Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Ach, Herr Kollege Hartloff, ich vermute mal, häufiger als Sie. Nur deshalb, weil Sie auch auf dieser falschen Fährte gewandelt sind, müssen Sie sich nicht in diesen Punkt verrennen.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Nein, nein, das ist ein Teil der Argumentation des Verfassungsgerichts!)

Nein, Entschuldigung. Jetzt hören wir mit dem Blödsinn einmal auf. Jeder baut sich sein eigenes Potemkin‘sches Dorf und fühlt sich ganz stark, wenn es dann zusammenfällt.

Es geht nicht um religiöse Symbole, sondern es geht um die politische Botschaft, die mit bestimmten Symbolen – – –

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also wirklich!)

Also wirklich, Frau Kollegin Grützmacher. Darum geht es. (Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie nennen Sie das denn?)

Es geht um die Symbole, die möglicherweise in ihrer Geschichte eine religiöse Quelle haben. Das ist gar nicht zu bestreiten. Es geht um die politische Botschaft solcher Symbole.

Der Verfassungsstaat hat nicht den Auftrag, religiöse Symbole zu sortieren und diese zu bewerten, aber er hat in einem Punkt nicht nur den Auftrag, sondern die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, tätig zu werden, nämlich dort, wo die politische Botschaft von Symbolen gegen unsere Verfassungsordnung verstößt; genau dort ist die Grenze zu ziehen.

(Starker Beifall der CDU)

Es geht bei der ganzen Debatte nur um diesen Punkt.

(Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wiechmann, wenn es dann beispielsweise in unserem Gesetzentwurf um eine unterschiedliche Behandlung zwischen dem Symbol des Kreuzes und dem Symbol des Kopftuchs geht, steht nicht im Entferntesten die religiöse Bewertung dieser beiden Symbole an, sondern es steht ausschließlich zur Debatte, ob die politische Botschaft dieser beiden Symbole

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

im einen Fall unserer Verfassungsordnung entspricht und im anderen Fall unserer Verfassungsordnung widerspricht. (Starker Beifall der CDU)

Da ich schon ahne, was als Nächstes hier vorgetragen wird, wäre ich wirklich dankbar, wenn wir uns aus wechselseitigem Respekt heraus gemeinsam auf diese sachliche Grundlage stellen könnten. Man kann dann in der Frage immer noch anderer Meinung sein, aber man würde dann das Thema zumindest ernst nehmen. Das habe ich bei den Vorrednern bisher ein wenig vermisst.

(Starker Beifall der CDU)

Zur Erwiderung erteile ich Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Böhr, genau das, was Sie mir vorgeworfen haben, tun Sie.

(Unruhe bei der CDU)

Sie vermischen religiöse und politische Symbole.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ging bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts explizit um das Kopftuch als ein religiöses Symbol. So steht es doch im Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie auf damit, uns vorzuwerfen, dass wir angeblich von einer Debatte ablenken würden, die Sie in Ihrer Fraktion führen, die wir aber in allen anderen Fraktionen genauso führen. Wir sind doch nicht blind.

(Unruhe bei der CDU)

Wir führen doch genauso eine Debatte um ein gutes, um ein besseres Zusammenleben zwischen unterschiedlichen Religionen. Sie haben selbst gesagt, dass Sie auf das Kopftuch als ein religiöses Symbol Bezug genommen haben. Nur darauf habe ich mich kapriziert. Es ist vollkommen klar, dass es unter Umständen sicherlich bei der einen oder anderen Lehrerin auch ein politisches Symbol sein könnte.

(Unruhe bei der CDU)

Wo kommt denn das Kopftuch her? Das Kopftuch stammt aus einem religiösen Zusammenhang. Genau das müssen wir in dieser Debatte einmal klarstellen.

(Zuruf des Abg. Böhr, CDU)

Doch, Herr Kollege Dr. Böhr, genau das müssen wir klarstellen. Dazu habe ich geredet.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion lehnt eine gesetzliche Regelung zum Kopftuchverbot, wie sie von der CDULandtagsfraktion vorgelegt wird, ab.

(Beifall bei FDP und SPD)

Nach meiner Einschätzung werden sich die sachlichen Grundlagen in dieser Debatte auch weiter etwas unterscheiden.

Den bisher auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeschlagenen Weg der Landesregierung, das vorhandene rechtliche Instrumentarium des Landes in potenziellen Konfliktfällen anzuwenden, sehen wir weiter als geeignet und als den weitaus pragmatischeren Weg an.

(Beifall bei der FDP)

Für die gesellschaftliche Diskussion und auch für die große Emotionalität in dieser Frage habe ich persönlich sehr großes Verständnis. Ich halte es auch für wichtig, diese Debatte zu führen. Gerade im Hinblick auf unsere Schulen muss man sich meiner Meinung nach mit dem zunehmenden religiösen Wandel und dem damit verbundenen Pluralismus offen auseinander setzen. Auswirkungen, Umgang mit Pluralismus und das Miteinander in den Schulen müssen gerade in den Schulen, die das gesellschaftliche Miteinander und auch die Werthaltungen kommender Generationen entscheidend beeinflussen, ständig neu diskutiert und erarbeitet werden.

Der Islam in seinen sehr unterschiedlichen Facetten verunsichert uns insbesondere auch seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Ich bin der Meinung, da liegen auch einige Befindlichkeiten.

Die Mehrzahl der Muslime, die in Deutschland leben, stehen in der Mitte unserer liberalen Demokratie. Sie stellen sich einem offenen Diskurs zu Grundwerten wie der Menschenwürde, der Gleichberechtigung und dem demokratischen Miteinander. Die, die wir tatsächlich fürchten, Extremisten und Islamisten, bleiben in der Regel im Verborgenen und klinken sich aus der Diskursgesellschaft aus.

Wenn der eigentliche Gegner unsichtbar bleibt, suchen wir uns eben gern sichtbare Symbole. Gerade auch das Kopftuch, das mit Sicherheit nicht nur als religiöses, sondern auch als weltanschauliches und politisches Symbol interpretiert werde kann, schafft die Möglichkeit, in dem Fall Ängste zu lokalisieren und zu symbolisieren.

(Beifall der FDP und der SPD)

Man kann in dieser Frage eine sehr exemplarische und symbolische Diskussion führen, aber die endet dann mitunter in einem Wettbewerb, bei dem man dann plötzlich zeigen muss, wie entschlossen man sich für unsere Demokratie einsetzt, für unsere demokratischen Grundwerte steht und wie entschieden man mögliche Gefahren für unsere Verfassung bekämpft. Das nimmt dann teilweise auch Auswüchse an.

Das ist allerdings nicht die Debatte, die man meiner Ansicht nach an dieser Stelle in politischer Verantwortung führen sollte. Das Tragen eines Kopftuchs wird im Einzelfall aus völlig unterschiedlichen Motiven heraus stattfinden. Es kann aus rein religiöser Überzeugung des Individuums getragen werden. Es kann aber auch tatsächlich vor einem Werthorizont getragen werden, der mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist, dies vor allem nicht mit dem der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Eine solche nach außen getragene Grundhaltung können wir in der Tat an uns eren Schulen nicht akzeptieren.

Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wollen, dass das Neutralitätsgebot eingehalten wird. Vor der bisherigen und sich auch weiter abzeichnenden Situation reicht allerdings das bisherige rechtliche Instrumentarium des Landes vollkommen aus, um in gegebenenfalls auftretenden Konfliktfällen und bei Verdachtsmomenten auf Verletzung des Neutralitätsgebots wirksam zu werden.

Wenn eine Muslimin mit der erkennbaren Absicht, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen, zur Einstellung in den Schuldienst ansteht, wird die Schulaufsicht die Bewerberin ebenso auf die Gefahren der Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern hinweisen wie auf die Möglichkeit der Störung des Schulfriedens und der Beeinträchtigung des Erziehungsauftrags der Schule. Die Bewerberin wird präventiv über ihre besondere Verpflichtung zur religiösen Neutralität belehrt, und sie wird auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots hingewiesen. Man kann sie dann auch schulaufsichtlich überwachen.

Es gab bisher eine einzige Bewerberin – der Kollege hat es gesagt – für das Lehramt in Rheinland-Pfalz, die beabsichtigt hat, im Rahmen ihres Referendariats weiter das Kopftuch zu tragen. Mit dieser Bewerberin hat die Schulaufsicht gesprochen. Sie hat daraufhin auf das Tragen des Kopftuchs im Unterricht verzichtet.

Wir wissen aus anderen Fällen, dass bei Nichteinhaltung religiöser Neutralität ein effektives schulaufsichtliches und dienstrechtliches Instrumentarium greift. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es zurzeit auch keine jungen Frauen muslimischen Glaubens, die sich um eine Stelle im Schuldienst bewerben und dabei ein Kopftuch tragen wollen.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihre Gespräche etwas einzustellen, damit der Geräuschpegel geringer ist. Ich danke Ihnen.