Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt diese Gesetzesinitiative der Koalition von SPD und FDP. Wir halten sie für eine der wichtigsten Initiativen, nachdem das Polizeiund Ordnungsbehördengesetz damals auf Initiative von Walter Zuber auf eine neue Basis gestellt worden ist.

Ich will sechs Punkte erwähnen und herausgreifen, wo wir meinen, dass diese Gesetzesinitiative Wege geht, die wir von der Landesregierung aus zum einen Teil begrüßen und zum anderen Teil nachhaltig unterstützen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 hat ganz eindeutig den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und das Gebot der Achtung der Menschenwürde herausgestellt. Gleichzeitig hat es aber auch die Verfassungsgemäßheit der

akustischen Wohnraumüberwachung herausgestellt. Es hat allerdings die teilweise Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen der Strafprozessordnung fes tgehalten.

Wir hatten hier in diesem Hause zwei Debatten. Walter Zuber hat damals zur Besonnenheit gemahnt und dazu aufgerufen zu überlegen, wie wir mit dieser teilweisen Verfassungswidrigkeit umgehen, weil – das hatten Frau Kohnle-Gros und andere schon vorher gesagt – sich der Spruch des Verfassungsgerichts auf die repressive Situation, auf die Strafprozessordnung, bezogen hatte, nicht auf die Gefahrenabwehr, über die wir reden.

Damals war es in den Debatten der SPD-Fraktion, an denen ich teilgenommen habe, aber auch klar, dass man es nicht abwarten wollte, bis möglicherweise ein Spruch im Bereich der Prävention ergeht, Frau Grützmacher. Deswegen hat die Koalition hier diese Initiative ergriffen. Ich denke, das ist aller Achtung und aller Ehren wert.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Zur Grundlage dieses Gesetzentwurfs: Wie ist man mit dieser Frage umgegangen? – Es gab ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Was ich gut fand, es gab eine Expertenanhörung der SPD-Landtagsfraktion. An dieser habe ich teilgenommen. Man hat ein Positionspapier der Behörden- und Einrichtungsleiter der rheinlandpfälzischen Polizei hinzugenommen. Frau Kohnle-Gros, man hat dort auch den Straftatenkatalog ausführlich besprochen. Der ist also nicht irgendwo von Parlamentariern geboren, sondern er ist mit denjenigen besprochen, die dieses Gesetz anwenden müssen. Von daher ges ehen denke ich, ist der Straftatenkatalog, über den man immer streiten und reden kann, ausgewogen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Wir lesen auch!)

Ich will einen dritten Punkt aufnehmen, den das Gesetz vorsieht, einen ersten Leitgedanken. Der erste Leitgedanke des Gesetzes ist die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, wann wir also abschalten, wenn wir hören. Ich sage gleich noch eine Bemerkung dazu. Der Kollege Hohn hat einen Hinweis zu dieser Frage gegeben. Es gibt einen umfassenden Schutz und eine Begleitung des Gerichts vom Beginn bis zum Abschluss der Maßnahmen. Es gibt klare Regelungen zum Erhebungs-, Überwachungs- und Verwertungsgebot, also auch der Schutz des Amts- und Berufsgeheimnisses – ich erinnere an die Diskussion zum POG, die breit hier in diesem Raum stattfand – ist gewahrt, eine, wie ich finde, gute Lösung.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir haben die richterliche Kontrolle für die Löschungs-, Benachrichtigungs- und Kennzeichnungspflicht. Ich halte das für wichtig auch als ehemaliges Mitglied der Landesdatenschutzkommission, weil immer auch unser Datenschützer darauf hingewiesen hat: Passt auf, dass da nichts passiert! – Von daher denke ich, ist auch diese Überlegung des Gesetzentwurfs ausgewogen und gut.

(Beifall bei SPD und FDP – Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Ich komme zum zweiten Leitgedanken, der eigentlich der erste Leitgedanke war – wenn man so will – für die Innere Sicherheit, nämlich der Leitgedanke: Ist das das notwendige Instrument der Gefahrenabwehr, und ist es handhabbar in der Praxis?

Ich denke, dass die Funktion des Gefahrenabwehrrechts, hier die Verhinderung von Rechtsgutverletzungen, klar definiert ist: Die Schutzpflicht des Staates und damit das Problem der landläufig gemeinten bloßen Liveüberwachung – es geschieht gerade etwas und das überwache ich – wird verändert, indem wir sagen, wir können auch zeitversetzt überwachen. Herr Kollege Hohn hat es in einem Nebensatz gesagt.

Wir hätten sicherlich in Mainz und Bonn keine Aufklärung gehabt, wenn es nicht die zeitversetzte Möglichkeit gegeben hätte, Überwachung und dann Übersetzung sicherzustellen, weil wenige von unseren Polizistinnen und Polizisten auf Chinesisch mit dem Schwerpunkt „Mundart Kantonchinesisch“ eingerichtet sind. Da brauche ich schon jemand, der so etwas kann. Dies als willkürliches Beispiel.

Ich denke auch, die Schlussfolgerung der Notwendigkeit der Live- und der zeitversetzten Überwachung ist gut gelöst.

Meine Damen und Herren, den fünften Punkt will ich deutlich benennen. Frau Grützmacher, wir haben die begleitende richterliche Kontrolle, die ich für unabdingbar halte und die ein hohes Gut darstellt, auch für diejenigen, die diese Technik einsetzen müssen. Damit ist klar, es kommt neben der polizeilichen Überlegung ein zweiter hinzu, der fragt, ob das auch verhältnismäßig ist, ob es wirklich so ist, wie ihr mir das vorgetragen habt, ob es einem richterlichen unabhängigen Urteil standhält.

Wir haben die ständige Unterrichtung und damit eine Stärkung der richterlichen Überprüfungs- und Ordnungskompetenz.

Wenn ich ein Fazit für das Ministerium des Innern und für Sport und für die Landesregierung ziehen kann: Ich denke, es ist ein ausgewogener Gesetzentwurf. Wir haben eine sinnvolle Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Gefahrenabwehrbereich. Wir haben aber auch eine Fortführung bewährter Regelungen, und wir haben eine Berücksichtigung der polizeilichen Belange.

Als Letztes erlaube ich mir, Frau Grützmacher, ein Zitat des Verfassungsrichters Hassemer. Der Verfassungsrichter hat gesagt, des Bürgers Rufen nach Sicherheit heißt heute, der Bürger will den Staat als Partner der Sicherheit.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Sie agieren eher noch aus den 70er-Jahren, in denen der Staat die angebliche Unsicherheit geboren hat.

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Das ist nicht der Fall. (Beifall der SPD und der FDP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Das Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes wird an den Innenausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – Bürgerbeteiligung stärken – Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3080 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses – Drucksache 14/3889 –

Ich erteile dem Herrn Berichterstatter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 29. April 2004 ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss – federführend – und auch an den Rechtsausschuss überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 27. Sitzung am 13. Mai 2004, in seiner 28. Sitzung am 24. Juni 2004, in seiner 29. Sitzung am 16. September 2004 und in seiner 33. Sitzung am 17. Februar 2005 beraten.

In der 29. Sitzung am 16. September 2004 hat der Innenausschuss ein Anhörverfahren durchgeführt.

Da der federführende Innenausschuss die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen hat, fand eine Beratung im mitberatenden Rechtsausschuss gemäß § 83 Abs. 6 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags nicht statt.

Der Innenausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Die Fraktionen haben eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart.

Ich erteile für die Antrag stellende Fraktion Frau Abgeordneter Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Stärkung der Bürgerbeteiligung oder, um es etwas genauer zu sagen, zur Stärkung der Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger hat in der Anhörung bei den beiden Experten, die wir angehört haben – sowohl der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

vorgeschlagene Experte als auch der von der Regierungsfraktion FDP vorgeschlagene Experte –, nicht nur eine einhellige Zustimmung gefunden, sondern beide Experten sprachen auch ziemlich deutlich aus – sie haben dies so angedeutet –, dass sie sich eigentlich noch mehr an Beteiligungsmöglichkeiten wünschten, als dieser Gesetzentwurf vorsieht.

Umso bedauerlicher ist es, dass bei den beiden Koalitionsfraktionen – von der CDU hatte ich das auch nicht so erwartet – überhaupt keine Bewegung stattgefunden hat.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mehr Mitbestimmung durch die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz – nein danke, das ist die ganz deutliche Haltung von SPD und FDP.

(Hartloff, SPD: Nicht jeder Slogan trifft auch zu!)

In diesem Fall leider ja. Ich bedauere es sehr.

Meine Damen und Herren von SPD und FDP, dabei gibt es überhaupt keine einheitliche Linie: auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene. In Kaiserslautern und anderswo, also dort, wo es politisch opportun ist, weil gerade ein Bürgerentscheid wegen der hohen Quoren wieder gescheitert ist – – –

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Da, wo es opportun ist, setzen sich Ihre Parteien sehr lautstark für eine Herabsetzung der Quoren und für eine Verbesserung der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ein, die SPD genauso wie die FDP.

Meine Damen und Herren von SPD und FDP, auf Landesebene wollen Sie nichts davon wissen.

Auch auf Bundesebene setzen sich Ihre beiden Parteien, SPD und FDP, für die Stärkung der Mitbestimmung ein, zum Beispiel die FDP ganz besonders für die Abstimmung über die EU-Verfassung. Aber auf Landesebene sträubt man sich mit Händen und Füßen gegen eine Stärkung der Bürgerbeteiligung durch einen weniger restriktiven Bürgerentscheid.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Sie haben noch nicht einmal einen Änderungsantrag. Sie lehnen diese Verbesserung der Bürgerbeteiligung einfach ab, und sonst gar nichts.

Meine Damen und Herren, das passt alles nicht zusammen: auf der kommunalen Ebene ja, auf der Landesebene nein. Es verstärkt sich der Eindruck, dass die beiden Parteien es doch nicht so ernst meinen, wenn die Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen wollen.