Meine Damen und Herren, das passt alles nicht zusammen: auf der kommunalen Ebene ja, auf der Landesebene nein. Es verstärkt sich der Eindruck, dass die beiden Parteien es doch nicht so ernst meinen, wenn die Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen wollen.
Sie werden jetzt sicher einführen, dass Sie den Bürgerinnen gerade in der letzten Zeit viele Möglichkeiten der Mitsprache eröffnet haben, zum Beispiel die Bürgergutachten, die aus Planungsfällen in Kusel, Trier, Mainz und Vallendar hervorgegangen sind, oder der Veranstaltungszyklus „Bürgerkongress“. Das sind alles prima Initiativen, die wir mit vollem Herzen unterstützen und die sicher eine große Verbreitung in Rheinland-Pfalz verdienen. Aber diese Aktionen unterscheiden sich in einem essentiellen Punkt von unserer Initiative.
Bei all diesen angesprochenen Beteiligungsformen geht die Bewegung von oben nach unten. Die Landesregierung lädt die Bürgerinnen und Bürger zu aktiver politischer Rolle ein, aber sie dürfen nicht mitentscheiden. Das kann manchmal richtig sein, wenn es zum Beispiel um den Haushalt geht wie jetzt in Mainz.
Meine Damen und Herren, was Sie aber von den Koalitionsfraktionen möglichst erschweren oder fast ganz unmöglich machen wollen, ist der Wille zur Mitbestimmung und zur Mitentscheidung, dass dieser Wille von unten kommt,
die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, wo sie Mitbestimmungsbedarf sehen, und sie dann – oh Schreck –, wenn sie genügend Unterstützung finden, selbst darüber entscheiden dürfen.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, so weit geht Ihr Zutrauen zu den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz nun doch nicht. Leider, muss ich sagen. Andere Bundesländer trauen ihren Landeskindern da mehr zu.
Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauern es sehr, dass unser Angebot, auch in Rheinland-Pfalz den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur mehr Beteiligung, sondern auch mehr Mitentscheidung zuzugestehen, auf die Abwehr aller drei anderen Fraktionen gestoßen ist.
Meine Damen und Herren, eine echte Mitbestimmung hat einen entscheidenden Vorteil, den gute Erfahrungen in Städten und Kommunen anderer Bundesländer eindrucksvoll bestätigen:
Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind eine starke Waffe gegen die grassierende Politikverdrossenheit. Es ist umso bedauerlicher, dass Rheinland-Pfalz in diesem Bereich Bürgerentscheid auch weiterhin mit am rückschrittlichsten von allen Bundesländern bleiben will.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hält eine sinnvolle und sachgerechte Bürgerbeteiligung bei kommunalpolitischen Entscheidungen für äußerst wichtig und räumt dieser einen hohen Stellenwert ein; denn insbesondere kommunalpolitische Entscheidungen wirken direkt ohne irgendwelche Umsetzungsumwege auf das unmittelbare Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger. Dem hat der Gesetzgeber auch bisher schon Rechnung getragen.
Er hat vielfältige Möglichkeiten geschaffen, wie die Bürger bei der politischen Willensbildung auch außerhalb des Rates mitarbeiten können. Ich nenne beispielsweise die Einwohnerversammlung und die Einwohnerfragestunde, ein Instrument, das in meiner langjährigen kommunalpolitischen Tätigkeit bisher noch nie angewendet und in Anspruch genommen wurde.
Ich nenne den Bürgerantrag und das kommunale Petitionsrecht. Seit dem Jahr 1994 gibt es das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid. Damit werden unseren Bürgerinnen und Bürgern weit reichende Möglichkeiten eingeräumt, in der kommunalen Tagespolitik mitzuwirken. So können auch außerhalb des Rates verbindliche Entscheidungen getroffen und Entscheidungen des Rates revidiert werden.
Diese heute schon bestehenden Möglichkeiten gehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht weit genug. Sie fordern eine weitere Öffnung des Instruments. Das hört sich auf den ersten Blick vielleicht schön an. Ist es aber wirklich bürgerfreundlich, kommunale Entscheidung weg vom Rat hin auf die Straße zu lenken? Das kann doch wohl nicht sein. In Rheinland-Pfalz gilt immer noch eine Kommunalverfassung. Diese Kommunalverfassung fußt auf Artikel 28 des Grundgesetzes und Artikel 50 der Verfassung für Rheinland-Pfalz.
Diese Artikel gehen nach wie vor von einer repräsentativen Demokratie aus. Das gilt auch für Sie. Tatsache ist, dass die Willensbildung in den Kommunen durch die gewählten Ratsmitglieder wahrgenommen wird. Grundsatz ist also eine Entscheidung im Rat, Ausnahme ist der Bürgerentscheid.
Wenn wir dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen würden, hätte das zur Folge, dass wir uns alle die Frage stellen müssten, ob wir überhaupt noch einen Gemeinderat brauchen. Das einzelne Ratsmitglied würde sich die Frage stellen: Was
soll ich im Gemeinderat? Ich muss die Gesamtverantwortung wahrnehmen, aber die wirklich wichtigen Dinge werden per Bürgerentscheid entschieden. – Das kann doch wirklich nicht sein.
Das kann insbesondere auch deshalb nicht sein, weil bereits jetzt in sehr vielen kleinen Kommunen große Probleme bestehen, genügend Bewerber für den Gemeinderat zu finden. Dabei darf eins nicht vergessen werden: Die höchste Legitimität, für die Bürgerinnen und Bürger einzutreten und Entscheidungen zu treffen, hat der gewählte Gemeinderat. Wir haben in RheinlandPfalz ein Kommunalwahlrecht, das weiter geht als in fast allen Ländern des Bundesgebiets.
Sie können heute kumulieren, panaschieren und Kandidaten streichen. Sie können Kandidaten verschiedener Listen wählen. Reicht Ihnen das immer noch nicht?
Die SPD vertraut den gewählten Ratsmitgliedern. Wir wissen, dass bei ihnen Bürgerinteressen und Gemeinwohl sehr gut aufgehoben sind. Das sollten Sie vielleicht auch einmal überlegen.
Darüber hinaus können wir beim besten Willen nicht erkennen, inwiefern die Zahl der durchgeführten Bürgerbegehren als ein Gradmesser geeignet ist für den Zustand der Demokratie und Bürgerbeteiligung. Tut mir Leid, dem können wir nicht folgen. Aufgrund seiner Siedlungs- und Gemeindestruktur ist Rheinland-Pfalz eh nicht geeignet, bundesweit verglichen zu werden. Bei der Absenkung der Quoren, wie Sie sie beispielsweise fordern, sehen wir die große Problematik, dass es sehr leicht wäre, dass die Interessengruppen in der Lage wären, Entscheidungen zu treffen und dabei Partikularinteressen über Gemeininteressen zu stellen. Dazu sagen wir sehr deutlich, dass wir das nicht mitmachen. Wir sagen ganz deutlich: Weniger ist manchmal mehr. Nicht immer ist in jedem Paket das enthalten, was auf der Verpackung steht. Es gibt nämlich auch Mogelpackungen. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab, verhehlen aber nicht, dass wir bereit sind, über die Gesamtthematik weiter im Gespräch zu bleiben, und zwar im Gespräch mit allen Fraktionen des Landtags.
Meine Damen und Herren, ich wünschte, unsere Fraktion wäre 40 Abgeordnete stark. Dann würden mir mehr Leute zuhören. Leider sind wir noch nicht so viele. Das kann aber alles noch kommen.
Ich möchte etwas zu der Befürchtung sagen, die immer wieder geäußert wird, dass die gewählten kommunalen Vertreterinnen und Vertreter
ich weiß, dass auch Sie diese Befürchtung haben, Herr Zuber – sozusagen in Ihren Aufgaben beschnitten werden. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall. Konkurrenz belebt das Geschäft. Das wissen Sie doch.
Sehen Sie doch einmal, wie es in Kaiserslautern gelaufen ist. Selbst ein Bürgerentscheid, der nicht erfolgreich war, weil die Hürde in Rheinland-Pfalz so hoch ist, hat letztlich zum Erfolg geführt. So wurde die Pfalzarena nicht gebaut.
Es spricht dagegen, dass die Hürde so hoch ist. Für die Menschen wäre es erträglicher gewesen, wenn der Bürgerentscheid erfolgreich gewesen wäre.
Das Schlimmste ist, dass sich mehr Menschen gegen den Bau der Pfalzarena ausgesprochen, als Menschen den Bürgermeister Deubig gewählt haben. Dennoch ist das eine Realität, und das andere gilt nicht. Wie wollen Sie das klarstellen?