.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Dabei ist ganz klar, dass sich bestimmte Menschen in ihren Vorbehalten bestärkt sehen, weil die Politik entscheidende Fehler in diesem Bereich macht.

(Zurufe des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja unglaublich!)

Das ist auch an anderen Stellen genau nachzuvollziehen.

(Beifall der CDU)

Ich muss Ihnen schon sagen, Sie dürfen die Menschen mit Ihrer Politik nicht überlasten. Das ist bei Ihnen aber der Fall.

Sie haben Herrn Stoiber angesprochen. Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat von Gerhard Schröder aus dem Jahr 1998 anführen. Damals hat er nämlich genau das Gleiche gesagt, als er Ministerpräsident in Niedersachsen war. Er sagte wörtlich: „Das Wiedererstarken des Rechtsextremismus liegt vor allem an der Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt und in der mangelnden Fähigkeit, mit Fremden umzugehen.“

Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit. Dann kann man jetzt nicht so tun, dass das Argument dann, wenn es von Ihnen kommt, ein richtiges ist und dann ein besseres Argument als umgekehrt. Darauf legen wir schon Wert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas sagen. Wir müssen als Politikerinnen und Politiker aufpassen, dass wir bei einem Vorfall, wie er jetzt in Sachsen passiert ist, nicht in Ohnmacht fallen – so stand es in der Zeitung – und so tun, als wenn wir vorher nichts gemacht hätten und auf einmal mit Aktionismus an die Geschichte herangehen und dann, wie jetzt zum Beispiel im Bund das Versammlungsrecht geändert werden soll, jetzt wieder eine Sache in die Welt stellen und nicht richtig überlegen, wie Herr Schily und Frau Zypries, ob das überhaupt verfassungsrechtlich möglich ist. Unter Umständen müssen sie nachher die Geschichte zurückziehen, und wir blamieren uns als Demokraten, weil wir nicht in der Lage sind, etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir bieten denen damit noch eine Öffentlichkeit, die sie so überhaupt nicht verdient haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kohnle-Gros, das Phänomen des Rechtsextremismus, das heute zur Aussprache gestellt worden ist, muss als eine Langzeitaufgabe verstanden werden und daher stetig und mit allem Nachdruck weiterbetrieben werden.

Es ist ganz wichtig – da gebe ich Ihnen Recht –, hier müssen alle Demokraten zusammenstehen und sagen: Null Toleranz gegen Gewalt, ganz gleich, auf welcher Seite sie vorkommt.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und CDU)

Frau Kollegin Kohnle-Gros, wenn man sich das Ergebnis der schleswig-holsteinischen Landtagswahlen anschaut, dann ist Ihre These nicht haltbar. Trotz 5 Millionen Arbeitslosen haben die Rechtsextremen dort ein sehr bescheidenes Ergebnis erzielt.

Natürlich gibt es sicherlich den einen oder anderen, der aus Protest rechtsextrem wählt. Das ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Aber die wahren Ursachen sind natürlich nicht nur Perspektivlosigkeit. Die wahren Ursachen liegen ganz woanders.

(Mertes, SPD: Vor allem in der Dummheit!)

Unser Problem ist doch, dass es immer wieder junge Menschen gibt, die für rechtsextreme Parolen anfällig sind. Deswegen müssen wir dies auf allen Ebenen bekämpfen. Wir dürfen nicht allein die Schulen damit beauftragen, obwohl diese bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus natürlich sehr wichtig sind. Das Elternhaus ist genauso wichtig. Wir müssen immer wieder den Menschen ins Bewusstsein rufen – da gilt die Solidarität aller Demokraten –, dass diktatorische Vorstellungen, Fremdenfeindlichkeit, Menschenverachtung kein Weg sind, um Probleme zu lösen, mögen sie noch so tief in unserer Gesellschaft sein.

Natürlich ist die Arbeitslosigkeit ein Problem, das wir alle anpacken müssen. Es gibt trotzdem aber keinen Grund, solche extremen Parteien zu wählen.

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich an, was wir in den Kommunalparlamenten erleben. Ich bin im Rheinpfalz-Kreis Kreistagsmitglied. Dort gibt es zwei Republikaner. Sie machen praktisch nie den Mund auf. Sie werden in den Kreistag hineingewählt und sagen dann fünf Jahre nichts. Der Beitrag in der Kommunalpolitik ist gleich null. Das werden andere Kollegen, die auch kommunalpolitisch tätig sind, bestätigen. Wir müssen den Menschen sagen, wenn ihr die Rechten wählt, dann habt ihr keinerlei Chance, dass Vorstellungen in

den Parlamenten artikuliert werden, die zielführend sind und zu einem Ergebnis führen.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie uns deswegen zusammenstehen im Kampf gegen Extremismus, im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Lassen Sie uns immer tagtäglich als eine Daueraufgabe mit den Menschen sprechen, dass Protest bei Wahlen die Probleme nicht löst.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Es spricht Frau Abgeordnete Grützmacher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau KohnleGros, das ist wieder einmal ein typischer Übersprung gewesen, den Sie da gemacht haben. Es ist doch ganz klar, dass Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit Menschen entweder in die Resignation oder auch in den Protest treiben. Manchmal wählen sie aus Protest auch NPD. Das Entscheidende dabei ist doch, ob man einer bestimmten politischen Gruppierung die Schuld daran gibt. Das war doch der entscheidende Punkt, den Stoiber genannt hat.

Wir sind doch alle einer Meinung, dass wir mehr Arbeit für Jugendliche und eine gute Ausbildung für Jugendliche brauchen. Aber dort jetzt eine politische Gruppierung dafür verantwortlich zu machen, ist genau das, womit man die Demokraten – in Anführungsstrichen – wieder spaltet und womit man sozusagen die klare Front gegen den Rechtsextremismus aufspaltet. Das ist genau der Fehler gewesen. Das haben Sie hier leider auch wieder versucht, Frau Kohnle-Gros.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich habe auf diese Gegendemonstration aufmerksam gemacht, wenn am 1. Mai die NPD wieder versucht aufzumarschieren. Es ist gerade dann wichtig und richtig, dass möglichst viele von uns dabei sind. Als ich zu diesen Gegendemonstrationen oder zu diesen FürDemonstrationen, also für Demokratie oder wie immer man das nennen möchte, kam und als ich angefangen habe, mich mit dem Rechtsextremismus auseinander zu setzen, war meine Tochter 16 Jahre alt und hat mich darauf aufmerksam gemacht, welches Problem dort besteht.

Ich bin dann zu den ersten Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus in Karlsruhe gegangen. Es waren nur junge Leute da. Es war niemand in meinem Alter da. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass Menschen in unserem Alter, also Menschen, die zwischen 30, 40, 50 oder

60 Jahren alt sind, auch zu diesen Demonstrationen gehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dann wird der Block, aus dem manchmal auch Sachen kommen, die ich nicht gutheiße und bei denen ich mich auch dafür einsetze, dass sie nicht kommen, insignifikant werden. Dann wird das, was wir herüberbringen wollen, dass nämlich alle Demokraten zusammenstehen, auch die Botschaft zu einer Demonstration sein. Ich denke, dazu sollten wir alle beitragen.

Ich möchte am Schluss noch eine Sache sagen. Frau Kohnle-Gros, ich habe das bei Ihnen nicht verstanden, erst recht nicht bei Herrn Baldauf. Herr Baldauf, Sie haben immer von rechter Gesinnung gesprochen. Ich rede ausdrücklich immer von rechtsextremistischer Gesinnung.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So ist es! – Lelle, CDU: Das ist auch gut so!)

Ich möchte Sie wirklich bitten, diesen Unterschied zu machen. Da dürfen wir keine Aufweichung machen. Rechte Gesinnung ist etwas, was in unserem politischen Spektrum völlig in Ordnung ist. Aber rechtsextremistische Gesinnung lehnen wir alle ab. Ich glaube, es wäre sehr wichtig, wenn Sie diese Unterscheidung auch in Zukunft machen würden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Reich das Wort.